《2》

Irgendwann musste ich wohl doch eingeschlafen sein, denn als ich aufwachte war das helle Licht verschwunden, dass über die Plane über meinem Kopf geschienen hatte. Stattdessen war dort nichts als Schwärze. Tatsächlich war es so finster um mich herum, dass bloß unheimliche Schatten erkennen konnte, die die Plane über meinem Kopf darstellten sollten. Und außerdem hatten sich die Geräusche um mich herum gelegt und eine unheimliche Stille umgab das Lazarett. Benommen blinzelte ich ein paar Mal bis ich mich an die Dunkelheit, die in dem Zelt herrschte, gewöhnte.

Einmal, zweimal. Nichts änderte sich.

Erstaunlicherweise war meine Verzweiflung des Tages verschwunden und hatte sich zu einer klaren Gewissheit verwandelt. Mir war klar geworden, dass es nichts brachte hier zu verzweifeln. Es war nun mal so gekommen und ich konnte nun auch nichts mehr an meiner Lage ändern.

Es würde sicherlich vom Vorteil sein, wenn ich mich konzentrierte und mich beruhigte, als mich nur noch verzweifelter zu machen, als ich eh schon war.

Ich überlegte, ob ich weiterschlafen sollte, doch als ich die Augen schloss blitze erneut, dass Bild der Krieges vor meinen Augen auf. Es war ein Wunder, dass ich es überhaupt geschafft hatte einzuschlafen. Doch was sollte ich jetzt machen? Ich musste zugeben, dass mir langweilig war. Ich konnte mich daran erinnern wann mir das letzte Mal langweilig gewesen war. In den letzten Jahren, seit dem ich von zu hause in die Armee gegangen war hatte ich immer etwas zu tun gehabt. Egal, ob es der Umgang mit Waffen war oder die Beschäftigung anderer Soldaten, sowie das ständige Training. Nie hatte ich etwas Vergleichbares wie jetzt vernommen. Es war unfassbar langweilig hier zu liegen und nichts zu tun. Zu meinem Überraschen stellte ich fest, dass die Schmerzen verschwunden waren. Es musste wohl aufgehört haben, als ich geschlafen hatte. Ich konnte es kaum glauben. War ich geheilt?

Ich wollte voller Erwartungen meinen Arm heben, um es auszuprobieren, doch es ging nicht. Stirnrunzelnd versuchte ich es erneut. Es passierte nichts. Ich blinzelte mehrfach.

Einen Moment passierte gar nichts bis mich die Panik erfasste.

Wieso spürte ich es nicht? Das durfte nicht wahr sein.

Ich... ich war doch nicht etwa? Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein. Alles war zerstört. Hätte mir ein Arm gefehlt oder ein Bein hätte ich es hingenommen aber gelähmt?

Nein das konnte, das durfte einfach nicht sein! In meinem Kopf hämmerte es, sosehr versuchte ich zu schielen, um einen Blick auf meinen Körper zu erhaschen.

Panisch bewegte ich meine Augen. Das einzige wozu ich in der Lage war. Am liebsten hätte ich laut gebrüllt, gehofft endlich aus meinem Albtraum zu erwachen, doch es gelang mir nicht. So musste ich still daliegen und alles miterleben. Verzweifelt schloss ich die Augen, öffnete sie aber schnell wieder. War ich tatsächlich gelähmt?

Als ich später die Augen öffnete, konnte ich es immer noch nicht glauben.

Ich konnte mich noch immer nicht bewegen.

Langsam aber sicher beschlich mich die Erkenntnis. Ich hatte schon von anderen Fällen gehört, in denen jemand gelähmt gewesen war aber das mir das eines Tages passieren könnte.

Ich konnte es nicht fassen. Warum ich?

Stumm rollten mir die Tränen über die Wangen. Das durfte alles nicht wahr sein. Wieso musste das ausgerechnet mir passieren ?

Wäre ich doch bloß da draußen gestorben. Wieso hatte mich dieser verdammte Mann nicht einfach erstochen? Es wäre so vieles einfacher gewesen. Ich hätte mir das Leiden, all den Schmerz und die schreckliche Verzweiflung gespart. Aber, nein. Natürlich war ich so dumm gewesen und hatte mich ans Leben geklammert. Wieso das alles? Wofür? Ich wollte meine Tränen abwischen, doch es gelang mir nicht. Wie den auch? Ich konnte ja schlecht meine Hand heben. Fast hätte ich ironisch aufgelacht. Aber nicht Mal dazu war ich in der Lage.

Stumm lag ich da und weinte. Irgendwann versagten die Tränen und trockneten auf meinen Wangen. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich hier schon lag. Es fühlte sich an wie Jahre auch, wenn es kaum mehr als ein paar Tage sein konnten.

Nach einer Ewigkeit erhaschte ich einen Sonnenstrahl, der durch die grobe Plane über meinen Kopf fiel. Fast hätte ich erneut geweint. Wann hatte ich zuletzt da draußen gestanden? Wann hatte ich zuletzt den Sonnenaufgang genießen können?

