Kapitel 12 - Jay (ü)

„Jay, da ist jemand für dich."

Verwundert schaue ich Nico an, der gerade seine Schürze richtet. Es ist eine Woche vergangen seit ich Lia die Kette geschenkt habe, und mein Chef hat Nicos Ferien gestrichen und mich eine Woche früher zurückgeholt.

Nur weil Jenna unbedingt weg wollte.

Kurz gesagt: Sie hat gekündigt, nachdem sie eingesehen hat, dass aus uns nichts wird.

Nicht, dass ich es bedauere – schliesslich bin ich überglücklich mit Lia.

Gestresst schaue ich durch das Fenster, und sofort fällt mir eine schlanke Gestalt auf in einem schwarzen Top und hellblauen Jeans. Lia grinst mich frech an, so, wie sie es eben immer tut, während sie die schwere Glastür schwungvoll aufdrückt.

„Na, du lebst also doch noch" gebe ich von mir anstelle einer Begrüssung, und Lia nickt. „Ja, tatsächlich. Tut mir leid, Dad musste superschnell wieder weg und dann ist Lars krank geworden und ja, war alles bisschen sehr stressig." Ich lege Lia meinen Zeigefinger auf die Lippen, und sie hält inne.

„Alles gut. Geht's Lars wieder besser?" Fröhlich nickt Lia. „Ja, das Fieber ist runter, und er hat auch seine Stimme wieder etwas zurückerlangt. Der Husten ist jedoch immer noch stark, und die Halsschmerzen wollen auch nicht aufhören."

Ich nicke mitfühlend. Seit gut einer Woche liegt Lars völlig erschlagen im Bett, und Lia kümmert sich hinreissend um ihren Bruder. Deswegen (und natürlich auch wegen meiner Arbeit) haben wir uns kaum bis gar nie gesehen.

Plötzlich fällt mir etwas Glitzerndes auf, und ich bemerke die Kette an Lias Hals. Sofort huscht mir ein Lächeln ins Gesicht. „Sag Lars gute Besserung von mir." Lia nickt, dann fällt ihr wohl mein Grinsen auf.

„Was grinst du so?" fragt sie auch direkt, während sie hinter mich in den kleinen Spiegel schaut. „Du trägst die Kette" sage ich nur, und auch Lia lächelt leicht. „Ja, ich trage sie immer."

Jetzt grinse ich noch breiter, und dieses Grinsen kann nicht mal der nächste Kunde, der gerade durch die Türe kommt, verderben – Jason.

Sofort erkennt er Lia, Nico und mich, und er setzt sein falsches Lächeln auf.

„Sieht man euch doch wieder. Hallo Lia, wie geht's dir?" Lia nickt ihm als Begrüssung zu, dann fangen die Beiden an, über belangloses Zeug zu reden. „Und, warst du schon bei der Polizei?" Lia nickt und wirft kurz einen Seitenblick zu mir.

„Jason, was willst du trinken?" fragt Nico neben mir plötzlich kühl. Er mochte Jason noch nie, das hat man sofort gemerkt. Ich kann den Typen auch nicht wirklich ab, doch irgendwie habe ich das Gefühl, zwischen Nico und Jason ist mal etwas vorgefallen.

Vielleicht bilde ich es mir aber auch nur ein.

„Einen Cappuccino bitte. Und bring für Lia bitte auch noch einen."

Völlig verdattert schaut Lia ihn an, und ich habe mich eben getäuscht – Jason schafft es sehr wohl, mein Grinsen zu unterbrechen.

Hinter dem Tresen sehen die Beiden zum Glück nicht, wie ich meine Hand zu einer Faust balle, sie dann aber krampfhaft versuche, wieder zu entspannen. Was will dieser Typ eigentlich? Er hat sich doch vorher auch nie länger als zwei Stunden für ein Mädchen interessiert, doch schon nur wie er Lia anschaut – er will sie, das ist klar. Wieso ausgerechnet Lia?

