58. McGonagalls Worte

58. MCGONAGALLS WORTE

Eine von Minervas liebsten Aufgaben als Hauslehrerin war es am Beginn des Schuljahres die neuen Stundenpläne an ihre Schülerinnen und Schüler zu verteilen. Es war eine willkommene Gelegenheit alle zu begrüßen, ein paar Worte mit ihnen zu wechseln und dabei zu sehen wie sie alle im Laufe der Jahre gewachsen waren und seine ganz eigenen Erfahrungen und Erlebnisse gemacht hatte.

Doch was jedes Jahr gleich blieb, war dass am ersten Morgen es immer ruhiger wurde, je weiter Minerva den langen Gryffindortisch entlang schritt und zu den älteren Schülerinnen und Schülern kam. Und, dass auf seltsame Weise der Konsum von Kaffee und schwarzen Tee in schwindelerregende Höhen schoss.

"Guten Morgen", begrüßte Minerva ihre Siebtklässler. "Ich hoffe, dass Sie im Unterricht alle etwas wacher sind."

"Keine Sorge, Professor McGonagall", murmelte Emily Potter und gähnte verstohlen.

Minerva versuchte ein Lächeln zu unterdrücken, wusste sie doch ganz genau, dass letzten Abend die große Party bei den Hufflepuffs stattgefunden hatte. Eine Party, deren Tradition bis weit über Minervas eigene Schulzeit zurück reichte. Solange die Partys harmlos ausfielen und nicht mehr passierte, als dass alle Schüler am nächsten Morgen müde waren, ließen die Lehrer ihre Schülerinnen und Schüler in dem Glauben sie hätten keine Ahnung was sie des Nächtens triebens.

Minerva verteilte die Stundenpläne und zählte durch, vier ihrer Schülerinnen und Schüler fehlten allein aus diesem Jahrgang. Ein bitterer Anblick.

"Bitte beachten Sie, dass in diesem Jahr eine zusätzliche Stunde Verteidigung - also Dunkle Künste- haben, ebenso wie Muggelkunde", sagte Minerva. Sie konnte und würde sich nicht daran gewöhnen, was Snape und die Carrows aus diesem Fach, aus dieser Schule gemacht hatten.

"Aber das können die doch nicht einfach so machen", empörte sich Lavender Brown, ohne genauer darauf einzugehen wen sie meinte.

Minervas Mund verzog sich zu einer dünnen Linie. "Leider ja. Die Schulräte können auch über den Lehrplan entscheiden und haben unter der Führung von Mr Malfoy für eine Änderung gestimmt."

"Und die Schulräte haben auch entschieden, dass Snape Schulleiter wird?", fragte Parvati Patil.

"Nein, der Schulleiter wird vom Ministerium bestimmt", erklärte Minerva geduldig. Sie hatte heute Morgen schon eine ganze Reihe ähnlicher Fragen beantworten müssen.

"Aber Sie sind doch schon noch stellvertretende Schulleiterin, oder?", fragte Seamus Finnigan. "Ich meine wer könnte den Job auch besser machen als Sie?"

"Wenn Sie Ihre aktuellen Hogwartsbrief gelesen hätte, dann wüssten Sie, dass ich immer noch die Stellvertretung innehabe", sagte Minerva und die Gryffindors lachten leise. "Aber vielen Dank für Ihr Vertrauen, Mr Finnegan." Sie lächelte kurz.

"Mr Longbottom, Miss Potter." Minerva wandte sich lieber einem anderen Thema zu. Die beiden Angesprochenen zuckten zusammen, was Minerva etwas zu schmerzhaft an die Väter der beiden erinnerte. "Bitte kommen Sie nach dem Unterricht in mein Büro."

"Haben wir was angestellt?", rutschte es Neville Longbottom heraus.

"Nicht, dass ich wüsste?" Minerva betrachtete Neville und Emily über den Rand ihrer Brille hinweg.

