15. Vergessene Pizza

So, jetzt ist die Klausurenphase offiziell vorbei, meine Facharbeit muss noch fertig werden, aber dann bin ich ferienreif. Wo bleibt Ostern???
You don't need to worry

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Pov Harry

,,Das heißt...jetzt machst du doch noch die 180° Wende?", fragte ich etwas atemlos und schlüpfte durch die Wohnungstür, um mich ins Warme zu flüchten.

Meine Haare tropfen vor Nässe und der schlagartige Klimawechsel von Draußen nach Drinnen erwischte mich wie ein Schlag. Ich sog die warme Luft in meine Lungen und kickte mir die schmutzigen Schuhe von den Füßen, während ich Ellens Stimme lauschte.

,,Wenn du es so nennen willst. Klingt etwas zu dramatisch, wenn du mich fragst."

,,Find ich nicht. Du wechselst von Jura zu Psychologie, El. Ganz schön krasser Kontrast." Ich setzte meinen Rucksack auf den Boden und schälte mich aus meiner feuchten Jacke. Hoffentlich würde die schnell trocknen, ich musste immerhin noch mal raus.

,,Eigentlich nicht. Klar gehts bei Jura viel um den ganzen theoretischen und regelgetreuen Kram, aber letztendlich geht ein Anwalt doch immer psychologisch taktisch vor, meinst du nicht?", widersprach Ellen und ich hörte sie auf und ab laufen. Ich selber tapste auf Socken mitsamt meinem feuchten Rucksack in der Hand den Flur entlang und grüßte Luke im Wohnzimmer mit einer erhobenen Hand.

,,Wahrscheinlich schon irgendwie, aber letztendlich geht es weniger um Psychologie als Rechtswissenschaften und Argumentation."

,,Du bist mir auch so eine Argumentation." Ellen seufzte in den Hörer und ich ruderte beschwichtigend zurück.

,,Natürlich haben beide Studiengänge was miteinander zu tun, keine Frage! Und ich verstehe auch durchaus, wieso du dich unentschieden hast."

,,Wieso, willst du auch wechseln? Gefällt dir Jura doch nicht?", hakte meine ehemalige Mitbewohnerin nach und ich stieß meine Zimmertür auf, um meinen Rucksack loszuwerden. Der war ganz schön schwer. Die Luft entwich aus meinen Lungen als ich mich aufs Bett fallen ließ.

,,Doch, natürlich gefällt es mir." Nur, dass ich bisher noch nicht so schrecklich viel mitbekommen hatte. Aber das musste Ellen ja nicht wissen. Und das war auch meine eigene Schuld. Das was ich mir später in Ruhe alleine erarbeitet hatte war zumindest genau das, was ich mir unter dem Jurastudium vorgestellt hatte.

,,Aber?"

,,Nichts aber. Psychologie stelle ich mir bloß auch ziemlich interessant vor, ist eben ein riesen Ding."

,,Da hast du recht." Kurz schwieg Ellen, dann hörte ich im Hintergrund ihre Wohnungstür schellen.
,,Das ist Mary, ich muss auflegen. Ich schreib dir später, ja?" Ich grinste.

,,Mach das. Und wehe wenn nicht. Viel Spaß!" Dann legte ich auf. Marys und Ellens Date zu verzögern stand mir nicht im Sinn, die zwei tanzten schon viel zu lange umeinander herum. Wurde höchste Zeit dass sie endlich zusammen kamen.

Ich ließ mich rücklings in die Kissen fallen und seufzte tief, bevor ich die Augen schloss. Was ein Tag. Aber wenigstens hatte ich jetzt Wochenende. Das hatte ich auch bitter nötig, meine letzten Tage schienen nur aus Bahnfahren, auf einem Stuhl in irgendwelchen Vorlesungen sitzen und gemeinsam mit meinen Kommilitonen alles nach zu besprechen bestanden zu haben. Und trotzdem war nichts von all dem Kram in meinem Kopf hängen geblieben.
Mein Blick wanderte zu meinem Bücherregal. War eigentlich ja auch logisch.

