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Als ich die Augen öffnete, wusste ich nicht wo ich war.
Das helle Licht passte ganz und gar nicht zu dem schummrigen Licht, an das ich mich die letzten Wochen so sehr gewöhnt hatte. Verwundert blinzelte ich gegen die Helligkeit an. Ich musste mich irgendwo im Freien befinden. Die stickige Luft um mich herum, war mir nicht fremd. Doch der glühende Ball in dem weitem Horizont und die pastel, sandfarbene Ebene um mich herum, machten mir schnell bewusst: Ich war in der Wüste.
Ein Schlachtfeld, begriff. Die flache Landschaft erinnerte mich an die vertrauten Farben der Wüste, doch hier gab es keine Sandberge. Nichts, war der falsche Ausdruck dafür. Der Boden war rissig, so trocken, dass sich die Erde zu meinen Füßen verhärtet hatte. Die Luft war zwar trocken, doch es kratze nicht in der Kehle und gab mir nicht das Gefühl jederzeit zu ersticken, wie in der Wüste mit Lian..
Staunend drehte ich mich um, nur um meine überraschten Augen noch weiter aufzureißen. Vor mir erhoben sich dutzend, hunderte Zelte. Kleine Planen, die in der leichten Prise flatterten und auch die einzigen Laute, in der unheimlichen Stille, die diese Umgebung umgab. Als hätte jemand einen Schleicher über die Menschen gelegt...
Die hellen Zelte hatten sich ideal an die Landschaft angepasst und von weiterer Entfernung hätte man sie kaum von der Umgebung unterscheiden können. Klein, aber praktisch. Ich umrundete eines, der Zelte, dass sich wie ein Tupfer in der Landschaft ausgebreitet hatte.
Plötzlich fiel mir etwas Rotes ins Auge. Verwundert kniff ich die Augen zusammen, um es mir besser anschauen zu können. Tatsächlich lag dort, umgeben von den anderen Zelten ein größeres. Statt den grau, braunen Tönen der anderen war es mit goldenen Tüchern geschmückt und die auffällige Farbe, stach unter der Menge hinaus. Vor dem Eingang standen schwer bewaffnete Männer.
Erst jetzt fiel mir auf, dass die Menschen hier alles andere als eingefroren waren. In den Zelten schliefen die Soldaten und das hier musste das Zelt ihres Offiziers sein. Neugierig näherte ich mich dem auffälligen Zelt in der Mitte. Ich wollte grade den Schutz einer Zeltplane verlassen, als mir einfiel welchen Eindruck ich auf die Soldaten machen musste.
Ich überlegte mir gerade eine Möglichkeit an den Wachen vor dem Eingang vorbei zu kommen, als sich eine Gruppe näherte.
Ich lugte an der Zeltplane vorbei und konnte mir einen überraschten Laut nicht verkneifen. Erschrocken starrte ich auf die vier Gestalten, doch sie schienen mich nicht gehört zu haben.
Drei von ihnen waren Männer. Die zwei Männer kannte ich schon. Ich hatte sie letztes Mal in dem Palast gesehen. Der dritte Mann trug eine weiß, Türkise Tunika, die seine schlanke Gestalt betonte. Seine Haare waren so blond, dass sie schon als weiß durchgehen konnten. Mit seinen scharfen Gesichtszügen machte er einen geheimnisvollen Eindruck. Er wirkte nicht wie die der andere Mann, der vor Muskeln nur so strotze, trotzdem strahlte er eine gefährliche Präsens aus. In diesem Augenblick trafen seine Augen auf mich und ich machte schnell einen Hüpfer hinter die Plane. Als ich mich wieder nach vorne traute verschwanden die vier Gestalten soeben im Zelt. Irgendwie hatte mich die Neugier gepackt und ich konnte mich nicht einfach so abwenden. Ich nahm all meinen Mut zusammen, dann sprang ich aus meinem Versteck und steuerte auf den Soldaten zu.
