Fünf.

"The beginning is always today."

Mary Wollstonecraft

Dezember 1977

 Die Siebtklässler von Gryffindor und Ravenclaw versammelten sich morgens im Klassenraum für Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Denman hatte die Tische und Stühle beiseite geräumt, so dass in der Mitte eine große freie Fläche entstanden war, die die Schüler neugierig betrachteten. Aber wahrscheinlich hatte sich Denman wieder eine praktische Übung für sie einfallen lassen.

Und so war es dann auch. Denman schleppte mit Hilfe von James und Sirius aus seinem Büro eine riesige Truhe, die immer wieder anfing zu klappern und zu rappeln. „Guten Morgen", begrüßte Denman sie freundlich. „Wie ich Ihnen bereits am Anfang des Schuljahres bekannt gegeben habe, werden wir auch unsere Zeit nutzen um Stoff aus den vergangenen Jahren zu wiederholen, damit Sie so gut wie möglich auf Ihre UTZ-Prüfungen vorbereitet sind. Eigentlich wollte ich erst nach Ostern damit anfangen, aber jetzt bot sich gerade eine exzellente Möglichkeit noch mal Dunkle Kreaturen durchzugehen, denn ich konnte in den Kerker einen Irrwicht für Sie einfangen."

Wie zur Bestätigung rappelte die Truhe noch einmal laut, doch Denman ließ sich nicht davon beirren. „Wir teilen die Klasse in zwei Gruppen auf, denn ich möchte, dass wirklich jeder von Ihnen dem Irrwicht gegenüber tritt. Die eine Gruppe hat dann heute frei und kann die Zeit schon mal nutzen um an dem Aufsatz von letzter Stunde weiterzuarbeiten."

Die acht Gryffindors (Peter und Mary waren als Einzige nicht in dem UTZ-Kurs VgdDK) und Dorcas und Caradoc bildeten die erste Gruppe und blieben im Klassenraum.

Lily versuchte sich wieder zu vergegenwärtigen was sie über Irrwichte wusste. Sie hatten die Kreaturen im dritten Schuljahr durchgenommen und für eine Stunde hatten sie auch einen echten Irrwicht dort gehabt. Irrwichte waren Gestaltwandler, die immer die Form der größten Angst einnahmen, die die Person hatte, die ihnen gegenüberstand. Sie hassten Gelächter und nur so konnte man besiegen. Der richtige Zauberspruch lautete „Riddikulus".

„Stellen Sie sich dorthin", befahl Denman ihnen und zeigte auf einen Platz, so dass der Irrwicht sie nicht sehen würde. „Und Mr Black, Sie fangen an." Er winkte Sirius nach vorne vor die Truhe. „Sie kennen doch alle den Zauberspruch, oder?" Als alle nickten, richtete Denman seinen Zauberstab auf die Truhe und mit einem Schlenkern öffnete sie sich.

Der Irrwicht schoss sofort heraus und Sirius wich einen Schritt zurück, den Zauberstab dennoch fest erhoben. Ihm gegenüber stand nun sein Ebenbild, doch als Lily genauer hinsah, erkannte sie, dass sie Schuluniform des Irrwicht-Sirius das grüne Wappen von Slytherin trug und sich anschickte den linken Ärmel hochzurollen. Auf seinem Gesicht lag ein fieses Lächeln und die Augen schienen unglaublich dunkel und leer.

Doch Sirius brüllte schon „Riddikulus" und der falsche Sirius wich zurück, das Wappen färbte sich wieder rot und dann fiel er rücklings über die Kiste, was allen ein lautes Lachen entlockte.

„Miss Watson", rief Denman und Alice nahm Sirius Platz ein während Sirius sich wieder erleichtert zu James und Remus stellte.

