73. Der Zentaur im Wald
73. DER ZENTAUR IM WALD
Auf wundersame Weise hatte niemand von ihnen den Verbotenen Wald oder sich selbst abgefackelt, als Ginny, Neville und Luna den Eldr-Zauber übten. Inga kannte den Zauber noch von ihren schwedischen Cousins, so dass nur noch üben musste den Zauber ohne Zauberstab auszuführen. Aber alle mussten zugeben, dass es bei Seamus immer deutlich einfacher ausgesehen hatte als er etwas in die Luft gejagt hatte.
Erst als das Feuer in ihrer Mitte hell und hoch brannte, hörten sie auf. In dem warmen Schein waren die müden Gesichter deutlich zu erkennen, Mitternacht war sicherlich schon längst vorbei.
"Wer übernimmt die erste Wache?", fragte Inga gähnend. "Einer sollte wach bleiben und auf den Wald achten."
Neville schüttelte den Kopf. "Es ist besser wenn wir zu zweit eine Wache übernehmen, dann kann niemand einschlafen."
"Auch gut", sagte Ginny. "Luna, übernehmen wir die erste Wache?"
"Emily und ich übernehmen die zweite Wache", fügte Inga schnell hinzu. "Neville nimmt die letzte Wache und entweder Emily oder ich bleiben noch etwas länger wach."
"Wenn ihr mich weckt, übernehme ich auch einen Teil der Wache mit Neville", sagte Luna. "Mir macht es nichts aus früh aufzustehen. Ich mag es das Erwachen des Waldes zu erleben."
"Dann wäre das auch geklärt", sagte Neville. "Ich wünsche euch eine ruhige Nacht." Er ließ sich auf den Boden nah beim Feuer fallen und rollte sich zusammen.
"Meldet euch, wenn etwas passiert, ja?" Auch Emily legte sich ans Feuer, dessen Wärme dringend nötig war. Der Waldboden war kalt und ungemütlich, aber sie schlief beinahe sofort ein, denn das nächste was sie mitbekam war, dass Ginny sie am Arm rüttelt.
"Ihr seid mit der Wache dran", sagte Ginny leise um Neville nicht zu wecken.
Emily gähnte. "Ist während euer Wache etwas passiert?"
"Es hat ein paar Mal im Unterholz geraschelt", berichtete Ginny. "Aber wir haben nichts gesehen, also vermutlich nur irgendwelche kleinen Tiere."
"Dann ist ja gut." Emily rappelte sich wieder vom Boden auf. Ihre Muskeln waren steif und kalt, was es nicht einfacher machte. Außerdem protestierte ihr Rücken, doch Emily ignorierte es. Vielleicht, vielleicht würde sie heute oder wann auch immer die Chance bkeommen bei Madam Pomfrey vorbei zu schauen. "Schlaft gut."
Ginny saß auf dem Boden und murmelte etwas Unverständliches, ihr fielen schon die Augen zu.
Auf der anderen Seite des Feuers wurde Inga gerade von Luna geweckt. Ingas Haare standen in alle Richtungen ab, als sie aufstand. In dem weichen Licht wirkte sie mit ihrer Müdigkeit viel jünger. "Nur noch zwei Stunden, dann haben wir es geschafft", murmelte Inga und lächelte Emily zu. Sie trat auf Emily zu und zupfte ein paar Blätter aus den strubbeligen Haaren. "Du hast den halben Wald dadrin."
Emily schnaubte leise. Sie war sich ziemlich sicher, dass der Waldboden auch einen bleibenden Eindruck auf ihrem Gesicht hinterlassen hatte, als sie auf einem der Äste eingeschlafen war. Auch wenn es nicht die angenehmste Schlafstätte gewesen war, hatte sie tief und fest geschlafen. Ihre Wache war viel zu früh gekommen. Sie ging auf den Rand der Lichtung zu, um die Schlafenden am Feuer nicht zu stören und um sich ein bisschen zu bewegen.
Inga folgte Emily. "Wie geht es dir?" Ihre Augen wanderten suchend über Emilys Körper. "Wegen dem Vollmond, meine ich?"