„Hör mal, ich weiß du kennst mich nicht aber wäre es möglich, dass du mich da reinlässt...", versuchte ich es. Der Soldat zeigte keine Regung. Verblüfft starrte ich zu ihm hoch. Es schien, als hätte er mich gar nicht gehört. Ohne Eile nahm ich meine Hand und wirbelte vor seinem Gesicht herum. Nichts. Langsam schien ich zu begreifen. Die Leute hier sahen mich gar nicht.
Ein Grinsen schlich sich auf meine Züge. Vorsichtig machte ich einen Schritt an dem Soldaten vorbei, doch als er noch immer keine Regung zeigte, lief ich einfach an ihm vorbei. Das war ja fast schon zu einfach.
Ehrfürchtig zog ich die Zeltplane beiseite und stahl mich in das Zelt hinein.
Es war größer, als angenommen.
In der Ecke, neben mir standen die vier Gestalten, darunter eine Frau. Mit ihrer trainierten Gestalt erinnerte sie mich an mich selbst.
An dem gegenüberliegenden Tisch stand ein breitschultriger Mann. Ein langer, ineinander geflochtener Bart reichte ihm bis zur breiten Brust. Er trug keine Tunika sondern eine Rüstung. Ich vermutete, dass er der Offizier war.
In diesem Moment blickte er auf. „Warum seit ihr hier?" Es klang alles anderes als höflich. Der Mann mit dem hübschen, blauen Augen, den ich aus meiner letzten Vision kannte, lächelte. „Balduin, wie schön, dass du uns hier beehrst. Ich habe dir ja bereits unseren Besuch angekündigt...."
„Hätte ich gewusst, dass wir uns hier mitten auf dem Schlachtfeld befinden, hätte ich meine Lakaien mitgebracht" ,murmelte die Frau scharf und musterte Balduin, der noch immer vor dem Tisch stand.
Der andere Mann, aus meiner Vision unterbrach das Gerede. „Alsune und ich haben uns bereits über das Thema besprochen, lasst uns wenigstens anhören, was er euch mitzuteilen hat." Balduin gab einen unmissverständlichen Laut von sich aber er sah zu Alsune, als klares Zeichen zum Reden. Dieser schien sich der Blicke, der anderen nur zu gut bewusst zu sein. „Wie Aidan schon schon sagte, ich habe einen Vorschlag an euch. Ich möchte auswandern."
Zumindest redete er nicht lange um den heißen Brei herum.
Balduin zog eine Augenbraue hoch, dann prustete er los. „Bitte, was?", fragte er lachend. Die Frau reagierte weniger gelassen.
„Ist das dein Ernst? Du weißt, dass es uns verboten ist." Alsune blickte zu ihr. „Das sagst gerade du. Hast du noch nie darüber nachgedacht, wie es wäre. Da draußen warten riesige Flächen auf uns. Unergründete Gebiete. Gerade für dich wäre es am ehesten geeignet."
Er breitete die Arme aus, um es ihr zu demonstrieren. Sie schaute misstrauisch drein, doch an ihrem Blick konnte man sehen, dass sie Alsunes Worten durchaus Bedacht schenkte. Alsune wandte sich zu Baldian um. „Überleg doch mal was du dir da draußen für ein Imperium aufbauen könntest? Warum hier um den wenigen Platz kämpfen, wenn du da draußen unzähliges Land hast, dass auf dich wartet."
Baldian sah verwirrt drein. Der Mann, der mir anfangs besonders aufgefallen war, meldete sich zu Wort. Er hatte bis jetzt noch gar nichts gesagt. „Ich kann deine Weggründe verstehen, doch es ist uns verboten. Würden wir gehen, würden wir uns zu Feinden machen. Der Rat muss einen Grund dazu haben, wenn wir nicht gehen dürfen." Seine Stimme klang weich und sanft, doch zugleich schwang ein ernster Tonfall in ihr. Es klang wie ein Rat und eine Warnung zugleich.
„Lass uns doch abstimmen", schlug Aidan vor. Alsune blickte zu dem breitschultrigen Mann neben ihm.
„Und was ist mit dir?", kam sie Alsune zuvor. Aidan schaute schuldbewusst drein. „Tut mir leid, aber ich halte mich da raus. Einerseits brenne ich auf das neue Land, doch wir müssen auch Leanders Vorschlag berüchtigten." Der weißhaarige nickte ihm kaum merklich zu.
