54. Die Mission
54. DIE MISSION
Der August war früher einer von Emilys liebsten Monaten gewesen, denn in den letzten Jahren hatte es immer bedeutet, dass sie gemeinsam mit Harry ihre Ferien bei den Weasleys verbringen durfte. Herrliche Tage im Obstgarten unter der heißen Sommersonne, Quidditch und anschließende Wasserschlachten im viel zu warmen Teich. Sonnenbrand, Sommersprossen und der Geruch von Besenpolitur und Wassereis.
In diesem Jahr blieb ihr nur die heiße Sommersonne, die sich endlich auch über dem Strand von Ynys Môn zeigte und nun erbarmungslos am Himmel stand.
Harry war verschwunden, genauso wie Ron und Hermine. Der Fuchsbau stand unter stärkeren Schutzzaubern denn je, genauso wie das Cottage in Ynys Môn oder das Haus von Ingas Familie.
Und statt Quidditch zu spielen, stand Emily wie so oft in diesen Ferien am Strand und trainierte. Keine waghalsigen Flugmanöver und Pässe mit Ginny, sondern wilde Flüche und mächtige Schutzzauber.
Das einzig Gute war, dass Inga heute zu Besuch war und die beiden Mädchen gemeinsam trainieren konnten. Emily hatte dieses Mal von Noah einen Brief mit weiteren Zaubersprüchen bekommen, er hatte seine Schwester Merit und Mattis nach neuen Sprüchen ausgefragt. Und nachdem Inga inzwischen auch zu Lilium gehörte, sah Emily kein Problem damit ihr Wissen mit Inga zu teilen. Es war schien sowieso alles leichter, wenn Inga da war.
Ingas unerschütterlicher Optimismus und ihre gute Laune halfen Emily immer. Sie halfen sogar darüber weg, dass der letzte Vollmond erneut katastrophal verlaufen war und Emily immer noch die Wolfsform für nicht mehr als ein paar Minuten halten konnte. Irgendetwas in ihr wehrte sich jedes Mal, aber sie konnte nicht ergründen was es war. In dem ganzen Chaos, hatte Emily auch nicht wirklich Lust dazu, wollte nicht allzu viel über sich selbst nachdenken.
Lieber sich im Training und in der Magie völlig verausgaben und abends todmüde ins Bett fallen.
"Angriff oder Verteidigung?", fragte Inga und riss Emily aus ihren Gedanken.
"Angriff", erwiderte Emily und nahm einen letzten Schluck aus ihrer Wasserflasche, bevor sie sie wieder mit einem schnellen Aguamenti auffüllte.
"Okay." Inga kippte sich den Inhalt ihrer Wasserflasche über den Kopf und schüttelte sich dann wie ein nasser Hund. "Aber nur noch eine Runde, dann gehen wir schwimmen, ja?"
Emily lachte. "Nichts lieber als dass." Auch wenn sie nur Top und kurze Hosen trug, war ihre Kleidung längst völlig durchgeschwitzt und ein Bad im Meer klang absolut himmlisch. Trotzdem war sie entschlossen die Zaubersprüche möglichst schnell zu lernen. Außerdem wartete in ihrem Zimmer noch ein weiterer Auftrag von Lilium auf Emily. Und vielleicht sollte sie vor dem Beginn des Schuljahres zumindest mal kurz in ihrer Schulbücher schauen.
Emily seufzte und hob lieber ihren Zauberstab. An Hogwarts konnte sie auch später noch denken. "Íss vagr", rief Emily. Soweit, dass sie die unbekannten Zaubersprüche nonverbal zaubern konnten, waren Emily und Inga noch längst nicht, aber sie vertrauten fürs Erste darauf, dass sowieso keiner diese Sprüche kannte.
Dicke Eisbrocken brachen aus Emilys Zauberstab und rasten auf Inga zu, die etwas Unverständliches rief, bevor ein blaues Schild vor ihr auftauchte. Krachend prasselten die Eisblocken gegen Ingas Schild und fielen dann mit einem leisen Zischen auf den heißen Sand.
Emily hatte kaum wieder Luft geholt, als Inga schon den nächsten Zauber als Antwort sendete. Ein dunkelrotes Licht schoss in Emilys Richtung. "Skildir", sagte Emily sofort und setzte ein hastiges Protego dahinter. Bei den ganzen Übungen hatten Emily und Inga herausgefunden, dass die Schilde besser hielten, je mehr Zauber man übereinander legte, insbesondere wenn man zwischen den Sprachen mischte.