Lily warf ihm noch einen Blick zu, wieder einmal hatte einer der Rumtreiber sie überrascht. Dass Sirius größte Angst es war so wie seine Familie zu sein, hätte sie nicht gedacht, aber es war dennoch passend. Sie wandte den Blick von Sirius wieder ab und sah zu Alice, deren Irrwicht sich nun in einen Dementor verwandelt hatte. Lily spürte die eisige Kälte die nun im ganzen Raum zu herrschen schien und konnte ein Zittern nicht unterdrücken, doch dann jagte Alice den Irrwicht schon wieder davon.

Als nächstes war Sophia an der Reihe, die Lily noch ein selbstsicheres Grinsen schenkte. Aber auch das war schnell von ihrem Gesicht weg gewischt als sich der Irrwicht auf Sophia konzentrierte. Lily wusste ganz genau was Sophias größte Angst war, als eine von zwei Personen in Hogwarts kannte sie die ganze Geschichte und sie wusste auch, dass Sophia für die nächsten Tage total fertig sein würde.

Tatsächlich formte sich aus dem Dementoren nun wieder ein Mensch in einem Arztkittel und müdem Gesicht. Er sah eigentlich ganz normal aus, wenn nicht seine blutigen Hände gewesen wären. „Riddikulus", schrie Sophia laut, es war fast schon ein Kreischen, aber es wirkte. Doch ihrem Gesicht war anzumerken wie froh sie war, dass Remus nun ihren Platz eingenommen hatte.

Lily drückte nur kurz beruhigend Sophias Hand, denn sie wusste, dass Sophia in diesen Momenten am liebsten niemanden um sich haben wollte. Und so sah Lily wieder zu Remus, auch wenn sie nicht so ganz verstand was seine größte Angst war. Denn vor Remus standen James, Sirius und Peter und in ihren Gesichtern zeigte sich nur blanker Hass. Sie verstand nicht genau was sie sagten, doch Remus Hand zitterte deutlich als er den Zauberstab hob.

„Mr Potter." Denman winkte nun James in die Mitte um sich dem Irrwicht zu stellen.

Ein erschrockenes Aufkeuchen entfuhr Lily und sie schlug sich die Hand vor den Mund als sie James größte Angst erkannte. Vor James Füßen lagen nämlich nun Sirius, Remus, Peter, Sophia, zwei ältere Menschen, die wahrscheinlich seine Eltern waren und seine anderen Freunde auf einem großen Haufen. Und sie allen waren tot.

Doch das was sie am meisten mitnahm, war der Anblick ihres eigenen toten Körpers, der ganz zuoberst lag. Ihre roten Haare fielen wie ein dichter Schleier um ihr blasses Gesicht, das mit Blut verschmiert war und ihre grünen Augen waren leblos.

James Gesicht war aschfahl und in diesem Moment sah er zehn Jahre älter aus als er seinen Zauberstab hob und den Spruch murmelte. Es brauchte mehrere Anläufe, seine Stimme brach, doch dann erhoben sich alle wieder und lächelten James fröhlich zu.

„Miss Evans." Lily stolperte mehr als dass sie ging in die Mitte. James packte sie an der Schulter um sie gerade zu halten und die Berührung durchzuckte sie wie ein Stromstoß, während James sie schnell wieder losließ und sie erstaunt ansah.

Doch sie hatte keine Augen mehr für James, sondern richtete ihren Blick auf den Irrwicht, der sie nun bemerkt hatte. Lily merkte kaum wie James sich wieder zu den anderen stellte. Alles was sie sah war ihre Schwester die ihr nun gegenüber stand, die aschblonden Haare makellos und Abscheu in den wässrigen Augen. Doch dann tauchten daneben ihre Eltern auf und dann Sophia.

Lily wusste was sie sagen wollten, hörte ihre Stimmen in ihrem Kopf echoen. Aber sie würde das nicht zulassen. „Riddikulus", rief Lily und der Irrwicht wich zurück. „Riddikulus. Riddikulus."

