Kapitel 18 - Jay (ü)
Am nächsten Morgen werde ich durch meinen Wecker aus meinen Träumen gerissen, an die ich mich nicht mal mehr erinnern kann.
Müde öffne ich die Augen und starre an eine fremde Decke. Kurz bin ich schockiert, dann fällt mir der gestrige Abend Stück für Stück ein.
Wie ich mit Lia essen war, was am Strand passiert ist, der Abend mit Liam und den Anderen. Wie sie mich gestern im Flur geküsst hat, wie ich meinen Verstand verloren habe und wie Lia mitten in der Nacht meinen Namen geschrien hat - ich erinnere mich an alles.
Ein fettes Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht, und ich spüre, wie Lia sich in meinem Arm dreht.
Ich fahre mit dem Finger vorsichtig über ihre Augenbrauen und ihre Wangen, wobei Lia langsam seufzt.
„Morgen du Idiot" murmelt sie, und ich lache leise.
„Morgen Kleine" antworte ich, und Lia öffnet ihre Augen, um mich anzufunkeln.
Und es sieht verdammt süß aus.
Gerne würde ich sie für immer so beobachten, doch ich muss raus, um rechtzeitig zur Arbeit zu kommen.
„Ich muss aufstehen" flüstere ich, und Lia gibt ein undeutliches Murmeln von sich - wahrscheinlich eine Art fehlgeschlagener Protest.
Ich drücke ihr einen Kuss auf die Scheitel, dann ziehe ich meinen Arm unter ihrem Kopf weg und ziehe die Decke über Lia, damit sie nicht friert.
„Mach keinen Scheiss" murmelt Lia noch, und ich nicke. „Mach ich nicht. Bis heute Nachmittag."
Ich suche schnell meine Kleider zusammen, die auf dem ganzen Boden verteilt sind. Schon wieder wandern meine Gedanken zu gestern Abend, und das Grinsen, welches sich auf meinen Lippen ausbreitet, wird mir heute wohl wirklich niemand nehmen können.
Ich schleiche mit einem letzten Blick auf Lias süßes Gesicht aus dem Zimmer und husche sofort ins Bad. Da ich mich gestern Abend geduscht habe, bevor ich Lia abgeholt habe, lass ich es heute bleiben.
Ich ziehe mir die Jeans von gestern Abend an mitsamt dem Hemd. Ich werde mir wohl gleich zu Hause ein Shirt holen müssen, denn für die Arbeit als Barista ist ein Hemd wirklich etwas too much.
In der Küche suche ich mir eine Schüssel - von denen besitzt Alex übrigens auch um die 20 Stück - und finde gleich darauf das Müsli.
Schnell esse ich alles, wasche die Schüssel ab und stelle sie auf die Arbeitsplatte.
Dann schlüpfe ich in meine Schuhe und verschwinde.
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Knappe drei Stunden später stehe ich wieder mal hinter dem vertrauten Tresen, den ich gerade mit dem Putzlumpen abrubble.
Heute ist kaum was los, vielleicht so zwei Kunden in zwanzig Minuten – mir soll's Recht sein. Dann habe ich mehr Zeit, um über gestern nachzudenken.
Bisher hat es immer noch niemand geschafft, mir mein Grinsen zu nehmen, nicht mal das Mädchen, das ganze zwei Minuten gebraucht hat, um sich zwischen Tall und Grande zu entscheiden.
Ihr Freund, der wohl mehr oder weniger in das Café geschleppt wurde, hat mich nur entschuldigend und etwas beschämt angeschaut.
Auch da habe ich wie ein Idiot gegrinst.
Als sich die Türe wieder öffnet und mit einem fröhlichen Bimmeln die Ankunft eines nächsten Kunden ankündigt, schaue ich zweimal hin, bis ich Lars erkenne.
Was zur Hölle?
„Lars? Was verschafft mir die Ehre, dich in meinem Café anzutreffen?"
Lars grinst spitzbübisch, und hinter ihm tritt Yamina hervor. Yamina kennt mein Café nur zu gut, sie ist oft hier. Als ich die Röte auf ihren Wangen sehe, während Lars triumphierend grinst, erinnert mich das an meine Situation mit Lia, und somit ist der Fall für mich klar.
„Ich bestelle was, wonach sieht's denn aus?" gibt Lars sarkastisch wie immer zurück, und ich mustere ihn vielsagend.
„Soso. Wie läuft's denn so bei euch?" frage ich so beiläufig wie möglich, doch Lars und Yamina haben mich schon verstanden. Beide werden noch etwas röter, und ich glaube, Lars verliert gleich seinen Kiefer, wenn er noch einen Tick breiter grinst.