Hin und her jagten die Zauber zwischen den beiden und Emilys Puls beschleunigte sich. Irgendwas in der Aufregung und dem Adrenalin fühlte sich so lebendig an. Aber sie wusste auch, dies nur eine Übung war, kein richtiges Duell. Trotzdem war es seltsam befreiend.
Vielleicht weil sie dann nicht mehr über Harry oder die Wölfin nachdenken musste.
Inga sendete ein paar rote Funken in den Himmel, ihr vereinbartes Zeichen, dass sie das Duell beendeten. Keuchend und verschwitzt trabte Inga wieder zu Emily. "Es ist mir alles egal, mir reicht es jetzt."
"In Ordnung." Emily war nicht weniger außer Atem. "Accio Wasserflaschen." Sie hatte noch nicht mal Lust die paar Meter zu ihren Wasserflaschen zu gehen. Die beiden Wasserflaschen flogen in die ausgestreckten Hände und Emily reichte eine an Inga weiter, die sie dankbar annahm. Gierig öffnete Emily ihre Flasche und stürzte das Wasser hinunter.
"Merlin, wer von uns ist noch mal auf die Idee gekommen heute zu trainieren?", stöhnte Inga. "Und Merlin sei Dank, haben Sirius und Sophia ein Haus am Meer gekauft. Kommst du?" Inga hatte längst ihre Klamotten ausgezogen und stand in einem Bikini neben Emily. "Ich koche gleich."
Emily grinste. "Stell dich nicht so an, du wirst hier nur sanft dampfgegart." Doch auch Emily schlüpfte schnell aus ihrem Top und Shorts. Den Bikini hatte sie wohlweislich heute Morgen schon drunter angezogen.
"Du wirst es sehen, wenn gleich eine Dampfwolke aus dem Meer aufsteigt", lachte Inga und griff nach Emilys Hand. Gemeinsam rannten die beiden Mädchen in die Brandung. Entgegen Ingas Worten stieg keine Dampfwolke auf, doch Emily seufzte erleichtert auf als das kalte Wasser ihren glühenden Körper traf.
Emily hielt den Atem an und tauchte ab. Das Wasser rauschte in ihren Ohren, das Salz brannte in ihren Augen, doch Emily ließ sich zu Boden sinken. Emilys Element war bisher immer die Luft gewesen, das Fliegen, doch im Laufe des Sommers hatte sie die beruhigende Wirkung des Meeres kennen gelernt. Wahrscheinlich würde sie das Meer vermissen, wenn sie im Herbst wieder in die schottischen Highlands zurückkehrte.
Prustend tauchte Emily wieder auf und fand sich Inga gegenüber, die Emily erst einmal herzlich dafür auslachte, dass ihr rotes Haar nun an ihrem Gesicht festklebte. Die beiden Mädchen alberten noch eine Weile herum, bevor sie wieder an den Strand zurück wateten.
"Meinst du wir finden irgendwo einen Zauberspruch mit dem man Pommes frittieren kann?", überlegte Inga laut. "Ich hätte jetzt voll Lust auf Pommes."
"Wenn du es schaffst, dass du nicht das Haus in Brand steckst?" Emily sah Inga eher zweifelnd an. "Aber ich brauche auch was zu Essen." Wie zur Bestätigung, grummelte Emilys Magen lautstark.
"Wusstest du, dass die Muggel sogar Lieferservice für ihr Essen haben?" Auf dem Weg zurück ins Cottage erzählte Inga Emily begeistert von dieser Idee, komplett vergessend, dass Emily in der Muggelwelt aufgewachsen war.
Da sie weder einen Lieferservice hatten, noch einen Zauberspruch für Pommes, blieben nur noch Sandwiches als Mittagessen übrig. Doch sie hatten Glück, denn Sirius hatte bereits für alle Sandwiches gemacht und stellte sie zusammen mit kalten Eistee auf den Tisch in der Küche.
Auch Sophia saß schon am Küchentisch und lächelte den beiden Mädchen zu.
"Wie war es bei Madam Pomfrey?", fragte Emily und ließ sich auf einen Stuhl fallen.
"Die Verletzung wird langsam besser", antwortete Sophia. Eine Fluchverletzung an ihrem Bein machte ihr immer noch Probleme und führte dazu, dass sie viel Zeit daheim verbringen musste. Krücken lehnten an ihrem Stuhl.
