《37》


Ich wollte gerade ins Haus zurückkehren, als ich bemerkte was soeben geschehen war. Magrett hatte mich hinausgeschickt! Die sonst so besorgte Magrett hatte mich, Fenja hinausgeschickt?

Immer noch misstrauisch machte ich mich auf den Weg zum Marktplatz. Ich war zwar noch nie dort gewesen, doch in den letzten Tagen hatte Magrett mir die Karte der Stadt gezeigt und ich hatte mir so viel wie möglich davon eingeprägt. Ich wusste, wenn ich einfach der Straße folgte und einmal links auf die Hauptstraße einbog, dass ich innerhalb von 5 Minuten da wäre. Schnell machte ich mich auf den Weg.

Ich folgte der Straße und sah mich suchend um. Es war erst das zweite Mal, dass ich außerhalb, draußen war. Auch, wenn ich hier nun schon mehrere Wochen oder sogar Monate lebte, war ich erst einmal draußen gewesen. Ich wusste nicht, wie ich es die letzten Wochen immer nur in dem Haus ausgehalten hatte. Mit festen Schritten lief ich los und blickte mich neugierig um. Ich bewunderte die vielen Häuser, die sich aneinander schmiegten und die vielen versteckten Gassen, die man auf den ersten Blick gar nicht erkannte.

Im Wasserreich gab es keine oder nur vereinzelte größere Städte. Die meisten Menschen lebten in kleinen Dörfern oder Gemeinden zusammen. Jeder kannte jeden und wenn es einen Todesfall gegeben hatte waren alle herbeigeeilt, um gemeinsam zu trauern. Doch, wenn hier jemand sterben würde? Wie groß war diese Stadt? Es mussten hunderte, ja sogar tausende Menschen untereinander leben. Ob es noch weitere Assassinen gab? Dumme Frage, natürlich gab es die. Im Wasserreich hatte es auch Söldner gegeben aber diese waren immer nur von der Krone oder größeren Herrschaften ausgesandt worden. Und außerdem waren ihre Aufträge immer an andere aus anderen Dörfern gewesen.

Schnell schüttete ich den Kopf, um die vielen Gedanken abzuschütteln. Warum dachte ich an meine alte Heimat zurück? Dort könnte ich so oder so nicht wieder zurück kehren. Warum dachte ich jetzt daran? Ich war endlich draußen. Das, nachdem ich mich so lange gesehnt hatte. Ich straffte meine Schultern und setzte eine entschlossene Miene auf. Die pessimistischen Gedanken konnten mir fernbleiben.

Als ich wenig später um die Ecke bog und sich mir der große Marktplatz offenbarte, war ich erstaunt. Ich hatte um ehrlich zu sein nicht damit gerechnet, dass er so groß sein würde.

Ich ignorierte die misstrauischen Blicke der Frauen auf mir und steuerte auf einen Stand zu. Ich war fest entschlossen nicht in ein weiteres Schlamassel hinein zu geraten. Nicht jetzt, wo ich endlich draußen war. Konnte ich nicht einfach ein normaler Bürger sein, wie alle anderen hier auch, die ihren normalen Einkauf betätigten?

Hinter dem Karren, auf den ich zusteuerte, hatte ein schmächtiger Mann seine Waren aufgebaut und brüllte mit kräftiger Stimme seine Angebote über den Platz.

Neugierig kam ich näher und betrachtete die vielen verschiedenen Waren. Leider hatte Magrett mir nur begrenztes Geld mitgegeben, das grade Mal für die Pute und die Kräuter reichen würde. Die Aussicht auf etwas anders konnte ich vergessen.

Seufzend ging ich an dem Stand mit den vielen Vasen und Skulpturen vorbei und ließ meinen Blick über die vielen Stände gleiten. Fast hätte ich mich in den kunterbunten Schmuck oder den gefährlichen Waffen verloren, doch ein kleines Stimmchen in meinem Hinterkopf erinnerte mich wieso ich hier war und was ich zu besorgen hatte. Mit einem bedauernden Blick ließ ich die vielen Angebote hinter mir und steuerte auf eine Kräutersammlerin zu.

Als ich endlich an die Reihe kam, gab ich meine Bestellung auf und eilte zum nächsten Stand weiter. Es kostete mich große Mühe, bei dem Anblick der toten Pute nicht sofort die Flucht zu ergreifen, doch ich riss mich zusammen und gab mir einen Ruck. Magrett hatte mich hinausgeschickt, weil sie in mich vertraute. Da würde ich doch nicht gleich nur wegen eines toten Tieres davonrennen. Ich hatte viel schlimmeres durchgestanden, da dürfte dies doch wohl kein Problem mehr für mich sein.

Also nahm ich die Pute entgegen und verstaute sie in meinen Einkaufskorb.

Mit einem zufriedenen Lächeln spazierte ich zurück auf die Gasse, die zu dem Stadtviertel führte, in dem ich wohnte.

Mit einer entschlossene Miene lief ich in die Gasse hinein und steuerte gerade um die Kurve, als ich ein Geräusch vernahm. Ich verharrte in meiner Bewegung und lauschte, doch ich konnte nichts dergleichen hören. Hatte ich mir das nur eingebildet? Ich hatte lange als Soldatin gedient, ich wusste nur zu gut, wie das Geräusch von Waffen klang.

Immer noch regungslos lauschte ich und wagte es mich kaum zu bewegen. Nach einer ganzen Weile warf ich der Gasse hinter mir einen Blick zu, doch diese lag menschenleer hinter mir. Komisch. Vorsichtig ging ich um die Ecke und wollte meinen Kopf wieder nach vorne drehen, doch, als ich aufblickte erstarrte ich.