„Sagt genug" wispere ich, damit nicht das ganze Café mitbekommt, worüber wir sprechen.
„Und wie war's denn bei meiner lieben Schwester und dir?" fragt Lars mich genauso vielwissend wie ich eben. Ich hebe nur die Augenbrauen und sage nichts, doch Lars versteht mich. Lars beugt sich etwas näher zu mir ran, damit nur er und ich ihn verstehen.
„Verletz sie bloß nicht" warnt Lars, und sein Grinsen wird etwas schwächer. Ich nicke nur und lege ihm die Hand auf die Schulter, bevor er wieder zurückweichen will.
„Ich liebe dieses Mädchen. Sie ist in guten Händen" wispere ich, und zufrieden schaut Lars mich an.
„Also, bekomme ich jetzt noch meinen Kaffee?" meckert Yamina plötzlich hinter Lars, und wir lachen alle drei. Schnell fertige ich einen normalen Kaffee an und stelle ihn Yamina in einem Becher hin, damit sie ihn mitnehmen kann – wie immer.
Lars zahlt, dann verabschieden sich beide mit einem Grinsen.
Plötzlich vibriert mein Handy an meinem Oberschenkel, und da gerade niemand etwas will, nehme ich es hervor.
Nico: Bock gleich zusammen was trinken zu gehen?
Nico: Keine Angst, nichts Alkoholisches ;) Muss ja nachher noch arbeiten.
Ich schaue kurz auf meine Armbanduhr – es ist schon elf Uhr, also habe ich bald die Frühschicht hinter mir. Wieso eigentlich nicht?
Ich: Klar, holst du mich ab?
Kaum habe ich die Nachricht abgeschickt, bekomme ich auch schon die Bestätigung von Nico.
Gerade will ich das Handy wieder wegstecken, als mir einfällt, dass ich Lia vielleicht kurz informieren sollte.
Ich: Hey Kleine, ich hab' mich nach der Arbeit noch mit Nico verabredet. Melde mich sobald ich auf dem Weg zu dir bin.
Jetzt lasse ich mein Handy wieder in meine Hosentasche gleiten und fahre mit meiner Putztour über den Tresen fort.
Ich habe Nico gestern nur knapp gesehen, den restlichen Tag hat er nichts von sich hören lassen. Das sieht ihm eigentlich nicht ähnlich – der Typ kreuzt normalerweise überall auf, wo ich auch bin.
Ich wundere mich auch etwas darüber, weshalb er gestern Abend nicht dabei war, wenn Lars und Yamina doch auch gekommen sind.
Amelie hat auch gefehlt – warte.
Jetzt fällt bei mir der Groschen.
War Nico vielleicht mit Amelie verabredet?
Mein Grinsen wird noch etwas breiter, und ich nehme mir vor, Nico sofort mit Fragen dazu zu löchern.
Das könnte ja noch ganz interessant werden.
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Meine Schicht ist um 13:00 Uhr fertig, und pünktlich wie immer wartet Nico vor der Türe auf mich, während er sich an seinen schwarzen, eleganten Audi lehnt.
Mein alter Opel sieht daneben aus, als wäre er eines der ersten Autos überhaupt, doch ich liebe diese Karre über alles. Keine Ahnung weshalb, doch dieses Auto fährt sich so unglaublich gut und braucht tatsächlich nicht viel, um zu laufen.
Ich scheuche die letzten beiden Mädchen raus und verkünde, dass wir jetzt Mittagspause haben, dann gehe ich nach hinten und nehme mir die Schürze ab. Ich verlasse das Lokal und gebe Nico als Begrüßung einen High-Five.
Er zeigt auf seinen Audi, und somit ist entschieden, dass er fährt. Ich lasse mich auf dem bequemen Ledersitz nieder und warte drauf, dass Nico ebenfalls einsteigt.
Sobald er eingestiegen ist sehe ich sofort, wie angespannt er ist. Er presst die Lippen aufeinander, während er das Lenkrad so fest umklammert hält, dass seine Knöchel weiß hervortreten.
„Nico?" frage ich, und er weiss, auf was ich hinauswill. Er schaut mich kurz an und bedeutet mir so, ich soll reden.
„Was ist los?" fahre ich fort, und Nico seufzt.
„Hast du Liam heute schon gesehen?" fragt er, und ich schüttle verwirrt den Kopf. „Nein, ich bin direkt zur Arbeit. Gestern Abend haben wir uns gesehen. Wieso?"
Noch fester umklammert Nico das Lenkrad, doch seine Stimme ist ruhig. „Wir fahren jetzt zu ihm. Ich habe den neuen Arbeitskollegen gefragt, ob wir Schichten tauschen können. Es ist etwas passiert."