"Das klingt doch gut", sagte Emily. "Madam Pomfrey hat wohl Sirje auch geschrieben, hat Sirje mir zumindest gesagt. Wenn sie das nächste Mal in England ist, würde sie sich das gerne anschauen."
"Von mir aus gerne", sagte Sophia.
Ein Funke Hoffnung glühte in den Augen von Sirius auf, der in den letzten Wochen in ständiger Sorge um seine Frau gewesen war. Er hielt auf die junge Heilerin große Stücke, seit sie Emily so gut versorgt hatte. Und vielleicht auch ein bisschen, weil Sirje einen verdammt guten Schokoladenkuchen buk. "Minerva hat mir eure Hogwartsbriefe mitgegeben, das Briefe senden ist ja wegen der Schutzzauber derzeit etwas schwierig." Er reichte den Mädchen je einen Umschlag.
"Oh gut", sagte Inga. "Ich habe mich schon gewundert, wann die endlich kommen. Sie sind dieses Jahr echt spät dran."
"Das wird aber echt knapp, wenn wir noch alles besorgen müssen." Emily wog ihren Brief in der Hand, er schien viel schwerer als die Jahre zuvor. Das verhieß nichts Gutes für die Bücherliste.
"Wahrscheinlich hat es so lange gedauert, weil sie noch Dumbledores Nachfolge klären mussten", sagte Sophia.
"Ich hoffe es ist Minnie", meinte Inga.
"Ich auch." Emily betrachtete die vertraute, grüne Tinte auf dem Umschlag. Zum ersten Mal stand dort als Adresse das Cottage in Ynys Môn. Der Ort, der ihr in den letzten Wochen mehr zur Heimat geworden war, als es das Waisenhaus oder der Ligusterweg jemals gewesen waren. Emily war einen langen Weg gekommen seit dem kleinen Mädchen aus dem Waisenhaus. Nun besaß sie sogar eine eigene Wohnung in London.
Zu faul, einen Brieföffner zu holen, riss Emily den Umschlag einfach auf. Mit einem hellen Klingen sprang etwas aus dem Umschlag und fiel zu Boden. Leise fluchend bückte Emily sich und hob einen kleinen, silbernen Anstecker hoch. "Jetzt ernsthaft?", stieß Emily hervor, als sie das Abzeichen erkannte.
"Alles klar?" Sirius schreckte aus seinem Stuhl hoch und sah fast schon panisch aus.
Emily verzog das Gesicht und zeigte Sirius, Sophia und Inga wortlos das Abzeichen.
"Vertrauensschülerin", sagte Sirius überrascht, während Inga nur etwas hämisch grinste.
"Besser du als ich", meinte Inga nur.
"Ja." Emily seufzte. Sie hatte diesen Job niemals gewollt und unter diesen Umständen noch viel weniger. "Wenn ich in Hogwarts bin, frage ich McGonagall, ob ich das Amt wieder abgeben kann."
"Remus wird sich freuen, wenigstens einer, der in seine Fußstapfen tritt." Sirius lachte.
"Es geht mir nicht darum, dass ich Vertrauensschülerin bin, sondern, dass ich Hermine ersetzen soll." Emily starrte unglücklich auf das Abzeichen. Dass sie nun das Abzeichen in den Händen hielt, bedeutete in diesem Moment einzig allein, dass Hermine nicht wieder nach Hogwarts zurückkehren würde. Sie hatte es bekommen, weil Hermine nicht nach Hogwarts zurückkehren durfte, dass es ihr sogar verboten war. Ganz wie es schon zu Anfang des Sommers befürchtet hatten.
Inga hatte sich währenddessen bereits ihren Brief vorgenommen. "Sie haben es sogar in den Brief geschrieben, dass Muggelstämmige in Hogwarts nicht mehr willkommen sind." Sie runzelte die Stirn.
Emily schnappte sich ebenfalls ihren Brief.
Sehr geehrte Miss Potter,
wir freuen uns Sie am 1. September zu Ihrem siebten Schuljahr an der Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei begrüßen zu dürfen. Anbei finden Sie eine Liste der benötigten Bücher und Materialien, sowie das Ticket für den Hogwarts-Express.
Wir freuen uns ebenfalls, dass Sie zur Vertrauensschülerin für Gryffindor ernannt wurden. Bitte finden Sie sich auf der Zugfahrt zu einem Treffen der Vertrauensschülerinnen und Vertrauensschüler ein.
Wir weisen daraufhin, dass aufgrund der gesetzlichen Vorgaben der Schulbesuch ab diesem Schuljahr für alle Schülerinnen und Schüler britischer Herkunft verpflichtend ist.
