《35》



Ich bereute es.

Seit dem ich mich aus dem Haus geschlichen hatte, taten meine Beine höllisch weh und ich hätte nicht gedacht nach so wenigen Schritten schon so außer Puste zu sein. Doch ich hatte es dort drinnen einfach nicht mehr ausgehalten. Ich musste raus. Eigentlich hatte ich vorgehabt Sport zu treiben, doch ich wäre schon nach der ersten Dehnübung fast zusammengeklappt, sodass ich es aufs Gehen beschränkte. Anfangs war ich deswegen misstrauisch gewesen, doch als ich die vielen Leue gesehen und mir ihre fröhliche Stimmung aufgefallen war, besserte sich auch meine Stimmung schlagartig.

Mit vorsichtigen Schritten lief ich durch die Stadt. Ich war um ehrlich zu sein entsetzt davon, wie schwach mein Körper geworden war. Wie hatte ich es damals überhaupt noch geschafft durch die Wüste zu laufen?

Ich sah mich neugierig in der Gasse um. Auch, wenn ich hier im Erdreich nun schon seit mehreren Wochen lebte, war ich tatsächlich nie draußen gewesen. Doch nun würde Magrett staunen, wenn sie sah, dass ich nicht mehr im Haus war. Ich war nicht so schwach, wie es vielleicht wirkte. Außerdem konnte ich ihr so beweisen, dass ich gut alleine zurecht kam und keineswegs bemutternd werden musste.

Ich grinste in Gedanken, doch plötzlich gab mein Bein unter mir nach und ich wäre fast auf den Boden gestürzt, hätte ich mich nicht im letzten Moment an einer Hauswand festhalten können. Ich stöhnte auf. Vielleicht war ich doch noch nicht so fit aber fürs umdrehen war es zu spät. Nein. Ich würde das durchziehen.

Wohin ich gehen wollte wusste ich nicht, hauptsache möglichst weit weg von Daniel und Magrett. Sie könnten sich ruhig Sorgen machen. Sollten sie mal sehen, was sie angestellt hatten. Mein Bauch schmerzte und ich keuchte auf. Ich musste eine Pause machen, doch ich konnte nicht hier auf der Straße stehen bleiben.

Ich sah mich suchend nach einem Platz um. Die Straße, auf der ich mich befand war etwas abgelegen, doch trotzdem wäre es ein leichtes für Magrett und Daniel mich hier aufzuspüren. Sie lebten schon ihr ganzes Leben hier und kannten sich bestens in diesem Stadtteil aus, im Gegensatz zu mir.

Mein Blick fiel nach links. Zischen den Häusern lag eine winzige Gasse, die ich fast übersehen hätte. Ich gab mir einen Ruck und schleppte mich dorthin. Jeder Schritt tat weh, mein Oberschenkel und die Stelle mit dem Schnitt brannte, doch ich kniff die Lippen aufeinander. Durchhalten Fenja. Das hier war nichts zu den dutzenden Trainingslagern, bei denen ich teilgenommen hatte.

Nach einer gefühlten Ewigkeit schleppte ich mich um die Ecke in die dunkle Gasse. Es war nur ein schmaler Weg zwischen den zwei Häusern und kaum breiter, als das ein Mensch hindurch gepasst hatte. Die Häuser standen so hoch, dass die Sonne keine Chance hatte und der Weg in völliger Dunkelheit lag. Ich schleppte mich ein paar Schritte weiter dann ließ ich mich völlig erschöpft auf den Boden sinken. Ich hatte es Geschafft. Ich war draußen. Es war nur die Frage, wie ich wieder hoch kommen sollte. Erschöpft atmete ich aus und schloss die Augen. Nur einen kleinen Moment. Bestimmt war der Schmerz gleich wieder weg.

Während ich so dalag, hielt ich die Augen geschlossen und lauschte. Würde ich Schritte hören müsste ich sofort bereit sein. Doch in diesem Zustand könnte ich es so oder so vergessen. Ich wollte meinen Kopf heben, doch es fühlte sich so schwer an. Also lauschte ich. Zuerst hörte ich nichts besonders. Eigentlich gar nichts. Es war still in dieser Gasse, zu still, wie ich schnell bemerkte.

Ich wollte mich schnell erheben, doch der Schmerz war leider nicht vergangen. Ich war dumm gewesen. Dunkle Gassen waren die perfekten Stellen für einen kleinen Raubüberfall oder sogar Mord. Im Wasserreich hatte man von blutrünstigen Killern gesprochen und ich war nicht erpicht darauf mit einem von ihnen Bekanntschaft zu machen.

