Elf.
Elf.
"Love does not begin and end the way we seem to think it does. Love is a battle, love is a war; love is a growing up."
— James Baldwin
“A straight line may be the shortest distance between two points, but it is by no means the most interesting”
- Third Doctor
April 1978
Eine winzige Gestalt huschte durch die dunklen und verlassenen Gänge der Schule. Sie verschmolz geradezu mit den Schatten und war so leise, dass niemand sie hörte. Peter hatte sich wieder einmal aus dem Schlafsaal geschlichen, die anderen Jungen schliefen tief und fest, so dass niemand sein leeres Bett bemerken würde. In mehr und mehr Nächten schlich er sich davon, einfach weil er sich bei den Slytherins fast schon wohler fühlte als bei seinen eigenen Freunden.
Sie waren zwar immer noch seine Freunde, aber sie waren mittlerweile mehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt und es war schwer Zeit als Rumtreiber zu finden. Sie waren nicht mehr die vier kleinen Jungen, in deren Leben sich alles um den nächsten Streich drehte. Sie waren erwachsen geworden, selbst James und Sirius und der Krieg änderte tagtäglich alles.
Was er schon damals gemerkt hatte, aber immer wieder vergessen und unterdrückt hatte, war, dass Peter der Außenseiter unter den Gryffindors war. Er war nicht so gut und beliebt wie die anderen drei, auch wenn er einer der Rumtreiber war. Und er würde nie so gut sein wie sie, wenn er bei ihnen blieb.
Peter tauchte tiefer in das Gewirr der Kerker ein, inzwischen kannte er sie wie seine Westentasche. Bald hörte er leise Stimmen und wusste, dass er auf dem richtigen Weg war. Wie meistens fand er Regulus Black, Alexander Mulciber, Emmett Wilkes und Barty Crouch jr vor.
Regulus trat hervor und begrüßte Peter, denn er war so etwas wie der offizielle Anführer ihrer Gruppe, auch wenn er jünger als alle anderen war. Aber er war ein Nachkomme der Blacks, einer der mächtigsten, wenn nicht sogar die mächtigste, reinblütige Familie ihrer Zeit. Noch nicht mal Sirius Rebellion hatte ihnen viel geschadet, dennoch versuchte Regulus alles um die Ehre seiner Familie aufrecht zu erhalten.
Heute Nacht hatte Peter keine neuen Informationen für die Slytherins. Regulus sah Peter enttäuscht an und Peter schwor sich, dass er beim nächsten Mal wieder Informationen haben würde. Er würde Regulus und die anderen nicht enttäuschen.
„Es bringt doch eh alles nichts“, murrte Mulciber. Mit jedem Tag, der verging, wurde er immer mürrischer und sprach fast nur noch davon wie er bald offiziell zu einem von Lord Voldemorts Anhängern wurde.
„Halt die Klappe“, zischte Regulus. „Du weißt warum wir das alles hier machen. Alles hilft dabei die Schlammblüter aus unserer Welt zu verdrängen.“
„Und warum hat der alte Narr Dumbledore dann immer noch nichts getan?“, hielt Mulciber dagegen.
„Weil er immer noch in das Gute im Menschen glaubt.“ Wilkes lachte gehässig. „Deshalb sind wir ja auch immer noch hier. Er würde uns nicht von der Schule schmeißen.“
„Kann mir egal sein“, sagte Mulciber. „Nicht mehr lange und ich bin sowieso weg. Was soll ich noch hier, wenn ich auch draußen sein kann und was Richtiges tun kann?“
Wilkes sah ihn bewundernd an, doch Regulus schüttelte den Kopf. „Ist ja schön und gut, aber könnten wir bitte darüber reden wie euer letzter Angriff schiefgegangen ist? Ihr könnt froh sein, dass sich das kleine Schlammblut nicht an euch erinnert.“ Seine grauen Augen, die Peter so sehr an die von Sirius erinnerten, blitzten wütend auf.
Und so sehr sie erwachsen klangen oder es zumindest versuchten, konnte Peter doch in diesem Augenblick nicht vergessen, dass sie eigentlich noch so jung waren.