Weiterhin ist der Schulbesuch nur Schülerinnen und Schülern erlaubt, die in Übereinstimmung mit den derzeit geltenden Regelungen gemäß § 7 Abstammungsgesetz als reinblütig oder halbblütig gelten. Ein Abstammungsnachweis ist mit sich zu führen.
Mit freundlichen Grüßen
Minerva McGonagall
Stellvertretende Schulleiterin der Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei
Eigentlich bestätigte der Brief aus Hogwarts nur, was sie alle schon längst geahnt und befürchtet hatten. Aber es zu lesen, in diesem Brief, der für Emily damals das Tor zur magischen Welt gewesen war, war ein Schlag ins Gesicht. Mit diesen Regeln hätte sie selbst damals Hogwarts nie besuchen dürfen, denn zu Beginn ihrer Schulzeit hatte Emily als muggelstämmig gegolten. Ihre Mutter und auch Sophia hätten niemals Hogwarts besuchen dürfen.
"Puh, aber wenigstens kannst du mit mir in die siebte Klasse gehen." Inga hatte sich über Emilys Schulter gebeugt und Emilys Brief gelesen. "Ich hatte schon befürchtet, dass du ein Jahr wiederholen musst."
Die Frage hatte sich Emily noch gar nicht gestellt. Sie wusste ja noch nicht mal, wie sie bei den ZAG-Prüfungen abgeschlossen hatte. Offensichtlich gut genug. "Zumindest etwas."
"Emily?", sagte Sirius vorsichtig. "Wenn du deinen Brief noch weiter böse anstarrst, geht er in Flammen auf."
Emilys Mundwinkel zuckten bei Sirius schwachen Versuch eines Witzes. "Lies besser selbst", sagte sie und reichte Sirius den Brief. Stumm sah sie zu, wie Sirius den Brief las und sich seine Miene immer weiter verdüsterte. "Ich habe fast schon keine Lust mehr nach Hogwarts zu gehen", gab Emily leise zu.
"Kann ich verstehen", erwiderte Sirius und zerknüllte den Brief in seinen Händen. "Wie sehr Minerva es gehasst haben muss, diese Briefe zu schreiben." Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück.
"Wenn du nicht gehen willst, dann helfen wir dir", bot Sophia an.
Wie Emily in den Tagen nach Harrys Verschwinden erfahren hatte, hatten Sirius, Remus und Sophia Harry heimlich bei seinen Vorbereitungen unterstützt. Von Remus und Sophia hatte Harry stapelweise nützliche Bücher bekommen, während Sirius das alte Zelt in Mr Weasleys Schuppen gegen ein brandneues Zelt mit den allerneuesten Schutzzaubern ausgestattet, ausgetauscht hatte. Zufällig befanden sich in dem Zelt auch ungefähr zweihundert Dosen Ravioli und Suppe, weil alle genau wussten, dass keiner der drei kochen konnte, ebenso wie eine riesige Tasche Medizin und Verbände und allerhand weiteres Zeug, was die Erwachsenen für nützlich hielten. Das Zelt war tatsächlich seit der Hochzeit aus dem Schuppen verschwunden.
Inga schwieg, doch Emily wusste, wie sehr sich ihr beste Freundin wünschte, dass Emily nach Hogwarts zurück ging. Dass sie wieder zusammen waren.
Emily schüttelte den Kopf. Zwei Potters auf der Flucht würden es nicht besser machen, außerdem wäre Emily auf der Flucht mehr oder weniger auf sich allein gestellt, schließlich konnte sie sich nicht Harry anschließen. In Hogwarts würde sie relativ sicher sein, schließlich war dort die DA und auch die Lehrer. Außerdem war da ja immer noch ihr Plan das Schwert von Gryffindor zu stehlen. "Ich werde nach Hogwarts gehen." Sie grinste Sirius offen an. "Vielleicht, aber auch nur vielleicht stiften wir ein bisschen Ärger."
Sophia grinste, während Sirius lauthals auflachte. "Das ist mein Mädchen."
***
Ein paar Tage später konnte Sirius sich Zeit zwischen seinen immer zahlreicher werdenden Terminen und Verpflichtungen für seine Familie und den Orden freischaufeln und begleitete Emily mit in die Winkelgasse. Um den schlimmsten Trubel zu entgehen, machten sich die beiden schon früh auf den Weg und apparierten zum Tropfenden Kessel.