Sie war so unglaublich froh als sie wieder zurück treten durfte und Dorcas ihren Platz in der Mitte einnahm. Mit einem Mal verstand Lily auch wo vor Remus Angst hatte, sie beide fürchteten die Ablehnung und den Hass der anderen. Aber im Gegensatz zu Petunia, hassten die Jungen Remus wirklich nicht. Aber Ängste konnten stark sein, das wusste sie.

Vom Rest der Stunde bekam Lily ausnahmsweise nicht mehr viel mit. Ihre Gedanken tobten wie ein Wirbelsturm durch ihren Kopf, immer wieder schwankend zwischen Petunia und dem Bild ihres eigenen toten Körpers.

Es schien als hätte sie mit einem Mal wieder eine ganz andere Seite an James gesehen und wieder hatte er es geschafft ihr Bild von ihm ganz neu zu zeichnen. Jeden Tag kam etwas Neues hinzu, dass alles anders erschienen ließ.

Was war aus dem alten James geworden? In solchen Momenten schien er so weit weg, aber irgendwie mochte Lily es wenn sie neue Seiten an ihm entdecken konnte.

Vom alten James hätte sie erwartet, dass sich seine Angst irgendwie um ihn selbst drehte, doch das sein größte Angst war, dass er die Personen verlieren könnte, die ihm am meisten etwas bedeuteten, zeigte nur wie wichtig sie ihm waren. Und wie fertig er danach ausgesehen hatte.

Doch was die Gedanken in ihrem Kopf nicht mehr zur Ruhe kommen ließ, war die Tatsache, dass sie auch dabei war. Sophia hatte ihr zwar gesagt, dass James sie mochte und eigentlich wusste es sie ja auch selbst, so wenig sie sich dass eingestand, aber seine größte Angst zu sehen, war etwas ganz anderes. Es schien als ob seine Gefühle noch tiefer waren als ihr bewusst war und das wiederum machte ihr Angst.

Sie war schon einmal von jemand enttäuscht worden, der sie hatte lieben sollen und sie wusste, dass mit der Liebe Verletzlichkeit kam, man machte sich plötzlich angreifbar.

Aber gleichzeitig hatte ihr James auch gezeigt, dass es ihm ernst war, etwas was Lily wieder ein bisschen beruhigte.

Doch alle Gedanken an Liebe, Verletzlichkeit und James waren wie weggeblasen als Denman den Unterricht endlich beendete, sehr zu Lilys Überraschung die nicht mehr mitbekommen hatte wie Marlene, Frank und Caradoc sich dem Irrwicht gestellt hatten.

„Ich hoffe Sie haben heute viel gelernt", sagte Denman gerade. „Nicht nur über Irrwichte, sondern auch über sich selbst. Lassen Sie ihre Feinde nicht Ihre Schwächen kennen lernen, sie können zu einer gefährlichen Waffe werden." Seine Stimme hatte für einen winzigen Moment drohend geklungen, doch dann lachte er. „Tut mir Leid, da sprechen die ganzen Jahre als Fluchbrecher und Abenteurer aus mir. Der Unterricht ist beendet."

Sophia war die Erste die das Klassenzimmer verließ und in dem Gewirr der anderen Schüler verschwand. Lily hatte so eine Ahnung wohin sie verschwinden würde, doch sie wusste auch, dass Sophia jetzt mit keinem sprechen wollte.

Allgemein waren alle ziemlich ruhig, denn alle schienen mit den Gedanken noch bei der Stunde zu sein. Als sie zum ersten Mal dem Irrwicht gegenüber gestanden hatten, waren ihre Ängste noch so viel simpler und einfacher zu besiegen gewesen. Clowns, Spinnen und schlechte Noten, das waren ihre größten Sorgen gewesen. Doch jetzt war Krieg und sie waren dabei erwachsen zu werden, ihre Sicht auf die Dinge und die Welt hatte sich verändert. Nun waren ihre Ängste dunkel und wahrhaft furchteinflößend, ein Spiegelbild für den Weg, den ihre Welt nahm.