Vor mir stand ein Krieger. Bekleidet war er mit einem Lederschurz, an dem ich das Aufblitzen von unzähligen Waffen ausmachen konnte. In seiner ausgestreckten Hand hielt er mir ein langes Schwert, das bis zu meinem Hals reichte. Ein Hieb und er könnte mir die Kehle durchschneiden.

Ein Bild des Soldaten auf dem Schlachtfeld tauchte vor meinen Augen auf. Die vielen leblosen Körper auf dem staubigen Boden, nach dem Bombenangriff. Das viele Blut. Nur eine falsche Bewegung und mich würde das selbe Schicksal erwarten. Ich stieß einen erstickten Schrei aus und sah den Mann vor mir mit großen Augen an.

„Eine falsche Bewegung und ich schneide dir die Kehle durch", knurrte er und seine bedrohliche Stimme ließ mich erschaudern. Ich wagte mich nicht zu bewegen und spürte das Adrenalin in mir rauschen.

Meine ehemaligen Kriegerinstinkte erwachten und ich überlegte, wie ich mich aus dieser misslichen Lage retten könnte. Ich könnte den Korb, als Schutzschild benutzen und wegrennen. Doch, er hätte den Korb im Nu zerteilt und mich sofort eingeholt. Was wollte eine Söldner von mir? Wer hatte ihn auf mich anheuern können? Hätte ich eine Waffe gehabt, hätte ich ihm sein Schwert aus seiner Hand schlagen können. Doch ich bezweifelte, dass ich die Kraft dazu hätte und vor allem wäre ich nicht in der Lage eine Waffe zu halten.

„Wwas wollt ihr von mir?", stotterte ich. Wenn ich schon im Kampf keine Chance hatte dann vielleicht wenigstens im Reden. Oder zumindest konnte ich mir so Zeit verschaffen.

Der Mann gab keine Antwort, jedoch legte er seinen Kopf leicht schief. Wahrscheinlich wiegte er gerade die Möglichkeiten ab, wie er mich töten würde. Verzweifelt sah ich mich um. Irgendeinen Fluchtweg? Ich könnte auf mein Glück hoffen und in eine der vielen Gassen zu verschwinden, doch meine Beine waren nicht mehr so stark wie früher und dieser bewaffnete Mann hätte mich innerhalb weniger Sekunden eingeholt. Und dann gab es kein Reden mehr. Die Vorstellung daran jagte mir einen Schauer durch den Rücken.

„Ich kann dir Geld bieten", sagte ich und hoffte er würde die Lüge hinter meinen Worten nicht durchschauen. Er gab einen unmissverständlichen Laut von sich und ich schluckte. Was sollte ich tun? Würde ich jetzt hier sterben?

Nein. Ich fasste einen Entschluss. Ich war nicht durch die Wüste gelaufen, hatte Monate im Lazarett verbracht, nur um am Ende von einen Söldner aufgeschlitzt zu werden.

Der Mann musste meinen Entschluss bemerkt haben, den etwas an seiner Haltung veränderte sich. Er stieß ein bedrohliches Knurren aus und schnellte vor.

Mit einem Satz war er hinter mir und hätte ich nicht meinen Kopf nicht reflexartig zur Seite gerissen wäre er jetzt abgetrennt worden.

Der Mann hatte damit wohl nicht gerechnet und verpasste mir einen Tritt in die Magengrube. Durch den Schwung landete ich einige Meter hinter ihm auf dem Boden. Ich wollte aufstehen, mich aufrichten, doch mein Bauch pochte heftig und ein Gefühl der Übelkeit stieg in mir auf. Ich versuchte es verzweifelt auszublenden, wollte mich aufrichten und die Flucht ergreifen, doch meine Arme waren zu schwach. Ich versuchte es trotzdem, doch egal wie oft ich versuchte mich aufzurichten, meine Arme versagten immer und immer wieder. Erschöpft blickte ich hoch und bei dem Anblick des Kriegers verkrampfte sich mein Körper automatisch.

Seine schwarzen Stiefel schabten über den Boden und hinterließen einen dumpfen Klang. Ich versuchte die Luft anzuhalten, wollte aufstehen, doch es gelang mir nicht. Ich schrie meinen Körper an, verfluchte ihn für seine Schwachheit, doch es änderte nichts. Ich lag am Boden, mein Gegner über mir.

Ich bemerkte erst, dass mir eine Träne über die Wange fiel, als die schweren Schritte verklungen waren. Ich musste nicht aufblicken, um zu wissen, dass der Mann vor mir stand. Ich hörte das Klirren seiner Klinge, als er es herumwirbelte. Bestimmt genoss er meine unterwürfige Haltung und versuchte diesen Moment so lange wie Möglich auszukosten.

„Na mach schon. Bring es zuende!", keuchte ich und verzog mein Gesicht. Wenn ich Glück hatte würde er mir die Kehle durchschneiden und ich hätte das Glück eines schnellen Todes. Ich unternahm einen letzten Versuch, um mich aufzurichten, doch wie schon erwartet klappte es nicht. Meine Arme fielen erschöpft zurück und ich gab es auf.

Ich versuchte mein Bein zu bewegen, doch der Schmerz war zu groß, um einen klaren Gedanken zu fassen. Wahrscheinlich hatte ich mir wieder eine Verletzung zugezogen. Doch, das war nun eh egal.

Ich neigte den Kopf zum Boden und schloss die Augen. Ich wusste, der Söldner würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Ich verfluchte meinen Körper, meine Schwachheit. Ich nahm einen letzten Atemzug und wappnete mich für das bevorstehende.

Würde das das Ende sein?

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