***
Der Kuss zwischen Lily und James war das Schulgespräch in den nächsten Tagen und sogar Wochen. Alles sprach darüber wie James Potter endlich Lily Evans herumgekriegt hatte. Ihre Freunde wollten alles von ihnen wissen und zogen sie stundenlang auf, freuten sich aber mit ihnen. Von den Slytherins kamen eher so Sprüche wie viel James denn wohl bezahlt habe, damit Lily endlich mit ihm ausginge oder dass das Schlammblut es nicht wert sei.
Immer wenn Lily nicht dabei war, verfluchte er denjenigen, denn auch wenn er Schulsprecher war und vernünftig sein sollte, ein kleiner Teil von ihm konnte es nicht zulassen, dass ein Slytherin mit einer solchen Bemerkung ungestraft davon kommen sollte. Außerdem beleidigten die Slytherins seine Freundin und das war etwas was er aus Prinzip schon nicht ungestraft lassen konnte. Aber er hatte immer noch Lilys Stimme im Ohr und hielt sich etwas zurück, anders als früher.
Nur weil er jetzt mit Lily zusammen war, bedeutete das nicht, dass er auf einmal ein komplett anderer Mensch war, der nichts mehr mit dem alten James gemein hatte. Natürlich hatte er sich verändert, aber keine Person auf der Welt war es wert sich selbst zu verleugnen. Dieses Jahr hatte ihn erwachsen werden lassen.
Der letzte Schnee auf den Ländereien von Hogwarts schmolz und der Frühling streckte zaghaft seine Fühler aus. Von dem schönen Wetter sahen die Siebtklässler kaum etwas, denn sie verbrachten die meiste Zeit damit in der Bibliothek zu sitzen und zu lernen oder sie stöhnten unter der wahnwitzigen Last der Hausaufgaben, die ihnen die Lehrer gaben um sie auf die UTZ vorzubereiten.
Insbesondere Lily schien nichts anderes mehr zu machen als zu lernen und fauchte jeden an, der sie dabei stören wollte. Mittlerweile lernten lieber alle freiwillig als sich Lilys Ärger zuzuziehen. Sogar James sah man lernen, während Sirius eher die Anatomie anderer Mädchen studierte und nur gerüchteweise mit einem Buch gesehen wurde.
„Lily?“, fragte James eines abends vorsichtig. Sie hatten in der Bibliothek gesessen und wie immer gelernt, doch Madam Pince schmiss jetzt so langsam alle Schüler hinaus, aber Lily machte keine Anstalten zu gehen. „Meinst du nicht du hast für heute genug gelernt?“
„Nein“, fauchte sie ihn an. „Ich muss noch die letzten Sachen für Zaubertränke lernen und mein Aufsatz für Zauberkunst könnte noch ein paar Zoll gebrauchen. Ich bin schon mit meinem Plan hinterher.“ Sie sah noch nicht mal von ihren Sachen auf.
James seufzte. Dieser Plan von Lily war noch etwas, was ihn total verrückt machte. Sie hatte sich einen genauen Plan aufgestellt was sie wann lernen musste um sich optimal auf die Prüfungen vorzubereiten und daran hielt sie sich auch strikt. „Du bist doch sowieso die schlaueste Hexe, es muss doch langsam mal reichen.“
Endlich sah Lily von ihrem Pergament auf. „Nein, es reicht eben nicht. Ich brauche die guten Noten, ich bin muggelstämmig und habe keinen Namen so wie du oder Sirius der mir alle Türen öffnet! Und wenn ich mich jetzt nicht an den Plan halte, schaffe ich mein Pensum nie“, sagte sie scharf. „Also lass mich bitte in Ruhe lernen.“
„Willst du sagen, dass mir alles auf einem goldenen Tablett serviert wird, nur weil ich ein Potter bin?“, erwiderte James ebenso scharf.