Lia gehört mir.

Nein, das tut sie nicht. Sie ist kein Objekt, sie kann frei über alles entscheiden, und sollte sie Jason wollen, werde ich das akzeptieren müssen.

„Oh, was trägst du denn da für eine schöne Kette?" höre ich plötzlich Jasons falsche Freundlichkeit, und sofort schiesst mein Kopf von der Kaffeemaschine hoch. Lia hat es bemerkt, und sie schenkt mir einen bleib-ruhig-Blick.

Ich versuche es ja?!

„Die hat mir Jay geschenkt."

Ha! Da siehst du's Jason, Lia ist mein Mädchen, für dich nicht mehr zu haben.

„Soso, Jay also..." Vielleicht mag Lia es nicht bemerken, doch ich sehe genau, wie Jason mich mustert, und in seiner Bemerkung schwang definitiv eine Art Drohung mit. Was. Will. Der. Typ?

Ich werde aus meinen wütenden Gedanken gerissen, als Nico neben mir ziemlich unsanft zwei Cappuccinos auf die Theke knallt. Dabei schwappt ein wenig Rahm über die Tasse, der direkt auf den kleinen Unterteller tropft – es ist Jasons Tasse.

„Oh, das wollte ich nicht, entschuldige bitte." Ich kann die Ironie in jedem Wort hören, das Nico spricht, und bei jedem Wort möchte ich ihn mehr umarmen. Jason schaut Nico nur missbilligend an, dann nimmt er die Tasse und setzt sich an einen Tisch.

Lia folgt ihm mit ihrem Kaffee. Na super.

Nico klopft mir auf die Schulter, und ich schüttle nur wütend den Kopf. Dieser Tag ist für mich eindeutig gelaufen. Ich verschwinde in das Mitarbeiterzimmer und setze mich auf die Couch.

Vorne ist eh nichts los, Nico wird ein paar Minuten alleine klarkommen. Ausserdem klingelt die Tür fröhlich (oder nach einer gewissen Anzahl von Arbeitstagen auch extrem nervtötend), sobald jemand seinen Koffeinentzug begleichen möchte.

Ich raufe mir durch die Haare, als ich den Schatten einer dünnen Person wahrnehme. Ich drehe mich um und sehe, wie Lia im Türrahmen steht.

„Was ist denn mit dir los?" fragt sie, und ich schüttle nur den Kopf. „Ach, nichts. Alles gut, nur der Stress." Lia zieht die Augenbrauen hoch und wirft kurz einen Blick in den Kundenbereich.

„Naja, obwohl ich keine Ahnung habe, welchen Stress du meinst, da wirklich nichts los ist, lasse ich dich dann mal in Ruhe."

Gerade als Lia sich umdrehen will, stehe ich blitzschnell bei ihr und schliesse meine Hand um ihr Handgelenk, Lia dreht sich erwartungsvoll zu mir um, und ich weiss, dass ich mich eigentlich gerade verraten habe.

„Ich mag ihn nicht."

Das ist masslos untertrieben. Ich hasse Jason.

„Jason?" Ich nicke, dann lasse ich Lia los und drehe mich um. Wahrscheinlich denkt sich Lia gerade, wie eifersüchtig ich bitte bin, obwohl wir nicht mal zusammen sind. Nein, wir sind nicht zusammen. Wir haben uns geküsst und so, doch seither ist nichts mehr passiert.

„Sorry, ich bin ein Idiot" murmle ich, und Lia stellt sich vor mich.

„Ja, das bist du. Und zwar, weil du denkst, ich würde Jason nicht durchschauen. Also bitte, meine Intelligenz und meine Menschenkenntnis fühlen sich gerade etwas gedemütigt."

Schmollend schaut Lia mich an, und ich kann nicht anders, als zu lachen.

„Hiermit entschuldige ich mich formell bei deiner Menschenkenntnis und bei deiner Intelligenz."