Ich nicke nur stumm, und Nico gibt Gas. Er fährt viel schneller als erlaubt, was mir den Ernst der Lage nochmal zeigt – Nico fährt nie zu schnell.
Da ich glaube, dass Nico wirklich nicht darüber reden möchte, ehe wir bei Liam angekommen sind, lasse ich es bleiben. Wir biegen einige Male ab, dann befinden wir uns auf der Autobahn.
Knappe fünf Minuten später verlassen wir diese jedoch wieder, und als wir auf den Parkplatz des Krankenhauses einbiegen, bin ich ernsthaft aufgewühlt.
Was machen wir hier?
Was macht Liam hier?!
Wortlos steigen wir aus, und ich folge Nico, obwohl es mir schwerfällt, mit ihm Schritt zu halten. Wir erkundigen uns nach der Zimmernummer, dann steigen wir in den Lift, und wenig später klopfen wir an Liams Tür.
„Herein" ertönt ganz klar seine tiefe Stimme, und ich öffne bestimmt die Türe, vorbereitet auf das Schlimmste.
Als ich Liam jedoch sehe, bleibt mir trotzdem kurz der Atem weg.
Über seiner linken Augenbraue prangt eine große Platzwunde, und sein Auge ist blaugrün gefleckt.
„Scheisse, Liam" entfährt es mir, doch trotz seinem Gesicht grinst Liam sein unbeschwertes Grinsen. „Ach, nicht so schlimm. Tut fast nicht weh" lügt er, und Nico schaut ihn mit erhobenen Augenbrauen an.
„Lüg nicht, ich hatte auch mal eine Prügelei und weiss, wie sehr das da schmerzt." Liam schaut ihn giftig an, doch dann grinst er wieder.
„Was ist passiert?" frage ich, während Nico und ich uns beide mit einem Stuhl um Liams Bett setzen. Dessen Miene wird jetzt doch ernst, und über seine Augen legt sich ein dunkler Schatten.
„Es war Jason. Kurz nachdem Lars und Yamina auch gegangen sind, habe ich die Bar abgeschlossen und wollte eigentlich nur noch ins Bett. Ich war so glücklich darüber, euch gesehen zu haben, dass ich gar nicht wirklich auf meine Umgebung achtete. Als ich bei meinem Auto ankam sah ich, dass es auf der Motorhaube total zerkratzt war. Zuerst dachte ich mir, das wäre irgendein betrunkener Typ gewesen, doch dann habe ich auf der anderen Straßenseite Jason entdeckt. Ich wusste sofort, dass er es war. Ich war wütend, schließlich habe ich das Auto selbst gezahlt, und hab ihm eine reingehauen für all das, was er uns allen angetan hat – nicht nur wegen dem Auto, doch das hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Jedenfalls meinte er irgendwann, er habe nur noch ein Ziel, dann wolle er sich zurückziehen: Lia. Er will Lia unbedingt, eigentlich schon seit sie einem seiner Jungs das erste Mal die Stirn geboten hat. Er hasst sie, aber euch hasst er noch mehr. Er will der ganzen Gruppe nochmal eins auswischen. Und wenn wir nicht bald etwas tun, dann schafft er es auch."
Nico schaut finster aus dem Fenster, und ich sitze nur noch fassungslos da. Wie war das nochmals heute Morgen?
Niemand wird es heute schaffen, mir mein Grinsen zu nehmen?
Herzlichen Glückwunsch, Wette verloren, Jay.
In mir spüre ich nur noch eine Wut, die ins Unermessliche steigt.
Ohne es wirklich zu bemerken stehe ich so ruckartig auf, dass der Stuhl beinahe nach hinten kippt.
Ich kicke nochmal gegen ihn, weil er es dann doch nicht tut.
Nico legt mir seine Hand auf die Schulter und drückt kurz stark zu, damit ich mich etwas beruhige. Meine Wutausbrüche bringen hier nichts, ich würde nur irgendwann vom Sicherheitspersonal rausgeschmissen werden.
„Wann kannst du raus?" fragt Nico, und Liam überlegt kurz. „Morgen glaube ich" sagt er knapp, seinen Blick immer noch auf mich gerichtet.
Ich atme einige Male tief ein und aus und fahre mir durch die Haare, dann setze ich mich.
„Okay. Wie gehen wir vor?" frage ich, und Nico schaut mich an.
„Andere Frage: Ist Lia alleine?"
Fuck, Lia.
Jason weiss, wo sie wohnt.
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Uhhh Drama...
Was glaubt ihr, dass passieren wird? Hat Jason Lia wohl einen Besucht abgestattet, oder doch nicht?
Uuund... Lars und Yamina also... und dann auch noch Nico und Amelie... ;)
- Xo, Zebisthoughts
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