Mein Handy vibrierte genau in dem Moment, indem ich Liams Stimme auf dem Flur hörte. Ich entschied mich dazu dass Letzterer vorging und hievte mich auf die Beine, um meinen Freund zu begrüßen.

,,Hi Li, ich wusste gar nicht, dass du hier bist!" Ich hüpfte in den Flur hinaus und Liam, der grade gemeinsam mit Zayn die Küche betreten wollte, drehte sich überrascht um.

,,Wann bist du denn bitte nach Hause gekommen, Haz, hab dich nicht gehört!" Ich grinste.

,,Ich war eben leise." Liam umarmte mich endlich und ich genoss seine Wärme für einen Moment. Dann löste ich mich von ihm und Zayn rief aus der Küche.

,,Liam bleibt zum Essen, H, willst du auch? Luke hat tatsächlich mal alles eingekauft, was wir brauchen und wir wollten gar zusammen kochen." Ich schüttelte entschuldigend den Kopf, auch wenn die Aussicht nicht grade abschreckend war, und holte mir lieber ein Glas aus dem Schrank, um einen Schluck zu trinken.

,,Ich geh gleich zu Lou, weil wir uns die ganze Woche nicht gesehen haben. Vielleicht penne ich auch da, wenn es zu spät wird, aber wahrscheinlich komme ich noch nach Hause. Und keine Sorge, dann bin ich so leise wie eben.", berichtete ich von meinen Plänen und Liam und Zayn wechselten einen Blick, der mir nichts sagte.

,,Sicher. Liebe Grüße an Lou.", war Liams einziger Kommentar. Zayn hingegen grinste.

,,Louis war die Woche über wahrscheinlich zu sehr mit den ganzen Frauen an seiner Uni beschäftigt, mit denen er immer lernt...oder was anderes unternimmt." Liam runzelte die Stirn und ich warf einen Blick auf die Uhr.

,,Louis ist schwul, oder hab ich was nicht mitbekommen? Hat sich da was geändert?", fragte Liam und ich kratzte mich im Nacken, weil mir die Vorstellung irgendwie nicht gefiel. Das Gefühl schüttelte ich allerdings schnell wieder ab, weil ich mein Handy in meiner Hosentasche vibrieren spürte. Ich war unendlich spät dran.

,,Ich muss dann auch wirklich los. Viel Glück dabei, mit Zayn zu kochen, Li, der macht gerne absichtlich alles falsch um nicht helfen zu müssen.", verabschiedete ich mich und zwinkerte meinen Freunden zu, bevor ich begleitet von Zayns beleidigtem Gemecker die Küche verließ. Dass ich neugierig auf die Antwort zu Liams Frage war ignorierte ich, wenn ich wollte, könnte ich Louis schließlich einfach nach seiner Sexualität fragen, oder?

In meinem Zimmer angekommen schüttete ich kurzerhand den Inhalt meines Rucksacks aufs Bett und bereute das augenblicklich. Jetzt würde ich alles wegräumen müssen, anders ging's nicht. Also sortierte ich die Bücher, Notizen, Stifte und all den anderen Kram sorgfältig in meine Schreibtischschubladen ein und war erst zufrieden, als alles seinen Platz gefunden hatte. Dann suchte ich mir kurzerhand ein bisschen Wechselwäsche aus und stopfte sie in den Rucksack, zusammen mit ein paar anderen Habseligkeiten. Sogar meine Hygieneartikel holte ich aus dem Bad. Louis und ich hatten abgemacht, dass wir spontan entscheiden würden, wie lange ich blieb, und eigentlich hatte ich schon vor wieder hierher zu kommen, aber sollte es zu spät sein war ich auch dankbar, vorbereitet zu sein.

Ich griff nach meinem Handy und tippte Louis schnell eine Nachricht um ihm mitzuteilen, dass ich in ungefähr einer Stunde bei ihm wäre, dann öffnete ich mit klopfendem Herzen einen erst vor zwei Tagen wiederbelebten Chat, indem mich eine neue Nachricht erwartete.

Steht die Uhrzeit noch?

