Acht. Teil I.
"In every life there is a turning point. A moment so tremendous, so sharp and clear that one feels as if one's been hit in the chest, all the breath knocked out, and one knows, absolutely knows without the merest hint of a shadow of a doubt that one's life will never be the same."
Julia Quinn, When He was Wicked
Januar 1978
Wie sicher ist die Zaubererwelt noch? - Massaker an Silvester
Das alte Jahr hatte nur noch ein paar Stunden vor sich, da griff eine Gruppe von etwa fünfzig Todessern, Anhänger des selbst ernannten Lord Voldemorts, das winzige Dorf St. Damians im Norden Englands an.
St. Damians ist ein ruhiger Ort inmitten einer malerischen Landschaft gelegen und geradezu die Idylle des perfekten Dorflebens mit kleinen Häusern, gepflasterten Straßen und gepflegten Vorgärten. Aber nun ist dort nichts mehr so wie es einmal war. Die Straßen sind ausgestorben, die Häuser sind verlassen, niemand will mehr dort hin.
Es war eine fürchterlich brutale Attacke die das Dorf in der letzten Nacht des Jahres traf. Es ist nicht viel bekannt, da es kaum Überlebende gibt. Nur soviel, dass es ein Werk der berüchtigten Todesser war, deren Zeichen die ganze Nacht über am Himmel brannte.
Seit fast einem Jahr verüben die Todesser immer wieder Angriffe auf Dörfer in ganz Großbritannien und verbreiten Angst und Schrecken in der magischen und der Muggelwelt. Ihr Anführer, dessen Herkunft nicht bekannt ist, tritt für die Stärkung der Zauberer ein und sagt, dass Zauberer weitaus höher gestellt werden müssten als Muggel.
Man mag von seinen Aussagen halten was man will, aber er hat innerhalb kürzester Zeit eine beeindruckende Menge an Anhängern in den einflussreichsten Kreisen der Zaubererwelt gesammelt und die Taten seiner Todesser versetzen ohne Frage alle in Angst und Schrecken.
Die gesamte Abteilung der Magischen Strafverfolgung wurde zum Einsatz gerufen, doch selbst die geballte Kraft des Ministeriums konnte nichts mehr ausrichten, auch wenn so berühmte Auroren wie Alastor Moody, Elina Bergström und der Chef des Aurorenbüros Charlus Potter dabei waren. Sie konnten nicht verhindern, dass 136 Menschen, Zauberer und Muggel, an diesem Abend starben und weitere 42 Menschen weiterhin vermisst werden, deren Schicksal weiterhin ungewiss bleibt. Aus dem ganzen Dorf haben nur eine Handvoll das Massaker überlebt.
„Wir werden alles tun was in unserer Macht steht, damit so etwas nicht noch einmal passiert", sagte Charlus Potter dem Tagespropheten.
„Tun Sie ihre Arbeit, dann tun wir unsere auch", formulierte Auror Alastor Moody es etwas freier. „Machen Sie sich da mal keine Sorgen."
Doch wie ernst kann man solche Aussagen in Zeiten wie diesen noch nehmen? St. Damians ist nicht das einzige Dorf, dass angegriffen wurde.
Aylesham, 15. Oktober 1977, 70 Verletzte, 23 Tote
Chislet, 05. November 1977, 43 Verletzte, 97 Tote
Harvel, 06. November 1977, 10 Verletzte, 187 Tote, 23 immer noch vermisst
North Hill, 22. November 1977, 37 Verletzte, 17 Tote
Oaksden, 01. Dezemeber 1977, 207 Verletzte, 126 Tote, 55 immer noch vermisst
Abbeytown, 16. Dezember 1977, 65 Verletzte, 4 Tote
Hinzukommen noch weitere Angriffe auf einzelne Familien in ganz Großbritannien. Die Liste der Toten, Verletzten und Vermissten wird immer länger und länger während das Ministerium kaum Erfolge vorweisen kann. Immer wieder werden große Versprechen gemacht, doch bis jetzt wurde noch keins eingehalten. Dafür sterben mehr und mehr Menschen.
Doch die Frage wie sicher wir sind bleibt immer noch unbeantwortet.