Lia grinst nun auch, und sie klopft mir wie Nico eben auf die Schulter. „Ich muss los. Pass bitte auf, dass du dem nächsten Typen der es wagt, mich anzusehen, nicht gleich an die Gurgel gehst."

Ich verabschiede mich nur mit einem „ich kann für nichts garantieren" Blick, und dann ist sie auch schon wieder verschwunden.

Ich höre noch, wie sie sich von Nico verabschiedet, dann kehrt wieder Ruhe ein. Noch ein paar Minuten bleibe ich hier, dann wage ich mich auch wieder nach vorne.

„Dachte schon du kommst gar nicht mehr" murmelt Nico beschäftigt, doch ich reagiere nicht.

„Alles okay?" höre ich einige Sekunden später von ihm, und er dreht sich sogar zu mir um, um mich prüfend zu mustern.

„Ja. Ich bin nur verdammt eifersüchtig. Schau, da kommt der nächste Kunde."

Nico schaut mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an, sagt jedoch nichts.

Schlauer Bruder.

--

Fünf Stunden später sitze ich bei mir zu Hause und zappe durch irgendwelche Serien, als ich den nächsten Hustenanfall von Lars bis hier oben hören kann. Er tut mir echt leid, Erkältungen können fies sein.

Ob Lia gerade bei ihm ist?

Ich denke schon, immerhin brannte das Licht eben, als ich nach Hause gekommen bin. Kurz überlege ich, ob ich runtergehen sollte, um Lia etwas unter die Arme zu greifen. Andererseits – was sollte ich denn grossartiges machen? Ich kann Lars auch nicht wirklich gesund hexen.

Du könntest für deine Freunde da sein?

Danke, innere Stimme.

Ich stehe unter lauten Ächzern auf – ich sollte wirklich mal wieder laufen gehen – und greife zur Fernbedienung, die ich jetzt endlich zur Ruhe kommen lassen werde. Der Bildschirm wird dunkel und ich schnappe mir mein Handy und suche nach Lias Chat – was nicht wirklich schwer ist, denn ich habe sie angepinnt.

Ich: Bist du zu Hause?

Lia: Jap, total überfordert – hörst es wahrscheinlich

Ich: Du Arme. Drück dir die Daumen!

Gut, Lia ist also zu Hause.

Ich schnappe mir eine Tüte Popcorn und eine Tiefkühlpizza, dann verlasse ich die Wohnung. Auf dem Weg nach unten begegne ich der Dame, die im fünften Stockwerk wohnt.

„Oh, guten Abend Herr Winston!" Ich nicke ihr freundlich zu.

„Guten Abend Frau De Jong. Sie können mich übrigens einfach mit Jay ansprechen – mein Vorname." Die Frau nickt. „Ich bin Mary. Mary De Jong."

Sie streckt mir ihre Hand entgegen, und irgendwie schaffe ich es, die Popcorntüte auf der Pizza zu balancieren, um Mary meine Hand ebenfalls zu reichen.

„Nun, ich müsste jetzt auch los. Ich wünsche Ihn- dir noch einen schönen Abend, Jay." Ich wünsche Mary dasselbe, dann setze ich meinen Weg zu Lia fort.

Gerade als ich klingeln will öffnet sich die Türe schwungvoll, und ich schaffe es mit Müh und Not, das Essen zu balancieren, als Lia gegen meine Brust knallt.

„Oh, ehm – sorry. Ich- Jay?"

Lia schaut mich total verwirrt an, dann entdeckt sie das Popcorn und die Pizza. „Du wolltest doch nicht etwa-" fängt sie an, doch ich drücke mich an ihr vorbei in die Wohnung.