"Der Vollmond ist nicht das Problem." Emily versuchte zwischen der dichten Blätterkrone einen Blick auf den Mond zu erhaschen. Nein, der Vollmond hatte seine hypnotische Schönheit für Emily nicht verloren, das Silberlicht besaß immer noch etwas Einzigartiges. "Dafür habe ich zu wenig Lykantrophie in mir." Sie sah zu Inga. "Ich mein, ich könnte wirklich gut ein großes Steak später zum Frühstück essen, aber ich hatte ja auch kein Abendessen."
Ingas Magen grummelte auf Kommando. "Sorry." Sie grinste verlegen.
"Es sind die Erinnerungen, die damit verbunden sind." Vielleicht sollte Emily Inga endlich mal erzählen was Greybacks Attacke wirklich für Emily bedeutete.
"Keine schönen Erinnerungen", murmelte Inga.
"Nein", erwiderte Emily, weil es die Wahrheit war. Wenn auch nicht die ganze Wahrheit. Sie sah zu Neville, Luna und Ginny, die immer noch schlafend am Feuer lagen. Sie wollte nicht, dass die drei davon erfuhren und ohne Zauberstab konnte sie keine Abschirmzauber beschwören. Emily biss sich auf die Lippe, bis sie herausplatzte: "Ich habe einen ganz besonderen Zauber gelernt, aber seitdem Greyback mich angegriffen hat, kann ich den Zauber nicht mehr so wie früher."
Inga runzelte die Stirn. "Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich deine Metapher richtig verstehe. Aber danke, dass du es mir erzählt hast. Du weißt, dass du mit mir reden kannst? Über alles."
"Ich weiß", erwiderte Emily leise. "Es wissen auch nicht viele Personen davon. Und eigentlich sollte es besser auch so bleiben."
"Du musst es mir auch nicht erzählen, wenn du nicht willst, Emily", sagte Inga. "Du wirst deine Gründe haben." Inga lächelte Emily an, aber ihre Unterlippe zitterte leicht.
"Nein, das habe ich so nicht gemeint." Emily griff nach Ingas Arm, so dass die beiden stehen blieben. "So wie ich den Zauber gelernt habe, ist es nicht ganz legal." Sie schnitt eine Grimasse. "Daher sollte es besser geheim bleiben. Nicht, weil du es nicht wissen solltest. Aber ich habe viel gegeben um diesen Zauber zu beherrschen und es hat mir sehr viel bedeutet-" Emily suchte nach Worten, fand aber keine um zu beschreiben wie viel es ihr gegeben hatte, dass sie zum Animagus geworden war, dass ihre Form eine Löwin gewesen war. "Nun, Greyback hat es mir genommen. Deshalb rede ich eigentlich nicht mehr drüber."
"Wie illegal ist es, was du da gelernt hast?" Inga sah Emily besorgt an.
"Askaban illegal", antwortete Emily tonlos. "Nicht der Zauber an sich, aber ich hätte es dem Ministerium melden müssen. Auch wenn ich weiß, dass ich nicht die Einzige bin, die den Zauber im Geheimen gelernt hat."
"Was hast du getan, Emily?", fragte Inga atemlos.
Innerlich fluchte Emily. Sie hätte Inga gar nicht davon erzählen sollen. Oder zumindest nicht jetzt, wenn sie es nicht besser erklären konnte. Sie wollte auch nicht riskieren, dass einer der anderen wach wurde und zufällig mitbekam, wie sie sich mitten im Verbotenen Wald verwandelte. "Ich verspreche dir, dass es nichts Schlimmes ist. Sobald wir Zeit finden, zeige ich es dir im Raum der Wünsche."
"Ich werde es nicht vergessen."
"Hilft es dir, wenn ich sage, dass mein Vater und Sirius es auch getan haben?", sagte Emily. Peter Pettigrew und Rita Skeeter ließ sie lieber mal außen vor. "Oder vielleicht sollte ich gar nichts mehr sagen."
"In meinem Kopf rattern gerade ganz schön viele Gedanken", murmelte Inga. "Und da ich Sirius kenne, weiß ich noch nicht, was ich davon halten soll, dass mich der Gedanke beruhigen soll."
"Ich hab jetzt vermutlich auch nicht die beste Erklärung abgeliefert", seufzte Emily.
Inga schüttelte nachdrücklich den Kopf. "Ne, kann man jetzt nicht sagen. Aber ich bin froh, dass du es mir überhaupt anvertrauen möchtest."
"Bin ich so schlecht darin?"