***
Den Rest der Ferien konnte nichts und niemand das Lächeln von James Lippen wischen. Jeden Tag flog nun seine Eule zwischen ihm und Lily hin und her und Sirius musste sich stundenlang James zuhören wie er über Lily schwärmte. Es war fast schon schlimmer als in den letzten Jahren, denn nun schwärmte James davon was Lily ihm erzählt hatte oder wie sie ihn auf dem Ball angelächelt hatte anstatt dass James sich irgendeinen hirnrissigen Plan ausdachte wie er Lily rumkriegen wollte. Er ging Sirius ziemlich auf den Keks, doch James war so glücklich, dass er ihn einfach reden ließ und auf Durchzug stellte.
Auch Dorea und Charlus ließen ihren Sohn einfach reden, sie waren es schon lange gewohnt, dass James von diesem Mädchen schwärmte und freuten sich, dass sie nun Lily kennen gelernt hatten und dass sie offensichtlich James Gefühle erwiderte. Charlus war nur noch selten zu Hause, er war oft unterwegs und wurde nicht selten auch mitten in der Nacht zu Einsätzen gerufen, denn der Krieg machte keine Pause.
Aber für die Ferien wollte James nicht daran denken und plante lieber zusammen mit Sirius ein paar neue Streiche. Nur weil er jetzt Schulsprecher war und Lily ihn jetzt einigermaßen mochte, hieß das noch lange nicht, dass er sein Rumtreiberdasein vernachlässigte. Außerdem bekam Lily das ganze ja auch nicht mit. So kam es, dass Dorea und Charlus immer mal wieder Opfer eines kleinen Streiches wurden, doch irgendwie waren sie es von den beiden Jungen schon gewöhnt.
Remus und Sophia waren oft zu Besuch, da beide in der Nähe wohnten, doch James hoffte immer, dass Sophia auch Lily mitbringen würde, denn er musste sich eingestehen, dass er sie wirklich vermisste, so sehr wie er es kaum für möglich gehalten hatte. Die Briefe waren nur ein schwacher Ersatz.
Endlich kam der Tag an dem sie nach Hogwarts zurückkehrten. James und Sirius erledigten das Packen ihrer Koffer wie immer auf den letzten Drücker (Dorea würde ihnen wahrscheinlich die Hälfte wieder per Eule nachschicken müssen), aber am Ende waren ihre Koffer gepackt.
Dorea verabschiedete sich von den beiden mit einer dicken Umarmung. „Macht es gut meine Jungs", sagte sie etwas traurig.
„Mum", erwiderte James peinlich berührt. „Wir kommen ja wieder. Ist nicht das erste Mal, dass wir nach Hogwarts fahren."
Im Hintergrund lachte Sirius, bis Dorea auch ihn umarmte. Schon seit Jahren verbrachte Sirius mehr Zeit bei den Potters als bei seiner eigenen Familie und so war er mittlerweile wie ein zweiter Sohn für James Mutter.
Jetzt grinste Remus, der in weiser Voraussicht vorbei gekommen war um sicher zu gehen, dass James und Sirius einigermaßen pünktlich kamen. Sirius mochte zwar in der Schule bloß keine Gefühle zeigen, doch bei Dorea wurde er lammfromm.
„Los", kommandierte Remus nach einem Blick auf seine Uhr. „Wir haben noch ziemlich genau zehn Minuten bis der Zug fährt."
James und Sirius sahen ihn erschrocken an, griffen nach ihren Koffer und apparierten hastig nach King's Cross. Remus folgte ihnen etwas langsamer, den Kopf schüttelnd ob der Tatsache, dass James und Sirius auch nach sieben Jahren nur gerade so eben pünktlich zum Zug kamen.
Alle drei sprangen in den Zug, dann schlugen hinter ihnen die Türen zu und der Zug setzte sich in Bewegung. Erleichtert lehnten sie sich gegen die Wand und brachen in Gelächter aus.
„Nächstes Mal schaffen wir es früher", beteuerte Sirius eifrig.
„Es gibt kein nächstes Mal", erwiderte James. „Es ist das letzte Mal, dass wir nach Hogwarts fahren."
„Oh." Sirius hatte anscheinend vergessen, dass sie nur noch einmal mit dem Hogwartsexpress fahren würden und zwar dann wenn die Schule hinter ihnen lag.
„Aber das ist noch lange kein Grund hier depressiv zu werden", meldete sich Remus zu Wort. „Lasst uns lieber die anderen und ein Abteil suchen."
„Du hast Recht, Moony", sagte James
„Wie immer also." Auf Remus Lippen lag das seltene Lächeln, dass zeigte warum auch er ein Teil der Rumtreiber war. „Lasst uns lieber Peter und die anderen suchen."
James hob seinen Koffer hoch, ließ ihn dann aber gleich wieder fallen. „Ich muss zu Lily." Schon war er weg.
