16. Mitternachtstee

Nächstes Kapitel (:
Ich hoffe, es geht euch gut? Ansonsten wäre ich auch jederzeit für euch da!
At the kitchentable

—————————————————-
Pov Louis

Natürlich blieb Harry über Nacht.

Er war zwar bis zu dem Moment, in dem ihm dann tatsächlich die Augen zufielen, davon überzeugt, dass er sich später noch auf den Heimweg machen würde, aber das war eine utopische Idee. So müde wie er schon um kurz nach 10 war, würde er es nicht mal aus der Wohnungstür schaffen. Und so durch London laufen lassen würde ich ihn auch nicht. Da besaß ich dann doch noch ein kleines bisschen Verantwortungsbewusstsein.

Als ich gemerkt hatte, dass mein bester Freund längst am Eindösen war, hielt ich mitten in dem Satz, mit dem ich ihm grade von meinem letzten Wochenende bei meiner Mom zuhause erzählt hatte, inne. Wecken wollte ich Haz nicht mehr, dass er müde war hatte ich ja sowieso schon gewusst, da reichte auch ein Blick auf seine Augenringe. Den Schlaf gönnte ich ihm jetzt.

Und dass Harry bei mir übernachten würde störte mich jetzt auch nicht grade. Um ehrlich zu sein hatte ich das ordentlich vermisst, seit wir nicht mehr zusammenlebten. Natürlich war es eigentlich irgendwie normal, dass man nicht ständig das Bett mit seinen Freunden teilte, aber neben Harry zu pennen war mehr ein Zeichen unseres Vertrauen und unserer Freundschaft als sonst was. Und auch, wenn es mich immer nervös machte, wenn Haz direkt neben mir lag, so bedeutete es mir doch ganz schön viel, wenn er hier schief. So selbstverständlich neben mir einschlief.

Ich seufzte leise und betrachtete das durch den Schlaf entspannte Gesicht meines besten Freundes auf meinem Kopfkissen. Ich wollte nicht bemerken, wie viel schöner ihn die Ruhe in seiner Gesichtszüge noch zusätzlich machte, aber mein Gehirn studierte sogar den Schwung seiner Wimpern und das kräuseln seiner Lippen beim Atmen. Ich schnaubte und wandte den Blick ab. Verdammt.

Über Harry hinweggekommen war ich immer noch nicht, das wusste ich. Aber die Hoffnung hatte ich auch noch nicht verloren. Vielleicht war das normal.

Leise und vorsichtig rutschte ich vom Bett und tapste so geräuschlos wie es nur ging durch mein Zimmer, um den leeren Teller, den ich fast vollständig alleine leer gefuttert hatte, auf meinen Tisch zu stellen. Dann dankte ich im Stillen irgendeiner höheren Macht dafür, dass Haz schon zuvor eine Jogginghose und ein Shirt angezogen hatte, in dem er pennen konnte, weil es so zum auf dem Bett abhängen bequemer gewesen war. Nun musste ich ihn also nicht mal wecken, damit er sich umziehen konnte. Ich trug auch schon meine schwarze Jogginghose und wechselte nur noch schnell mein Shirt, um das Linkin Park-Shirt, dass ich zuvor getragen hatte, nicht zu zerknittern. Dazu mochte ich es zu gern, zum Schlafen war es einfach zu gut.

Ich lauschte in die Wohnung hinein. Klang als würde Franzi schon schlafen oder stillschweigend in ihrem Zimmer rumhängen, sonst würde ich ihre Stimme oder ihr Handy durch die Wände hören. Ihre Woche war auch anstrengend gewesen, also gönnte ich auch ihr den Schlaf. Blöd nur, dass ich absolut gar nicht müde war.

Leise schlich ich aus dem Zimmer und vermied einen weiteren Blick auf Harry, weil ich wusste, dass seine langen Locken sich wie ein Fächer auf meiner Bettwäsche verteilt hatte und dass ich den Anblick wieder viel zu tief in mich aufnehmen würde. Und dass das nicht so ganz richtig wäre.

Ich zog meine Zimmertür hinter mir zu, drehte mich um und sah dann den Streifen Licht unter Franzis Tür durchleuchten. Sie war wohl doch noch wach. Nerven musste ich sie jetzt trotzdem nicht.

Ich tapste auf rutschigen Socken in die Küche, knipste das Licht an und starrte in die Fensterscheibe. Meine Reflexion erwiderte den Blick ebenso starr und ich musterte für einen Moment meine zerwühlten, nach einem Friseur schreienden Haare und die unförmigen Gliedmaßen unter dem weiten Schlafshirt, dann wandte ich mich ab und goss mir ein Glas Wasser ein. Mein Äußeres bereitete mir grade nicht wirklich Bauchscherzen, selbst wenn Haz in meinem Bett lag - interessierte ihn nicht mehr als Franzi. Also gar nicht.