"Schon irgendwie", erwiderte Inga schulterzuckend.
"Oh." Emily wusste, dass Inga ihre Worte nicht böse oder verletztend gemeint hatte, aber irgendwie tat es ihr selbst weh.
"Lass uns nicht weiter darüber reden, ja?", sagte Inga. "Ich glaube nicht, dass heute Nacht die beste Zeit und der beste Ort für diese Unterhaltung ist." Sie deutete auf die dichten Büsche und Bäume vor ihnen.
"Da hast du Recht", musste Emily Inga zustimmen. Die beiden nahmen ihre Runden wieder auf, im Stehen wurde ihnen nur wieder kalt.
"Hörst du das eigentlich auch?", fragte Inga.
Emily legte den Kopf schief und blieb doch wieder stehen. Sie sah Inga irritiert an, denn der Verbotene Wald war zu keinem Zeitpunkt still. Viel zu viel Leben fand unter der Blätterkrone und den mächtigen Stämmen statt, wenn auch oft unsichtbar für menschliche Augen. Die Blätter und Zweige raschelten schon die ganze Nacht, auch wenn niemand bisher etwas zu Gesicht bekommen hatte. Nicht einmal die Thestrale hatten sich gezeigt.
Doch zwischen den ganzen Geraschel ertönten dumpfere Geräusche, die Emily nun auch wahrnahm. Waren das etwa Schritte? Ihr lief ein Schauer über den Rücken. Kamen etwa die Carrows um sie zu holen?
"Die Carrows?", flüsterte Inga, die wohl den selben Gedanken hatte.
Doch es war keine Angst, die Emily nun ergriff, sondern eher ein dunkles Gefühl der Vorahnung, als das Geräusch näher kam. Sie schüttelte den Kopf als Antwort auf Ingas Frage.
Knackend brachen Äste und Zweig, als sich ein massiger Körper auf die Lichtung schon. Langes Haar floss über die breiten Schultern, ein Bogen und Köcher waren um den Oberkörper geschlungen. Ein menschlicher Oberkörper, der in dem Körper eines Pferdes endete.
"Firenze", sagte Emily. Der Zentaur hatte Hogwarts nach der Beerdigung von Dumbledore verlassen und nie wieder betreten.
"Emily Potter", erwiderte Firenze. "Wir treffen uns erneut." Sein Tonfall verriet keinerlei Überraschung. Es war also kein Zufall, dass Firenze ausgerechnet jetzt auf der Lichtung auftauchte. Vermutlich hatten die Zentauren bereits die ganze Nacht gewusst, wer sich hier aufhielt, schließlich grenzte die Lichtung an das Gebiet von Magorians Herde. Bevor Firenze nach Hogwarts gegangen war, war er Teil dieser Herde gewesen. Emily war sich nur nicht sicher, ob sie Firenze nach seiner Rückkehr wieder in die Herde aufgenommen hatten.
"Mögen dir die Sterne gewogen sein." Emily deutete mit dem Oberkörper eine Verbeugung an. Die Bibliothek des Reservates hatte auch genug Bücher über andere magische Lebewesen als Drachen enthalten und so hatte Emily in all ihrer anfänglichen Langeweile auch die Bücher über Zentauren gelesen. Sie hatte zwar nicht damit gerechnet Firenze oder einen der anderen Zentauren jemals wieder zu sehen, aber es war damals eine spannende Lektüre gewesen.
Auch Firenze beugte seinen Oberkörper. "Mögen dir die Sterne immer den Weg weisen."
Inga sah leicht verwirrt zwischen Emily und dem Zentauren hin und her, ahmte aber Emilys Bewegungen vorsichtig nach.
"Der Mars brennt so hell wie nie", sagte Firenze ohne weitere Erklärung.
"Ich habe mir so etwas schon gedacht", sagte Emily seufzend. Mars, der Kriegsplanet, leuchtete, brannte, glühte schon seit Jahren. Dass er aber nun vermutlich heller als die Scheinwerfer des Stadions der Quidditchweltmeisterschaft am Himmel brannte, war auch für Emily keine Überraschung. "Wir hatten darüber schon einmal gesprochen."
"Ich weiß", erwiderte Firenze.
