Heimatliebe

"Du hast mir einiges zu erklären. Wer ist Johann und warum sitzt da ein zweiter Nazi in unserem Wohnzimmer?" dabei wirft mir mein Vater einen Blick zu bei dem sogar der Führer erschaudern würde.

"Ich...äh...was?", in mir baut sich so langsam eine Panikattacke auf und ich blicke hilflos zu Johann und Irenka.

"Jo also det is so. Wir warn da so in Bunker und dann voll plötzlich so "Boom" und da warn ma in Neunzehnhundert-Hitler und-", hastig halte ich Irenka die Hand vor den Mund und Atme tief durch.

"Nimmt sie schon wieder Drogen?", fragt mein Vater etwas verunsichert.

"Also...ähm ich bin mit Irenka, Johann und Horst in einer Reenactment Gruppe...mir ist das irgendwie Peinlich, deswegen hab ich nichts davon gesagt und...äh...Ja! Johann und Horst sind meine Partner mit denen ich ein Stück proben muss...und naja sie sind..nunja sehr engagiert was ihre Rolle betrifft",stottere ich irgendwie vor mich hin und bete zu allen Göbbels, dass er mir das abkauft.

"Du und Reenactment? Also ich hab ja vieles von dir erwartet aber das? Da war mir Irenkas Geschichte noch lieber...", mit einem enttäuschten seufzen und kopfschüttelnd begibt er sich in die Küche.

Wütend und zugleich komplett erstaunt setze ich mich vor Horst. "Wie zum Teufel bist du erstens hierher gekommen und zweitens wie bist du verdammt nochmal in meine Wohnung gekommen?" zische ich ihn wütend an.

"Ah...Ja. Johann hat mir den Schlüssel gegeben und mir die Adresse gesagt. Ein paar nette Männer mit Glatze haben mir hierher geholfen. Sie sagten sie kennen Johann...und sie hatten so ein komisches, eckiges Gerät für ihre Karten!", antwortet mit Horst aufgeregt und als hätte er nicht einer Gruppe Neonazis geholfen meinen Wohnort zu finden.

Ich werfe Johann einen wütenden Blick zu, er zuckt darauf nur mit den Schultern und Horst scheint nicht begriffen zu haben, dass wir uns nicht mehr in Neunzehnhundert-Irgendwas befinden.

"Woa Elena isch hab gar ned gewusst, dass du Schauspielerst", sagt Irenka erstaunt und ich ignoriere ihr...Unwissen und lasse mich in den Ledersessel zurückfallen. Da wird ja der Nazi im Schützengraben verrückt!

Nach etwas Zeit um meine Gedanken zu sammeln fasse ich einen Entschluss.

"Irenka. Wir ziehen zu dir!"

"Jo voll geil. Muss Momo bescheid geben", und packt sich erstmal genüsslich einen Döner mit extra Zwiebeln aus.

Ich verabschiede mich mit einer weiteren Ausrede von meinem Vater und wir eilen zur Bushaltestelle wenige Meter von meiner Wohnung entfernt.

Darauf folgt eine ungefähr einstündige Busfahrt quer durch die Stadt in einen ziemlich abgelegenen Randbezirk. Als wir aussteigen wirft uns der Busfahrer einen mitleidigen Blick zu. Ich muss gestehen, dass ich in all den Jahren unserer Freundschaft noch kein einziges Mal bei Irenka zuhause war.

Wir betreten also ein kleines, etwas heruntergekommenes Einfamilienhaus. Grau-Braun gestrichen, vertrockneter Vorgarten und die Fassade voller Risse.

Irenka tritt förmlich die Türe auf. Das was uns drinnen erwartet erinnert etwas an eine Crack-Höhle aus einem schlechten Film. In Mitten von Polstern, Zeitschriften und Pfandflaschen. "Yo Mohammed" Ruft Irenka und spricht mit ihrem Bruder etwas in einer mir völlig unbekannten Sprache. Woher kommt sie überhaupt?

Johann und Horst werfen mir einen etwas angewiderten sowie komplett verstörten Blick zu

Wir begrüßen alle ihren Bruder höflich und folgen Irenka auf ihr Zimmer.