Lily rieb sich die Schläfen. „Nein, so habe ich das nicht gemeint, ich bin einfach nur müde. Es tut mir Leid.“
James streckte seine Hand aus und strich kurz über ihre Wange. „Morgen Abend wird nicht gelernt, da zeige ich dir etwas ganz besonderes, versprochen. Du brauchst mal einen Abend ohne deine ganzen Bücher. Ich kann schon gar nicht mehr zählen wie oft ich dich schon wecken musste weil du über deinen Büchern eingeschlafen bist.“ Er lehnte sich über den Tisch. „Außerdem vermisse ich es Zeit mit meiner hübschen Freundin zu verbringen.“ Er küsste sie bis ein Husten neben ihm sie beide auseinanderfahren ließ.
Es war Madam Pince, die die beiden streng ansah. „Miss Evans, Mr Potter, die Bibliothek ist ein Ort zum Studieren und außerdem ab jetzt geschlossen.“
Hastig sammelten die beiden ihre Sachen zusammen, Lilys Gesicht war so rot wie ihr Haar geworden und liefen zum Gemeinschaftsraum.
„Morgen Abend“, erinnerte James Lily noch einmal bevor sie nach oben in ihren Schlafsaal ging.
Lily lächelte, bevor sie ihn zum Abschied kurz küsste. „Ja.“
***
Nach ihrer Runde durch das Schloss kehrten Lily und James zurück in den inzwischen leeren Gemeinschaftsraum. Er sagte ihr, dass sie kurz auf ihn warten wollte und sprintete dann die Treppe zu seinem Schlafsaal hoch. Wenige Minuten später kam er mit seiner Tasche wieder.
Lily sah ihn erwartungsvoll an. „Ist das deine Überraschung?“
„Nicht so neugierig“, erwiderte er grinsend. „Kannst du ein Geheimnis bewahren?“
„Natürlich.“ Lily runzelte die Stirn. Was hatte James mit ihr vor?
Statt einer Antwort zog James aus seiner Tasche ein fließend schimmerndes Stück Stoff hervor.
„Das ist doch nicht etwa ein Tarnumhang?“ Lily hatte davon gelesen, aber noch nie einen in echt gesehen. Aber wenn James einen besaß, dann erklärte es auch wie sie mit so vielen Streichen davon gekommen waren.
„Doch“, sagte James stolz. „Altes Familienerbstück.“ Er winkte sie zu sich und legte dann den Tarnumhang über sie beide.
„Das erklärt so einiges“, murmelte Lily und hob eine Hand um die Innenseite des Stoffes zu berühren. Es fühlte sich merkwürdig kühl an und es war ein bisschen komisch die Welt von hinter dem Umhang zu betrachten während man wusste, dass niemand einen sehen konnte.
James lachte leise, nahm ihre Hand und führte Lily aus dem Gemeinschaftsraum hinaus. Sie mussten nah beieinander gehen und Lily genoss die Wärme von James Körper und das beruhigende Gefühl von ihrer Hand in der seinen.
„Wohin gehen wir?“, flüsterte Lily.
„Du wirst schon sehen“, war James rätselhafte Antwort.
„Aber wir brechen doch jede Menge Schulregeln, oder?“
Wieder lachte James nur. „Beruhige dich, Lily. Die einzige Regel die wir brechen ist dass wir eigentlich so spät nachts nicht mehr hier sein dürften. Ich kann dir versprechen, dass dir nichts passieren wird.“
Irgendwie beruhigten diese Worte Lily nicht wirklich, aber sie beschloss James zu vertrauen. Sie kamen vor den Türen der Großen Halle an und nachdem James sich versichert hatte, dass niemand da war, schlüpfte er unter dem Umhang hervor und schob eine der großen Flügel ein Stück zur Seite.
Auf sein Zeichen trat Lily in die Halle und wartete bis James zu ihr aufschloss. Er führte sie den Mittelgang entlang bis zu dem Podium auf dem der Lehrertisch stand.
Lily legte den Tarnumhang ab während James seine Tasche auf das Podium legte. „Was machen wir hier?“
James setzte sich auf den Rand des Podiums und bedeutete Lily neben ihm Platz zu nehmen. Als sie saß, zog er sie an sich und deutete mit der Hand nach oben zur magischen Decke der Halle. „Das ist die Überraschung. Du kannst dir sogar wünschen was du sehen willst.“
Lilys Mund formte ein perfektes O als sie nach oben blickte. Die Decke war schon tagsüber wundervoll anzusehen, doch nachts war sie unbeschreiblich schön.