Emily unterdrückte ein weiteres Seufzen. Es würde ihr nicht helfen Firenze zu drängen. Der Zentaur würde nur reden, wenn es ihm passte. "Die Sterne verraten vermutlich immer noch nichts, was uns in dem Krieg helfen kann, oder?", fragte sie dennoch vorsichtig. Die gleiche Frage hatte sie Firenze vor anderthalb Jahren auch schon gestellt. Damals hatte noch keiner von ihnen geahnt, was auf sie noch zukommen würde.
"Die Sterne sprechen von dem Krieg, der da ist", sagte Firenze ruhig, fast schon gleichgültig.
Emily sah den blonden Zentauren ungläubig an. "Jetzt sprechen die Sterne vom Krieg?"
"Die Sterne haben schon immer vom Krieg gesprochen", erwiderte Firenze, "wir musste aber erst lernen wie sie zu verstehen sind. Menschen ist dies fast unmöglich."
Emily unterdrückte ein Augenrollen. Firenze klang ein bisschen zu arrogant, aber im Austausch für sein Wissen musste sie es wohl tolerieren. "Kannst du mir sagen, was du von den Sternen erfahren hast?"
"Das kann ich." Firenze verschränkte die Arme vor der muskulösen Brust. Er ließ sich Zeit mit dem Sprechen. "Die Sterne sprechen von eurem Band und der Dunkelheit dort draußen."
Emily klappte den Mund auf um Firenze zu sagen, dass sie auch das bereits wusste. Und dass mit der Dunkelheit Voldemort gemeint sein musste, war auch nur logisch. Dann besann sie sich eines Besseren und klappte den Mund wieder zu.
"Die Bande zwischen euch müssen stark sein, wenn ihr überleben wollt", fuhr Firenze fort. "Die Sterne sprechen von einer Dunkelheit, so alt und dunkel, so unaussprechlich böse, dass die Welt sie noch nie gesehen hat. Nicht einmal die Ältesten unserer Herden. Du musst aufpassen, dass die Dunkelheit deinen Bruder nicht überwältigt und dich erreicht. Ihr seid verbunden."
Inga schien Fragen zu haben, denn sie sah immer noch irritiert zwischen Emily und Firenze, der die beiden deutlich überragte, hin und her. Immerhin schliefen Neville, Ginny und Luna noch am Feuer.
Ärger stieg in Emily auf. Sie hatte keine Ahnung was Firenzes kryptische Worte bedeuten sollte. Ja, sie war mit Harry verbunden, aber warum musste sie deshalb ständig auf ihn aufpassen? Harry hatte sich dazu entschieden seinen Kampf ohne Emily zu führen. Genauso hatte Emily entschieden, dass ihr Platz in diesem Krieg nun in Hogwarts war. Sie wollte nichts mehr über Harry wissen, sie brauchte Informationen für ihren Krieg.
"Sagen die Sterne auch etwas über Hogwarts?", fragte Emily. "Der Krieg ist überall, wir alle kämpfen, nicht nur Harry."
"Ein Teil der Dunkelheit ist auch in Hogwarts zu finden", sagte Firenze. "Die Zentauren haben keine Worte um es zu beschreiben, zu unbeschreiblich ist es diese Dunkelheit. Sie ist spürbar, fassbar. Nicht nur in den Seelen der Menschen."
Spürbar war die Dunkelheit in Hogwarts nur allzu sehr, dachte Emily bitter. Die Carrows und Snape waren nur allzu sichtbare Erinnerungen. "Mehr sagen die Sterne nicht?" Emily wusste nicht, ob sie weiter verärgert oder enttäuscht sein sollte. Natürlich konnten ihnen die Sterne nicht weiter helfen, hatten sie in all den Jahren zuvor auch nicht. Warum hatte sie überhaupt gehofft, dass Firenze ihnen helfen konnte.
"Ich kann euch nur berichten, was die Sterne uns mitteilen. Die Bedeutung müsst ihr selbst finden." Firenze beugte sich nach vornen, so dass er Emily direkt ins Gesicht blicken konnte. Ein paar blonde Strähnen fielen dabei auf sein breites Gesicht. "Ebenso wie du selbst herausfinden musste, ob dein Schicksal dich verflucht oder ob du es annimmst und es dich segnet."