Schwer bepackt, denn James und Sirius hatten natürlich alles über die Ferien mitnehmen müssen, man konnte ja schließlich alles irgendwann mal gebrauchen, quetschten sich Sirius und Remus durch den engen Gang an den vollen Abteilen vorbei bis endlich Peter seinen dunkelblonden Schopf aus einer der Türen steckte.
„Da seid ihr ja endlich", begrüßte Peter sie. „Ich habe schon befürchtet, dass ihr den Zug verpasst habt."
„Wir doch nicht", erwiderte Sirius und drückte Peter James Koffer in die Hand. „Hier hilf mal."
„Wo ist James denn hin?"
„Zu Lily. Er hat wohl für einen kurzen Moment vergessen, dass er Schulsprecher ist", antwortete Remus. „Lily wird bestimmt nicht erfreut sein."
Lily war ganz und gar nicht erfreut wie James feststellen musste nachdem er durch den ganzen Zug gehastet war und dabei so einige Schüler und beinahe die Hexe mit dem Süßigkeitenwagen umgerannt hatte. Das Abteil der Vertrauensschüler war bereits wieder leer, offensichtlich hatte Lily ohne ihn das Treffen abgehalten.
„Du bist zu spät", sagte Lily statt einer Begrüßung. Sie trug schon längst ihre Hogwartsuniform und ihre Haare waren zu einem makellosen Zopf gebunden.
„Tut mir Leid." James lächelte sie entschuldigend an. „Was kann ich tun, damit du mir verzeihst?"
„Ich würde ja sagen komm nächstes Mal pünktlicher", seufzte Lily. „Aber es gibt kein nächstes Mal." Sie kreuzte die Arme vor der Brust und sah ihn streng an. „Ich überlege mir noch was für dich."
James nickte nur. Er hatte schon beinahe was Schlimmeres erwartet, schließlich konnte Lily in ihrer Wut ziemlich heftig werden.
„Lass uns jetzt unsere Runde drehen", schlug Lily vor und ging an ihm vorbei aus dem Abteil. Er folgte ihr lammfromm und gemeinsam liefen sie den Gang hinab. Er hatte es schon vermisst mit Lily einfach nur reden zu können, Briefe waren einfach kein Ersatz dafür sie neben sich zu haben und ihr Lächeln zu sehen.
Manchmal wenn es eng auf dem Gang war spürte er wie sich ihre Arme und Hände für Millisekunden berührten und auch wenn es nur kurze Berührungen waren, so fühlten sie sich doch wahnsinnig gut an. James konnte nur hoffen, dass Lily auch nur einen Bruchteil der Gefühle spürte, die er für sie hatte. Es war überwältigend und fast schon ein bisschen beängstigend, dass man so viel für eine einzelne Person fühlen konnte.
Die Zugfahrt verging viel zu schnell und schon kamen sie in Hogsmeade an. Es war mittlerweile dunkel geworden, doch die Lampen an der Station schienen hell. Wie immer herrschte ein ziemliches Chaos, doch die Rumtreiber ergatterten eine Kutsche für sich während die Mädchen eine andere nahmen. Sirius hatte zwar vorgeschlagen sich in eine zu quetschten, aber da niemand Lust hatte sich zu stapeln, wurde sein Vorschlag einstimmt abgelehnt.
Hogwarts war immer noch von einer dicken Schneedecke überzogen und James und Sirius machten gleich die ersten Pläne für eine große Schneeballschlacht und wie man diese dazu nutzen konnte um die Quidditchspieler aus den anderen Häusern strategisch außer Schach zu setzen.
In der großen Halle war es schön warm und wie immer wurde ein wahres Festmahl aufgetischt. Alle langten herzhaft zu, nur Lily sah sich immer wieder besorgt um.
„Was ist Lily?", fragte James zwischen zwei Bissen.
„Mary", erwiderte Lily. Ihre Stirn war gerunzelt und ihr Blick flackerte unruhig hin und her. „Ich habe sie immer noch nicht gesehen."
„Ich auch nicht", antwortete James nachdenklich. Dann zuckte er mit den Schultern. „Wahrscheinlich ist sie bei ihrem Freund, diesem Davies."
Lily schüttelte den Kopf. „Nein. Dorcas hat ihn nämlich auch noch nicht gesehen. Es sieht Mary nicht ähnlich nicht aufzutauchen. Sie hätte uns zumindest mal begrüßt."