„Okay, wer ist dafür?", fragte Alsune und blickte zu Balduin. Dieser hob entschuldigend die Arme. „Tut mir leid, aber ich kann meinen Posten hier nicht einfach aufgeben." „Alsune seufzte. „Ach was. Wenn du mit uns kommst, kannst du dir deine eigene Armee aufbauen. Noch besser. DU kannst König sein. Dort gibt es kein Rat, der die Regeln bestimmt."
„Komm mit uns", wandte jetzt auch die Frau ein und nickte Alsune und Balduin zu, als Zeichen, dass sie dafür war. Balduin grunzte etwas unverständliches. „Na schön. Ich gebe es ja zu, ich will doch auch weg von hier."
Alsunes Gesicht hellte sich auf. Er wandte sich zu Aidan. Dieser nickte. „Es steht drei zu zwei, da ihr eh in der Mehrzahl seit, schließe ich euch mich an."
Leander seufzte. „Ich schätze, selbst, wenn ich ablehne, werdet ihr mich ans Pferd fesseln und mitschleifen." Alsune grinste. „Dann wäre das geklärt."
In diesem Moment verschwammen die Stimmen der anderen und alles fing sich an zu drehen. Ich war verdutzt. Ich war so von dem Gespräch gefesselt gewesen, dass ich es schon fast vergessen hatte, das sich nur als Zuschauer hier war. Die Welt schwankte vor meinen Augen, dann kippte alles, und alles verschwand in einem Strudel aus Eindrücken.
Mit einem Ruck wachte ich auf. Erschrocken über den Traum blinzelte ich und stütze meinen Kopf auf meine Handfläche, um mich kurz zu sammeln. Ich hatte schon einmal einen ähnlichen Traum gehabt. Ich hoffte, dass es vielleicht noch Nebenwirkungen von meinen Kerkeraufenthalt waren und sie sich nicht wiederholten. Langsam wurde es echt unheimlich. Ich schüttelte den Kopf und richtete mich auf. Was warn das für Träume? Wer war das und warum wurde mir das gezeigt?
Wo war ich überhaupt?
Ich befand mich in einem kleinen Raum. Die Wände waren notdürftig mit Holzscheiten verkleidet und durch ein schmutziges Fenster, in der Wand, das den Eindruck machte, als hätte jemand einfach ein Loch hindurch geschlagen, fiel Sonnenlicht in den dunklen Raum. Staubteilchen tanzten durch die Luft und ich blickte erstaunt auf den hölzernen Boden, denn dort lagen zwei Männer. Neugierig sah genauer hin. Warte? War das Lian, der da lag?
Ich lehnte mich ein Stückchen weiter nach vorne und tatsächlich war es Lian. Ich betrachtete ihn einen kurzen Moment. Seit dem wir uns das letzte Mal gesehen hatten, waren seine Haare länger geworden und ich meinte ein paar mehr Kratzer und Schrammen in seinem ovalen Gesicht zu erkennen. Er trug einen schmutzigen Umhang, genau wie ich ihn getragen hatte. Aus seinen dunkelbraunen Haaren fielen ihm ein paar einzelne Strähnen ins Gesicht. Seine Augen waren geschlossen und ich beobachtetet wie sich sein Brustkorb regelmäßig hob und senkte. Trotzdem konnte ich den vertrauten Blick, seiner Augenpaare auf mir sehen.
Doch was machte Lian hier und überhaupt wo war ich?
Das letzte woran ich mich erinnerte, war der unglaubliche Schmerz, die Bilder und der Wirrwarr aus Bildern in meinem Kopf. Ich spürte stehende Kopfschmerzen und versuchte es auszublenden. Sobald Lian aufwachen würde, würde ich ihn fragen. Es würde nichts bringen mir den Kopf darüber zu zerbrechen.