Der Pub lag verlassen da, noch waren keine Gäste dort anzutreffen, nur der alte Tom stand hinter dem Tresen und polierte das uralte Holz. Ohne die Gäste und den Lärm und das Gelächter wirkte der Gastraum geradezu leblos.
Schnell eilten Sirius und Emily in die Winkelgasse, doch dort sah es nicht besser aus. Die meisten Geschäfte standen leer, die Fenster mit Holzplanken notdürftig verbarrikadiert. Überall hingen Poster des Ministeriums. Und von ebenjenen Postern blickte Emily das Gesicht ihres Bruders ständig an, nur selten abgewechselt von Ron und Hermine. Lieber wandte Emily den Blick wieder ab und konzentrierte sich auf ihre Bücherliste. Auch wenn sie nun weniger Fächer belegt hatte, wurde die Liste von Jahr zu Jahr länger, stellte Emily seufzend fest.
"Das wird ein bisschen dauern", sagte Emily leise zu Sirius. "Ich kann die Einkäufe auch zusammen mit Inga und den Weasleys erledigen. Dann kannst du zurück zu Sophia."
Sirius lächelte nur. "Danke, Emily. Ich weiß dein Angebot zu schätzen, aber lass uns deine Sachen besorgen. Dann kann ich dich wenigstens einmal in die Winkelgasse begleiten." Sein Lächeln war traurig und müde, eine schrille Erinnerung, dass James und Lily ihre Kinder niemals in die Winkelgasse begleitet hatten, dass Sirius niemals zuvor die Chance gehabt hatte.
Emily schluckte jeden Widerspruch hinunter. "Ich find es schön, dass du mich begleitest." Sie hakte sich bei Sirius unter und versuchte über die trostlose Winkelgasse und Sirius Traurigkeit hinweg zu lächeln. "Flourish & Blotts oder die Apotheke?"
"Wenn du so fragst, dann die Bücher zuerst." Sirius stieß einen gespielten, verzweifelten Seufzer aus. "Was ich schon für Stunden mit Remus in diesem Laden verbringen musste."
Emily lachte und ließ sich von Sirius zum Bücherladen ziehen.
Trotz der ellenlangen Liste, waren die Einkäufe schnell erledigt und es blieb noch Zeit für Emily einen Abstecher in den Laden der Weasley-Zwillinge zu machen. Sirius versprach den Weasley-Zwillingen in den nächsten Tagen vorbeizusehen um ihnen bei der Entwicklung weiterer Produkte zu helfen, bevor er wieder heim apparierte.
Doch das bunte Chaos in Weasleys Zauberhafte Zauberscherze vertrieb jeden schlechten Gedanken in Emilys Kopf. Der Laden war eine Explosion aus Farben und Formen und Bewegung. Emily wusste gar nicht, wo sie zu erst hinschauen sollte. Regale zogen sich bis unter die Decke und in der Mitte des Ladens führte eine schmale Wendeltreppe in das zweite Geschoss. Jede Ecke war mit Schachteln, Fläschen und Boxen vollgestopft, durch die Luft flogen sogar mehrere von den Scherzartikeln, so dass sich Emily hastig duckte.
Lila Nebel waberte aus einem kleinen Springbrunnen und verbreitete einen süßlichen Geruch. Das Werbedisplay für die neue Produktlinien konnte man auf keinen Fall nicht bemerken. Hinter der Kasse stand eine junge Angestellte, doch Emily winkte ab, als sie herbei kommen und Emily beraten wollte. Lieber sah sie sich auf eigene Faust um.
Viele der Scherzartikel waren Emily noch aus Fred und Georges Zeit in Hogwarts und natürlich dem unvergesslichen Abschied in Erinnerung und sie musste breit grinsen. Die Produktlinie für junge Hexen, die auch den penetranten Geruch verströmte, ließ Emily lieber links liegen und so stieg in den zweiten Stock hinauf. Dort verkauften Fred und George auch die deutlich interessanten Sachen, wie das Peruvianische Instant-Finsternispulver.
"Vorsicht bei diesen Produkten", ertönte eine belustigte Stimme hinter Emily. "Das Pulver ist sehr wirksam."
Vor Schreck ließ Emily beinahe die Box mit dem Pulver fallen.
"Hoppla", lachte Fred, "wir wollen nicht schon wieder im Dunkeln stehen."
Emily verdrehte die Augen. "Du warst doch noch nicht mal dabei. Und schon einmal lustiger."
"Man tut was man kann." Fred steckte die Hände in die Taschen seiner Drachenlederhose und grinste Emily verschmitzt an. "Was kann ich für dich tun?"