Während ich dalag und die Sonne beobachtete, wachten die ersten neben mir auf.

Als die Sonne schließlich ganz am Himmel stand, herrschte wieder ein geschäftiges Treiben um mich herum. Zumindest das, was ich aus denn vielen Fußgetrippel vernehmen konnte.

Ab und zu hörte man die Schreie einzelner Verwundeten den frischen Geruch nach Schweiß und Blut. Manchmal fiel die Sonne plötzlich ungehindert auf meine linke Kopfhälfte und ich vermutete, dass die Plane beiseite geschoben wurde, damit neue Verwundete hinein kamen. Ich genoss kurz die Sonne bevor die Plane wieder zurück auf ihren gewöhnten Platz fiel und die Sonne sich hinter der Plane zurückzog.

Mit den Stunden vergingen die Tage und mit den Tagen die Wochen.

Langsam aber sicher beschlich mich die Erkenntnis, dass ich nicht darauf hoffen sollte, je wieder aus diesem Lazarett zu kommen.

Während ich dalag und die Zeit schindete hatte ich viel Zeit, um über mein Leben nachzudenken. Die Langeweile machte mich verrückt und am liebsten hätte ich dem ganzen einfach ein Ende gesetzt. Doch so wie es das Schicksal wollte war ich nicht einmal dazu fähig.

Ich fragte mich, ob ich nun mein restliches Leben hier liegen musste? Was war es das schon wert? Die Heiler hatten wohl beschlossen mich zu vergessen, denn seit dem Tag, als ich hier hingekommen war hatte ich keinen Heiler mehr in meinem Sichtfeld gesehen.

Während ich dalag und nachdachte, entwickelte ich ein Gespür für die Geräusche in meiner Umgebung. Ich wusste, dass immer neue verwundete kamen, wenn die Plane angehoben wurde und die Sonne kurz auf meinen Kopf schien. Mittlerweile hatte ich herausgefunden, dass ich wohl bei den Leichtverwundeten lag, denn hinter mir konnte ich täglich die Schreie und das stöhnen der Soldaten hören.

Während ich es am Anfang kaum aus haltbar gefunden hatte, fand ich es mittlerweile erträglich und hatte mich schon fast dran gewöhnt.

Irgendwann erinnerte ich mich daran was mein Vater einmal früher zu mir gesagt hatte: „ Egal was auch geschehen mag, glaube an die Kraft des Guten und bleibe immer fest davon überzeugt, dass alles gut gehen wird. Komme was komme". Und genau wie es mein Vater vorausgesagt hatte, fühlte ich mich tatsächlich gut. Ich hatte keine Schmerzen, keine Wunde, die mich plagte. Wenn ich es mir recht überlegte hatte ich ziemliches Glück gehabt. Das einzige Problem war, dass ich langsam Hunger bekam.

Ich vermutete, dass ab und zu eine Helferin vorbei kam und allen Verwundeten einen Schluck Wasser einflößte, denn auch, wenn ich hier schon länger lag, hatte ich keinen Durst.

Mir blieb wohl nichts anderes übrig als zu hoffen.

Und das tat ich.

Ich hoffte aus diesem Lazarett befreit zu werden. Ich hoffte endlich nach draußen zu kommen. Ich wollte die frische Luft, die Natur, ja einfach die Freiheit zu spüren. Und am allermeisten hoffte ich meine Familie endlich wieder zusehen zu dürfen.

Was hätte ich nicht dafür gegeben sie jetzt noch einmal zu sehen.

Weil ich jegliches Zeitgefühl verloren hatte, fing ich irgendwann an die Sonnen auf und Untergänge an zu zählen. Tagsüber schienen die hellen Strahlen durch die grobe Plane und erwärmten meine Nasenspitze.

Die Heiler kamen und gingen. Neue Verwundete kamen hinein und andere verließen es.

Nachts verschwanden die Heiler und es wurde ruhiger in dem Lazarett. Ab und zu hörte man einzelne Schreie oder ein leises Wimmern. Die Sonne verschwand und die Dunkelheit hüllte mich vollständig ein. Früher einmal hatte ich Angst vor der Dunkelheit gehabt. Wenn ich an früher dachte musste ich lächeln. Früher. Es würde wohl nie wieder so werden wie früher. Aber zu meiner Überraschung empfand ich keinen Schmerz mehr, wenn ich daran dachte. Es machte mir nichts mehr aus, dass es nicht mehr so werden würde wie früher. Und auch meine Eltern wussten es. Sollte ich jemals wieder nachhause kommen, dann entweder, weil ich verletzt worden wäre und nicht mehr in der Lage zum Kämpfen wäre oder weil ich das Höchstalter von 35 Jahren überschritten hatte. Die Wahrscheinlichkeit des Letzteren war wohl eher gering. Seufzend schloss ich die Augen.

Was sollte ich bloß tun?

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Was denkt ihr? Ist sie wirklich gelähmt?

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