Ich antwortete mit einem einfachen Ja und beeilte mich dann, den Verschluss meines Rucksacks zu schließen. Es wurde Zeit, ich war nicht grade überpünktlich und das machte mich nervös. Warten lassen wollte ich ihn nicht. Ich griff nach meinem Portmonee, überprüfte den Inhalt und verließ dann endgültig mein Zimmer. Dann mal los.

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Das Blöde an Orten, die perfekt für ein möglichst unauffälliges Treffen ohne Zeugen sind, ist, dass sie auch von anderen Menschen mit demselben Ziel nach Einbruch der Dunkelheit aufgesucht werden.

Als ich mit eingezogenem Kopf, festumklammertem Rucksack und hochgezogenen Schultern über den kleinen Kiesweg in dem winzigen, im absoluten Dunkeln liegenden Park eilte, spürte ich mehr als einen stechenden Blick auf mir liegen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, meine Hände waren schwitzig und ich konzentrierte mich bereits seit der U-Bahn verzweifelt auf meine Atmung, um nicht völlig die Kontrolle zu verlieren. Das Zählen meiner Schritte und Atemzüge half allerdings ganz gut und ich schaffte es tatsächlich ohne größeren Zwischenfall durch den Park bis zum vereinbarten Treffpunkt, einem deutlich über die anderen hinausragendem Baum, unter dem bereits eine dunkel gekleidete Gestalt auf mich wartete. Ich betetet, dass sie wirklich auf mich wartete und ich nicht gleich mit einem Fremden in der Dunkelheit stehen und warten würde.

,,Jacob?", rief ich gedämpft und die groß gewachsene, breitschultrige Gestalt drehte sich zu mir herum. Erst als ich nur wenige Schritte von ihm entfernt stehen blieb, erkannte ich die Gesichtszüge des Mannes und Erleichterung überkam mich. Dem Himmel sei dank, ich war richtig.

,,Hey Harry, lang nicht gesehen, was?" Die kratzige Stimme war unverändert, ebenso wie die schiefe Nase meiner Gegenübers. Ein nicht besonders sauber verheilter Bruch. Ich schwieg, nickte nur zur Begrüßung.

,,Naja, kein Wunder, das mit Derek ist ja auch vorbei. Schade eigentlich, hat mich einen Kunden gekostet. Aber sieht so aus, als würdest du auch ohne Derek auf deine Kosten kommen wollen, was?", fuhr Jacob fort und ich presste die Lippen zusammen. Dass das hier nichts mit Derek zu tun hatte wusste er selber. Und eigentlich sollte es ihn auch gar nicht interessieren.

,,Hast du es denn bekommen?", fragte ich also stattdessen und drehte den Kopf, um meine Umgebung zu beobachten. Außer uns trieben sich nur zwei rauchende Teenager bei den Bäumen rum, aber hier geistern sicher noch ganz andere Gestalten herum. Eigentlich gehörte ich auch zu ihnen, ich sollte mich nicht als weniger skurril erachten. Ich schauderte.

,,Klar, sonst wäre ich nicht hier. Auch wenn mir neu ist, dass du jetzt Medikamente konsumierst. Wolltest wohl ne Veränderung, was?", entgegnete Jacob und holte ein paar Blister aus seiner Jackentasche. Ich öffnete meinen Rucksack und streckte ihm zeitgleich sein Geld entgegen, um das Zeug so schnell wie möglich zu verstauen.

,,Darum geht es nicht.", war meine knappe Antwort.

,,Geht mich ja eigentlich auch nichts an. Aber nur, weil ich es gut meine, Harry: Das Zeug ist nicht weniger schlimm als die Drogen, die Derek dir besorgt hat." Ich schulterte meinen Rucksack.

,,So gewinnst du keine Kunden, Jacob."

,,Ich weiß. Aber wenn Derek rausfindet, dass ich dein Dealer bin und dir Medikamente besorge, dann bringt er mich um, also nimm die Warnung wenigstens ins Protokoll auf, ja?" Ich versteifte mich.