Emily hielt den Blick zu Firenzes stechend blauen Augen aufrecht, auch wenn es ihr schwer fiel. Die Augen waren alt und trotz seines arroganten, irritierenden Auftretens, hielten sie ein Wissen, dass Emily schwer begreiflich war.
"Der Wolf hat dich bereits verändert", sagte Firenze. "Ich kann es in deinen Augen erkennen." Die Augen die nun grün und bernstein waren. "Der Wolf ist dein Schicksal."
Für jeden Anderen musste es klingen, als ob Greyback ihr Schicksal war, doch Emily wusste genau, dass er einen anderen Wolf meinte.
Den Wolf in ihr.
Emily selbst.
Diesen Teil verstand Emily. Jetzt verstand Emily die Worte. Damals hatte sie noch gedacht, dass der Krieg sie verfluchen würde, konnte keinen Segen erkennen. Aber Krieg kannte keinen Sege, deshalb hatten sich Firenzes Worte sich niemals darauf bezogen.
Wie Emily mit dem Wolf, mit sich selbst, umgehen würde, würde entscheiden, ob Emily verflucht oder gesegnet sein würde. Wie sie mit ihrer eigenen Dunkelheit umgehen würde. Ob es überhaupt Dunkelheit in ihr war.
"Du beginnst zu verstehen", sagte Firenze. Belustigung schwang in der rauen Stimme mit. Er richtete sich wieder auf.
Unwillkürlich atmete Emily auf, als Firenze ihr nicht mehr so nah war.
"Ihr verlasst den Wald bei Sonnenaufgang wieder." Die Anweisung war deutlich zu hören. Firenze wandte sich zum Gehen, bevor er noch einmal das Wort an Emily richtete: "Aber dein Schicksal wird dich auch weiter begleiten. Einer Entscheidung wirst du nicht entkommen, noch bist du Anathema."
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Anathema. Emily hatte noch nicht mal eine Ahnung was dieses Wort bedeuten sollte und warum Firenze sie so bezeichnet hatte. Sie hatte keine Ahnung, warum Firenze sie überhaupt aufgesucht hatte, außer um ein paar kryptische Warnungen loszuwerden.
"Mann, bin ich froh, dass ich kein Wahrsagen gewählt habe", murmelte Inga. "Ich werde nicht so richtig schlau aus seinen Worten über die Sterne."
"Ich auch nicht." Emilys Blick war immer noch auf die Bäume, zwischen denen Firenze verschwunden war, gerichtet. "Ich glaube, es ist seine Art uns zu helfen?"
"Bist du dir sicher?" Ingas Worte waren skeptisch.
Emily zuckte mit dem Schultern. "Firenze hat Harry bereits einmal geholfen, vielleicht will er es wieder tun? Und egal wie sehr die Zentauren vorgeben sich nicht für die Politik der Zauberer zu interessieren, so sehr wird es auch für sie Folgen haben, wenn Voldemort wirklich an die Macht kommt."
"Da könntest du Recht haben", sagte Inga. "Die Zentauren haben sowieso wenig Rechte, aber ob sie die unter Voldemort behalten dürfen? Umbridge versucht ja schon seit Jahren die Rechte zu streichen."
"Egal was, ich hätte die Zentauren lieber auf meiner Seite, als mir gegenüber stehen." Emily gähnte. "Können wir es auf die lange Liste an Dingen setzen, über die wir reden sollten, wenn wir ausgeschlafen und satt sind?"
Inga musterte Emily besorgt. "Wann hast du in den letzten Wochen eigentlich geschlafen? Ich glaube du hast seit dem letzten Vollmond nicht mehr geschlafen?"
So etwas wie Scham brannte auf Emilys Wangen. Sie konnte ihrer besten Freundin nicht mal alles erzählen, weil sie sich nicht traute, aber Inga war stets an ihrer Seite und sorgte sich. "Möglich." Erneut gähnte Emily. Sie rieb sich über die Arme, die Kälte kroch fernab der Feuer in ihren Körper.
"Es wird auch langsam Zeit Neville für die nächste Wache zu wecken", sagte Inga. "Möchtest du dich hinlegen? Dann bleibe ich noch mit Neville wach."
"Ich kann auch wach bleiben", bot Emily an. "Mir ist das egal."
"Dann bleiben wir beide noch ein bisschen wach, ja?" Inga lächelte. "Wir können Neville und Luna auch später wecken."