***

Statt zum Mittagessen zu gehen, schnappte Lily sich nur ein paar Sandwiches und lief hinunter zum Seeufer. Morgens hatte es angefangen zu schneien und Hogwarts war mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt, die in den nächsten Tagen nur noch dicker werden würde.

Tatsächlich stand eine einzelne Figur dort und starrte auf die dunkle Seeoberfläche. Lily stellte sich neben Sophia und reichte ihr eins der Sandwiches, das Sophia zwar nahm, aber nichts von aß.

„Ist dir nicht kalt?" Sophia trug schließlich nur ihre Schuluniform.

„Wärmezauber", war Sophias schlichte Antwort. „Ich bin ja nicht doof."

Unter anderen Umständen hätte diese Antwort Lily ein Lächeln entlockt.

„Sie mochte Seen", fuhr Sophia fort, „und das Meer."

Lily schwieg, Sophia würde schon reden wenn sie wollte. So lange würde Lily eben warten.

„Manchmal hasse ich die Magie, weißt du?" Sophia zerkrümelte die Rinde des Brots in ihren Händen. „Weil sie doch so allmächtig ist, dabei kann sie Eleanor auch nicht helfen. Nichts kann ihr helfen. Ich weiß das", sagte sie mit Nachdruck und noch mehr Krümel fielen zu Boden. „Ich weiß es und ich will es nicht wahrhaben. Weil irgendwo doch die Chance sein könnte, dass sie doch aufwacht."

Eleanor Jones war Sophias um ein Jahr ältere Schwester, die seit einem Autounfall vor mehr als sieben Jahren, der beinahe die ganze Familie ausgelöscht hatte, im Koma lag.

„Die Ärzte haben Mum und Dad wieder mal gesagt, dass sie die Maschinen ausstellen sollen, dass es besser wäre wenn Eleanor in Ruhe sterben kann", murmelte Sophia. „Dad ist dafür, er kann es nicht mehr mit ansehen."

Lily hatte nur Fotos von Sophias Schwester gesehen, damals als beide Jonesmädchen noch klein gewesen waren. Sie sah Sophia so unglaublich ähnlich, dass man denken könnte sie wären Zwillinge. Eleanor war Sophias großes Idol gewesen und Lily wusste, dass Sophia ihre Schwester jeden Tag vermisste.

„Manchmal denke ich auch es wäre besser für sie, weil es ist kein Leben wenn man so vor sich hin vegetiert, aber was wenn wir sie sterben lassen und dann findet jemand Heilung?", fragte Sophia. „Wenn der Arzt zu uns kommt und uns sagt, dass wir sie doch hätten retten können?"

Lily biss sich auf die Unterlippe. Sie stimmte Sophias Vater zu, es wäre besser wenn man Eleanor in Frieden sterben lassen würde. Aber gleichzeitig schämte sie sich für diesen Gedanken, denn wie konnte sie sich schon anmaßen so darüber zu entscheiden wenn sie nicht in Sophias Lage steckte? Sie war nicht diejenige die ihre Schwester verloren hatte, sie war diejenige mit einer Schwester, die sie hasste.

„Ihr werdet schon die richtige Entscheidung treffen", erwiderte Lily leise. Es war besser als nichts zu sagen. „Es tut mir Leid, dass ich dir nicht mehr helfen kann, aber ich will mir nicht anmaßen dir in solch einer Sache zu sagen was du -ihr- tun sollt."

Zum ersten Mal sah Sophia zu Lily herüber. „Es hat mir mehr geholfen als du denkst. Alle Leute versuchen einem immer zu sagen was man tun soll, dabei haben sie keine Ahnung. Es reicht schon wenn du da bist."

Lily lächelte. „Aber immer doch."