,,Du wirst es ihm aber nicht sagen, oder?" Jacob lachte und zog eine Augenbraue hoch.

,,Wieso sollte ich, ich will nicht nochmal im Krankenhaus landen. Solange wir uns alle schön aus dem Weg gehen, ist alles gut. Es sei denn natürlich, du brauchst neuen Stoff. Weißt ja, wie du mich kontaktieren kannst." Er zwinkerte mir zu und ich entspannte meine Schultern. Mit Derek wollte ich nichts mehr zu tun haben, erstrecht nicht in dieser Angelegenheit. Mochte sein, dass er mich erst in diese Szene gebracht hatte, aber Drogen gehörten zu meiner Vergangenheit. Ebenso wie er.

,,Schön, mit dir Geschäfte zu machen. Man sieht sich.", verabschiedete sich Jacob und tippte sich an die Stirn, bevor er sich seine Kapuze über den Kopf zog und in der Dunkelheit verschwand. Sicher, um bei seinem nächsten Kunden aufzutauchen. Ich spürte meine Hände zittern. Ein schlechtes Gewissen machte sich in mir breit und ich setzte mich in Bewegung, um diesen Ort schnellstmöglich zu verlassen.

Ich fühlte mich nicht gut dabei, mit Jacob Geschäfte zu machen, ganz und gar nicht. Aber ich wusste auch nicht, was meine Alternative war. Und bisher funktionierte alles hervorragend. Kein Grund, jetzt alles über den Haufen zu werfen und wieder mit der Panik anzufangen, nein danke.

Ich presste meinen Rucksack an mich und beschleunigte meine Schritte. Jetzt ab zu Louis. Endlich.

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,,Harry, du siehst aus, als wärst du ein Eiszapfen.", begrüßte mich Franzi, als sie die Wohnungstür aufriss und meine vor Kälte geröteten Wangen und Hände begutachtete. Ich trat ein und zuckte mit den Schultern.

,,Das ist das Wetter schuld, nicht ich." Franzi grinste und ich stieg aus meinen Schuhen. Louis' Zimmertür öffnete sich und mein bester Freund gesellte sich zu uns in den Flur, während ich meine Jacke aufhängte.

,,Ich dachte schon, du wärst verloren gegangen.", kommentierte er die Tatsache, dass ich gut fünfzehn Minuten später als angekündigt gekommen war und ich spürte meine Wangen rot anlaufen. Ich hatte wirklich versucht pünktlich zu sein, aber das hatte nicht hingehauen. Obwohl die Bahn nicht grade überfüllt gewesen war.

,,Lass dich nicht ärgern, das sagt er nur, weil er die Pizza bestellt hatte und jetzt Angst hat, dass sie kalt ist. Dabei kann man die auch einfach wieder warm machen.", versuchte Franzi mich zu trösten und stieß mich nur weiter in Verlegenheit. Na super, jetzt hatte ich Louis das Abendessen versaut, obwohl er tatsächlich bis halb neun damit gewartet hatte, nur weil ich dann mitessen konnte. Mist. Mein Gesicht erwärmte sich um weitere Grade und Louis lachte laut, bevor er mich zur verspäteten Begrüßung in seine Arme zog.

,,Jetzt guck doch nicht so bedröppelt, Harry, ehrlich." Ich drückte mich kurz an ihn und versuchte mich zu entspannen, um die Röte loszuwerden. Ob das jetzt klappte oder nicht konnte ich nicht sagen.

,,Komm, geh du schonmal in mein Zimmer, ich komm dann mit der Pizza nach. Überleg dir, was du machen magst, mir egal.", entschied Louis dann und zwinkerte mir nochmal beruhigend zu, bevor er in der Küche verschwand. Franzi stieß mir einen Ellbogen in die Seite.

,,Du hast ihn gehört, entspann dich, wir ärgern doch nur.", sagte sie mit einem breiten Grinsen auf den Lippen und bezog dann das Sofa, um irgendeine ihrer Serien weiter zu schauen. Ich folgte Louis Worten und betrat sein Zimmer, nur um mich auf das gemütliche, mit schwarzen Laken bezogene Bett zu schmeißen. Ich wünschte, ich wüsste, wo Louis seine Matratze her hatte.