So leise wie möglich, liefen die beiden am Rande der Lichtung entlang um wenigstens ein bisschen warm zu bleiben und um nicht im Stehen einzuschlafen. In Bewegung ging es eigentlich mit dem Wachbleiben, dennoch war Emily heilfroh, als Inga Neville und Luna weckte.
Neville schimpfte leise mit Inga, als er bemerkte, dass sie länger Wache gehalten hatten, als vereinbart. Aber Emily bekam nicht mehr viel mit, sie sank neben dem Feuer wieder in einen tiefen Schlaf. Ruhelose Träume von dunklen Sternen und Wölfen suchten Emily heim. Die Bilder in ihrem Kopf ergaben wenig Sinn, so dass Emily fast schon froh war, als Luna sie weckte.
Außerdem bedeutete es, dass diese schier endlose Nacht bald ihr Ende finden würde.
"Guten Morgen, Emily", sagte Luna leise. "Schön, dass du wach bist. Wenn du aufstehst, können Neville und Inga die Feuer löschen. Wir sollten im Wald keine Spuren hinterlassen."
Emily nickte nur und stolperte Luna zum Rand der Lichtung hinterher, wo die anderen bereits standen. Ihre Eldr-Feuer hatten tatsächlich die ganze Nacht gebrannt. Ein etwas übermotivitierter Aguamenti-Zauber von Neville und Inga setzte die Lichtung etwas unter Wasser, löschte aber zuverlässig jeden Funken.
"Luna, kannst du uns wieder zurück führen?", fragte Neville. Sein Gesicht war mit dichten Schlammspritzern bedeckt, ebenso wie seine Kleidung.
Neben ihm sah Inga nicht besser aus, immerhin war es ihr Zauber gewesen, der in einem etwas unglücklichen Winkel den Boden getroffen hatte.
"Natürlich." Luna wirkte fast schon frisch und erholt, wenn sie nicht still am Zittern gewesen wäre. Ihnen allen hatte die Nacht zugesetzt.
Die kleine Gruppe setzte sich in Bewegung, während über ihnen das Licht langsam heller wurde.', vor allem je näher sie dem Waldrand kamen. Sie kamen langsamer vorwärts als noch am Abend zuvor, ständig stolperte einer von ihnen über Wurzeln oder wurde von tiefhängenden Zweigen erwischt.
"Da vorne ist der Verbotene Wald zu Ende." Luna deutete auf die Reihe Bäume vor ihnen. "Wir sind wieder zurück." Ein müdes Lächeln zog sich über ihr Gesicht, aber es erreichte die blauen Augen fast nicht mehr.
"Danke Luna", sagte Ginny erschöpft. Ihre Sommersprossen stachen unnatürlich hart auf ihrer blassen Haut hervor. "Dann sollten wir mal los."
"Halt", sagte Neville und streckte den Arm aus. "Wir gehen zwischen den Bäumen nach vorne, aber wir übertreten noch nicht die Grenze zu den Ländereien. Wir bleiben stehen und sehen nach, wer uns dort erwartet. Und erst wenn wir das Signal bekommen, verlassen wir den Wald. Ich will nicht riskieren, dass wir auch nur eine Sekunde zu früh dran sind. Ich weiß, dass ihr alle müde und hungrig seid. aber wir können nicht in der letzten Minute den Carrows den Sieg schenken." Er sah alle eindringlich an.
"Schaffen wir", versicherte Inga, während Ginny, Luna und Emily nur nickten. "Es war mir ansonsten eine Freude die Nacht mit euch verbringen zu dürfen." Sie versuchte sich an einem Lachen. "Aber bitte versteht, wenn ich ein erneutes Angebot für eine Nacht im Verbotenen Wald ablehne."
"Gleichfalls." Neville machte den ersten Schritt auf die Bäume und die Grenze zu.
Einer nach dem anderen trat zwischen den Bäumen hervor. Das Sonnenlicht stach nach der Dämmerung und Dunkelheit im Wald in Emilys Augen, als sie sich neben Inga und Ginny stellte. Automatisch kniff sie die Augen zu, bevor sie erkennen konnte, wer auf der anderen Seite stand.
"So, so ihr habt wieder hierhin gefunden." Amycus Stimme war ziemlich unverkennbar.