Die kühle Flüssigkeit lief besänftigend meinen Hals hinab und ich schluckte gierig, mir war gar nicht bewusst gewesen, wie durstig ich nach der Pizza gewesen war. Dann stellte ich das Glas zurück an die Spüle und lehnte mich darüber, um trotz der Helligkeit im Raum einen Blick hinaus werfen zu können. Autos, Menschen, Lichter. London schlief eben nicht. Erstrecht nicht um halb elf.

,,Louis?" Ich hob den Kopf ein Stück weiter, nur um im Glas Harry hinter mir stehen zu sehen. Ich seufzte. Das mit dem Schlafen lassen hatte ja mal gar nicht funktioniert, aber so richtig meine Schuld war das jetzt nicht. 

,,Hab ich dich geweckt?", fragte ich trotzdem und drehte mich zu dem Lockenkopf um, der im Türrahmen lehnte und dessen Augen quasi überkreuzt schauten. Müde wie sonst was der Junge. Blöde Idee von ihm, einfach aufzustehen.

,,Ne, bin von selbst aufgewacht und du warst weg, also..." Seine Stimme versiegte. Ich lächelte leicht.

,,Also hast du nachgesehen, ob ich entführt wurde, oder was?", neckte ich ihn dann und griff wieder nach dem Glas, um mir eine weitere Ration Wasser einzuverleiben. Der Durst war noch nicht so ganz gestillt.

,,Haha, Lou, ich hab einfach geguckt, wo du bist." Der Humor tropfte quasi von seinen Stimmbändern. Ich grinste und hob das Glas in seine Richtung.

,,Magst du auch was trinken? Tee?"

Harry nickte und ich bückte mich, um einen kleinen Topf aus dem Schränkchen neben der Spüle zu ziehen. Dann mal Wasser aufkochen. Haz trat neben mich und lehnte sich an die Küchentheke, um mir dabei zuzusehen, wie ich den Herd anstellte. Aus irgendeinem Grund machte mich sein Blick nervös und ich deutete auf den Schrank über der Kochplatte.

,,Such dir mal ne Sorte aus."

Harry zog die Tür auf und begutachtete meine Teesortensammlung, die tatsächlich bei jedem meiner Einkäufe wuchs. Wir hatten vielleicht nicht unendlich viel Geld zur Verfügung bei jedem Mal, wenn wir Lebensmittel besorgten, aber ich kaufte trotzdem immer neue Beutel. Meine Lieblinge musste ich immer vorrätig haben und neue Sorten ausprobieren war auch definitiv mein Ding.

,,Ganz schöne Auswahl.", kommentierte Haz und ich grinste wissend. Eben. Aber wenn ich raten müsste, würde ich für Harry eine seiner altbekannten und oftgetrunkenen Sorten wählen, er war nicht so der Probiertyp.

Ich beobachtete aus dem Augenwinkel, wie mein bester Freund einen Beutel Earl Grey Tee aus dem Schrank zog. Bingo. Hatte ich doch gesagt. Die Sorte trank er morgens am Liebsten.

,,Sicher, dass du Schwarztee trinken willst, wenn du eigentlich in Bett gehen magst?", fragte ich trotzdem nochmal nach, aber Harry nickte und legte den Beutel auf die Theke.

,,Jup, ich will eigentlich nicht Schlafen, mir sind nur eben die Augen zugefallen. Ich will lieber Wachbleiben, wenn ich schon mal bei dir übernachte." Er stockte und ich lächelte. Er blieb also nicht nur hier, weil er zu müde war, um nach Hause zu gehen, sondern auch, weil er wollte.

,,Ich halt dich aber nicht wach, Hazza."

,,Ne, das krieg ich schon selber hin.", erwiderte Harry grinsend und wies dann auf den Schrank über meinem Kopf. Ich zuckte mit den Schultern. Wenn er das tun zu müssen meinte, bitte.

,,Also, was magst du für einen? Hast du die alle überhaupt schon mal getrunken?"
Beleidigt schnaubte ich.

,,Natürlich, ich kauf das Zeug ja nicht zu Spaß. Nimm mal den ganz rechts für mich, bitte.", entgegnete ich und pflichtbewusst befreite Haz den Beutel auf dem Karton, um ihn neben seinen auf die Theke zu legen. Dann warf er mir wieder einen langen Seitenblick zu und ich hob die Augen vom Wassertopf, um seinen Blick zu erwidern.