James musste Lily nun doch recht geben. Auch wenn Mary nicht gerade zu Lilys besten Freunden gehörte, so wäre Mary doch zumindest einmal vorbeigekommen, sogar eigentlich schon auf der Zugfahrt.
„Lily, mach dir doch nicht so viele Sorgen", mischte sich Sophia ein, die das Gespräch gehört hatte. „Mary wird schon wieder auftauchen. Vielleicht schwirrt sie hier irgendwo herum und sie hat gerade keine Zeit um herüberzukommen."
„Genau", stimmte Sirius ihr zu. „Ihr seht sie bestimmt im Schlafsaal." Sein Appetit schien auf jeden Fall nicht beeinträchtigt sein, denn er langte kräftig zu.
„Ich stimme Lily zu", sagte James ruhig. „Irgendwas stimmt da nicht. So groß ist Hogwarts auch schon wieder nicht."
Lily warf ihm ein dankbares Lächeln zu, doch ihre Sorgenfalten verschwanden nicht. Je mehr Zeit verstrich, desto klarer wurde allen dass wirklich etwas nicht stimmen konnte. Aber niemand von ihnen hatte auch nur eine Ahnung was geschehen sein könnte.
Wie schlimm die Situation war, erkannten sie erst als McGonagall abends im Gemeinschaftsraum der Gryffindors auftauchte und die Siebtklässler bat ihr in Dumbledores Büro zu folgen. Es war eine stille Prozession durch die verlassenen Gänge und am Wasserspeier begegneten ihnen die Ravenclaws und Flitwick. Dorcas Augen waren gerötet und sie hatte den Arm um Aurora Sinistra geschlungen, die Marys beste Freundin war. Sie schien ihre Freunde gar nicht wahrzunehmen.
Eine dunkle Vorahnung breitete sich in James aus und ein Blick zu Remus verriet ihm, dass er genauso dachte.
Dumbledore saß hinter seinem Tisch, der Phönix auf einer Stange hinter ihm. In den sonst so fröhlichen blauen Augen des Schulleiters war nicht mehr das Funkeln zu erkennen, sondern nur Ernst und ein Hauch von Traurigkeit. Er bat sie alle Platz zu nehmen auf den Stühlen die in einem Halbkreis vor seinem Tisch aufgereiht waren. McGonagall stellte sich an seine Seite.
„Ihr fragt euch sicherlich warum ich euch hierher gerufen habe", begann Dumbledore leise. „Aber so wie ich euch kenne haben einige von euch schon längst die richtigen Schlüsse gezogen."
„Es geht um Mary", meldete sich Lily zu Wort, ihre Stimme kratzig.
Dumbledore nickte. „Ja, Miss Evans. Es gibt keine Worte die das alles leichter machen und so bleibt mir leider nur die traurige Wahrheit." Er seufzte auf und schien mit einem Mal so viel älter zu sein. Wenn James genau hinschaute, dann sah auch McGonagall müder aus als je zuvor. „Es tut mir Leid Ihnen allen mitzuteilen müssen, dass Miss MacDonald tot ist."
Dröhnende Stille folgte auf seine Worte als jeder von ihnen versuchte zu verstehen was Dumbledore gerade gesagt hatte. Mary konnte doch nicht wirklich tot sein, oder? Sie war doch einen von ihnen, gerade achtzehn Jahre alt und so jung. James konnte es nicht glauben.
„Wie?", fragte Sophia. „Wie ist sie gestorben?"
„Sie wurde an Silvester ermordet", erklärte Dumbledore. „Sie hat ihren Freund bei seiner Familie besucht als man das Dorf angegriffen hat. Marcus Davies und seine Familie sind ebenfalls tot."
Natürlich, das Massaker an Silvester, schoss es James durch den Kopf. Und wenn sie bei Marcus gewesen war, dann war es auch klar warum keiner St. Damians mit Mary in Verbindung gebracht hatte. Mary war muggelstämmig, deshalb wurde sie ermordet, aber vielleicht war sie auch einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Sie würden es niemals wissen.
„Warum erfahren wir erst jetzt davon?", hakte Remus nach. „Schließlich waren Sie doch auch dort."
„Miss MacDonald war eine der Personen die man vermisst hat", antwortete Dumbledore seufzend. „Sie wurde erst gestern gefunden."
Sie alle waren zu geschockt um das ganze richtig realisieren zu können und so sagte niemand etwas. Alice vergrub ihr Gesicht an Franks Schulter und nur ihr Körper zitterte. Marlene krallte sich an Sophias Arm fest und in ihren Augen schwammen Tränen, doch sie fielen nicht.