Mein Blick wanderte weiter und ich entdeckte eine weitere Gestalt, neben Lian auf dem Boden. Der Mann gab ein Grummeln von sich richtete sich langsam auf. Er ließ seine Schultern kreisen, dann drehte er sich zu Lian um und sein Blick fiel auf mich. Das orientalische in seinen dunklen Pupillen stach dabei deutlich heraus und anhand seiner dunkleren Hautfarbe erkannte ich ihn. Sahid. Seine Augen wurden groß, als er mich sah. Einen Moment lang starrten wir uns an, bevor er reagierte. „Fenja, du bist wach...",murmelte er.
Ich wusste nicht was ich erwidern hätte sollen, deshalb nickte ich etwas benommen. Wir beide wussten nicht, wie unser Verhältnis zueinander war und keiner von uns beiden wollte den Fehler begehen und etwas falsches zur Sprache bringen, was den anderen verärgern würde.
„Was ist passiert?" fragte ich mit rauer Stimme und mein Blick fiel auf Lian. Sahid folgte meine Augen und er seufzte. „Das fragst du ihn lieber selbst, meinst du nicht?"
Ich blickte zu ihm auf, doch Sahid hatte Lian schon angestoßen. Lian grummelte etwas und machte Anstalten sich umzudrehen, doch dabei fiel sein Blick zu mir und er verharrte.
„Fenja?", fragte er verblüfft.
„Hey", versuchte ich es vorsichtig. In seine Augen fiel die Sonne und glühten auf. Es erinnerte mich an Wald, das vertraute grün meiner Heimat und die Wälder, die ich als Kind immer so geliebt hatte. Der leicht süßliche Geruch des Waldes und die Tannenzapfen. Vertrauter, weicher Boden. Genauso vertraut wie er mir vertraut war.
Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und strich sich die Strähnen aus dem Gesicht. In diesem Augenblick räusperte sich Sahid, der sich möglichst unauffällig erhoben hatte und zerstörte damit den Moment.
„Ich lass euch mal alleine", murmelte er und öffnete die Tür. „Wo ist der Typ schon wieder hin?", grummelte er noch, bevor sich die Tür hinter ihm schloss und ich mich alleine im Raum mit Lian befand. Er ignorierte die Tür und stand sofort auf den Beinen. Mit einem schnellen Satz war er bei mir und kniete sich neben mein Bett.
„Fenja, du bist wach... Wie geht es dir?" Ich runzelte verwundert die Stirn. Hörte ich da tatsächlich so etwas wie Sorge in seiner Stimme? „Hast du dir Sorgen um mich gemacht?", erwiderte ich, konnte mir ein Grinsen aber nicht verkneifen. Er blinzelte einmal verwirrt, ich hatte ihn sichtlich aus seiner Fassung gebracht. Schnell fasste er sich wieder und sah mich erbost an, doch ich erkannte die Erleichterung in seinen Augen.
„Was ist passiert und wo sind wir hier?", fragte ich schließlich und blickte an ihm vorbei in den Raum.
Er seufzte: „ Kurz und Knapp? Wir, beziehungsweise Sahid mit seiner Truppe, haben dich aus dem Kerker befreit, seit dem sind wir ins Luftreich unterwegs."
Ich starrte ihn unglaublich an. „Was?"
Er winkte ab. „Glücklicherweise hat Avan die Hütte entdeckt, sonst hätten wir da draußen übernachten müssen", er deutete mit seinem Kinn aus dem Fenster.
„Avan? Ist er mit euch gekommen?", hakte ich nach und zu meiner Überraschung fiel mir ein Stein vom Herzen.
„Lian nickte. „Ich will nicht aufdringlich sein, aber was ist da unten passiert? Es schien so, als würde er dich kennen und sich Sorgen, um dich gemacht zu haben."
Ich blinzelte und die Erinnerungen an den Ort kamen wieder hoch. Lian musste mein Unwohlsein wohl bemerkt haben den er blickte besorgt zu mir. „Alles in Ordnung? Es tut mir leid, wenn ich, ich wollte nicht."
„Schon gut, du kannst nichts dafür", unterbrach ich ihn. Avan hatte sich tatsächlich um mich gesorgt? Ich hätte fast aufgelacht. Das hielt ich für sehr unwahrscheinlich. Der kaltschnäuzige, abgehärtete Avan hätte sich doch niemals Sorgen um mich gemacht.
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