32. Niall ist Niall
Nein, ich lebe tatsächlich noch. Überraschung! Wie geht es euch?
there's something about you
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Pov Franzi
,,Reichst du mir mal die andere Rolle, die kleine?"
Hektisch durchwühlte ich den Haufen Streichmaterialien, der sich auf dem Boden in der Mitte von Nialls neugestrichener Küche angesammelt hatte, bis ich die Rolle fand, die mein Freund meinte. Ich reichte ihm sie hoch auf seine Leiter und begutachtete dann die Farbklekse auf Nialls Gesicht.
,,Sicher, dass du die Küche und nicht deine Haut streichst? Ich weiß nicht, was jetzt grade weißer aussieht."
Niall hob eine Augenbraue und tippte sich an die Stirn.
,,Sehr witzig, Franzi. Ich schufte und schufte und du lachst nur! Die Flecken sind Ehrenabzeichen für mein Durchhaltevermögen!", antwortete er und grinste mich breit an, bevor er sich wieder der Decke zuwendete, die als einzige Wand im Raum noch nicht in einem neuen, frischen Weißton strahlte. Der Rest sah deutlich besser auch als noch vor drei Stunden, als die Wände eher grau und fleckig gewirkt hatten. Ich hockte mich wieder hin, um weiter die Abklebefolie von der Tür zu lösen. Die brauchten wir jetzt nicht mehr, die Farbe musste nur noch trocknen.
,,Ehrenabzeichen, hm?", wiederholte ich belustigt und warf ein Stück Folie in den Müll. ,,Sehen nicht sehr ehrenvoll aus, Mr Durchhaltevermögen."
,,Glaubst du mir etwa nicht?" Niall klang, als würde er schmollen, aber dass er es nicht wirklich tat, wussten wir beide.
,,Was, wenn ich es nicht tue?"
,,Dann muss ich dir wohl zeigen, wie gut mein Durchhaltevermögen ist."
Ich hielt inne, dann spürte ich die Röte meinen Hals und dann meine Wangen hochkriechen. Verlegen stimmte ich in sein Lachen mit ein, sagte aber nichts mehr. Was sollte man dazu schon sagen?
Mit mehr Kraft als notwenig riss ich eine weitere Folie vom Türrahmen und plumpste zurück auf meine Knie, als ich es entsorgte. Meine Finger kribbelten, plötzlich war da Wut auf mich selbst in mir. Heiß und böse. Mein Sichtfeld schien sich zu verengen. War ich eigentlich wirklich so verklemmt oder was war mein Problem?
Ewig ließ Niall sich das sicher nicht gefallen.
Halt rief ich mich selbst zu Ordnung. Niall war Niall, jemand, den ich seit Jahren gut kannte und seit Monaten als meinen Freund betrachtete. Er hatte mir mehrfach versichert und bewiesen, dass Zeit keine Rolle spielte, dass er mich wirklich von ganzem Herzen liebte und mir dabei helfen wollte, auch wirklich wieder Vertrauen in eine Beziehung zu haben. Niall war nicht Nick, sondern Niall, der Junge, der schon mal mein einziger und jetzt mein fester Freund gewesen war. Er würde auf mich warten, und wenn ich noch lange warten wollte.
Mal davon abgesehen, dass es in meinem Kopf auch okay war, mit 20 noch Jungfrau zu sein. Wieso denn nicht?
,,Alles okay, Darling?", riss mich Nialls Stimme zurück ins Hier und Jetzt und ich bemerkte, dass ich die letzten Minuten wohl nur stumm dagesessen und in die Ferne geglotzt haben musste. Huch. Ich raffte mich auf und blinzelte zu ihm hoch.
,,Jap, jetzt wieder. Bist du bald durch?"
Besorgnis tanzte in Nialls Blick, aber mein Freund musterte mich nur noch für eine Sekunde, dann zog er die Farbrolle nochmal über die Tapete, ließ sie weiß glänzten. Ein weiterer Farbkleks landete auf seinem alten, extra fürs Streichen ausgewählten Shirt.
,,Jap, so gut wie. Dann müssen wir nur noch alles sauber machen und geschafft. Einräumen kann ich die Küche auch morgen oder übermorgen alleine."
,,Ach, so oft nutzt du sie?", neckte ich ihn und zog das letzte Stück Folie ab. Die Tür war befreit, man konnte wieder hindurchgehen. Niall grunzte beleidigt.
