12. Misery
Noch nie bin ich so niedergeschlagen zur Schule gegange wie heute. Meine Augen schmerzten vom Weinen, mein Körper fühlte sich schlapp an und am Liebsten könnte ich jeden Moment auseinanderfallen. Und das Schlimmste war auch noch, dass ich keine Hausaufgaben hatte. Das heißt, ich würde an diesem Tag eine schöne Standpauke von meinen dafür vorgesehenden Lehrer erhalten. Schlimmer kann der Tag eigentlich nicht werden. Abgesehen davon, dass ich heute Paul und diese Dot sehen muss. Seid dem gestrigen Vorfall haben Paul und ich nicht weiter miteinander gesprochen. Ich habe aus dem Fenster beobachtet, wie er mit Dot in sein Haus gegangen ist. Rübergekommen ist er jedoch nicht. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sein Dad ihm die Sache mit den Hausaufgaben ausgerichtet hat. Da ist mir mal wieder klar geworden, dass ich für Paul nur das normale Mädchen war und an zweiter Stelle nach Dot stand. Wie ätzend!
Kurz vor der Bushaltestelle sah ich auf und entdeckte John, der lässig eine Zigarette rauchte. Wieso machte ich mir soviele Gedanken über Paul? Ich hatte doch John. " Hey Babe ", begrüßte er mich und gab mir einen innigen Kuss auf die Lippen, der so ziemlich nach Rauch schmeckte. Nicht gerade appetitlich, aber ich hielt meine Klappe. " Was ziehst du für ein langes Gesicht?". Er nahm meine freie Hand, die andere hatte ich in der Jackentasche meiner neuen Schuluniform, die gestern abend noch geliefert worden ist. " Ich habe keine Hausaufgaben dabei und ich weiß nichtmal, im welchem Fach wir welche aufhatten ". John lachte leise in sich hinein, als er mein deprimiertes Gesicht erblickte. " Mach dir doch keinen Kopf über dämliche Hausaufgaben. Die brauchst du doch eh nicht ". Genervt schaute ich in sein grinsendes Gesicht, musste dann aber doch lächeln. " Siehst du, jetzt musst du doch lächeln ". Ich boxte ihm spielerisch in die Seite und drehte mich reflexartig um, als mir meine Gesichtszüge entglitten. Nicht weit entfernt kamen uns Paul und Dot entgegen, Hand in Hand. Ich spürte, wie mein Gesicht sich total erhitze und Tränen in mir aufstiegen. Diese versuchte ich aber runterzuschlucken. Verletzt drehte ich mich zurück zu John, der ebenfalls die beiden Turteltäubchen bemerkt hat. Zaghaft griff ich nach seiner Hand und verhackte unsere Finger miteinander. Ich lächelte ihn leicht an, was er erwidert. Er sollte nichts falsches denken. Aber ich konnte mir vorstellen, dass er weiß, wie traurig über dieses Bild war, was auf uns zukam.
" Hey ihr Beiden ", begrüßte uns Paul lachend und sah uns grinsend an. Ich würdigte ihn keines Blickes und John nuschelte nur ein kurzes " Hey Buddie ". Paul schien vor lauter Freude unsere Emotionslosigkeit nicht zu bemerken. " Ihr kennt doch sicherlich Dorothy oder? Sie ist jetzt meine feste Freundin ". Ruckartig drehte ich meinen Kopf zu ihm und staarte völlig erschrocken drein. Habe ich gerade richtig gehört? Um sicher zu gehen, schaute ich kurz zu John, der ebenfalls seine Augen weit aufgerissen hat. Ich habe mich also doch nicht verhört. Das konnte jetzt nicht sein Ernst sein! " Hey. Du musst bestimmt Dani sein. Paul hat mir schon vieles über dich erzählt ". Ich nahm ihre Hand an und lächelte leicht. Zumindest war ich noch Gesprächsthema. Aber eine nette Person ist sie schon, muss man sagen. " Ja, ganz recht. Bin erst vor kurzem hierhergezogen aus Deutschland ". Dann wandte sie sich an John, von dem sie auch einiges gehört hatte. Völlig geknickt staarte ich auf den Asphalt, der wirklich interessant zu sein schien. " Ist alles in Ordnung, Dani?", fragte Dot leise und schaute mich besorgt an. Ich versuchte ein Lächeln zu Stande zu bringen. " Jaja, ich habe nur etwas Kopfschmerzen. Mein Morgen ist nicht so reibungslos verlaufen ". Paul schaute mich während dieser ganzen Situation an. Sein Blick war ernst und nachdenklich. Er wusste also, was wirklich hinter meiner Stimmung steckte. Naja, sollte er auch. Schließlich war er der Ursprung des ganzem. " Möchtest du vielleicht eine Tablette nehmen? Ich habe eine dabei ". Sie öffnete ihre Tasche, doch ich lehnte dankend ab. Gott sei Dank kam der Bus und wir konnten einsteigen. Ich wollte nicht ganz hinten bei den beiden Turteltäubchen sitzen, deswegen entschied ich mich, einige Plätze vorzurutschen. John machte dies für mich mit. " Wenn ich gant ehrlich bin. Ich kann die Beiden auch schon nicht mehr sehen ", flüsterte er mir zu, bevor der Bus losfuhr. Immer, wenn ich Dots Gekicher hörte, verkrampfte sich mein Herz schlagartig und mir wurde übelst schlecht. Ich hatte bereits meinen Kopf auf Johns Schulter abgelegt und meine Augen geschlossen. " Soll ich dich sonst wieder nachhause bringen?", flüsterte mir John ins Ohr und küsste dieses. Ich schüttelte den Kopf. " Ne, es ist alles gut. Es ist bloß diese Morgenübelkeit, die manchmal bei mir auftritt ".