,,Müde?", fragte eben dieser lachend, als er den Raum mit einem Teller voller - dampfender - Pizzastücke betrat und mich auf seinem Bett entdeckte. Ich zuckte mit den Schultern, sobald das im Liegen überhaupt möglich war.

,,Geht eigentlich, ich liebe nur einfach dein Bett. Was ist mit dir, wie war dein Tag?"

Louis zuckte ebenso mit den Schultern und stellte den Teller auf seinem Schreibtisch ab, der unter all den Papieren und Büchern eigentlich gar nicht mehr zu sehen war. Dann pflanzte er sich zu mir auf das Bett und lehnte sich an die Wand, um mich ansehen zu können.

,,Anstrengend, aber so ist das Studium eben. Und meine Prüfungsphase beginnt in zwei Wochen, ich bin jetzt schon halb wahnsinnig wegen dem ganzen Stoff, den ich dann drauf haben muss. Daran gewöhnt man sich wohl nie, auch nach einem Jahr nicht. Aber ich hab es mir ja ausgesucht." Er seufzte.

,,Aber glücklich mit deiner Wahl bist du schon, oder?", fragte ich und stützte mich auf die Ellbogen, um Louis direkt ansehen zu können. Das gedämpfte Licht seiner schwachen Deckenlampe erweckte das Blau in seinen Augen zum Leben und ich betrachtete es für einen Moment etwas verloren, dann räusperte ich mich verlegen.

,,Ja, schon." Louis Stimme klang etwas hilflos und ich zog überrascht eine Augenbraue hoch.

,,Ja?"

,,Ja, bin ich, echt.", bekräftigte Louis und seine Hand fuhr zu seinem Nacken, als er sich räuspern musste. Dann fiel sein Blick wieder auf mich und er lächelte fröhlich, um mir zu versichern, dass er das wirklich so meinte. Ich runzelte noch einen Moment die Stirn, dann nahm ich seine Worte an. Er schien es ehrlich zu meinen.

,,Und du, Haz? Das ist eigentlich viel interessanter, wie ist es dir diese Woche ergangen?", lenkte Louis die Aufmerksamkeit auf mich und wieder musste ich unverbindlich mit den Schultern zucken - was im Halbsitzen auch nicht viel leichter als in Liegen war, um ehrlich zu sein.

,,Gut, denke ich. Ich hab mich nicht verlaufen, ich finde meine Säle, ich hab Leute getroffen, die ich mag und bisher auch nicht besonders viel Stress. Es ist so, wie ich es mir vorgestellt hatte.", gab ich wahrheitsgemäß wieder und verschwieg die Momente, in denen ich das Gefühl hatte, von diesem Studium, diesem Leben überwältigt zu werden. Das musste Louis nicht wissen, er würde sich sowieso wegen jeder kleinsten Bemerkung Sorgen machen, die nicht nötig waren.
Louis Blick musterte mein Gesicht und ich wusste, dass er nach einer Lüge suchte, aber da würde er lange suchen müssen. Und nicht fündig werden, selbstverständlich.

,,Das ist schön, also ein entspannter Start. Gar nicht...beängstigend?", hakte er nach einem Moment der Stille nach und wir beide wussten, worauf er anspielte. Ich zog mich hoch und lehnte mich ebenfalls an die Wand, während ich den Kopf schüttelte.

,,Abgesehen von der Vorstellung, dass ich in ein paar Jahren meine Abschlussprüfungen machen muss, nein."
Ich spürte Louis jetzt mein Seitenprofil anstarren und ich gab mir alle Mühe, ein breites Lächeln aufzusetzen. Mehr als das musste er nicht wissen, fertig.

,,Okay." Ich atmete aus.

,,Aber wenn doch mal was Beängstigendes auftaucht, sag Bescheid, okay, Haz?", bat Louis dann und ich nickte schweigend.

