《55》
Avan hätte sich am liebsten gegen die Gitterstäbe geworfen.
Als sie das bewusstlose Mädchen vor seinen Augen weg schleifte hätte er sich am liebsten auf sie gestürzt, wären da nicht diese Ketten, die ihn daran hinderten. Er knirschte mit den Zähnen und hatte keine andere Wahl als ihr bloß hinunterzublicken.
Er wusste nicht was sie mit dem Mädchen machen würden. Lina hatte etwas von dem Wasserreich erzählt. Avan hatte über die vier Nationen Bescheid gewusst aber, dass was ihm das Mädchen erzählte hat etwas altes in ihm wachgerüttelt. Um ehrlich zu sein waren ihn die Königreiche völlig egal. Solange sie ihn in Ruhe ließen war er zufrieden. Doch er war nun leider Mal ein Assassine und somit, ob er wollte oder nicht ein Staatsfeind des Königs. Er brachte schließlich unschuldige Dorfbewohner um und verstieß somit gegen eines der Gesetze.
Er wusste, dass Lina es vollkommen genossen hatte. Ihr unschuldiges Gesicht passte nicht in ihre neue Rolle und es war ungewohnt für Avan sie so zu sehen, doch im Grunde genommen hätte er es sich auch schon denken können, was ihre wahre Identität war. Doch es hatte alles so gut gepasst. Endlich war er nicht mehr der böse, böse Assassine gewesen. Ihre Eltern, was auch immer aus ihnen geworden war, hatten ihn behandelt, als wäre er ihr eigener Sohn und genau das hatte er genossen. Sie hatten ihm die Familie gegeben, die er nie hatte.
Er seufzte und ballte die Hand zur Faust. Es war nicht das erste Mal, dass er in einem Kerker war. Ein paar Male, als er lediglich einen Apfel gestohlen hatte, hatten ihn die Soldaten einsperren lassen, doch auch das eher als Scherz als eine Strafe. Spätestens nach einem Tag war er wieder frei gewesen. Doch damals hatte er schreckliche Angst gehabt und sich fast in die Hosen gemacht. Doch nun hatte er schon mehrere Sommer gezählt und war auch um einiges Stärker geworden. Hätte ihn Ragnar jetzt gesehen hätte er gelacht. Avan blickte traurig in die leere Zelle neben ihm. Auch, wenn er die junge Frau kaum gekannt hatte. Sie war seine einzige Informationsquelle gewesen. Und nun würde sie wahrscheinlich nie wieder kommen. Wer wüsste schon was mit ihr passieren würde? Wahrscheinlich würden Sie sie hängen lassen und es wäre erledigt. Er seufzte und lehnte sich mit den Kopf an die kühle Wand.
Er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, als er Schritte hörte und die die Männer eine leblose Gestalt in die Zelle zurückwarfen. Kaum waren die Soldaten verschwunden, robbte er näher zu den Eisenstäben, zwischen den Zellen und stellte erstaunt fest, dass es das Mädchen war. Sie sah ziemlich erschöpft aus und ihre Haare hatten sich aus ihrem Zopf gelöst. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie noch recht jung war. Sie konnte kaum über 20 sein und ihre schlanke Gestalt bildete einen scharfen Kontrast zu dem Umhang, den sie neulich getragen hatte. Er betrachtete sie und spekulierte darüber nach was mit ihr Geschehen war. Sie hatte ihm erzählt was sie durchlebt hatte, doch weshalb sollte der Kaiser sie am Leben lassen? Für ihn war sie doch nur eine weitere lästige Fliege, genauso wie er es war. Doch er wettete auf jedem Preis darauf, dass Lina ihn angebettelt hatte, damit er ihn leben ließ, nur damit er hier unten langsam die Beherrschung zu verlor.
Sein Blick fiel auf sie und er hoffte sie würde endlich aufwachen. Er brannte darauf zu erfahren, was ihr widerfahren war.
Die endlose Stille machte ihn tatsächlich langsam zu schaffen. Er war es zwar gewöhnt, im dunklen, stillen Gassen entlangzuwandern, doch das war etwas anderes. Diese Stille lag ihn wie eine schwere Last auf den Schultern. Lina hatte Recht gehabt. Je länger man hier unten verweilte, desto mehr wurde man wahnsinnig. Dies war schlimmer als der Tod. Und Avan wusste es. Deshalb klammert er sich verzweifelt an dieses Mädchen. Sie lenkte ihn, wenn auch nur kurz, von seiner eigentlichen, beschissenen Lage ab.