„Ich kann dich doch nicht mit einem kranken Mann alleine lassen. Los, komm wieder rein. Ich helfe dir." Lia schliesst die Türe hinter sich wieder, dann atmet sie erleichtert aus. „Du bist ein wahrer Schatz, danke. Kannst dich ja erstmal bei Lars als neuer Pfleger vorstellen gehen, ich mach das Zeug hier warm."

Sie nimmt mir die Pizza und das Pocorn ab, und kurz mustere ich sie. „Sicher dass du das ohne Verletzung hinbekommst?" spotte ich, und Lia streckt mir die Zunge raus. „Okay, ich geh ja schon."

Lachend wende ich mich ab und klopfe an Lars' Tür.

„Beweg deinen Arsch hier rein, Jay."

Jap, das ist eindeutig Lars, auch wenn er krank ist.

Grinsend trete ich ein, und ich brauche einige Sekunden, um mich an das dunkle Zimmer zu gewöhnen. Schnell schliesse ich die Türe wieder und entdecke unter all den Decken und Kissen Lars' brauner Haarschopf.

Er hat seine Haare natürlich offen, und ehrlich gesagt sieht er so einfach nur scheisse aus.

„Grins nicht so blöd, ich weiss, wie beschissen das aussieht." Lars zeigt mit dem Finger auf seine Frisur, und ich schaue noch breiter grinsend weg.

„Wie geht's dir?" frage ich, und Lars hebt seine Augenbrauen.

„Du kannst ja sentimental sein. Naja, beschissen? Aber ich habe eine wundervolle Schwester, die sich jeden Tag um mich kümmert, jetzt aber jedoch von einem Pfleger abgelenkt werden wird..."

Ich grinse Lars nur dumm an. „Wenn ich dir als Pfleger nicht passe dann sag mir das doch bitte direkt ins Gesicht. Und Lia wird sich ziemlich sicher nicht von mir ablenken lassen, wenn es um ihren Bruder geht."

Lars seufzt, dann setzt er sich etwas auf.

„Was geht da zwischen euch?" fragt er plötzlich, und mit dieser Direktigkeit hätte ich ehrlich nicht gerechnet. Ich ziehe mir den Bürostuhl heran und setze mich rittlings darauf, dann seufze ich auch erstmal.

„Keine Ahnung, Lars. Wir haben uns geküsst, wir haben sogar im gleichen Bett nebeneinander geschlafen, doch ich glaube, da ist noch so viel, dass wir zuerst herausfinden müssen." Oder ausdiskutieren, doch das behalte ich für mich.

Plötzlich spüre ich eine schwache Hand auf meiner Schulter.

„Manchmal frage ich mich, wie du so ein Idiot sein kannst. Lia strahlt wie seit langem nicht mehr, seit ihr euch geküsst habt. Seit sie diese Kette hat. Seit du wieder da bist, okay? Sie ist total glücklich mit dir und blüht wieder richtig auf. Ich liebe es, sie so zu sehen. Es ist das erste Mal seit zwei Jahren, dass sie für eine längere Zeit als zwei Minuten so glücklich war. Verlass sie bitte nicht, es würde ihr das Herz brechen – und mir auch. Und ich würde dich suchen, finden und dir so richtig eine runterhauen, nur damit das klar ist. Jay, Lia ist verrückt nach dir."

Mir bleibt ernsthaft die Sprache weg.

Bedeute ich Lia trotz allem so viel?

--

Hey meine Freunde der Sonne! (Oder des Dramas?) Ich werde diese Woche einige Kapitel schreiben und veröffentlichen können, da ab morgen meine Prüfungen vorbei sind! Nächste Woche hingegen wird wohl eher weniger kommen, da ich in den Ferien bin und meine Zeit mit meiner Familie und den Freunden dort geniessen möchte.

Soo Lars hat Jay also mal etwas wachgerüttelt. Was haltet ihr davon?

Und was findet ihr von Jays Reaktion auf Jason? Denkt ihr auch, dass da was zwischen ihm und Nico vorgefallen ist?

- Xo, Zebisthoughts

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