Emily stellte die Box wieder wieder zurück in das Regal. "Eigentlich nur schauen, aber wenn du grad schon mal da bist-" Sie grinste, als nun Fred die Augen verdrehte. "Können wir irgendwo ungestört sprechen?"
Freds Miene wurde ernst. "Alles in Ordnung? "
"Soweit ja", antwortete Emily und folgte Fred noch ein Stockwerk nach oben, wo sich das Labor und die Wohnung der beiden befand. "Ich gehe nach Hogwarts zurück und nachdem wir keine Ahnung haben, was oder wer uns erwartet, schadet es nicht vorbereitet zu sein."
Ein breites Grinsen tauchte auf Freds Gesicht auf. "Warte einen Moment." Er streckte seinen Kopf zur Tür raus und schrie: "George!" Dann wandte er sich Emily wieder zu. "Da bist du bei den Richtigen gelandet. Wir haben schon angefangen ein passendes Paket für Ginny und Inga zu packen, damit sie für die Schule richtig vorbereitet ist. Nasch- und Schwänzleckereien, Feuerwerksboxen, Bluffknaller - du weißt schon."
"Ich sehe, wir verstehen uns." Emily grinste zurück. Sie wollte die Produkte der Weasley-Zwillinge nicht nur haben, damit sie Unruhe stiften konnten, sondern auch weil sie noch nicht wusste, ob die Produkte nicht vielleicht bei ihrer Mission das Schwert zu stehlen hilfreich sein würden. Aber das konnte sie Fred und George, der inzwischen aufgetaucht war, schlecht erzählen. Im besten Fall, würden die Feuerwerksboxen zumindest für gute Laune sorgen.
Fred und George nahmen sich die Zeit um Emily alle Produkte zu erklären und erwähnten auch nur noch dreimal die richtige Handhabung von Peruvianischem Instantfinsternispulver, bis Inga endlich die Treppen hinaufgestürmt kam und die drei unterbrach.
Emily stieß einen Seufzer aus. Weitere Witze über in der Dunkelheit stehen, hätte sie nicht mehr ertragen.
"Sorry, der Einkauf hat länger gedauert." Ingas Wangen waren ganz rot und sie war außer Atem. "Mum hat auf allen Sicherheitsprotokollen bestanden. Und warum wohnt ihr noch mal im dritten Stock?" Sie lehnte sich neben die Tür.
Lachend reichte ihr George ein Glas Wasser, das Inga in großen Zügen leerte. "Habt ihr noch etwas vor?"
Inga und Emily tauschten einen Blick und mussten dann beide grinsen. "Wir wollen noch bei Dawn vorbeigehen", sagte Inga.
"Brauchst du jemand zum Händchen halten?", fragte Fred vergnügt.
Inga verdrehte die Augen. "Haha. Hast du heute einen Clown gefrühstückt?"
"Das habe ich mich auch schon gefragt", sagte Emily. "Nur schlechte Witze heute. Lass uns lieber gehen, Inga."
"Fred, ich glaube wir werden einfach sitzen gelassen", sagte George gespielt übertrieben und verzweifelt. Er legte eine Hand auf die Stirn. "Einfach so."
Fred nickte schwermütig. "Scheint mir auch so, George."
"Das habt ihr euch selbst zuzuschreiben", erwiderte Emily grinsend. "Danke trotzdem für eure Hilfe, Jungs."
"Wir möchten ja schließlich, dass du mit unseren Produkten die ehrwürdigen Hallen von Hogwarts erhellst", sagte Fred.
Emily stöhnte auf. "Toll, Fred, ganz toll."
"Wir melden uns bei euch, wenn wir einen Weg ausgeklügelt haben um euch die Sachen sicher zuzustellen", fügte George hinzu.
"Ihr seid die Besten", rief Inga, bevor sie nach Emilys Hand griff und sie aus der Wohnung zog. Lachend liefen die beiden die Treppen hinunter, zurück in den Laden und in die Winkelgasse. Im Gegensatz zu heute morgen, waren einiges mehr los, doch auch die Hexen und Zauberer konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gesichter voller Angst und Vorsicht waren.
Schnell wurden Inga und Emily wieder ernst. Inga hakte sich bei Emily unter und langsam schlenderten die beiden Mädchen durch die Winkelgasse. Einfach zwei Mädchen, die einen letzten Bummel durch die Winkelgasse genossen, bevor die Schule wieder begann. Das war zumindest die Geschichte, die sich die beiden schon vor einigen Tagen zurecht gelegt und geübt hatten.