"Haben wir auch nicht", beeilte sich Emily zu beteuern. Dass diese Reaktion sie ihrem Vater noch ähnlicher machte, war dem Mädchen vermutlich nicht mal bewusst. Wie oft Minerva dies Worte aus dem Mündern ihres Vaters und ihrer Onkel damals gehört hatte...

"Dann ist ja gut", sagte Minerva. "Da Sie beide zu neuen Vertrauensschülern ernannt wurden, würde ich gerne mit Ihnen über Ihre neuen Aufgaben sprechen." Emily und Neville waren nur die ersten Gryffindors mit denen sie dringend über die veränderte Situation in Hogwarts sprechen musste, was nicht nur damit zu tun hatte, dass die beiden Vertrauensschüler waren.

Es hatte lange Diskussionen in den Konferenzen im Sommer gegeben, die beiden Carrows hatten dafür plädiert keine neue Vertrauensschüler zu berufen, vor allem nicht bei den Gryffindors. Es schien, als hätten sie persönlich etwas dagegen und wollten die Gryffindors bestrafen. Wenigstens waren die Malfoys so in Ungnade gefallen, dass die Carrows nicht Malfoy zum Schulsprecher auserkoren hatten. Es bereitete Minerva eine heimliche Freude, dass nun ausgerechnet Emily Potter und Neville Longbottom zu Vertrauensschülern berufen wurden, zwei der Schüler, die bereits im Sommer gegen die Carrows angetreten waren.

"Das wäre es fürs Erste", sagte Minerva. "Versuchen Sie wenigstens heute pünktlich zum Unterricht zu erscheinen und passen Sie dieses Jahr auf sich auf."

Das kommende Schuljahr unter der Herrschaft von Snape würde sowieso schon schwierig genug werden. Noch gab es keine offenen Drohungen gegenüber den Lehrerinnen und Lehrern, aber unterschwellig war ihnen deutlich gemacht worden, dass sie sich an die neue Linie zu halten hatten. Minerva war fast schon froh, dass sie noch ihren Posten als Stellvertreterin behalten und weiterhin in Hogwarts unterrichten durfte. Sie wusste, wo ihr Platz in diesem Krieg war. Minerva hatte mit Pomona, Horace und Filius gesprochen und sie alle waren der Meinung, dass sie ihre Schülerinnen und Schüler schützen mussten. Selbst der bequemliche Horace war von den Carrows nicht begeistert, war es schon zu Schulzeiten nicht gewesen.

Minerva sah ihren Siebtklässlern hinterher, die ihre Bücher und Taschen zusammen kramten, einen letzten Schluck Kaffee hinunter stürzten und sich beeilten die Große Halle zu verlassen. Ein besonderer Jahrgang, voll von alten Familien und Schicksalen, die sie auf ihren jungen Schultern trugen. Und sie wusste ganz genau, dass nur eine Frage der Zeit sein würde, bis ihre mutigen, tapferen und geliebten Gryffindors rebellieren würden.

☽ ◯ ☾

"Wer ist eigentlich auf die bescheuerte Idee gekommen mich zur Vertrauensschülerin zu ernennen?", beschwerte sich Emily während des Mittagessens bei Inga und Ginny.

Inga verdrehte die Augen. "Du hast dich jetzt schon mindestens siebzig Mal darüber beschwert. Sieh doch mal die Vorteile: du kannst jetzt das Bad der Vertrauensschüler nutzen? Nimmst du mich? ich wollte es schon immer mal sehen, aber Hannah wollte mich nicht mitnehmen."

"Gut, dass das deine einzige Sorge ist", murmelte Emily.

"Naja, Lavender und Parvati erscheinen mir weniger vertrauenswürdig", antwortete Ginny. "So gesehen bist du die beste Wahl."

"Na, danke aber auch." Emily attackierte mit der Gabel die Kartoffeln auf ihrem Teller. "Hattet ihr schon bei den Carrows Unterricht, Ginny?"