„Sophia?", sagte eine Stimme hinter ihnen und beide Mädchen drehten sich um. Ein paar Meter entfernt stand Sirius, die Hände in den Taschen seiner Jacke vergraben und die schwarzen Haare voller Schneeflocken.

Erst da fiel Lily wieder ein, dass die einzig andere Person die Sophias Geschichte kannte, Sirius war. „Ich gehe dann wieder zurück", sagte Lily. „Oder soll ich hier bleiben?"

„Nein, es geht schon wieder", erwiderte Sophia. „Danke, dass du gekommen bist."

Und so stapfte Lily durch den Schnee wieder zurück zum Schloss. Als sie sich noch einmal umdrehte, sah sie nur zwei dunkle Silhouetten im Schneegestöber und sie hörte schwach ein Lachen. Mit einem Lächeln auf den Lippen lief sie weiter.

***

Ein paar Tage später saß Lily abends auf ihrem Bett und las noch im Schein ihres Zauberstabes. Marlene und Alice waren noch unterwegs, während Sophia in einen erschöpften Schlaf gefallen war und Mary ebenso wie Lily las.

„Was machst du eigentlich in den Weihnachtsferien?", fragte Mary sie plötzlich.

Lily sah von ihrem Buch auf und ließ das Licht ein bisschen heller strahlen. Mary sah sie freundlich an und in den braunen Augen erkannte Lily nur ehrliches Interesse. Zwar hatten sechseinhalb Jahre im gleichen Schlafsaal nicht ausgereicht um eine wirklich starke Freundschaft zu formen, aber Lily mochte Mary dennoch gerne. Sie war genauso vernünftig wie Lily und im Gegensatz zu Sophia, Marlene und Alice auch ruhiger.

„Ich fahre zu meiner Familie", seufzte Lily. „Dieses Jahr feiern wir mit dem Mann meiner Schwester zusammen."

Ein Lächeln erschien auf Marys Lippen. „Klingt ja nicht so begeistert. Ich fahre auch wieder heim. Allerdings ist dieses Jahr Marcus zum ersten Mal dabei. Ich hoffe meine Familie zerfleischt ihn nicht."

„Marcus ist doch ein netter Kerl", beruhigte Lily sie. „Deine Familie wird ihn schon mögen." Im Vergleich zu Vernon war Marcus tausendmal besser, aber das war auch nicht schwer. Auch wenn Marcus wirklich nett war.

Für eine winzige Sekunde stellte Lily sich vor wie sie James ihren Eltern vorstellte und was diese wohl vom ihm halten würde, doch sie schüttelte den Kopf um den Gedanken ganz schnell wieder zu vertreiben.

„Naja eigentlich kann es mir auch egal sein, was meine Familie von ihm denkt", überlegte Mary laut. „Schließlich bin ich diejenige die mit ihm zusammen ist."

Manchmal hätte Lily echt gerne Marys fröhliches Selbstvertrauen, denn Mary schaffte es in jeder Situation etwas Positives sehen. „Wenn alle in deiner Familie so nett sind wie du, dann dürfte es doch keine Probleme geben." Sie lächelte Mary zu.

Mary musste leise lachen. „Danke, Lily."

„Keine Ursache." Danach verfielen beide Mädchen wieder in Schweigen und wandten sich ihren Büchern zu. Doch Lily konnte sich nicht wirklich auf die Wörter konzentrieren, denn ungefragt schob sich immer wieder James in ihre Gedanken. Manchmal wäre das Leben ohne ihn echt einfacher, aber in letzter Zeit fand sie immer wieder, dass sie die Momente mit ihm nicht missen wollte, dass sie ihn in manchen Momente sogar ein bisschen vermisste.

Irgendwann musste sie trotz ihrer nicht ruhenden wollenden Gedanken eingeschlafen sein, denn als sie aufwachte lag ihr Buch auf dem Nachttisch und jemand hatte sie zugedeckt. Wahrscheinlich Marlene oder Alice.