Er seufzte und wartete. Und wartete.
Doch egal, wie sehr er auch zu warten zu schien, die junge Frau wachte nicht auf.
Als ich wieder zu mir kam, wurde mir meine Lage bewusst und ich fing an zu strampeln, in der Hoffnung irgendwie fliehen zu können. Doch die beiden Soldaten hielten meine Arme mit eisernem Griff gepackt und egal wie sehr ich zappelte, es gelang mir nicht. Mit halbherzigen Schritten stolperte ich ein paar Fußlängen nach vorne, doch die beiden Männer schleiften mich so oder so nach vorne, dass ich es genauso gut sein lassen könnte. Also hob ich meinen Kopf und schaute mich in den prunkvollen Räumen des Palastes um. Der Boden bestand aus weißen und schwarzen Marmor und jeder Schritt auf diesen klaren, glatten Steinen kündigte das bevorstehende an. Die Wände zierten viele goldene Verzierungen, die ähnlich wie die Zweige eines Baumes, die Wände erklommen und in an der Decke zusammen liefen. Dazwischen waren eher kleine, unscheinbare Lücken eingelassen, die allerdings offen waren und es nun so aussah, als erhöbe sich ein Baum an der Wand entlang. Und durch seine Zweige schien das Sonnenlicht zu uns hinunterfallen.
Gerne hätte ich mir das Kunstwerk noch länger angeschaut, doch die Soldaten schleiften mich eilig weiter und mir wurde wieder bewusst, dass ich nicht als Gast hier war.
Wir ließen den Raum hinter uns und befanden uns in einer Art kleinen Eingangshalle. Der Raum war eher schlicht, im Vergleich zu den anderen Räumen, die wir durchquert hatten oder zumindest das was ich davon mitbekommen hatte.
Vor den hohen Wänden, befanden sich Stühle und gegenüber des Einganges war eine große Tür eingelassen. Ich vermutete, dass sich hinter dieser Eingangshalle der Thronsaal befand.
Meine Freude auf das bevorstehende hatte mittlerweile ihren Nullpunkt erreicht. Einer der Männer, der mich gepackt hielt, klopfte mit seiner freien Hand an die stählerne Tür, über die sich ebenfalls ein paar Zweige hinauf schlangen. Wäre ich nicht in dieser Lage gewesen, wäre ich vor der Tür stehen geblieben und hätte die Verzierungen bewundert, doch nun blieb mir keine Zeit mehr dafür. Anscheinend waren diese Art von Mustern hier ein Markenzeichen, denn als sich die Tür vor mir öffnete, musste ich mich beherrschen, damit man mir meine Bewunderung nicht ansah. Die Soldaten schleiften mich in die große Halle hinein und ich blinzelte gegen die Helligkeit an, die in diesem Raum herrschte. Verwundert blickte ich mich in dem neuen Raum um.
Vor mir lag ein roter Teppich, der sich weit in den Raum hinausstreckte. Er endete vor einer breiten Treppe, hinter der ein sich ein gewaltiger Thron aufbaute. Der Kaiser, auf dem Thron thronte, war früher einst einmal ein stolzer Mann gewesen, doch mit der Zeit hatten sich seine Muskeln in Fett verwandelt. Über seiner massigen Statur fielen mehrere Schichten, der feinsten Gewänder und seine fleischigen Finger zierten unzählige Ringe. Zu seinem linken, direkt neben seinem Thron, stand ein spindeldürrer Mann, der einen starken Kontrast zu dem Kaiser bildete. Er war ebenso wie alle aus den höheren Kreisen mit den feinsten Gewändern gekleidet und in seinem Gesicht saß ein klappriges Gestell, das zwei Gläser unter seinen Augen festhielt. Unter seinen ausgemergelten Augen saßen tiefe Falten und sein ganzes Gesicht machte einen eingefallenen Eindruck. Es war ein Wunder, dass er sich überhaupt noch auf den Beinen hielt.
Die Soldaten schleiften mich ungehindert an den großen Fenstern vorbei und zögerten nicht, den ausladenden Läufer zu betreten. Mit festen Schritten marschierten sie nach vorne und vor der Treppe, die zu dem Thron hinaufführte machten sie schließlich halt.
Auf einen Wink des Kaisers hin, ließen sie endlich meine Arme los und dankbar rieb ich mir die schmerzenden Stellen. Lina, die die ganze Zeit vor mir gelaufen war neigte zur Begrüßung den Kopf und die Soldaten zwangen mich zu einer gebeugten Haltung, die wohl als Verbeugung durchgehen konnte.