Ginny schüttelte den Kopf. "Die höheren Jahrgänge haben die Carrows erst am Ende der Woche. Haben sie euch auch alle zusammen geschmissen?"

Emily nickte nur. Es fehlten so viele Schüler, dass sie die Siebtklässler nun alle gemeinsam unterrichteten, in den meisten Klassen wurde noch nicht mal mehr zwischen UTZ-Level oder nicht unterschieden. Dass sie nun mehr Unterrichtsstunden mit Inga hatte, war jedoch ein Lichtblick.

"Wir haben gleich Zaubertränke." Inga konsultierte ihren Stundenplan, bevor sich noch eine Portion Nachtisch auf den Teller lud. "Slughorn ist eigentlich ganz okay. Nicht so depressiv wie-" Sie nickte mit dem Kopf in Richtung Lehrertisch.

"Ich gehe jede Wette ein, dass er dich innerhalb der ersten fünf Minuten zum Slug-Club einlädt", sagte Ginny. Ihre braunen Augen glitzerten belustigt.

"Ich sage, es dauert mindestens zehn Minuten", hielt Inga dagegen. "Potter kommt zu weit unten auf der Namensliste."

"Deal." Ginny streckte Inga die Hand hin.

Inga schüttelte Ginnys Hand um die Wette zu bekräftigen. "Deal."

"Könnt ihr bitte nicht über mein Schicksal wetten?" Wenn ihr Nachtisch nicht dort gestanden hätte, hätte Emily am liebsten ihren Kopf gegen die Tischplatte gehauen. Sie hatte von Slug-Club schon gehört und eine Mitgliedschaft erschien ihr nicht sonderlich erstrebenswert.

"Über was denn sonst?", fragte Inga unschuldig, während Ginny nur lachte.

Emily stand von der Bank auf. "Dann lass uns wenigstens früh genug nach unten gehen, ich will einen Platz ganz hinten."

Am Ende dauerte es genau dreieinhalb Minuten bis Emily eine Einladung zum Slug-Club erhielt und Slughorn sich schon Hoffnungen machte, dass Emily genauso ein Genie in Zaubertränke war wie ihre Mutter und ihr Bruder. Scheinbar war Slughorn vorbereitet und hatte die Klassenliste bereits vorher gelesen, so dass ihm die neue Schülerin natürlich gleich aufgefallen war.

Bevor Emily allerdings die Einladung höflich ablehnen konnte, hatte Inga schon für sie geantwortet und die Einladung angenommen. "Wenn ich dahin gehe, kannst du auch gefälligst mitkommen. Ich musste das eine Jahr ohne dich aushalten", flüsterte Inga Emily ins Ohr.

Emily verdrehte die Augen, aber sie konnte ja nun schlecht die Zustimmung widerrufen. Wenigstens war Ginny auch Teil des Slug-Clubs, vielleicht wurde es ja ganz lustig. Im Zweifelsfall musste Ginny, die dieses Jahr Kapitänin war, die Trainings halt auf die Treffen legen.

Zaubertränke bei Slughorn war tatsächlich um einiges angenehmer als der Unterricht bei Snape, musste Emily feststellen. Einfach alleine schon weil Slughorn nicht versuchte die Gryffindors mit Blicken zu töten.

☽ ◯ ☾

Nach der letzten Stunde machten sich Emily und Neville auf den Weg zu McGonagalls Büro. Emily hoffte nur, dass McGonagall nicht mitbekommen hatte, dass Emily gestern Abend am Bahnhof gleich direkt ihre Pflichten vergessen hatte.

"Es ist irgendwie komisch, dass auch ich nun Vertrauensschüler bin", sagte Neville leise.

"Ich finde du bist eine gute Wahl", erwiderte Emily. Und das stimmte wirklich, Neville besaß inzwischen eine ruhige Selbstsicherheit, außerdem war er geduldig genug um gerade den jüngeren Schülern zu helfen. Sie hatte es ja gestern Abend beobachten können, als sie die Erstklässler zum Gemeinschaftsraum gebracht hatten.