Aber sie hatte den Schlaf auch nötig gehabt, denn in Zaubertränke wollte Slughorn sie heute prüfen und Lily wollte wie immer eine gute Note bekommen. Vor dem Unterricht las sie noch einmal ihre Notizen durch, während Marlene, Alice, Sophia und Peter die Stunde Geschichte der Zauberei, die sie davor hatten, nutzten um noch einmal wirklich für den Test zu lernen.

Zaubertränke hatten sie leider mit den Slytherins zusammen, die in den letzten Wochen noch gehässiger und überheblicher geworden waren als sie die ganzen Jahre zuvor schon gewesen waren. Sie ließen keine Gelegenheit aus um die Gryffindors zu beleidigen, auch wenn keine Angriffe mehr stattfanden. Die Rivalität zwischen den beiden Häusern, immer wieder angefeuert durch die Streiche der Rumtreiber und Quidditchspiele, schwelte die ganze Zeit.

Die Slytherins warteten bereits vor dem Kerker, während Slughorn noch nicht in Sicht war. Lily bemerkte wie die James, Sirius, Sophia und Marlene die Hände über ihre Zauberstäbe legten, falls die Slytherins irgendetwas wagen sollten.

„Na, hast du dich von dem Überfall schon wieder erholt?", fragte Phillipa Goyle Sophia spöttisch und ihre Freundin Alecto Carrow kicherte laut.

„Neidisch, dass ich immer noch besser aussehe als ihr beide?", erwiderte Sophia in einem gelangweilten Tonfall, doch ihre Augen blieben wachsam auf Alecto und Phillipa gerichtet.

Alectos kleine Augen verengten sich noch mehr, doch ihre schmalen Lippen verzogen sich zu einem höhnischen Lächeln. Mit dem dunklen Haar und dem teigigen Gesicht war sie wirklich keine Schönheit und Phillipa hatte Schweinsäuglein und ihr Doppelkinn quoll über der Krawatte hervor. Leider waren sie auch genauso fies wie hässlich.

„Es kann nicht jeder so eine Schulschlampe wie du sein", zischte Alecto. „Ich will nicht wissen in wie vielen Betten du dich schon herumgetrieben hast, Schlammblut."

Kaum hatte Alecto ausgesprochen, hatten Sirius, James und Marlene auch schon ihre Zauberstäbe gezückt, während Alice, Frank und Remus kurz davor waren. Nur Sophia blieb gefährlich ruhig. Lily hatte bei der Beleidigung erschrocken aufgekeucht, aber sie hatte noch die Hoffnung, dass sich das ganze friedlich regeln ließ.

Sophia trat einen Schritt auf Alecto zu. Sie mochte zwar mit vielen Jungen geschlafen haben, doch das gab noch keinem das Recht sie als Schlampe zu bezeichnen. Es war ihr Leben und sie konnte tun was sie wollte. „Und selbst wenn, was geht dich das an, Alecto? Du wirst sowieso keinen abbekommen in deinem Leben, also halt die Klappe."

„Das hättest du wohl gerne", mischte sich jetzt Mulciber mit einem dreckigen Grinsen ein. „Wenn du nicht so ein kleines Schlammblut wärst, dann –"

Weiter kam er nicht, denn jetzt deutete Lilys Zauberstab auf seine wertvollsten Teile. „Hör auf oder ich verhexe dich. Ich kann verdammt gut zielen." Lily war normalerweise sehr friedliebend, aber wenn jemand ihre Freunde beleidigte, dann warf sie schon mal alle guten Vorsätze über Bord. Für ihre Freunde würde sie so ziemlich alles tun.

Mulciber lachte nur, während auch Wilkes, Macnair, Snape und Phillipa ihre Zauberstäbe zogen und auf die Gryffindors richteten. „Was willst du schon ausrichten?"