Zu allem Unglück musste ich alleine den Tag überstehen, da John in einem anderen Teil des Gebäudes Unterricht hatte. " Und mach kein Blödsinn ", sagte ich lächelnd und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Er lächelte zurück und ging seines Weges, während ich in meinen Klassenraum schlurfte. Paul kam wenig später rein und setzte sich hinter mich. Er tippte auf meine Schulter, weswegen ich mich umdrehte und ihn mit leeren Augen anschaute. " Hier sind die Hausaufgaben. Ich habe sie extra für dich kopiert und nochmal geschrieben, damit du auch alle Antworten hast ". Jetzt konnte ich ihm irgendwie nicht mehr böse sein. Immerhin hat er sich soviel Mühe gegeben und alles nochmal geschrieben. Soweit ich sehen konnte, hatten wir Mathe aufgehabt und Deutsch. " Danke ", antwortete ich flüsternd und nahm die Papiere entgegen. Ich schaute mir zuerst die Deutschaufgaben an. Zu meiner Überraschung war alles richtig auf diesem Papier. " Dank dir habe ich diese Aufgaben gut gemeistert, findest du nicht?". Paul schaute mich grinsend an und ich konnte nicht anders, als es zu erwidern. Innerlich war er doch ein sehr herzensnetter Mensch. " Ja, alles ist korrekt ". Ich schaute mir dann noch die Mathehausaufgaben an, bis die Lehrerin reinkam und der Unterricht begann.
Als endlich die große Pause anfing und die meisten Schüler sich in der Cafeteria sammelten, setzten Paul und ich uns an einen freien Tisch. " Tut mir leid, dass ich dir das mit Dot heute morgen so unter die Nase gerieben habe. Aber ich war einfach in diesem Moment so glücklich ". Ich nickte verständnisvoll und zwang mich zu einem Lächeln. " Kann ich verstehen ", murmelte ich und holte mein Lunchpaket hervor. Lachend begriffen wir, dass wir wieder unser Lieblingsessen in der Brotdose des anderen hatten. Wie auch beim letzten Mal tauschten wir und aßen unsere Sandwiche, bis sich zwei Hände über meine Augen legten. " Rate, wer ich bin?". Ich überlegte kurz spielerisch. " Hmm vielleicht der Weihnachtsmann...oder George?". John nahm brummend seine Hände weg und setzte sich neben mich. " Achso, du bist es ", sagte ich lachend und Paul stimmte mit ein. Meine schlechte Laune war wie weggeblasen. " Es freut mich, dass du wieder lachen kannst ", sagte John und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Solange Dorothy nicht da ist. Später kam George noch dazu und wir klauten uns gegenseitig die Sandwiches. Ich vergaß während dieser Zeit sogar, das Paul vergeben ist und wir verhielten uns wie richtige Freunde. Bis zu dem Zeitpunkt, wo Dot ankam. " Hey Leute. Paul, könntest du kurz mitkommen?". Er nickte lächelnd und verabschiedete sich kurz von uns. Als dann auch noch Stuart und Peter kamen, Johns Freunde, war meine Laune wirklich im Keller. " Bruder, du hast uns gar nicht erzählt, dass du ne Freundin hast ", sagte Peter und zwinkerte mir verstohlen zu, als John einen Arm um mich legte. " Muss ich euch das erzählen. Ihr hättet vielleicht auch selber drauf kommen können ". Stuart lachte auf und setzte sich mir gegenüber, wo Paul vorher gesessen hatte. " Wie kommt es, dass du auf einmal mit Johnny zusammen bist? Vor einigen Tagen hast du ihn doch noch abgewiesen ". Konnten diese Typen mich nicht einfach in Ruhe lassen? Zum Glück beendete John unsere Anstaarerei. " Das muss du nicht unbedingt wissen, Stu. Wir müssen jetzt eh zum Unterricht ". Peter pfiff durch die Zähne. " Seit wann ist Teddyboy denn so versessen auf den Unterricht?". John gab mir ein kurzes Küsschen auf die Lippen und flüsterte in mein Ohr, dass ich vor der Schule auf ihn warten sollte nach dem Unterricht, und ging dann mit seinen Kumpels davon.
Ich unterhielt mich noch ein wenig mit George, bis dann wirklich die Schulglocke klingelte und ich mich auch von George verabschiedete, der jetzt zum Kunstraum musste, während ich Matheunterricht hatte. Kurz vor dem Klassenraum entdeckte ich in einer Ecke Paul, wie er mit Dot rumschmuste. Dieser Anblick war definitiv zuviel für mich. Ich spürte regelrecht mein Essen wieder hochkommen, weswegen ich schnell an den Beiden vorbeirannte und in der Mädchentoilette verschwand. Hinter mir konnte ich noch meinen Namen rufen hören, bevor die Tür zuviel und ich mich am nächsten Toilettenrand übergab.
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Ja, nicht grad das beste Ende für ein Kapitel, aber was solls xD
Ich finde dieses Kapitel ist mir besser gelungen als das davor :) Dani ist nicht nur wegen der angeblichen morgendlichen Übelkeit schlecht geworden... ;)
Freue mich über Kommis, Votes, etc....
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