Ich stöhnte erneut und stützte meine Hand auf dem rechten Oberschenkel ab. Mühselig kam ich auf die Beine, doch ich wäre fast wieder zusammen geknickt. Ich richtete mich mit all meiner Kraft auf und versuchte meinen Rücken aufrecht zu behalten. Vorsichtig ließ ich meinen Blick umherschweifen. Nichts fiel mir ins Auge, das auffällig gewesen sein könnte. Ich überlegte gerade, ob ich einen Schritt wagen sollte, doch dann hörte ich es. Ein leises Geräusch.

Hätte ich nicht ein Weile in dieser Stille verharrt, hätte ich es glatt überhört.

Und doch, da war etwas, was meine Aufmerksamkeit erregte. Neugierig spitze ich die Ohren und bemühte mich genauer zu lauschen. Es klang wie... wie ein Klirren. Als ob Waffen aufeinander klirrten.

Ein Bild des Schlachtfeldes trat mir vor die Augen. Der Geruch, die Schreie, die vielen Gefallenen. Ein Glanz trat in meine Augen und ich musste mich an der Hauswand abstützen. Schwindel überkam mich und ich schloss die Augen.

Als es endlich aufhörte, ging es mir erstaunlicherweise besser und ich konnte langsam aufstehen. Das Klirren ertönte wieder und wieder, in regelmäßigen Abständen. Mit einer Hand hielt ich mich an der Hauswand fest, während ich mich so nach vorne tastete. Die Gasse machte einen Knick und gab den Blick auf eine weitere Hauswand frei. Echt jetzt?

Ich war umsonst gelaufen. Doch das merkwürdige Geräusch, das mich angelockt hatte war noch immer zu hören. Es war genau hinter der Hauswand. Ich reckte meinen Hals. Es konnte doch keine Sackgasse sein.. Nein.

Mein Blick fiel neben die Hauswand. Eine weitere Gasse. Fast hätte ich sie nicht erkannt. Ich schleppte mich darauf zu und quetschte mich an dem Gerümpel, das davor stand, vorbei. Zu meinem Erstaunen, war diese Gasse offen und helles Sonnenlicht schien hinein. Seltsam. Wieso hatte ich das vorher nie entdeckt? Ungläubig schüttelte ich den Kopf und lief weiter den Weg entlang. Es gab eine weitere Kurve. Langsam bog ich erneut um die Ecke und staunte nicht schlecht, als ich das sah, was vor mir lag.

Ein großer Platz lag vor mir. Statt einen Haus konnte man nur noch ein paar Ruinen erkennen. Der Boden hatte anscheinend mal aus Wiese bestanden, doch die vielen Fußabdrücke hatten es schon längst zertrampelt. Um den Platz herum grenzten Häuserwände oder ein schäbig aussehender Zaun. In einer Ecke lag ein Haufen Klamotten und ein Stapel Waffen. Der Platz war genau zwischen den Häusern versteckt. Es gab keinen anderen Weg, als mit dem, von dem ich gekommen war.

Ich schluckte, al sich die WAffen sah. Es waren nur ein paar Schwerter. Das hatte nichts mit dem Krieg zu tun. Ein Bild der Wüste, von Lian, dem zerstörten Lazarett tauchte vor meinen Augen auf. Ich versuchte langsam ein und auszuatmen. Alles ist gut Fenja. Alles ist gut. Sieh dich um. Keine Wüste. Nur Schlamm. Schlamm? Das Schlachtfeld?! Ich schaffte es nicht mehr die Erinnerungen aufzuhalten und übergab mich. Ich keuchte auf. Wann hörte das endlich auf?

Als ich wieder aufblickte, erstarrte ich. Mitten auf dem Platz kämpften zwei Gestalten. Wie in einem Tanz bewegten sie sich umher und attackierten oder wichen ihrem Gegner aus. Einen Moment lang war ich wie gebannt und folgte ihren Bewegungen. Dann tauchte ein erneutes Bild vor meinen Augen auf und ich gab einen gequälten Keucher von mir. Ich versuchte leise zu sein, um die Gestalten nicht zu stören, doch anscheinend hatten sie mich schon gehört. Schlagartig verstummten die Kampfgeräusche. Zu einem war ich dankbar zum anderen entsetzt. Ich schloss die Augen um mich zu sammeln. Als ich sie öffnete waren die Gestalten verschwunden.

Verwundert wollte ich mich umdrehen, doch dann erst spürte ich den scharfen Gegenstand an meinem Hals. „Was hast du hier zu suchen?"

Ich erstarrte und glücklicherweise verschonte mich mein Körper mit einer erneuten Attacke. „Ich..Ich, warte wer seid ihr?", stammelte ich.

„Eine falsche Bewegung und mein Freund wird dich aufspießen", knurrte der Mann hinter mir und gab mir einen Schubs. Überfordert stolperte ich ein paar Schritte nach vorne und stürzte in den Dreck. Ein Hustenanfall schüttelte mich und es dauerte eine Weile bis ich mich einigermaßen gefasst hatte. Beleidigt rieb ich mir die schmerzende Stelle am Hals und warf einen Blick nach vorne. Fast augenblicklich erstarrte ich.