Als ich wieder aufschaute, blickte ich dem Kaiser, dem Gebieter über das komplette Feuerreich entgegen. Seine kleinen Augen schienen in seinem fleischigen Gesicht fast unterzugehen, als er sie zu Schlitzen zuzog.
„Alle raus hier, ich möchte Möglichst ungestört mit ihr reden", befahl er lässig und fast schon genervt. Die Männer hinter mir verbeugten sich rasch bevor sie den Raum verließen und die dicke Eisentür hinter meinem Rücken zuzogen. Bei dem Klang der Tür, die in das vorhergesehene Schloss hineinfiel schauderte ich. Bis auf die Berater des Kaisers und Lina war ich alleine mit dem Kaiser in einem Raum. Ich bezweifelte nicht, dass selbst wenn ich einen Angriff auf ihn starten würde, dass hinter den Säulen Wachen lauerten, die mich jeden Moment erschießen könnten. Ich ließ den abschätzenden Blick des Kaisers an mir abprallen und streckte trotz meiner misslichen Lage den Rücken durch. Auf keinen Fall wollte ich mich einfach so geschlagen geben.
Der Mann auf dem Thron lächelte und zu meinem Erstaunen erhob er sich langsam aus seiner Position. Ich musste mein Erstaunen unterdrücken, denn ich hätte nicht gedacht, dass der Mann überhaupt in der Lage war, sich alleine zu erheben.
Er schritt an seinen Beratern vorbei und ging zu seiner Tochter, die nur wenig Ähnlichkeiten zu ihm aufwies. Er ließ seine Pranke auf ihre Schulter niedersausen und klopfte ihr auf die Schulter. „Ich bin sehr stolz auf dich, meine Tochter. Trotzdem würde ich dich bitten, dass du uns alleine lässt."
Lina, die gerade noch verlegen gelächelt hatte sah entrüstet zu ihrem Vater hinauf, doch ein strenger Blick seinerseits ließ sie nachgeben.
„Wie ihr wünscht, Majestät", murmelte sie und verneigte sich, ehe sie den Raum mit kleinen Trippelschritten verließ. Als auch sie gegangen war wandte der Kaiser sich zu mir. Ich fragte mich warum ich überhaupt herbei bestellt worden war, doch als seine gesamte Persönlichkeit auf mich hinunter blickte wurde mir dennoch mulmig zumute. Trotz seiner massigen Statur, strahlte er eine solche Präsens aus, die mich schaudern ließ. Ich konnte mir gut vorstellen, wie er früher einmal ausgesehen haben musste. Damals musste er ein starker Krieger gewesen sein und die Frauen hatten sich bestimmt wie Schafe um ihn gescharrt. Kein Wunder, dass er Kaiser geworden war.
„Du fragst dich sicher warum du jetzt hier bist", begann der Mann zu sprechen und sofort richtete sich meine Aufmerksamkeit auf ihn.
„Nun denn, machen wir es kurz und knapp und sparen uns das Herumgerede", murrte er und machte eine Pause, als würde er nach Luft schnappen, doch ich wusste genau, dass er seine Überlegenheit mir gegenüber vollkommen genoss und mich extra warten ließ, um seine Macht zu demonstrieren. Ich ballte wütend die Hand zur Faust, doch ich ließ mir nichts von meinem Stimmungswandel anmerken.
„Es ist so, ich weiß von deiner Gabe. Und da ich nun mal der Kaiser bin, werden viele Anschläge auf mich ausgeübt. Deine Gabe ist für mich perfekt geschaffen, deshalb werde ich sie an mich nehmen."
Verwirrt blinzelte ich. „Hä?"
Der Kaiser legte den Kopf schief, doch der dürre Mann, den ich fast übersehen hatte, flüsterte ihn etwas ins Ohr woraufhin sich sein Gesicht erhellte.
„Achso, natürlich. Das hatte ich ja ganz vergessen", lachte er und wandte seinen Blick wieder zu mir. „Es tut mir leid, wenn ich dich damit so überrumpelt habe. Ich wusste gar nicht, dass du ja gar nichts von deiner Gabe weißt."
„Gabe?", krächzte ich verwirrt.
„Wie du ja selber am eigenen Körper erfahren durftest, gibt es unter uns ein paar Menschen mit einer besonderen Begabung, die Ancores."
Ich dachte an Lian und Sahid und nickte automatisch. „Heilende Fähigkeiten sind aber nicht die einzigen, welche auf dieser Welt vorhanden sind", fuhr der Kaiser fort. „Deine eigene Gabe besteht darin nicht zu sterben."