,,Kann nicht jeder ein Sternekoch sein wie Liam. Oder mit nem Sternekoch aufwachsen, so wie du."
Ich runzelte die Stirn und dachte an Liam. Seit er uns vor Wochen von seinem Jobangebot erzählt hatte und später dann mit einem begeisterten Videoanruf mitteilte, dass er den Job wirklich bekommen hatte, hatte ich recht wenig von ihm gehört. Er war mal bei Louis zu Besuch gewesen und hatte meinen Kuchen gegessen, er war genauso aktiv in unserem Gruppenchat wie auch alle andern, aber das wars dann auch. Der neue Job spannte ihn ganz schön ein. Und seine und Romans Suche nach einem Hundewelpen, natürlich. Die zwei waren einfach zu knuffig.
,,Kein Grund, von FastFood zu leben, Niallchen. Komm öfter zum Essen vorbei. Apropos, hast du was von Liam gehört?", entgegnete ich, als Niall die Leiter herunter stieg und sich mit einem Stöhnen zu Boden fallen ließ, um erstmal Pause zu machen. Die gönnte ich ihm und knibbelte weiter an der Folie auf dem Boden herum.
,,Wegen dem Hund?", hakte Niall nach und ich hob die Schultern.
,,Ja. Oder dem Job. Oder dem Leben."
,,Dem Leben." Niall grinste belustigt, dann gesellte er sich zu mir, um mir beim sauber machen zu helfen. Dabei war er weißer als der ganze Raum. ,,Wir haben am...ich glaub Sonntag telefoniert, ziemlich lange. Eigentlich wegen Konzertkarten, die er haben wollte, sind aber dann ins Plaudern gekommen. Anscheinend schauen sie dieses Wochenende nen Welpen an, so was Kleines."
,,Oh, was für eine Rasse?", fragte ich weiter, in meinem Kopf tauchten super niedliche Welpenbilder auf. Ein Hundebaby, wie absolut süß! Ich würde Liam und Roman mit Fragen nach Fotos in den Wahnsinn treiben. Oder gleich vorbeikommen.
,,Keine Ahnung, mit sowas kenn ich mich doch nicht aus, Franzi." Mein Freund lachte. Ich warf ihm einen gespielt bösen Blick zu, aber ich hätte auch wissen können, dass er keinen Labrador von einem Dackel unterscheiden konnte. Wenigstens konnte er reiten.
,,Aber sie sind happy, denk ich. Liam klang auch wegen dem Job happy, die Arbeitszeiten sind halt seltsam, aber Roman und er finden ihre Zeit, meint er. Praktisch, wenn man zusammenlebt."
Ich nickte. Wahrscheinlich achteten die zwei penibel darauf, zusammen zu frühstücken und abends noch über ihren Tag zu quatschen, selbst wenn ihnen das den Schlaf raubte. Und vielleicht funktionierte ihre Beziehung deshalb so gut.
,,Wie gehts Louis? Wo wir grade beim Klatsch über unsere Freunde sind?", fragte Niall und fluchte, als die Folie so einriss, dass es nur noch schwieriger wurde, sie abzuknibbeln. Amateur. Ich grinste. Dann musste ich an seine Frage denken und das Grinsen verschwand. Stimmt. Das hatte ich Niall noch gar nicht erzählt.
,,Weiß nicht, er hat bei Harry geschlafen. Da war gestern ganz schön viel los.", begann ich und Nialls Blick bohrte sich überrascht in meinen Kopf. Er hielt inne. ,,Ja?" ,,Ja. War nicht so schön. Anscheinend hatte Nick einen Unfall und man hat Harry informiert. Er ist dann mit Zayn dahin und hat ausgerechnet Derek getroffen. Dann ist Louis aufgekreuzt und sie sind zurück nach Hause. Er ist die Nacht über bei Harry beglieben, er war wohl ziemlich aufgewühlt."
Niall schluckte, er verarbeitete meine Worte. Dann verzog sich ein Gesicht zu irgendetwas zwischen Wut und Mitleid.
,,Nick und Derek, huh? Scheißkerle. Zum Glück waren Zayn und Louis da. Weißt du, wies Haz jetzt geht? Muss ja ein Schock gewesen sein, nach all der Zeit. Hat Derek sich daneben benommen?"
Niall klang aufgewühlt, so hatte ich mich gestern Abend auch gefühlt. Wahrscheinlich wollte er Harry am liebsten helfen, das Gefühl hatte ich ja auch gehabt. Ich schluckte die Bitterkeit hinunter und rief mich selbst zur Ordnung. Halt. Niall war Niall.