Vor mir standen zwei Männer. Doch nicht einfach irgendwelche Männer. Ein Umhang verdeckte ihre Gestalt und beide hatten die Kapuzen ihres Mantels tief ins Gesicht gezogen, sodass man es nicht erkannte. Der Umhang war vorne geöffnet und ein paar der spitzen Messer und Dolche lugten darunter hervor.

Ich versuchte nach hinten zu krabbeln, doch da erhob einer der beiden die Stimme: „ Nicht so schnell. Erst einmal verrätst du uns, wie du hier hin gekommen bist und was du hier zu suchen hast!"

Mein Blick lag auf dem Schwert, das der rechte von den beiden in der Hand hielt. Es glänzte im Sonnenlicht und reflektierte mein Spiegelbild. Das war doch nicht ich, die da im Schlamm lag oder, oder doch ?

„Was macht ihr hier? Seid ihr echte Assassinen?", platze es aus mir heraus.

Die Männer blickten mich an und es machte mich unruhig, dass ich ihre Gesichter nicht sehen konnte.

„Das geht dich nichts an. Wo wohnst du?", sagte der rechte knapp. Ich hatte mich derzeitig aufgerappelt und verschränkte die Arme voreinander.

„Das geht dich eben sowenig etwas an", rechtfertigte ich mich.

Die Männer wandten sich zueinander um. „Was sollen wir jetzt mit der da machen?", fragte der rechte. „Keine Ahnung aber sie einfach so zu töten wäre sinnlos".

Ungläubig starrte ich sie an. „Töten, mich?"

Zu meiner Entrüstung ignorierten sie mich einfach weiter. „Wir können die anderen fragen."

„Bist du verrückt? Was sollen sie von uns halten? Als ob wir mit einem Mädchen nicht klarkommen würden."

„Ja gut, dann töte sie."

„Mach du doch!"

„Siehst du, du könntest es auch nicht."

„Naja, viel ist ja nicht an ihr dran. Besteht ja nur noch aus Haut und Knochen", murmelte der linke und der andere nickte zustimmend.

„Ich war im Krieg", murmelte ich rechtfertigend.

„Du?", fragte der linke Mann und ich meinte einen Anflug von Entsetzen in seiner Stimme zu hören.

„Ja. Seid ihr nun zufrieden?", erwiderte ich trotzig.

„Interessant", meinte der linke und die beiden starrten sich an. Ich zog eine beleidigte Miene.

„Ich hab gedacht Assassinen sind so blutrünstige Killer aber wenn ich euch sehe, dann muss ich meine Meinung wohl noch ändern", log ich und legte meinen Kopf schief.

„Auf kleine Mädchen machen wir nicht so einen Eindruck", murmelte der rechte und beugte sich ein kleines Stück zu mir hinunter. Ich erstarrte. Hoffentlich war das eben keine Warnung gewesen, denn ansonsten würde es schlecht um mich stehen.

„Ich bin kein kleines Mädchen. In einem Jahr werde ich volljährig", verteidigte ich mich.

Der linke seufzte hörbar.

„Am besten gehst du einfach nach Hause und vergisst was du heute gesehen hast."

Ich legte den Kopf schief. „Würde ich gerne aber ich befürchte ich kann nicht aufstehen".

Die beiden sahen mich an und auch ohne ihre Gesichter zu erkennen konnte ich mir ihre Blicke sehr gut vorstellen.

„Seht mich doch an? Ich bin total nutzlos und kann nicht einmal fünf Minuten gehen, ohne zusammenzubrechen. Tja, ich befürchte ich muss hier sitzen bleiben. Ich versuchte darüber zu lachen, doch es kostete mich einige Mühe die Tränen in meinen Augen zu verdrängen.

„Was machen wir jetzt?", fragte der linke. Ich sah sie neugierig an.

Der rechte Mann seufzte. „Ich kann dich tragen."

Überrascht riss ich die Augen auf. „Was?"

„Ich trage dich", wiederholte der Mann erneut. „Das ist nur ein Vorschlag oder?", fragte ich alarmiert. Es kam keine Reaktion und mir wurde bewusst, dass sie es ernst meinten.

„Das tut mir jetzt leid aber ich glaube ich laufe doch lieber zurück. Ich schaffe das schon", winkte ich ab und versuchte die Situation zu überspielen.

„Du kommst doch eh nicht weit", meinte der linke belustigt.

„Zur Not krabbele ich", murmelte ich leiser werden.

„Das will ich sehen." Ich zog eine Grimasse.