"Vermutlich. Ich kenne die Trickstufen wohl von uns allen am besten", sagte Neville mit einem Lachen.

Emily sah ihn überrascht an und lachte dann laut auf. "Merlin sei Dank bist du Vertrauensschüler geworden. Dann werden die Patrouillen vielleicht nicht ganz so langweilig."

"Ich werde mir Mühe geben", sagte Neville und musste auch lachen. "Auch wenn es komisch bleibt."

"Geht mir nicht besser", seufzte Emily. "Ich wollte niemals dieses Amt, aber gerade jetzt noch weniger-"

Neville nickte. "Eigentlich hatten wir ja schon genug Zeit uns daran zu gewöhnen, immerhin kam der Brief ja schon vor ein paar Wochen."

Emily spielte an dem Abzeichen an ihrer Robe herum. "Keine Ahnung, ob ich mich jemals dran gewöhne." Nicht nur, dass sie jetzt Vertrauensschülerin war, sondern, dass sie in einem Hogwarts war, dass Menschen wie Hermine oder Dean den Zutritt verwehrte.

Neville und Emily waren bei McGonagalls Büro angekommen. Auf ihr Klopfen hin, ließ McGonagall die beiden in ihr Büro treten.

"Danke, dass Sie gekommen sind." McGonagall bedeutete den beiden vor ihrem Schreibtisch auf zwei bequemen Stühlen Platz zu nehmen. Dann zog sie ihren Zauberstab und verschloss die Tür mit einem schnellen Zauber. Mit einer weiteren Bewegung legte sie weitere Zauber über den Raum, Emily vermutete, dass es Schutzzauber waren.

Emily wechselte einen besorgten Blick mit Neville. War es bereits jetzt schon so schlimm in Hogwarts, dass McGonagall befürchtete überwacht zu werden?

"Euch beiden brauche ich nichts vorzumachen." McGonagall hatte hinter ihrem Schreibtisch Platz genommen. "Ihr könnt die Situation hier in Hogwarts gut einschätzen." Eine steile Falte erschien auf ihrem Gesicht. "Und ihr kennt ja die Carrows."

Bilder vom Kampf im Astronomieturm tauchten vor Emilys Augen auf und bunte Flüche zuckten wie Blitze umher, bis Emily mit einem Kopfschütteln die ungebetenen Erinnerungen wieder vertreiben konnte. Neben ihr war Neville etwas blass um die Nase geworden.

"Ich möchte ehrlich zu euch sein", sagte McGonagall, "Hogwarts befindet sich in einer schwierigen Lage. Dieses Schloss ist zuallererst eine Schule, ein Hort für junge Menschen. Ein sicherer Ort für alle. Doch nun hat uns das Ministerium Todesser-" Sie spieh das Wort förmlich aus, "vor die Nase gesetzt. Wir Lehrer werden alles für unsere Schülerinnen und Schüler tun, damit diese in Sicherheit sind. Aber Snape und die Carrows können unberechenbar sein." Ihr Blick fixierte Emily und Neville.

"Wir Lehrer können nicht garantieren, dass der Krieg dort draußen nicht auch weiter auf Hogwarts übergreifen wird", fuhr McGonagall fort. "Wir können nicht garantieren, dass die Mauern dieser Schule ihnen ausreichend Schutz bieten werden. Ihr beide sind bekannt, eure Familiennamen sprechen für sich, ihr habt Verbindungen zum Orden."

Emily schluckte, als sie verstand was McGonagall ihnen sagen wollte. Wie schwer es McGonagall fallen musste, zu sagen, dass diese von allen geliebte Schule irgendwann vielleicht einmal nicht der sicherer Ort sein würde, der er immer gewesen war. Dass die Todesser ausnutzen würden, dass die Kinder von hochrangigen Ordensmitgliedern hier waren.