Sie zeigte den dunklen Nachthimmel, so samtig und in tausenden von Schattierungen von Blau und Schwarz, dass er unendlich schien. Myriaden von glitzernden Punkten zogen sich strahlend entlang und zeigten die Sterne in einer Brillianz wie Lily sie noch nie gesehen hatte. Es war als ob der Himmel und seine Sterne sie umgab. Sie sah sogar die Milchstraße dort oben leuchten und konnte gar nicht genug bekommen von diesem Anblick.
Auch wenn es nicht die richtigen Sterne waren, so gab ihr der Anblick dennoch das Gefühl in etwas Altes und Magisches zu schauen.
„Gefällt es dir?“, wisperte James. Mittlerweile lagen sie rücklings auf dem Podium und Lilys Kopf lag an seiner Schulter während sie in den Himmel starrten.
„Ich kann es gar nicht beschreiben“, sagte Lily ebenso leise. „Es ist unglaublich. Woher weißt du davon?“
„Wir haben es eines Nachts entdeckt“, erklärte James. „Ich war noch oft hier nur um mir die Sterne anzugucken.“
„Danke, dass du es mir gezeigt hast“, erwiderte Lily und drehte ihren Kopf so, dass sie James küssen konnte.
„Wenn ich so etwas dafür bekommen hätte, dann hätte ich dir schon längst die Sterne gezeigt.“ James grinste Lily und rückte seine Brille wieder zurecht.
Lily schlug ihn auf den Brustkorb. „Spinner“, sagte sie zärtlich.
„Ich hab noch was für dich.“ James richtete sich wieder auf und zog seine Tasche heran. „Krieg ich dann noch einen Kuss?“
„Vielleicht.“ Lily setzte sich ebenfalls auf und sah neugierig zu wie er seine Tasche auspackte. Zum Vorschein kamen zwei Flaschen Butterbier, eine Dose Eis, Schlagsahne, Erdbeeren und Löffel. Mit einem kurzen Schwung seines Zauberstabs war das Eis dann auch wieder kühl.
„Tadaa!“, sagte James stolz und reichte ihr das Butterbier.
„Wow.“ Lily hatte keine Ahnung was sie sagen sollte. Noch nie hatte jemand so etwas wundervolles für sie getan. Es war einfach unglaublich, die ganze Nacht war unglaublich und Lily liebte jeden Moment davon. „Das ist der Wahnsinn. Danke für alles.“
James grinste verhalten und zuckte mit den Schultern. „Ich hab manchmal so meine Momente. Eis und Erdbeeren gefällig?“
„Aber immer doch.“
Das Eis und die Erdbeeren waren lange gegessen und sie schwiegen gerade, weil in diesem Moment keine Worte gebraucht wurden. Lily starrte nachdenklich James an, der auf dem Rücken lag und die Sterne betrachtete.
Es war faszinierend und auch ein bisschen erschreckend wie schnell sich alles geändert hatte. Sie war nun mit James Potter zusammen, dem Jungen den sie so lange gehasst, den sie sich aber aus ihrem Leben nicht mehr wegdenken konnte.
Sie realisierte, dass sie James in vielem Unrecht getan hatte. Er war nicht mehr der, den sie damals zu kennen glaubte. Vielleicht hatte sie ihn niemals wirklich gekannt.
„Es tut mir Leid“, wisperte sie bevor sie sich stoppen konnte.
James setzte sich so schnell auf, dass sie es fast gar nicht sah. „Was hast du gesagt?“, fragte er sie dringend. „Dass es dir Leid tut? Was tut dir Leid?“ In seinen braunen Augen lag so viel Angst, dass es ihr beinahe die Kehle zuschnürte.