Verwirrt blinzelte ich. „Fragst du dich nicht wie du die ganze Zeit überleben konntest? Erst auf dem Schlachtfeld, dann wegen der Lähmung, schlussendlich wegen dem Bombenangriff und die ganze Zeit in der Wüste? Selbst dein Freund hat es nicht geschafft."
Langsam verstand ich den Sinn seiner Worte und meine Augen wurden groß.
„Ja schon aber das war doch einfach nur Glück...", stammelte ich. Der Kaiser schüttelte seinen Kopf. „Nein, ganz im Gegenteil. Aber selbst, wenn es dir jetzt bewusst wird, du musst dich gar nicht erst dran gewöhnen, denn meine eigene Kraft besteht darin dir deine Kraft zu rauben."
Ich erstarrte, als er auf mich zuging und sich mir näherte. „Wwas passiert danach?", flüsterte ich. „Was geschieht mit mir nachdem meine angebliche Gabe verschwindet?" Der Kaiser legte den Kopf schief, als würde er überlegen: „ Du hast schon richtig gedacht. Normalerweise stirbt derjenige danach."
Ich riss die Augen auf und stolperte nach hinten. Der Kaiser lachte bloß. „Bei dir ist es etwas anderes. Da deine Gabe drin besteht, dich vor dem Tod zu schützen weiß ich nicht, ob ich selbst überhaupt an deine Gabe herankommen werde. Doch, wenn ich sie erst habe, kann sie auch dich nicht mehr schützen. Solltest du aus irgendeinem Grund am Leben bleiben, schicke ich dich ins Wasserreich zurück."
Meine Augen wurden groß. „Was ist, wenn ich nicht will?", fragte ich vorsichtig. Der Kaiser winkte ab. „Ob du willst oder nicht, ich habe meine Entscheidung getroffen. Am besten bringen wir es gleich hinter uns." Ehe ich reagieren konnte machte er einen erstaunlich schnellen Satz nach vorne, den ich ihn niemals zugetraut hätte und berührte mich mit seiner Pranke auf der Schulter.
Das was darauf passierte war so unglaublich, das ich aufschrie. Kaum berührte seine Pranke meine Schulter erfasste mich ein solcher Schmerz, das ich dachte ich würde sterben. Es war wie eine Welle, die auf mich zu rauschte und alles verschlang. Es war schlimmer, als alles andere, was ich jemals gespürt hatte. Der Schmerz auf dem Schlachtfeld war nichts dagegen gewesen. Langsam aber sicher spürte ich, dass sich etwas in mir regte. Es war als würden zwei Seiten einer Schlacht aufeinander werfen. Mein Inneres tobte und wehrte sich heftig, doch der Mann ließ nicht von mir ab. Ich begriff, dass es tatsächlich meine angebliche Gabe war, die sich da in mir wehrte. Doch ich war unfähig mich zu rühren, denn die Schmerzen waren schlimmer, als was ich je in meinen Leben gespürt hatte. Ich hatte vielleicht mehr gelitten, als andere, doch im Vergleich zu dem was ich nun ertragen musste, waren die vorherigen Male nichts gewesen. Meine Gabe schien zu brüllen ja mein Innerstes zerreißen zu wollen. Ich spürte kaum noch wie ich schrie und ich verzweifelt mit meiner Hand nach Halt suchte. Dieses etwas raufte sich zu einer Wand zusammen und prallte auf die des Kaisers. Seine Kraft war stark, doch keine der beiden Seiten schien nachgeben zu wollen. Plötzlich tauchten Bilder vor meinen Augen auf. Wie in einem Film erscheinen sie vor meinen Augen und wurden hintereinander abgespult. Ich wusste nicht, ob es Erinnerungen von mir oder des Kaisers waren, doch die Schmerzen waren zu groß, das ich auf die Bilder geachtete hätte.
Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, als der König endlich von mir abließ. Mit einem erstickten Keuchen starrte er auf seine Hand dann auf mich. Doch ich war zu schwach und Erschöpft, dass ich etwas erwidern hätte können. Die unglaublichen Scherze halten in meinen Innersten wieder und meine Augenlider flatterten.
Ehe ich mich versah kippte die Welt und alles wurde schwarz vor meinen Augen.
Heute mal ein extra langes Kapitel, als Entschädigung, da so lange nichts kam. Jetzt wisst ihr von ihrer Gabe^-^
Hättet ihr damit gerechnet ?
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