Schließlich waren sie nicht nur wegen ihren Schuleinkäufen in der Winkelgasse, sondern auch weil sie, ohne, dass die Weasleyzwillinge oder Sirius es wussten. auf einer Mission waren. Lasse hatte tatsächlich Recht behalten und Inga und Emily hatten ihre erste, eigene Mission. Es war nur eine kleine Mission, aber Mission blieb Mission.
Außerdem war Emily doch ein kleines bisschen stolz darauf, dass Lilium ihnen diese Aufgabe übertragen hatte, egal wie unbedeutend es sein mochte. Aber es hieß auch, dass Ari und die Anderen Emily genug vertrauten, dass sie weitere Personen von Lilium kennen lernen und ihre gefälschten Papiere selbst überbringen durfte. Die letzte Lieferung hatte Ari in Ynys Môn abgeholt.
Inga und Emily gingen nicht wieder zurück in Richtung des Tropfenden Kessels, sondern folgten der Winkelgasse weiter, als Emily zuvor gewesen war. Die meisten Geschäfte, die sie für den Einkauf der Schulsachen brauchte, lagen im vorderen Teil der Winkelgasse.
Hinter der Nummer 93, dem Laden der Weasleyzwillinge, kamen viele Restaurants, deren Gerüche Emilys Magen bereits knurren ließen. In der Hausnummer 100 befand sich eine Buchhandlung, die ausschließlich Bücher zum Thema Wahrsagen verkaufte und daneben ein riesiger Laden, der magische Pflanzen verkaufte und dessen Schaufenster aus hunderten von Pflanzen bestand.
"Wie weit müssen wir noch?", fragte Emily, während Inga zielsicher weiterging. Ari und Lasse hatten nur gesagt, dass Inga wusste wo Dawn zu finden war. Gerade passierten Emily und Inga zahlreiche Gebäude, in denen sich Büros von Anwälten, Architektinnen und vielen anderen befanden. Auch die Räume des Tagespropheten waren hier zu finden, genauso wie die Kanzlei von Elliott Sayre.
"Nicht mehr weit", murmelte Inga. "Keine Sorge, ich war hier schon mal."
"Warum weißt du mehr als ich?", beschwerte sich Emily leise, ohne es wirklich böse zu meinen.
Inga grinste. "Katie hat mir Dawn empfohlen, aber eigentlich waren Lasse, Ari und Charlie auch schon bei Dawn."
"Das hilft mir so richtig weiter."
"Warte es ab." Inga klopfte an einer schwarz gestrichenen Tür mit einem goldenen Türklopfer. Das Haus dazu war schmal und wirkte eher so, als wäre es von seinen größeren Nachbarn eingequetscht worden. Kein Schild wies auf seine Bewohner hin, doch Inga wirkte sich ziemlich sicher. "Wir haben ein Geburtstagsgeschenk dabei", sagte Inga zu dem Raben-Türklopfer. "Die Party findet zur Morgenröte statt."
Anscheinend waren dies die richtigen Worte, denn die Tür schwang auf und Inga und Emily konnten in den Flur eintreten. Der Flur war größer, als das Haus von außen vermuten ließ, eine Tatsache, die Emily immer noch endlos faszinierte. Die Wände waren in einem dunklen Grün gestrichen, Kronleuchter leuchteten hell über ihnen.
Das Knarzen von Holz verriet Emily, dass jemand auf dem Weg zu ihnen war. Eine junge Frau, in tiefsitzenden Jeans und einem schwarzen Tanktop, tauchte auf und grinste Inga und Emily an. "Ich bin Dawn", sagte sie und streckte Emily die Hand zur Begrüßung hin. Eine zierliche Hand, die genauso wie Dawns Arme über und über mit Tätowierungen bedeckt war. Magische Tätowierungen um genauer zu sein, denn die Zeichnungen waren in ständiger Bewegung.
"Ich bin Emily." Emily fand Dawn allein schon deswegen sympathisch, weil Dawn nicht viel größer als Emily war. Endlich jemand, der sie nicht um Längen überragte.
"Hallo Emily", erwiderte Dawn. "Schön dich kennen zu lernen. Wir kennen uns ja", sagte Dawn an Inga gewandt.
Emily runzelt die Stirn. "Woher kennt ihr euch?"
"Dawn ist die beste magische Tätowiererin und Piercerin in London", erklärte Inga. "Sie hat meine Ohren gepierct."