„Es ist alles gut“, beruhigte sie ihn mit erstickter Stimme. „Ich wollte dir nur sagen, dass es mir Leid tut. Ich will mich dafür entschuldigen, dass ich die ganze Zeit so schlecht von dir gedacht habe während du in Wirklichkeit gar nicht so bist. Ich will mich entschuldigen für die ganzen falschen Anschuldigungen und dass ich so oft mit dir geschimpft habe.“
„Oh Lily.“ James klang so wahnsinnig erleichtert, dass sie kurz lächeln musste, bevor er sie in seine Arme zog. „Jag mir bitte nie wieder so einen Schrecken ein, ja?“ Er seufzte auf. „Die Wahrheit ist doch, dass ich das meiste doch alles verdient hatte. Ich war wirklich ein schreckliches Kind und die meisten Anschuldigungen waren bestimmt nicht so falsch. Aber das wichtigste ist doch, dass ich – wir beide uns sogar – verändert haben.“
„Aber wir hätten das so viel früher gehabt haben können“, erwiderte Lily.
„Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht“, antwortete er nachdenklich. „Vielleicht wären wir zusammen nach Hogsmeade gegangen und es hätte nicht geklappt, dann würden wir jetzt nicht hier sitzen. Es ist schon gut so wie es ist. Ich würde es für nichts auf der Welt eintauschen wollen.“
„Ich auch nicht“, stimmte Lily ihm zu.
„Und am Ende ist keiner von uns perfekt“, murmelte James. „Wir müssen nur das Beste daraus machen.“
„Ich glaube wir machen schon das Beste daraus“, sagte Lily und küsste ihn.
Irgendwann in den frühen Morgenstunden wanderten die beiden Hand in Hand zurück. Den Tarnumhang hatte James achtlos in seine Tasche gestopft, zu dieser Uhrzeit war noch nicht mal Pringle, der Hausmeister unterwegs. Dachte er zumindest.
Denn aus einem der Korridore, hörten die beiden leise Stimmen. Sofort zog James Lily in die Schatten zurück und warf den Tarnumhang über sie. In dem Dämmerlicht sah er Lilys weitaufgerissene Augen und sie schien angestrengt zu lauschen.
„…dauert noch…warten auf… können wir es vielleicht wagen“, sagte die eine Stimme. Sie war tief und dunkel, sie gehörte eindeutig zu einem Mann. James kam sie sogar recht bekannt vor, doch er konnte sie nicht zuordnen.
„Wir sind bereit.“ Diese Stimme war leichter zu verstehen, etwas heller und rauer als die erste Stimme. „…warten…Nachricht…wann.“
Der Rest der Unterhaltung war nicht mehr zu verstehen, denn die Stimmen senkten sich zu einem Flüstern. Lily und James wollten schon weitergehen als Schritte ertönten und nur ein paar Meter von ihnen entfernt eine in einen dunklen Umhang mit Kapuze gehüllte Person vorbeilief ohne ihnen auch nur einen Blick zu schenken. Erst als die Schritte verhallten, wagten die beiden sich endgültig weiter.
James griff nach Lilys Hand und so schnell wie es ging, liefen sie zum Gemeinschaftsraum zurück, erst dort traute er sich den Tarnumhang von ihnen abzunehmen.
Lily war ganz blass und die Aufregung stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Was hat das ganze zu bedeuten? Weißt du wer das war?“
James schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, eine der Stimmen kommt mir allerdings bekannt vor.“
„Wenn wir bloß wüssten worüber sie geredet haben“, murmelte Lily nachdenklich. Sie runzelte die Stirn. „Ob sie wohl etwas Schlimmes vorhaben?“
James seufzte. „Auf jeden Fall, sonst hätten sie sich nicht um diese Uhrzeit in einem verlassenen Flur getroffen.“
„Vielleicht hat es ja irgendwas mit den Angriffen zu tun“, überlegte Lily.