„Das hier." Leise flüsterte sie den Zauberspruch und aus ihrem Zauberstab schossen jede Menge Flederwichte, die sich sofort auf Mulciber stürzten, der mit einem lauten Schrei zusammen sackte und versuchte die Flederwichte zu vertreiben. Ein zweiter Schwarm flog auf Alecto zu und verfing sich in ihren Haaren.

„Lily!", hallte es mehrfach von den Kerkerwänden wieder und ihre Freunde drehten sich geschockt zu ihr um. Nur Sophia grinste Lily stolz an.

„Was?" Lily verdrehte die Augen als die anderen sie entgeistert anstarrten. „Ich kann doch nicht tatenlos zusehen wie sie Sophia beleidigen?"

„Wo sie Recht hat, hat sie Recht", stellte Marlene schulterzuckend fest. Auch auf ihrem Gesicht erschien ein Grinsen. „Wer möchte sich noch mit Lily anlegen?"

Doch die Slytherins wurden einer Antwort enthoben, denn Slughorn bog um die Ecke und schnell löste Lily den Fluch bevor er ihn sehen konnte. So hatte Slughorn mal wieder keine Ahnung und bemerkte auch nicht die angespannte Stimmung zwischen den Schülern. „Kommen Sie nur herein, immer herein. Oder habe ich etwas verpasst?" Er sah sie arglos an.

„Nein, überhaupt nicht", erwiderte James bevor jemand anderes es tun konnte.

Slughorn lächelte nur beruhigt und ging dann voraus in den Kerkerraum, während die Schüler ihm folgten.

Als Lily durch die Tür trat, stand Mulciber neben ihr und bevor jemand es merken konnte, hatte er sich zu ihr hinuntergebeugt. „Fühl dich ruhig sicher", flüsterte er. „Aber wir werden euch alle erwischen."

Ein eiskalter Schauder lief über Lilys Rücken, doch sie ließ sich nichts anmerken und auch Mulciber hatte sich blitzschnell von ihr entfernt.

Lily passierte James auf dem Weg zu ihrem Tisch und streifte ihn nur leicht, doch er spürte es genau und ihm stieg der Duft ihres Parfüms in die Nase. Dieses Mädchen überraschte ihn immer wieder und bei dem Anblick wie sie mutig Sophia verteidigt hatte, hatte er sich noch ein kleines bisschen mehr verliebt in sie.

„Du warst genial", flüsterte er ihr noch zu.

Lily schenkte ihm ein winziges Lächeln und ihre Augen funkelten, während die Kälte von Mulcibers Berührung wieder schwand.  „Danke."

***

Das Wochenende kam mit riesigen Schritten näher, bei den ganzen Sachen die in der letzten Woche passiert waren, hatte Lily kaum bemerkt, dass die Zeit so schnell vergangen war. Es war wieder einmal ein Hogsmeadewochenende, aber Lily hatte nur geplant kurz dorthin zu gehen und die letzten Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Die anderen Mädchen hatten ihre eigenen Pläne und würden bestimmt den ganzen Tag unterwegs sein, aber dann würde Lily wenigstes ein bisschen Ruhe haben. Die Lehrer hatten ihnen vor Weihnachten noch mal Berge an Hausaufgaben gegeben, die sie dringend machen musste, außerdem konnte sie dann ja auch schon mal mit der Wiederholung für die UTZ-Prüfungen beginnen, schließlich waren sie schon in einem halben Jahr und es waren die wichtigsten Prüfungen ihrer ganzen Schulzeit.

Mittlerweile ging es auch Sophia wieder besser, vor allem seitdem Lily sie gegen die Slytherins verteidigt hatte. Lockhart hatte sie mal wieder nach einem Date gefragt, doch sie hatte kurz und bündig abgelehnt und hatte ihn dann auf dem Gang stehen gelassen als er es nicht kapiert hatte, wie sie unter großen Gelächter abends ihren Freundinnen erzählte.