Emily blinzelte. Auf der anderen Seite stand Amycus Carrow, gemeinsam mit McGongall und Flitwick. Die beiden hielten jedoch Abstand zu Amycus.
"Ihr könnt den Verbotenen Wald verlassen", sagte Amycus. "Eure Strafe ist abgesessen." Ohne ein weiteres Wort machte Amycus auf dem Absatz kehrt und stürmte in Richtung Hogwarts davon. Er hatte beinahe enttäuscht geklungen, dass alle fünf wieder zurück waren.
"Guten Morgen." McGonagall trat endlich näher. "Wie ich sehe, haben Sie die Nacht einigermaßen überstanden." Sie zog die Holzkiste aus ihrem Umhang hervor und öffnete sie. "Ich habe Ihre Zauberstäbe dabei."
Mit einem Jubelschrei stürzte sich Inga als Erste auf ihren Zauberstab. Sie umklammerte den dünnen Stab und grinste. "Ich hab ihn so sehr vermisst. So sehr."
Nacheinander nahmen sich die Anderen ihre Zauberstäbe aus der Kiste. Als sich ihre Hand um das warme Holz schloss, konnte Emily Ingas Jubelschreie nur zu sehr verstehen. Pure Erleichterung schoss durch ihren Körper und ließ sie für einen winzigen Moment die Erschöpfung vergessen.
"Zum Beginn der dritten Stunde finden Sie sich bitte in Ihrer jeweiligen Unterrichtsstunde ein", sagte McGonagall. "Zudem melden Sie sich nach dem Abendessen bei Ihren Hauslehrern. Bis zum Beginn der Weihnachtsferien, werden Sie jeden Abend zwei Stunden Nachsitzen."
Emily riss die Augen auf und fühlte sich schlagartig wieder wach. Oder zumindest ziemlich ernüchtert. "Aber wir haben doch schon unsere Strafe abgesessen?"
Neben ihr nickte Inga heftig.
"Die Strafe, die Ihnen die Professoren Carrow aufgegeben haben, haben Sie bereits abgesessen, das ist korrekt", sagte McGonagall. "Aber die Hauslehrer haben ebenso das Recht weitere Strafen zu verteilen, sofern sie das für angemessen erachten. Professor Sprout, Professor Flitwick und ich sind der Ansicht, dass für den Diebstahl eines wertvollen, historischen Artefaktes aus dem Besitz der Schule weitere Strafen angemessen sind. Daher das Nachsitzen."
Unter dem strengen Blick von McGonagall kam sich Emily wieder wie eine Erstklässlerin vor. Aber Diskutieren mit McGonagall und den anderen Hauslehrerin war zwecklos. Und Emily wollte auch nicht riskieren, dass McGonagall das Nachsitzen bis Ostern verlängerte, weil einer von ihnen widersprach. Emily versuchte sich einzureden, dass sie vermutlich mit jedem Abend Nachsitzen noch ganz gut davon gekommen waren. Es waren schon schlimmere Strafen für geringere Taten verhängt worden.
"Haben Sie mich soweit verstanden?", fragte McGonagall.
Jeder der fünf nickte nur. Wahrscheinlich waren sie zu dem gleichen Schluss wie Emily gekommen. Oder waren einfach nur zu müde.
"Madam Pomfrey wartet im Krankenflügel auf Sie", meldete sich Flitwick zu Wort. Ein Lächeln war auf seinem Gesicht zu sehen. "Sie wird sie alle einmal durch checken, dort steht auch ein Frühstück für Sie bereit."
Es klang absolut himmlisch, was Flitwick ihnen versprach. Auch wenn sie alle vor dem Frühstück vermutlich eine gehörige Dosis Aufpäppeltrank schlucken mussten, damit sie keine Verkühlung oder so davon trugen. Es gab zwar deutlich schlimmer schmeckende Zaubertränke, aber auf den Dampf, der aus den Ohren schoss, konnte Emily ganz gut verzichten.
McGonagall und Flitwick geleiteten die fünf hinauf zum Schloss. Auf den Stufen angekommen, warf Emily noch mal einen Blick zurück auf den Verbotenen Wald, der ruhig in der Morgensonne da lag. Sie hatten wirklich eine ganze Nacht dort überstanden und Firenzes kryptische Warnungen würden sie irgendwann auch noch verstehen. Aber vielleicht nicht an diesem Tag.
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