,,Weiß nicht, Louis hat sich noch nicht gemeldet und auf meine Nachricht hat Haz nicht reagiert. So wie ich ihn kenne isoliert er sich sowieso erstmal, aber Louis und Zayn sind ja da. Ich hoffe nur, dass Nick und Derek sich jetzt wieder verpissen, die haben in diesem Leben absolut gar nichts mehr in unserer Welt verloren. Besonders nicht in Harrys."
Die kalte Wut war wieder da. Derek gehörte gar nicht mehr in dieses Leben, er gehörte ins Gefängnis. Und Nick sollte sich einen anderen Kontinent suchen. Er hatte mich scheiße behandelt und Harrys Missbrauch vertuscht, statt ihm zu helfen, nur Streit verursacht und bis zum Schluss zu Derek gehalten. Kein Mensch, mit dem ich je wieder etwas zu tun haben wollte.
Ich spürte Nialls warmen, liebevollen Blick auf mir. Ich drehte den Kopf und sah ihm direkt in die Augen, direkt in seine Seele. Und er in meine. Seine Gesichtszüge wurden noch weicher, immer sanfter, dann hob er den Arm. Seine warme Hand legte sich an meine Wange und sein Daumen strich mir über den Wangenknochen. Ich hielt die Luft an, so intensiv war sein Blick und so fesselnd war seine Wärme.
,,Bist du okay?", flüsterte Niall, als wolle er mich nicht verschrecken. Als wäre ich ein kleines Reh, das jeden Moment davon laufen und nie wieder zurück kommen könnte. Ich schluckte, dann lehnte ich mich in seine Berührung.
,,Ja.", hauchte ich. Womit hatte ich Niall verdient, der sofort verstanden hatte, dass die Situation zwar für Harry am dramatischsten, aber auch für mich nicht leicht war? Meine Oma würde sagen, dass ich ihn mir nicht verdienen musste. Weil ich so schon genug war. Und ich gab alles, um ihr zu glauben.
,,Wenn du das nicht bist, ist das auch okay.", wisperte Niall vorsichtig und beobachtete mein Gesicht. ,,Wir können darüber sprechen oder auch nicht, ganz wie du willst." Die Liebe in seinen Augen brachte mich innerlich zum Schmelzen. Nie hätte ich gedacht, dass ich so etwas fühlen könnte. Dass ich so etwas lieben könnte, dass so etwas das war, für das ich alles geben würde. Aber die Liebe, die Niall mir schenkte, war alles, was ich wollte. Und deshalb brach auf meinem Gesicht auch das breiteste Lächeln aus, das ich je gespürt hatte.
Es fühlte sich so an, als wäre das hier ein ganz besonderer Moment für uns. In alten Klamotten, mit Farbe in den Haaren, auf dem Boden kniend und in völliger Stille. Das war alles egal, der Moment war trotzdem perfekt. Weil die Liebe in mir und die Liebe in Nialls Blick größer war als eine frisch gestrichene Küche.
,,Ich liebe dich.", flüsterte ich.
,,Ich liebe dich auch.", antwortete Niall und lehnte sich vor, um seine Lippen sanft auf meine zu legen. Ich erwiderte den Kuss, verlor mich darin, wie es so oft geschah. Eine Pausetaste, oder vielleicht doch ein ganz neues Level, das ich da betrat.
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Die Küche vergaßen wir danach komplett. Kein Wunder. Es folgte ein gemütlicher Nachmittag in Nialls in der Tat sehr weichem Bett, dann ein Abend vor dem Fernseher, Bier und Snacks vor uns auf dem Tisch, die kleine Wohnung voller Wärme. Himmlich. So, wie ich es liebte. Und plötzlich hatte ich wieder ganz viel Kraft für die zwei kommenden Unitage. Und dann wäre auch schon wieder Wochenende, endlich.
,,Dein Handy vibriert, Darling.", unterbrach Niall meine Gedanken und hörte auf, meine Füße zu massieren, um stattdessen das blöde Ding vom Tisch zu pflücken und mir zu reichen. Louis. Na, das war dann wohl besser wichtig.
,,Hey, alles klar?", meldete ich mich und Niall hielt den Film an, bevor er sein eigenes Handy heraus holte. Zumindest tat er so, als wolle er nicht mithören. Ich stupste ihn liebevoll mit dem Fuß an, er stupste zurück.