Bei der Menge an Silbersteckern, die sich Ingas Ohren entlang zogen, war Inga auch nicht nur einmal hier gewesen. Das erklärte zumindest einiges.
"Kommt mit in die Küche, dann mache ich euch einen Tee", schlug Dawn vor und führte sie die Treppe hinauf. Das erste Stockwerk war eine riesige, gemütliche Wohnküche mit einem Kamin und einer langen Küchenzeile. An den Wänden hingen Zeichnungen in jeder Größe und jedem Stil. Grelle Landschaften mischten sich mit kleinen Porträts und Kohlezeichnungen. Abstrakte Kunst und Realismus. Die Zeichnungen waren vermutlich alle von Dawn selbst.
Neugierig trat Emily näher an die Wand und betrachtete die Zeichnungen. Einige der Personen kamen ihr sogar bekannt vor. "Das ist Ari, oder?" Es war eine einfache Bleistiftzeichnung, der einzige Farbklecks Aris langes, blaues Haar.
"Du hast ein gutes Auge", lobte Dawn und reichte Emily eine Tasse Tee. "Ari ist meine beste Freundin, wir waren zusammen in Hogwarts."
"Echt?", rutschte es Emily raus. Aber gut, Ari war in Hogwarts auch nicht aufgefallen.
Dawn lachte gutmütig. "Ich war in Slytherin, deshalb sind wir uns nie begegnet."
"Vermutlich", sagte Emily. Dawn wirkte überhaupt nicht wie die typische Slytherin mit der Muggelkleidung, Tattoos und dem Buzzcut. Aber Emily erinnerte sich auch an ihr Gespräch mit Charlie über Slytherins und Vorurteile.
"Setzt euch." Dawn deutete auf den Küchentisch und während Inga und Emily Platz nahmen, holte Dawn noch Zimtschnecken aus einer Dose von der Küchentheke.
"Diese Mission ist echt angenehmer, als durch die eiskalte Nacht zu fliegen." Inga schnappte sich direkt eine Zimtschnecke.
"Hast du die Mappe dabei", fragte Dawn lachend Emily.
"Klar." Emily zog die Mappe aus ihrer Jackentasche und machte den Verkleinerungszauber wieder rückgängig, bevor sie die Mappe an Dawn weitergab. "Willst du nicht reingucken?", fragte Emily, als Dawn die Mappe nur zur Seite legte.
Dawn schüttelte den Kopf. "Nein, ich kenne auch nicht die Zauber um die Mappe zu öffnen. Die Mappe wird später noch abgeholt, ich bin nur die Zwischenstation. Hier geht sowieso die Kundschaft ein und aus, da fallt ihr nicht auf."
"Achso", murmelte Emily. Irgendwie hatte sie sich die ganze Mission doch etwas spektakulärer und geheimnisvoller vorgestellt. Vielleicht ein Besuch in der Nokturngasse und eine heimliche Übergabe in einer dunklen Ecke. Aber sie hatte auch einfach nur viel zu viele Romane gelesen. "Warum bist du nicht dafür zuständig, ich mein du hast sicherlich auch das Talent fürs Fälschen?" Emily sah zu den Zeichnungen an den Wänden, die genug Beweis für Dawns künstlerisches Talent waren.
"Du bist darin besser als ich", erklärte Dawn überraschend. Emily sah sie erstaunt an, doch Dawn fuhr schon fort: "Ari und Lasse haben uns beide getestet, ohne dass wir es wussten. Und wer die besseren Papiere gemacht hatte, hat den Job bekommen. Ich weiß zwar auch wie es geht, aber jetzt bin ich dein Ersatz, nur für den Fall."
Jeder Stolz, den Emily bei Dawns Lob verspürt hatte, verpuffte und machte der Realität wieder Platz. Für den Fall, dass Emily etwas passierte, dass sie völlig außer Gefecht gesetzt wurde. Plötzlich war sie froh, dass ihre Mission nur beinhaltete die gefälschten Papiere zu Dawn zu bringen und sich nicht Hals über Kopf in Gefahr zu stürzen, sich mitten in ein Blitzgewitter aus Flüchen zu begeben. Aber sollte sie nicht besser kämpfen, mehr tun?
"Es sind nicht immer die großen Taten, die den Widerstand ausmachen", sagte Dawn leise, als ob sie ahnte, was Emily durch den Kopf ging, "manchmal ist es nur ein Strich Tinte auf Pergament, der den Unterschied macht."
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