„Es würde mich nicht wundern.“ James zuckte mit den Schultern. „Wenn wir Glück haben, dann hören wir morgen vielleicht eine der Stimmen und können dann zu Dumbledore gehen.“
Aber wie es das Schicksal so wollte, hörte keiner der beiden die Stimmen wieder. Zwischendurch dachten sie zwar, sie hätten jemanden gefunden, doch es waren niemals die selben Stimmen. Vielleicht lag es daran, das sie in dieser Nacht so müde gewesen waren, vielleicht daran, dass sie nicht alles gehört hatten. Irgendwann verblasste die Erinnerung und die Suche nach den beiden mysteriösen Zauberern war sinnlos. Ihre Freunde rieten ihnen, die Suche sein zu lassen, schließlich war es schon seit ein paar Wochen erstaunlich ruhig in der Schule.
Das einzige was für Aufruhr sorgte war, dass Alexander Mulciber eines Morgens nicht mehr erschien. In Windeseile begann die Gerüchteküche zu kochen, doch dieses Mal schienen all die Klatschmäuler Recht zu haben. Mulciber hatte die Schule verlassen um sich bereits jetzt dem Dunklen Lord anzuschließen.
James und Sirius sahen das als keinen Grund zur Sorge, schließlich gab es jetzt einen „verdammten Slytherin weniger in der Schule“.
Allgemein konnte das Leben für James gerade nicht besser sein, schließlich war er jetzt mit Lily zusammen, seit Wochen war es friedlich, das Quidditchtraining lief gut und die Osterferien kamen und gingen. Die Gedanken an das geheimnisvolle nächtliche Gespräch verschwanden schnell.
***
Lily hatte sich in das Schulsprecherbüro verzogen um in Ruhe ihre Hausaufgaben zu machen. Jetzt nach den Osterferien war die Bibliothek von Schülern überrannt, die auch endlich gemerkt hatten, dass die Abschlussprüfungen nicht mehr so weit weg waren. Natürlich gab es immer noch Ausnahmen, die auch jetzt noch keine Bücher freiwillig anpackten, aber die waren ziemlich selten.
Außerdem befanden sich in dem Regal jede Menge hilfreiche Bücher, die nicht in der Bibliothek standen oder schon ewig ausgeliehen war. James rannte gerade wer weiß wo im Schloss herum, aber ihre Patrouille begann auch erst in zwei Stunden, also hatte er noch genug Zeit. Und es war auch besser so, denn unter dem ganzen Stress hatte sie James noch ein paar Mal wütend angefahren. Vor ein paar Wochen wäre der Streit wohl noch eskaliert, weil keiner nachgeben wollte, doch jetzt gaben sich beide Mühe das nicht mehr geschehen zu lassen.
Zwischen ihren ganzen Büchern lag auch eine Ausgabe des Tagespropheten und ein kurzer Brief, der hastig zusammengefaltet war. Immer wieder fiel Lilys Blick darauf und sie musste seufzen. Der Artikel war vor ein paar Tagen erschienen und Lily konnte immer noch nicht so wirklich fassen, was dort geschrieben stand. Es war eigentlich mehr nur eine kurze Randnotiz, eine unter vielen solchen Meldungen.
Todesser überfielen in der Nacht auf den 19. April das Haus der Familie Clarks in Riddlesden. Zu Tode kamen Michael Clarks (†49), Joanne Clarks (†45), Jessica Clarks (†19) und Mae Clarks (†9). Einzige Überlebende ist Eliza Clarks, die sich zu dem Zeitpunkt nicht im Haus aufhielt. Dieser Überfall gehört zu der neuesten Serie an Überfällen auf Muggelorte.
Riddlesden war ein winziges Dorf in der Nähe von Lilys Heimatstadt, so nah waren die Angriffe noch nie an ihrer Heimat und ihrer Familie gewesen. Bisher war ihr kaum bewusst gewesen, dass auch ihre eigene Familie in Gefahr sein könnte, nur weil sie Muggel waren.
Doch was das ganze so schlimm machte war, dass sie Eliza und auch Jessica kannte. Eliza war genauso alt wie Lily und die beiden waren in einer Klasse gewesen, bevor Lily nach Hogwarts gegangen war. Lily hatte Eliza noch ein paar Mal in den Ferien gesehen und sich immer gut mit ihr verstanden, obwohl sie sich kaum sahen. Sie mochte Elizas Familie.