James hatte keine Ahnung was er fühlen sollte, irgendwie fühlte sich alles so weit weg an.
Dumbledore sprach schon weiter: „Ich gehe davon aus, dass sie alle die Beerdigung besuchen wollen. In drei Tagen soll sie stattfinden, sie können dann von meinem Büro aus dorthin flohen. Sie werden nicht die Einzigen sein die an diesem Tag zu Beerdigungen müssen."
Still verließen sie Dumbledores Büro wieder, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Unten wartete Caradoc auf Marlene und die beiden verschwanden schnell, genauso wie Alice und Frank. Sirius war schon lange davon gerannt. Es war längst nach der Ausgangssperre, doch heute kümmerte es keinen. Nicht mal Lily.
***
Sophia wusste genau wo sie Sirius finden würde. Er war schnell geflohen als sie aus Dumbledores Büro kamen, sie war sich nicht sicher ob die anderen es wirklich bemerkt hatten, dass sie beiden jetzt weg waren. Aber jeder war wohl zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Normalerweise würde sich James um Sirius kümmern, doch der war zu sehr mit Lily beschäftigt und genauso wie Sophia Sirius nach der Stunde mit den Irrwichten gebraucht hatte, wusste sie, dass Sirius sie jetzt brauchte.
Schon von weiten hörte sie das laute Krachen als Klatscher auf Holz trafen. Sie nahm den Umweg über den Geräteraum, holte aus dem Schrank ihren eigenen Schläger und marschierte dann hinunter auf den Platz.
Sirius stand in der Mitte, neben ihm die offene Truhe mit den Bällen, von denen nur die Klatscher fehlten. Er hatte ihr den Rücken zugedreht und drosch immer wieder auf die Klatscher ein, die um ihn herum sausten.
Ohne ein Wort zu sagen, stellte sich Sophia neben ihm und begann nun selbst auf die Klatscher einzuschlagen.
Sirius sagte ebenfalls kein Wort, tolerierte aber Sophias Anwesenheit.
Abwechselnd schlugen sie die Klatscher in die Dunkelheit bis das Zischen in der Luft ihnen sagte, dass sie wieder zurück kamen. Lange Zeit hörte man nur das rhythmische Krachen und ihren eigenen keuchenden Atem.
Es tat merkwürdig gut hier zu stehen und nichts anderes zu machen als auf etwas einzuschlagen. Vielleicht weil sie sich so konzentrieren mussten nicht von den Klatschern erschlagen zu werden, dass nicht viel Platz für andere Gedanken blieb.
„Ich hasse das Gefühl, dass es jemand aus meiner Familie gewesen sein könnte, der Schuld an Marys Tod ist."
Sophia schwieg für einen Moment. Sie hatte keine Ahnung was sie ihm sagen sollte. Was sagte man schon jemanden, dessen Familie vielleicht eine deiner Klassenkameradinnen getötet hatte?
„Ich hasse sie alle."
Sirius schlug mit noch mehr Wucht auf die Eisenkugel ein. „Ich hasse jeden Einzelnen von ihnen. Ich hasse sie dafür, dass sie mein Leben zur Hölle machen, obwohl ich gar nichts mit ihnen zu tun habe. Ich hasse sie dafür, dass sie das Leben von euch zur Hölle machen in dem sie wahllos Leute töten und daran auch noch Spaß haben. Ich hasse sie alle. Meinen Vater. Meine Mutter. Bellatrix. Narcissa. Regulus. Ich hasse, dass er ein Todesser wird, ich hasse, dass ich ihn nicht davon abhalten kann."
Er schrie es in die Nacht hinaus.
„Ich hasse, dass alle glauben, dass ich irgendwann so werde wie sie. Ich hasse, dass alle in mir nur die Blacks sehen und nicht mich. Warum kann ich nicht einfach meine eigene Person sein? Warum? Warum? Ich hasse sie weil sie Mary umgebracht haben. Bei Merlin, wie ich diese verdammten Leute hasse."
Es schien als ob sich sein ganzer Hass in dieser einen Nacht lösen würde. Er verfluchte seine Familie, sich selbst, sein Schicksal. Er beschimpfte jeden in den farbenfrohesten Flüchen die er kannte. Er schrie und schrie und schrie, wie Sophia noch nie hatte jemanden schreien hören. Aber sie ließ ihn schreien und toben und auf die Klatscher eindreschen, als ob er sich vorstellte, dass dies seine Familie war.
