11. Juli 2031
Tom hatte Taynara zum Glück freundlich aufgenommen. Sie scherzten, lachten sogar zusammen. Einen besseren Ehemann als Tom konnte ich mir wirklich nicht wünschen – Okay, ich konnte nicht leugnen, dass ich etwas eifersüchtig darauf war, wie locker er mit unserem Gast, wie wir sie inzwischen nannten, umgehen konnte. Taynara faszinierte mich immer wieder aufs Neue. Die schönen glatten, honigblonden Haare, die sie sich aber inzwischen, um sich und uns zu schützen, zu Locken drehte. Die mandelförmigen, grünen Augen mit grauen Sprenkeln. Die sanft geschwungenen, dünnen Augenbrauen. Die leichten Segelohren, die sie irgendwie zu etwas noch besonderen machten, als sie es eh schon war. Die vollen Lippen, die sie immer, wenn sie angestrengt war oder nachdachte, zusammenkniff. Die schlanke Taille. Die leichten X-Beine. Die Füße, die zwei Nummern größer als meine waren. Die schmalen Hände mit hübschen Fingern, die im Gegensatz zu meinen keine abgekaute Fingernägel hatten. Die süße Stupsnase mit den wenigen blassen Sommersprossen, die nichts und war wirklich nichts im Vergleich zu meinen waren. Die kleine Narbe auf der Stirn, dessen Ursprung Taynara uns nicht erzählen wollte. Die geraden, nur ganz leicht gelblichen Zähne. Kurz gesagt: Taynara sah so ziemlich so aus, als wäre sie von einem der Plakate mit diesen Supermodels gehüpft. Ich fühlte mich von Minute zu Minute mehr hingezogen zu ihr, was mich ganz verrückt machte. Allein die sanfte, ruhige Stimme, ihr engelsgleiches Lachen, jede Geste brachte mich zum Lächeln. Und jeder Blick, jedes Wort, das Taynara mit Tom wechselte, war für mich wie ein kleiner Messerstich in den Bauch. Nein, ich war nicht eifersüchtig, ich durfte es einfach nicht sein! Meine Welt war schon genug auf den Kopf gestellt, ich wusste auch, dass ich lesbisch war, nur war dies gefühlt nur irgendwie ein ungünstiger Zeitpunkt und eine ungünstige Person zum verlieben... Außerdem würde von mir und Tom als nächste potenzielle Herrscher erwartet werden, dass wir... nun ja, für Nachwuchs sorgten, was ich mir nicht eh noch schwerer mit der Überwindung machen wollte...
Ich schnitt die letzten Paprika – die einzige Aufgabe, die mir mein lieber Ehemann in der Küche zutraute. Ich warf die Stücke in die Schüssel, spülte schnell das Messer ab und wusch mir die Hände. Danach ging ich zu Helena – langsam hatte ich das Gefühl, das sie kein anderes Zuhause mehr hatte – und Taynara, die sich fröhlich und lachend unterhielten, ins Wohnzimmer. Im Fernseher hüpfte in einer Kindersendung ein kleiner Hase auf einer Blumenwiese fröhlich auf und ab, was von scheußlicher Musik untermalt wurde. Nach schon zehn Sekunden – wie ertrugen es Helena und Taynara nur? - hielt ich es nicht mehr aus und schaltete um. Jetzt sprach der Nachrichtensprecher mit ernster Stimme über irgendetwas. Auf jeden Fall sah er nicht besonders gut gelaunt und auch nicht wirklich sorglos aus. Ich bedeutete den anderen beiden still zu sein, damit ich verstehen konnte, über was es ging. Sofort verstummten sie. „Außerdem gab es in Simmtony, Crite und Lown Unruhen. Vermummte Gestalten griffen die Bauern auf ihren Rückweg zu den Höfen an. Mehrere wurden verletzt. Von den Tätern gibt es keine Spur. Die Sicherheitsbeauftragten ermitteln seit dem Vorfall heute Morgen durchgehend vor Ort.
Das Herrscherpaar hat für den nächsten Monat einen Kunstwettbewerb, der im Rahmen..." Ich schaltete den Fernseher aus. Entsetzt wechselte ich mit den anderen beiden einen Blick. „Wie kann das sein? Vermummte Gestalten? Verletzte? Und überhaupt Unruhen?!" Die Stimme meiner besten Freundin war leise und zittrig. „Ich weiß es nicht." Meine Stimme war nicht viel mehr als ein Krächzen. Taynara presste die Lippen aufeinander und ihre Augen waren vor Angst und Erschrecken weit aufgerissen. Am liebsten wäre ich zu ihr gegangen und hätte sie umarmt, ihr über die Haare gestrichen, sie beruhigt und jeden, der dieser Gestalten, falls ihr eine irgendwann zu nahe kommen würde, verprügeln – Kann man diesen Beschützerinstinkt bei Taynara irgendwie abschalten? Wenn ja würde ich gerne wissen wie! Wie konnte ein Mädchen, das ich kaum konnte, solche Instinkte bei mir hervorrief, die ich so extrem nicht einmal Helena verspürte, obwohl sie meine beste Freundin war!
Auf einmal kam mir ein schrecklicher Gedanke. „Taynara. Kann es nicht vielleicht sein, dass... dass die Gestalten aus...", meine Stimme versagte. Ich konnte diese Anschuldigung nicht aussprechen. Sie schüttelte heftig den Kopf. Sie hatte mich auch ohne, dass ich es ausgesprochen hatte, verstanden. „Auf keinen Fall!" Plötzlich hatte sie Tränen in den Augen. „Wie auch, wenn diese Gestalten auch schon in unsere Stadt eingefallen sind!" Eine Träne rollte stumm ihre Wange hinunter. Ich wollte auf sie zugehen, die Träne wegwischen, sie umarmen, doch ich riss mich zusammen. „Sie haben meine kleine Schwester verschleppt", fügte sie noch leise hinzu. Dann konnte sie sich nicht mehr zurückhalten und brach in Tränen aus. Diesmal ging ich wirklich zu ihr und nahm sie in die Arme. Sie presste ihren Kopf an meine Schulter. Die Tränen durchweichten mein T-Shirt, aber ich hielt still. Meine rechte Hand malte beruhigend Kreise auf ihrem Rücken. Wenn ich ehrlich war, wäre ich gerne ewig so geblieben... Aber nach ein paar Minuten hatte sich unser Tigermädchen beruhigt, mein T-Shirt war an der rechten Schulter nass und ich löste – wenn auch etwas widerstrebend – die Umarmung.
Schweigend saßen wir am Küchentisch und aßen zu Abend. Helena hatte sich, oh welch großes Wunder, vor zehn Minuten tatsächlich daran erinnert, dass sie doch wo anders wohnte und ein Ehemann bei ihr zu Hause auf sie wartete... Tom verschlang alles, was in seiner Reichweite essbar war und ihm schmeckte – hatte ich schon erwähnt, dass er ein gewaltiger Vielfraß war? Eigentlich unfair wie er es schaffte so gut seine Figur zu halten und ich bei jeder einzigen Nudel, die ich vertilgte, aufpassen musste, dass ich nicht noch breiter wurde. Wieso hatten immer Männer diese ich-esse-so-unglaublich-mega-viel-und-werde-trotzdem-nicht-dick-Sache?! Das war wirklich ungerecht...
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