Plötzlich beugte sich der rechte zu mir hinunter. Ich starrte zu ihm hoch, doch er legte mir seinen Arm auf den Rücken und Kniekehle und hob mich einfach hoch.

„Ich habe doch gar nicht eingewilligt", murmelte ich, doch ich wusste auch, dass es sinnlos war diese Diskussion weiter zu führen. Er machte ein paar Schritte und erst jetzt wurde mir diese Nähe bewusst. Hier lief eindeutig etwas falsch. Glücklicherweise blickte der Mann nicht zu mir hinunter, sodass er meine Verschämtheit nicht bemerkte oder einfach ignorierte.

Jetzt wo ich ihm plötzlich so nah war konnte ich seine Gesichtszüge besser erkennen. An seinem Kinn erkannte ich die kurzen Bartstoppeln und seine Augen glühten blau, doch weil er seine Augen leicht zusammengekniffen hatte, konnte ich dies nur schlecht erkennen. Erstaunlicherweise konnte er kaum über die dreißig sein.

Schnell wandte ich mich wieder ab. „Wo wohnst du?", fragte der Mann mich und erst da wurde mir bewusst, dass ich selbst keine Ahnung hatte.

„Ähh, ich bin die Gassen da lang und dann auf der Straße und dann da", versuchte ich es irgendwie zu erklären. Der Mann hörte mir zu, doch ich bemerkte genau, dass ihm die Situation, ebenso wie mir, missfiel.

Er trug mich den Weg zurück, doch plötzlich bogen wir in eine fremde Straße ein, die ich nicht kannte. Ich wollte gerade protestieren, doch da merkte ich, dass die Männer eine Leiter hochkletterten. Am liebsten hätte ich einfach die Flucht ergriffen, doch das ging ja jetzt schlecht. Der Mann erklomm die Leiter und ich drehte meinen Kopf herum. Vor Staunen öffnete sich mein Mund. Wir standen auf einen der Dächer. Der Wind zerzauste meine Haare und ich konnte die Straßen erkennen. „Okay, das ist hoch", hauchte ich.

„Erkennst du dein Haus?", fragte der Mann und ließ seinen Blick über die Stadt schweifen. Ich sah mich um und zu meinem Erstaunen fand ich das Haus tatsächlich wieder. Es war direkt um die nächste Kurve. Ich verzog mein Gesicht. Ich war gar nicht so viel gelaufen, wie es sich angefühlt hatte.

„Da vorne", meinte ich und deutete auf das Haus. Der Mann runzelte die Stirn. „Bei Sahid?"

Ich blickte überrascht zu ihm hoch. „Du kennst Sahid?"

„Jeder kennt ihn hier. Er ist ein vielseitiger Mann."

„Aha", murmelte ich wurde die Vorahnung nicht los, dass noch etwas anderes dahinter steckte.

Die Männer sprangen urplötzlich los und ich war ausnahmsweise dankbar, dass ich nichts im Magen hatte. Reflexartig krallte ich mich in die Kleidung des Mann und kniff die Augen zu. Unter mir flog die Stadt davon.

„Was machst du?", brüllte ich über den Wind hinweg.

„Was wohl? Dich zurück bringen", schrie der Mann gegen den Wind zurück. „Das ist Wahnsinnig", brüllte ich mit schlotterten Zähnen.

Als wir kurze Zeit später auf dem Hausdach landeten war ich völlig durchgefroren, trotz des Pullis den ich trug. Der Mann bugsierte mich irgendwie durch das erstaunlicherweise offene Fenster und setzte mich behutsam ab. Bevor ich irgendetwas sagen konnte hoben sie zum Abschied die Hände.

Und dann waren sie weg.

Und eine völlig verwirrte Fenja blieb alleine in ihrem Zimmer sitzen.

Ich kletterte in mein Bett zurück ausnahmsweise fand ich es diesmal nicht mehr so beunruhigend. Schnell kuschelte ich mich unter die warme Decke und schloss die Augen.

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die beiden echte Assassinen sein sollten. Dazu waren sie doch viel zu nett. Viel zu, zu menschlich. Ich hatte immer erzählt bekommen sie seien blutrünstige Killer, die jeden der sich ihnen in den Weg stellt sofort ummetzeln würden. Doch die beiden wirkten anders. Vielleicht waren sie nicht allein. Sie hatten auch noch von anderen gesprochen.

Gab es etwa noch mehr von ihnen? Ich dachte nach. Vielleicht war es einer der Gründe warum Daniel und Magrett nicht wollten, dass ich nach draußen ging. Klar, ich hatte bei meinem Ausflug auch gemerkt, dass es mir wohl doch noch nicht so gut ging wie ich gedacht hatte aber das konnte doch nicht der einzige Grund dafür sein? Irgendwas war an der Sache faul.

Ich wusste es noch nicht so ganz, doch ich würde es herausfinden.

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