"Wenn etwas passieren sollte, dann kommt sofort zu mir", schärfte ihnen McGonagall ein. "Sollte es zum Äußersten kommen, dann wird der Orden Mittel und Wege finden euch in Sicherheit zu bringen."

"Verstanden", murmelte Emily, obwohl sie wirklich hoffte, dass es niemals so weit kommen würde. Auch Neville nickte.

"Ihr habt den Todessern bereits Widerstand geleistet." So etwas wie Stolz sprach für einen kurzen Moment aus McGonagalls Stimme. "Wir sind Gryffindors und es liegt nicht in unserer Natur ruhig zu bleiben, wenn Unrecht geschieht, doch ich muss euch bitten, passt dieses Jahr auf euch euch auf. Unterschätzt die Carrows nicht. Es ist Krieg dort draußen und nicht nur der Widerstand gegen eine inkompetente Professorin."

Emily konnte ihr Grinsen nicht unterdrücken, als McGonagall die Augen verdrehte.

Doch McGonagall wurde schnell wieder ernst. "Ich möchte nicht noch weitere Schülerinnen und Schüler an diesen sinnlosen Krieg verlieren." Weil McGonagall nicht nur Mitglied des Ordens war, sondern auch jemand, der so viele von den Verstorbenen des ersten Krieges sieben Jahre durch die Schule begleitet hatte. Darunter auch ihre Eltern, was Emily wieder bewusst wurde.

"Wir werden unserer Bestes geben", sagte Neville und sah zu Emily.

"Auf jeden Fall", bekräftigte Emily.

McGonagalls Blick ruhte für einen Augenblick auf ihren beiden Schülern, bevor sie nickte. "Gut." Sie richtete ihren Zauberstab auf die Tür, die mit einem Klicken wieder aufgeschlossen wurde. Auch die Schutzzauber wurden wieder entfernt, das Fehlen der Magie war nun deutlich spürbar. Ein weiterer Schlenker ihres Zauberstabes, ließ ein Teegeschirr und ein Teller Kekse vor Emily und Neville erscheinen.

"Nehmen Sie sich einen Keks", sagte McGonagall. "Wir müssen immer noch über Ihre Aufgaben als Vertrauensschüler sprechen."

Emily seufzte, sie hatte schon fast gehofft, dass McGonagall das vergessen würde. Immerhin waren die Kekse gut. Und vielleicht hätte sie sich was zu Schreiben mitnehmen sollen, die Liste an Aufgaben schien ewig zu sein. Vielleicht konnte sie sich später zusammen mit Neville an alles erinnern.

Sie freute sich tatsächlich darüber, dass jemand an der Tür klopfte. Die Freude war jedoch ziemlich kurzlebig, als Alecto Carrow im Türrahmen auftauchte.

Alecto Carrow nickte McGonagall nur zu, eine ordentliche Begrüßung schien ihr die Kollegin nicht wert zu sein. "Der Schulleiter verlangt Miss Potter zu sehen."

"Und warum?", fragte McGonagall bevor Emily selbst fragen konnte. McGonagall war bereits aufgestanden und betrachtete Alecto mit verengten Augen.

"Das geht Sie nichts an", erwiderte Alecto. "Miss Potter, wir gehen. Den Schulleiter sollte man nicht warten lassen."

Vielleicht wollte Emily doch lieber McGonagalls Ausführungen lauschen, aber eine Befragung durch Snape oder die Carrows hatte sie schon längst erwartet. Emily schnappte sich noch einen Keks und stand dann auf um Alecto zu folgen.

"Mr Longbottom, Sie können zum Gemeinschaftsraum gehen", sagte McGonagall. "Ich werde Miss Potter begleiten."

"Der Schulleiter hat nur Miss Potter angefordert", sagte Alecto herrisch.

"Ich muss sowieso mit Severus sprechen", antwortete McGonagall außergewöhnlich freundlich. "Als seine Stellvertretung haben wir zum Anfang des Jahres immer einiges zu besprechen."