,,Hi, wo bist du?", antwortete Louis in der Leitung, die Bahn im Hintergrund. Ich runzelte die Stirn.
,,Bei Niall, warum?"
,,Hatte keinen Schlüssel. Ist aber nicht schlimm, bleib du mal so lange da, wie du willst, bin auf dem Weg zu Nils. Der hat doch nen Zweitschlüssel." Mein Stirnrunzelnd wurde tiefer.
,,Sind die Nachbarn nicht da?"
,,Nein", seufzte Louis, ,,anscheinend nicht. Aber wie gesagt, ich hol den Schlüssel. Und ernte gleich nen Abendessen bei denen in der WG, hat Emma mir am Telefon versprochen. Bin dann später zuhause. Bleibst du bei Nialler oder kommst du auch noch?"
Ich sah kurz zu Niall, dann dachte ich an den Unikram zuhause auf meinem Schreibtisch. Und an Louis, der nach fast zwei Tagen Harry-care jetzt auswärts zu Abend aß und dann alleine in der Wohnung hockte. Ich schüttelte den Kopf.
,,Mach mich gleich auf den Weg. Schreib mal, wenn du bei Emma und Nils raus bist, dann fahr ich hier los." Sollte zeitlich passen, unsere Wohnung war fast näher an der von meinem Bruder dran als an Nialls. Komplett unterschiedliche Richtungen.
,,Musst du nicht, Franzi." Louis klang trotzdem ein bisschen erleichtert, so gut kannte ich ihn dann doch. Ich grinste in mich hinein und klopfte mir für meine Entscheidung auf die Schulter.
,,Will ich aber. Wir sehen uns, guten Appetit. Pass auf dich auf. Und grüß mein Bruderherz von mir, ja?"
,,Em nicht?", grunzte Louis belustigt und seine Hintergrundgeräusche wurde lauter. Neue Station, so wie es klang. Ich verdrehte meine Augen.
,,Emchen natürlich auch. Bis dann, Louis."
,,Bis später." Er legte auf.
,,Alles gut?", fragte Niall und ich zuckte mit den Schultern, bevor ich ihn mit einem Stupser an meine Fußmassage erinnerte. Niall grinste und setzte sie beschwerdenlos fort. Sehr nett von ihm.
,,Weiß nicht, er klang ein bisschen fertig, darum penn ich lieber Zuhause und red nochmal mit ihm. Über Haz hat er jetzt nichts gesagt, aber da bekomm ich schon was aus ihm raus."
,,Könntest du...", setzte Niall an, ich nickte sofort, ohne Bedenken.
,,Klar, ich schreib dir, wies ihm geht. Hat er dir auch nicht geantwortet?"
,,Nein." Niall sah niedergeschlagen aus. Ich kämpfte mich hoch und legte ihm einen Arm um die Schultern, um ihn in eine Umarmung zu ziehen. Mein Freund legte seine Arme um mich und drückte mich an sich. Ich genoss seine Wärme, seinen Niall-Geruch. Hier könnte ich einschlafen. Aber das wäre jetzt blöd.
,,Wir kennen doch Harry.", flüsterte ich stattdessen in sein Ohr, ,,Er ist nun mal so. Probleme macht er mit sich selbst aus. Morgen antwortet er bestimmt. Und Zayn ist da."
Niall nickte an meiner Schulter und hauchte einen Kuss auf meinen Hals. Ich musste nur ein winziges bisschen kichern, das hatte gekitzelt. Mein Freund brummte leise.
,,Du hast recht, ich weiß." Dann hob er den Kopf und sah mich an, seine Augen leuchteten warm. Alles in mir kribbelte vor Herzrasen und Schmetterlingen in meinem Bauch.
,,Aber weißt du, was das heißt?"
,,Nein?"
,,Wir müssen all diese Snacks aufessen, bis du losmusst, Franzi!", verkündete Niall freudestrahlend und drückte mir gleich die Schüssel Chips in die Hand. ,,Also, auf an die Arbeit, meine Liebste! „
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Ein bisschen Fluff (:
Wie ihr vielleicht merkt, werden die Kapitel deutlich kürzer. Das mache ich, um häufiger Updaten zu können. Aber es werden auch wieder sehr lange dabei sein, und unter 2000 Worte sowieso nichts. Ich passe das dem Kapitel und der Situation an. Keine Sorge, ich kürze nichts <3
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