Wie so oft freitags verbrachten sie den Abend zusammen im Schlafsaal der Gryffindormädchen und erzählten sich die neuesten Geschichten. Dieses Mal war auch Mary dabei, da ihr Freund sie für den Abend sich selbst überlassen hatte, weil das Quidditchteam von Ravenclaw noch eine wichtige Besprechung vor Weihnachten hatte. Aber da sie momentan auf dem letzten Platz waren, war das vielleicht auch nicht so schlecht, wie Dorcas meinte.

Auf jeden Fall hatten die sechs Mädchen ihren Spaß und sie schliefen erst spät ein. Dennoch war Lily am morgen die einzige die noch im Schlafsaal war. Gemütlich machte sie sich fertig und frühstückte in aller Ruhe während rund um sie herum schon Hektik ausbrach weil der Hausmeister bald die Tore öffnen würde.

Lily lief nur noch mal nach oben um ihre Tasche zu holen, als sie im Gemeinschaftsraum mit jemanden zusammen stieß. Es war James, sein Haar wild wie immer und schon in seiner dicken Jacke zusammen mit einem Gryffindorschal um den Hals. „Was machst du denn noch hier?", fragte er nachdem er sich für den Zusammenstoß entschuldigt hatte. „Die anderen Mädchen sind doch schon alle in Hogsmeade."

„Sie haben alle schon etwas vor", erklärte Lily. „Aber das passt mir ganz gut, dann kann ich noch in Ruhe meine Einkäufe erledigen und dann in Ruhe lernen."

„Es ist ein viel zu schöner Tag zum Lernen", widersprach James vehement. „Das kann ich nicht zulassen." Er lächelte sie an. „Komm wir gehen zusammen nach Hogsmeade." Die Worte waren ihm herausgerutscht, bevor er wirklich darüber hatte nachdenken können und jetzt sah er Lily abwartend an. Wahrscheinlich hatte er sowieso wieder alles  kaputt gemacht.

Lily biss sich auf die Unterlippe und ihr Blick fiel zum Fenster, es schneite, während gleichzeitig die Sonne schien, es war wirklich ein schöner Tag. Dann sah sie wieder zu James, der sie so unglaublich hoffnungsvoll ansah, während er sich im selben Moment zu verfluchen schien.

Dann fielen ihr wieder all die schönen Momente mit James ein. Wie er sie zum Lachen gebracht hatte, ihre ganzen Gespräche und wie glücklich sie war. „Nur wir beide?"

„Wenn du willst", antwortete James zögerlich. Er schien die Luft anzuhalten.

Sollte sie ja sagen? Gib ihm wenigstens eine Chance. Sophias Worte, eingebrannt in ihr Gedächtnis.

Vielleicht hatte James sie aber auch ein bisschen wagemutiger und freier gemacht.

„Ja."

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Dass das Kapitel so geworden ist, habt ihr

1. Mondschimmer und dem Lied How to save a life von The Fray, dass beim Schreiben in Dauerschleife lief (vor allem während dem ersten Teil des Kapitels)

2. salira und weil sie wissen wollte, was hinter Sophias Angst steckt und dem Kommentar über Schwachpunkte

3. SleepyBastille und dass ich mal wieder gemerkt habe, dass Slytherins mal wieder ziemlich grausam sind (schaut am besten einfach mal in ihre Geschichte Billie King hinein, dann wisst ihr was ich meine)

4. dem Valentinstag

5. und zu guter Letzt, der Tatsache, dass meine Figuren mal wieder ein Eigenleben führen und ich gerne mal meine Pläne über den Haufen schmeiße

zu verdanken :D Ich hoffe es gefällt euch (vor allem das Ende, obwohl ich mir da nicht so sicher bin ob das nicht zu früh ist) ...

veröffentlicht: 03/2014 | editiert: 01/02/2022

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