Alectos Gesicht verzog sich, doch dieses Mal widersprach sie nicht. Ob sie McGonagalls Autorität anerkannte oder nur keine Lust auf einen Streit hatte, konnte Emily nicht abschätzen. Es war ihr aber auch egal, es beruhigte sie, dass McGonagall sie zu Snape begleiten würde.

Neville verabschiedete sich hastig, sichtlich froh sich nicht länger in Alectos Nähe sein zu müssen. Emily konnte es nicht mal verdenken. Schweigend folgte Emily McGonagall und Alecto zum Büro des Schulleiters. Verstohlen kontrollierte sie ob die Kette mit dem Portschlüssel noch sicher um ihren Hals lag. Sie glaubte nicht, dass ihr etwas passieren würde, nicht wenn McGonagall auch dabei war, aber es war immer gut einen Plan B in der Hand zu haben. Immer wachsam, schoss es Emily durch den Kopf.

Alecto flüsterte dem Wasserspeier vor dem Schulleiterbüro das Passwort zu und die Treppe tauchte auf.

So etwas wie Beklemmung stieg in Emily auf, als sie die enge Wendeltreppe zwischen Alecto und McGonagall hinauf stieg. Jetzt musste sie beweisen, dass es kein Fehler war nach Hogwarts zurück zu kehren. Wenn ihr jetzt etwas passierte, dann würde Sirius sie sofort aus der Schule holen.

Die Tür zum Büro stand bereits offen. Emily war bisher nicht oft in Dumbledores Büro gewesen, doch sie merkte sofort, dass sich der Raum verändert hatte. Die ganzen Kleinteile und magischen Apparate waren verschwunden, genauso wie die Porträts an den Wänden. Nur noch leere Rahmen starrten Emily entgegen. Selbst das Porträt von Dumbledore, erkennbar von am dem frisch golden glänzenden Rahmen, war nicht hier. Vermutlich wollte Dumbledore nicht den ganzen Tag seinen Mörder zusehen, wie er nun über die Schule herrschte.

Das Büro wirkte kalt und nüchtern, eher zweckmäßig und nicht der gemütliche und faszinierende Ort, der es zu Dumbledores Zeiten gewesen war. Snape, das Gesicht unglaublich fahl im Kontrast zu seinen schwarzen Roben, wirkte hinter dem riesigen Schreibtisch noch mehr fehl am Platz als in der Großen Halle.

Wut loderte in Emily auf und sie vergrub die Hände in dem Stoff ihrer Roben. Es würde nichts bringen, wenn sie Snape jetzt attackierte.

"Setzen Sie sich", befahl Snape. Ein Stuhl tauchte vor seinem Schreibtisch auf.

Emily setzte sich still. Mit der rechten Hand umfasste sie ihren linken Unterarm, dort wo in einem Holster verborgen ihr Zauberstab ruhte.

"Miss Potter." Snape richtete sich auf seinem Stuhl auf. "Wissen Sie, wo sich ihr Bruder derzeitig aufhält?"

"Nein", erwiderte Emily wahrheitsgemäß.

"Sind Sie sich sicher?

"Absolut." Emily wusste, dass Snape Legilimentik beherrschte, sie hoffte, dass er erkennen konnte, dass sie die Wahrheit sagte.

"Sie wissen, dass Harry Potter-" Snape stieß den Namen ungefähr genauso aus, wie McGonagall das Wort Todesser, "vom Ministerium zur Befragung gesucht wird."

"Ja."

"Sie ist seine Schwester", mischte sich Alecto ungeduldig ein, "natürlich weiß sie etwas."

"Ich führe die Befragung", sagte Snape ruhig und eiskalt. "Miss Potter, Sie wissen auch, dass das Vorenthalten von Informationen über gesuchte Personen unter Strafe steht?"

"Ja."

"Frag sie was sie von dem Einbruch weiß", forderte Alecto. "Darum geht es hier doch."