Wieder geisterte der Gedanke, wie schön Harry eigentlich war, durch meinen Kopf, aber ich schob ihn von mir. Natürlich war ich nicht über ihn hinweg, aber naja, ich wollte diese Gefühle nicht mehr. Diese Hoffnungen und dann doch wieder Enttäuschungen standen in meinen Augen irgendwie zwischen uns und ich würde diesen Fehler nicht nochmal machen. Kein Egoismus mehr, Nur Freunde. Fertig. Wenn ich für meinen besten Freund da sein wollte, mussten die Gefühle zuhause bleiben.

,,Das Wasser kocht.", wisperte Harry in die Stille und ich blinzelte, bevor ich bemerkte, dass er recht hatte und dass das heiße Wasser bereits über den Topfrand hinaus spritzte. Fluchend stellte ich den Herd ab und zog den Topf herunter. Na super.

,,Wo hast du Tassen?", fragte Haz und irgendwie war es seltsam, dass Harry sich nicht besser in meiner Küche auskannte als ich. Auch wenn es eigentlich logisch war. Ich fluchte wieder leise und wies mit einer Kopfbewegung zum richtigen Schrank. Der, dessen Tür immer mal wieder einfach herausfiel, wenn man zu fest zog. Aber Harry zog natürlich nicht zu fest.

Ich musste schmunzeln, als Harry die hässlichen Werbetassen aus dem Schrank holte und sie stirnrunzelnd betrachtete, bevor auch er lächelte. Dann goss ich das heiße Wasser in die Tassen und hängte die Beutel hinein.

,,Milch, Zucker?", fragte ich und öffnete schonmal den Kühlschrank, denn ich wollte zumindest Milch. Und der starke Tee, den Haz sich ausgesucht hatte, würde auch welche vertragen. Zu meiner Überraschung schüttelte Harry aber den Kopf und nahm lieber seine Tasse in die Hand, auch wenn sie viel zu warm dazu sein sollte. Ich zuckte wieder mit den Schultern und goss einen Schuss Milch in meine eigene Tasse.

,,Hast du eigentlich Freunde bei dir an der Uni?", fragte Harry in die Stille und ich hob überrascht den Blick von seinen Händen, an denen die Ringe fehlten.

,,Wie kommst du jetzt darauf?"

,,Zayn hat gesagt, du hängst gerne mit deinen Kommilitonen ab, also...wäre doch schön, wenn du deine langen Unitage mit Freunden verbringen könntest, oder?", erklärte Harry und ich verstand immer noch nicht so ganz, wie er jetzt auf dieses Thema kam und zuckte schon wieder mit den Schultern, weil mir nichts Besseres einfiel.

,,Was erzählt Zayn denn sonst noch so über mich, dass ich inzwischen schon weltberühmter Arzt bin und nur Franzi zuliebe hier leben?", versuchte ich es dann mit einem kleinen Witz, um die komische Stille in der Küche und Harrys leise Stimme ein bisschen aufzulockern. Zu meiner Überraschung schüttelte mein bester Freund den Kopf.

,,Nein, das nicht, aber dass du viele Freundinnen an der Uni hast, zum Beispiel.", entgegnete er dann und ich zog eine Augenbraue hoch, weil es doch ein bisschen seltsam war, dass Zayn Harry sowas erzählt. Ich wünschte, ich wäre bei dem Gespräch anwesend gewesen, wer wusste schon, was dem Schwarzhaarigen noch alles eingefallen war?

,,Freundinnen würde ich jetzt nicht sagen, mehr so Lernpartnerinnen. Lernzettel austauschen, Notizen vergleichen und so, du weißt schon. Wie in der Schule auch. Du findest bestimmt auch noch Menschen, mit denen du das machen kannst.", erklärte ich und setzte mich mit meinem Tee an den Tisch. Haz folgte meinem Beispiel und ich beobachtete, wie sich seine Nase kräuselte.

,,Also...hast du kein Interesse an ihnen?"

,,Harry, ich bin schwul!", lachte ich und war ein bisschen stolz darauf, wie flüssig das über meine Lippen kam. Da hatte ich ja auch lange genug mit gekämpft. Ich war schwul und stand auf meinen besten Freund, krass.

,,Ja, aber Zayn meinte...", versuchte es ebendieser, aber ich unterbrach ihn grinsend.

,,Zayn labert viel, das weißt du doch. Und ich hätte es dir gesagt, wenn sich was an meiner Sexualität geändert hatte, Hazza." Weil dann alles ein bisschen leichter wäre. Harrys Schultern sackten herab und der funkelnde Blick, den er mir schenkte, brachte mich dazu, noch breiter zu Grinsen. Ein wenig idiotischer.