Die anderen hatten mitbekommen, dass Lily einige der Opfer kannte und waren genauso betroffen wie sie. Sophia war in den letzten Tagen genauso nachdenklich gewesen, sie machte sich ebenfalls Sorgen um ihre eigene Familie.
James half Lily einen Brief an Eliza zu schreiben, dessen Antwort sie nun zusammen mit dem Artikel mit sich herumschleppte.
Liebe Lily,
danke für deinen Brief und deine lieben Worte. Es ist alles ein fürchterlicher Unfall gewesen, keiner von uns hat geahnt, dass die Gasleitungen kaputt sind und explodieren würden. Ich weiß ich sollte mich glücklich schätzen, dass ich überlebt habe, aber es wird noch eine sehr lange Zeit dauern bis ich das wirklich denke.
Deine Eltern waren auf der Beerdigung, sie waren so unglaublich nett zu mir. Sie haben mir ihre Hilfe angeboten, aber ich werde Riddlesden verlassen, sobald alles hier geklärt ist und dann gehe ich nach London. Hier hält mich nichts mehr. Zu viele Erinnerungen, weißt du?
Solltest du jemals in London sein, komm vorbei. Meine Tür steht dir immer offen. Auch wenn wir uns so selten sehen, bist du doch eine wahre Freundin.
Eliza
Wieder hatte der Krieg eine neue schreckliche Seite offenbart. Leute, die noch nicht einmal eine Ahnung von dem Krieg geschweige denn der geheimen magischen Welt hatten, gerieten immer mehr in Gefahr und wurden ermordet, ohne dass sie jemals die Wahrheit erfuhren. In Momenten wie diesen wollte Lily nichts lieber als sich irgendwo verstecken und alle Nachrichten von draußen ausblenden, weil sie so müde war von den schrecklichen Geschehnissen. Doch dann musste sie wieder an James Worte denken, die ihr neue Kraft gaben.
Mit aller Kraft wandte sie ihren Blick von dem Brief ab und konzentrierte sich wieder auf ihre Hausaufgaben. Man hörte nur das Kratzen ihrer Feder auf dem Pergament, das leise Rascheln der Buchseiten und das Knistern des Feuers, während sie arbeitete. Erst als das vertraute Knarren des Porträts ertönte sah Lily wieder von ihrem Aufsatz auf.
Doch statt James, den sie eigentlich erwartet hatte, tauchte Kelly auf. Sie war eine Vertrauensschülerin aus Ravenclaw, Lily wunderte sich was sie hier machte, denn sie hatte heute Abend gar keinen Dienst.
„Kelly“, rief Lily. „Was kann ich für dich tun?“
„Ich habe eine Nachricht für dich.“ Kelly streckte Lily ein zusammengefaltetes Stück Pergament entgegen, auf dem in dunkler, verschnörkelter Schrift Lilys Name stand.
„Von wem ist die?“ Lily drehte vorsichtig das Pergament, doch es stand kein Absender drauf.
Kelly zuckte mit der Schulter. „Milena Vance hat sie mir gegeben, sie wusste nicht wo sie dich finden soll. Sie meinte jemand hätte ihr aufgetragen die Nachricht dir zu überbringen. Milena hat den Brief wohl von Sky Edwards und die wiederum von kleinen Boot.“
Lily runzelte die Stirn. Wer nahm solche Mühen auf sich um ihr eine Nachricht zukommen zu lassen? „Danke, Kelly.“
„Keine Ursache“, erwiderte Kelly und verschwand dann wieder.
Lily betrachtete das Pergament, es schien nichts Ungewöhnliches zu sein. Vielleicht erlaubte sich jemand einen Scherz mit ihr? Es gab nur einen Weg das herauszufinden und so faltete Lily vorsichtig die Nachricht auseinander. Sie war nur kurz und in der gleichen Schrift verfasst wie ihr Name.
Sie las die Nachricht einmal, zweimal, sie konnte nicht glauben was dort stand. Ihr Herz schlug hart und heftig und ihr Gesicht wurde ganz weiß und blutleer.
Lily las zum dritten Mal die Nachricht und ein eiskalter Schauer jagte ihren Rücken herunter.
Du bist die Nächste, Schlammblut.
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