"SO! Det is mein Zimma. Hier die Regeln! Kene Schuhe, kein klauen und kene Spießigkeit" ruft sie uns voller Stolz zu. Überraschenderweise passt ihr Zimmer absolut nicht zum Rest des Hauses. Lavendelfarbene Wände mit weißer Zierleiste, Weiße Lackmöbel, Schminktisch mit einem überquellenden Schmuckkästchen und ein riesiges Bett mit Baldachin. Also absolut nicht das was man von Irenka erwarten würde. Jedoch erspähe ich wenig später eine selbst gemalte "Hakenkreuzfahne" auf ihrem Schreibtisch. Dabei ist das Hakenkreuz komplett verwackelt und ein Schenkel zeigt in die falsche Richtung.

Plötzlich klingelt mein Handy. Eine unbekannte Nummer. Zögerlich hebe ich ab.

"Ähm...Ja Adler am Hörer"

"Frau Adler. Hier spricht die Direktion der Mittelschule Berliner Wald. Wir ersuchen

sie morgen um 14:30 in der Direktion zu erscheinen. Es geht um ihr Schulprojekt."

"Ich...Ist in ordnung. Auf wiederhören." antworte ich bleich im Gesicht und lege auf.

"Wir haben ein Problem", seufze ich und lasse mich auf den Boden sinken.

"Wat? Isch dacht wir ham zwei" kratzt sich Irenka nachdenklich am Kopf und verschwindet plötzlich hinter einer Tür die anscheinend zu einem begehbaren Kleiderschrank führt. Nach wenigen Minuten kommt sie mit einem Stoß Kleidung zurück, drückt diesen Horst in die Hände und schiebt ihn in ihren Kleiderschrank.

Nach einer gefühlten Ewigkeit schaut erstmal Horsts Kopf bei der Türe hervor. Unsicher schleicht er sich hinaus und sagt etwas beschämt: "So kann ich doch nicht hinausgehen. Das...das macht mich irgendwie dick."

Vor uns steht also ein völlig neu eingekleideter Horst. In schwarzen Jeans, weinrotem Hemd und Lederjacke.

Nach einer langen Nacht bricht der Tag an und unser letztes Stündlein hat geschlagen...mehr oder weniger. Irenka und ich machen uns auf den Weg in die Schule und fürchten uns schon vor dem was uns erwartet.

Wir betreten das Büro der Schulleitung und dort wartet auch schon unsere Direktorin sowie Herr Lindemann. Oh oh.

"Meine Damen. Mir ist zu Ohren gekommen, dass ihr den Ruf von Herrn Lindemann zerstören wollt", sagt sie sehr monoton während sie irgendwelche Akten die auf ihrem Schreibtisch verteilt liegen durchsucht. Sie holt ein gelbes Blatt aus einer Akte heraus.

"Laut dieser Schriftlichen Beschwerde haben sie Herrn Lindemann als "Nazisympathisant" und "Geistesgestört" dargestellt und wollen offensichtlich seinen Ruf aus "Persönlichen Gründen" schädigen", dabei unterstreicht sie alles mit Krähenfüßchen in der Luft während Herr Lindemann so aussieht als würde seine Mutter gerade einen Streit für ihn gewinnen.

"Also...Das war keine Absicht und-", ich werde von der Direktorin mit einer Handbewegung unterbrochen.

"Keine Ausreden. Sie werden erstens das Video löschen und zweitens den ganzen Sommer bei der Renovierung des Schulgebäudes helfen", jeder versuch zu sprechen wurde mit Blicken von der Direktorin sowie einem triumphierenden Grinsen von Lindemann unterbrochen.

Bei Irenka zuhause angekommen erwartet uns das nächste Desaster. Johann und Horst liegen halbtot im Wohnzimmer, alles stinkt erbärmlich und beide kichern wie kleine Kinder.

"Was ist denn passiert", frage ich etwas genervt und auch mit etwas Sorge, von Irenka kommt nur ein "Oh oh" 

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