,,Gut, das hätte ich nämlich auch erwartet. Wäre ja noch schöner, wenn ich als dein bester Freund zuletzt Bescheid wüsste." Tja. Wenn du nur wüsstest. Dann kam mir ein anderer Gedanke.

,,Und du? Hast du...Interesse an jemandem?", fragte ich so ungezwungen wie möglich und spielte mit der Tasse in meinen Händen. Die Antwort sollte mir nicht so viel bedeuten wie sie es tat und als Harry kurz zögerte, seufzte ich innerlich. Natürlich gab es wieder jemanden. Seit seiner Trennung von Derek hatte er zwar zumindest meines Wissens nach niemanden mehr gedatet oder sogar geliebt, aber das würde ja nicht ewig so bleiben. Das wollte ich ja auch eigentlich nicht, Derek sollte nicht so einen riesigen Einfluss auf Haz haben, aber ich wünschte mir trotzdem nicht grade eine neue Beziehung für meinen besten Freund. Logischerweise.

,,Nein."

,,Nein?", hakte ich überrascht nach und überlegte, ob er mich anlog. Aber eigentlich müsste ich ihm das ansehen können. Obwohl...hatte ich zu oft nicht getan. Das tat weh.

,,Nein, ich...ich will zur Zeit keine neue Beziehung anfangen, weißt du?" Harrys Stimme war dünn und seine Augen ruhten auf dem Tee in seinen Händen. Ich betrachtete besorgt die dünne Linie seiner Lippen.

,,Wieso nicht?"

,,Ach Lou." Harry seufzte und ich lehnte mich nach vorn, um ihn besser ansehen zu können. Unsere Augen trafen sich.

,,Wenn du nicht drüber reden magst, dann sag es, sonst würde ich schon ganz gerne hören, was dich besorgt, Sun.", erklärte ich mich und Harrys Gesichtsausdruck wurde weicher, als er seinen Spitznamen hörte. Ich lächelte vorsichtig. Ich meinte meine Worte genau so, wie ich sie gesagt hatte.

,,Es ist einfach...ich hatte nie ein besonders gutes Händchen für Beziehungen, wie du weißt.", presste Harry hervor und ich lächelte bitter. Das war wohl wahr wenn man bedachte, wie sein letzter Freund ihn behandelt hatte. Und wenn man wusste, wie viele kurzzeitige, meistens gefühllose Beziehungen Haz davor schon gehabt hatte, selbst dann, als wir noch viel zu jung für so richtige Liebe gewesen waren. Das konnte man wohl kaum ein gutes Händchen nennen.

,,Also...hast du Angst, dass es wieder so läuft wie mit Derek?", fragte ich trotzdem nach.

,,Angst...keine Ahnung. Aber ich dachte mir einfach...ich dachte...naja...ich werd schon noch die richtige Person für mich finden, mich immer Hals über Kopf in irgendwas zu stürzen muss ja nicht sein, oder?", sagte Harry leise und ich wertete das mal als ein Ja. Und verdenken konnte ihm das niemand, nachdem, was Derek meinem besten Freund angetan hatte. Zwei Jahre Beziehung, zwei Jahre Gewalt, Manipulation und Maßlosigkeit. Da hätte ich auch Angst vor der nächsten Beziehung.

Ein kleiner Funke in mir protestierte. Ein winziger Teil von mir schrie danach, dass diese richtige Person genau hier saß und wartete, seit Jahren wartete, dass sie bemerkt wurde. Dass er keine Angst vor mir haben müsste, dass ich und eine Beziehung mit mir das wären, was er wollte. Aber ich erstickte den Funken schnell. Das zu beurteilen lag nicht bei mir. Harry würde sich seine perfekte, richtige Person suchen und solange diese dann wirklich gut für ihn war, würde ich mich für ihn freuen. Auch wenn es wehtat. Fertig.

,,Stimmt.", murmelte ich also als Antwort und Harry zuckte zusammen, als hätte er gar nicht damit gerechnet, überhaupt eine zu bekommen. Ich biss mir auf die Lippen.

,,Dann sind wir ja zwei ganz zufriedene Singles, was?", hob ich dann die Stimmung ein bisschen und schmunzelte leicht. Ganz zufrieden, ja.

,,Sieht so aus. Sag mir, wenn sich daran was ändert.", erwiderte Harry mit einem gespiegelten, nicht ganz ehrlichem Schmunzeln und nahm einen Schluck Tee. Meiner war bestimmt längst kalt.

,,Ebenso."

——————————————————
Was kürzer, ich weiß, aber dafür Louis und Harry, hm? (:

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top