Emily sah irritiert von Alecto zu Snape. "Was für ein Einbruch?"

"Alecto, ich wiederhole mich nur ungern", sagte Snape, die Stimme noch eine Spur kälter, "aber wie ich vor kurzen sagte, ich führe die Befragung. Ich toleriere keine Störungen."

Alecto murmelte etwas Unverständliches und verschränkte die Arme vor der Brust.

Emily hätte ja fast gelacht, aber dazu war die Situation wohl doch nicht passend genug. McGonagall hätte vermutlich einen Herzinfarkt bekommen, wenn Emily das täte, vor allem nachdem sie sie vorher ermahnt hatte. "Ich weiß nichts von einem Einbruch."

Snapes Miene bewegte sich kein bisschen. "Ihr Bruder ist gestern mit Ronald Weasley und Hermine Granger in das Zaubereiministerium eingebrochen."

McGonagall schnappte nach Luft, anscheinend hatte sie davon auch nicht gewusst. Aber nun gut, solche Nachrichten standen garantiert nicht in der Zeitung.

Jetzt war es allerdings Emily, der kurz das Herz stehen blieb. Ihr Bruder hatte bitte was getan? Er war ins Zaubereiministerium eingebrochen? Auf der Liste der Orte, in die man besser nicht einbrechen sollte, stand das Zaubereiministerium nur kurz hinter Gringotts. Und was bei Merlin hatten die drei dort zu suchen? "Ich weiß nichts von einem Einbruch", wiederholte Emily.

"Sind Sie sich da sicher, Miss Potter?"

"Ja", erwiderte Emily. "Wie ich bereits Yaxley berichtet habe, habe ich meinen Bruder und seine Freunde seit dem ersten August nicht mehr gesehen."

"Und gesprochen?"

"Gesprochen habe ich auch nicht ihnen. Geschrieben auch nicht", fügte Emily hastig hinzu. "Ich habe überhaupt keine Ahnung, was Harry plant und wo er ist."

"Wieso sind Sie dann hier?", verlangte Snape zu wissen.

"Weil für mich die Schulpflicht gilt." Das bisschen Besserwisserei konnte Emily sich dann noch nicht verkneifen.

"Das interessiert ihren Bruder herzlich wenig", war Snapes Antwort.

"Stimmt", sagte Emily nur.

Alecto sah aus, als ob sie etwas sagen wollte, doch ein scharfer Blick von Snape brachte sie wieder zum Schweigen.

"Ich denke, dass reicht als Befragung aus", meldete sich dafür McGonagall zu Wort. "Es ist doch offensichtlich, dass Miss Potter nicht weiß wo ihr Bruder ist."

"Als Schulleiter bestimme ich, wann diese Befragung zu Ende ist." Snape wandte sich wieder Emily zu. "Wissen Sie wenigstens irgendwas über ihren Bruder?"

"Nun, da ich ein Jahr in einem Sanatorium verbringen musste und Harry nicht gesehen habe", sagte Emily langsam, "habe ich momentan ziemlich wenig Ahnung, was mein Bruder so treibt."

"Sie wissen also auch nicht, was er als Nächstes vorhat."

"Nein."

"Halten Sie sich jederzeit für Befragungen bereit", sagte Snape. "Behalten Sie auch im Hinterkopf, dass es dem Schulleiter auch zusteht Veritaserum für Befragungen einzusetzen."

Emily nickte nur müde. Sie hatte doch eh keine Ahnung, da würde auch Veritaserum nicht helfen.

McGonagall winkte Emily zu sich und verabschiedete sich mit einem wütenden "Auf Wiedersehen, Severus" von Snape. Alecto ignorierte sie völlig. "Sie haben sich gut geschlagen, Miss Potter", sagte sie zu Emily, als sie wieder auf dem Flur standen.

Emily zuckte mit den Schultern. "Nicht die erste Befragung", murmelte Emily. Und definitiv nicht die letzte.

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