Und dann hörte er mit einem Mal auf. Es war nun seltsam still. Er bewegte sich nicht mehr, sondern stand nur noch zitternd da, als ob ihn alle Kraft verlassen hatte. Schnell stoppte Sophia die Klatscher mit ihrem Zauberstab, dann eilte sie an Sirius Seite. Gerade rechtzeitig um ihn aufzufangen, denn seine Beine schienen ihn nicht mehr halten zu können.
Doch auch Sophia konnte ihn nicht lange halten und so sanken sie auf den Boden. Sie hielt ihn in den Armen, während seine Schultern bebten und sie nicht mehr tun konnte, als über seine Haare zu streichen und ihn weinen zu lassen.
Dabei weinte sie selbst.
Sie konnte nicht anders. Sie weinte um Mary, um das verlorene Leben, um die Angst, dass ein jeder von ihnen, der nächste sein könnte.
Aber am meisten weinte sie um den verlorenen Jungen in ihren Armen. Der Junge der nun endlich seine Maske fallen ließ. Es war so viel einfacher für ihn der Rumtreiber zu sein als der älteste Blacksohn. Man konnte sich gut hinter Streichen und Frauengeschichten verstecken, damit nie jemand sah wie er wirklich war. Dass ihn seine Familie immer noch nicht los ließ, egal wie oft er sich von ihr lossagte. Dass er jeden Tag Angst hatte am Ende doch so wie sie zu sein. Dass jeder erwartete, dass er wie seine Familie war.
Er wusste besser als jeder andere wie hart und grausam die Welt da draußen war und Hogwarts war sein sicherer Ort, der Ort an dem er zum ersten Mal Freundschaft erfahren hatte, dort wo er gedacht hatte, dass er endlich seine Familie hinter sich lassen kann.
Doch es ließ ihn niemals los.
Auf ihre eigene Art und Weise verstand Sophia das besser als jeder andere. Sie waren beide von etwas gezeichnet, für etwas dass sie nicht ändern konnten, auch wenn es sie in den Augen aller anderen meilenweit unterschied. Eine Tatsache, die ihr Leben mehr bestimmte als es sollte. Doch das Blut in ihren Adern ließ sich nicht ändern.
Sie hatte keine Ahnung wie lange sie Sirius in den Armen hielt, doch irgendwann wurde er ruhiger und löste sich von ihr. Seine Haaren waren unordentlich und seine Augen gerötet, er sah so verletzlich aus wie niemals zuvor. Für einen Moment sah ihn ihm den längst vergangenen und verlorenen kleinen Jungen und ihr Herz zog sich zusammen, so fest, dass es schmerzte.
Vielleicht war es deshalb, dass sie ihre Hand hob und vorsichtig über sein Gesicht strich. „Es wird alles wieder gut", wisperte sie. Es war eine Lüge, aber für eine Nacht wollte sie wenigstens dran glauben.
„Es wird alles wieder gut", wiederholte Sirius ebenso leise und sich ebenso verzweifelt an die irrsinnige Hoffnung klammernd.
Es waren die gleichen Worte, die Sirius damals geflüstert hatte als Sophia zum ersten Mal seit langer Zeit wieder wegen Eleanor zusammen gebrochen war, kurz nach Weihnachten in ihrem zweiten Jahr. Die Ärzte hatten eine neue Heilmethode ausprobiert und trotz allem Hoffen und Bangens, ließ Eleanor sich nicht aufwecken.
Sophia hatte zu sehr gehofft und war dann tief gefallen. Sirius hatte sie unten am See gefunden und mit unendlicher Geduld die ganze Geschichte aus ihr heraus gekitzelt. Er war der erste gewesen dem sie das alles erzählt hatte und es war so etwas wie der Beginn ihrer Freundschaft gewesen. Und die Freundschaft hatte sich nur noch mehr vertieft als sie gemerkt hatten wie ähnlich sie sich in vielen Sachen waren.
„Es wird alles wieder gut."
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Ich dachte mir ich veröffentliche schon mal einen Teil des Kapitels, bevor ich mich jetzt nach London verabschiede :) Ich hoffe es hat euch gefallen (vor allem den ganzen Sophia/Sirius Fans da draußen :)
Und ich kann es gar nicht oft genug sagen, aber vielen lieben Dank für die ganzen Votes und die tollen Kommentare von euch allen, ich hätte nie im Leben gedacht, dass Anfang so gut bei euch ankommt :)
veröffentlicht: 03/2014 | editiert: 01/02/2022
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