Für einen Augenblick herrschte Stille zwischen uns, auch wenn man die Stimmen der Darsteller von Franzis Serie durch die Wand sprechen hörte. Ich spürte Louis Wärme neben mir und betrachtete durch das Fenster gegenüber dem Bett die lebendige Stadt, deren Schnelllebigkeit uns alle in Bewegung hielt. Hier lebten wir jetzt schon so lange, auch wenn ich kurzzeitig fort gewesen war, und wahrscheinlich würde London auch noch einige Zeit das gemeinsame Zuhause von mir und meinen Freunden bleiben. Egal durch welches Fenster ich die Stadt noch sehen würde, sie war immer dort draußen. In meinen Gedanken tauchte das Bild auf, das ich aus dem Flugzeug gesehen hatte, dass uns von Australien nach Hause gebracht hatte.

Damals hatte ich gedacht, der schwerste Schritt meines Leben läge direkt vor mir, die Trennung von Derek. Und die war auch verdammt schwer gewesen, schmerzhaft und tränenreich, besonders die Wochen danach. Aber letztendlich war das der beste Schritt gewesen, den ich je gemacht hatte. Auch wenn heute nicht alles perfekt, nicht alles gut war, auch wenn ich noch immer nicht all das losgeworden war, was mir durch den Kopf und das Herz spukte, seit ich denken konnte...es war besser als vor einem Jahr. Und allein dafür war ich schon unendlich dankbar.

,,Woran denkst du, Haz?", flüsterte Louis vorsichtig, um die Stille nicht zu zerreißen. Ich drehte den Kopf und lehnte ihn an die Wand, um meinem besten Freund in die Augen sehen zu können. Er blinzelte. Ich überlegte, wie ich meine Gedanken in Worte fassen könnte, dann entschied ich mich um. Vielleicht wollten sie gar nicht ausgedrückt werden. Und Louis gegenüber Derek zu erwähnen war auch nichts, was die Stimmung aufrecht erhalten könnte. Er dachte noch immer schlechter über meinen Exfreund als ich selbst.

Ich grinste.

,,Daran, dass die arme Pizza jetzt schon wieder eiskalt geworden ist, weil niemand sie gegessen hat. Und dieses Mal ist es nicht mal meine Schuld, Lou."

Louis grinste ebenfalls, rührte sich aber nicht von der Stelle, nicht einmal sein Blick wanderte zu dem Teller auf seinem Schreibtisch. Stattdessen streckte er die Hand aus und pikste mir in die Schulter.

,,Doch, ist es. Du hast sie vergessen und du hast mich abgelenkt, weil du nach meinem Tag gefragt hast, du bist Schuld." Seine Augen funkelten und ich setzte eine übertrieben beleidigte Miene auf, um mitzuspielen.

,,Du hast mich abgelenkt, als du nach meinem Tag gefragt hast! Es ist deine Schuld, jetzt beschuldige mich doch nicht zum zweiten Mal zu Unrecht, das ist gemein."

Louis lachte leise und schüttelte belustigt den Kopf, dann richtete er sich auf und ließ sich mit einem gequälten Stöhnen vom Bett auf den Boden fallen, nur um dann auf Knien zum Tisch zu kriechen, als würde er seine allerletzte Kraft dazu aufbringen, an den Teller mit der Pizza heranzukommen. Ich lachte.

,,So hungrig?"

,,Fast verhungert.", korrigierte Louis und kehrte auf seinen Füßen samt seiner Beute zum Bett zurück.

,,Wird Zeit zum Essen.", beschloss er und machte es sich wieder bequem, während ich den Teller für ihn festhielt. Der köstliche Geruch stieg mir in die Nase, trotzdem sah ich die Pizza nicht an. Ich lächelte so amüsiert wie ich konnte und stieß Louis Fuß mit meinem an.

,,Na dann mal guten Appetit, du armer Verhungernder."

,,Selber."

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Louis und Harry (:
Dieses Kapitel ist in einer Freistunde entstanden und qualitativ dementsprechend, bitte nehmt es mir nicht übel, ich brauche nicht mal Klausuren um gestresst zu sein!

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