52. Fragen ohne Antwort
52. FRAGEN OHNE ANTWORT
Die Welt stand still für Emily.
Ein leiser Knall, ein Verwischen von Farben und Formen und dann nichts mehr.
Harry war verschwunden. Gegangen.
Der Schockzauber verbreitete sich rasend schnell in Emilys Körper und sie fiel. Fiel zu Boden. Fiel in ein Loch.
Der Fall tat nicht weh, ihr Körper war taub. Ihr Herz schmerzte, denn es war lebendig und entzwei gerissen worden.
Und dann war da für einen Moment nur dunkelste Schwärze. Die Auswirkungen des Schockzaubers.
Nur allzu langsam drangen irgendwann wieder Geräusche an ihre Ohren, Schreie und das Knallen von disapparierenden Gästen. Sie konnte nicht lange bewusstlos gewesen sein.
"Emily? Emily!" Sirius Gesicht tauchte vor Emilys Augen auf. Panik stand in den grauen Augen geschrieben und tiefe Sorgenfalten waren scheinbar mit einem Mal auf seiner Stirn aufgetaucht. "Da bist du ja. Merlin, wir haben dich schon überall gesucht. Alles klar bei dir?"
Es dauerte einen Moment bis Emily ihre wirren Gedanken und den Schmerz beiseite geschoben hatte, um Sirius eine Antwort geben zu können. "Harry ist weg."
"Mit Ron und Hermine?", fragte Sirius, während er Emily half sich wieder aufzurichten.
Emily nickte nur. Mit Ron und Hermine. Ohne Emily.
"Gut", murmelte Sirius.
Gut. Das war Sirius einzige Meinung dazu. Wie konnte es gut sein, dass Harry fort war? Und Emily hier? Harry hatte sie zurückgelassen. Aber dann erinnerte sie sich an die grünen Augen, die so gebrochen und müde waren. Wie Harry davon gesprochen hatte, dass er sie beinahe verloren hatte. Wie der Schmerz von damals, von heute sie überwältigt hatte.
"Wir reden später darüber, ja?" Sirius Blick irrte immer wieder durch das Zelt, über das Chaos. "Sie kommen bald, uns bleibt nicht mehr viel Zeit."
Sie. Scharf erinnerte sich Emily an Kingsley Nachricht. In diesen Zeiten blieb nicht viel Zweifel, wer sie waren. Mit fliegenden Fingern öffnete Emily die Schnallen an ihren hohen Sandalen und zog sie von den Füßen, hohe Absätze würden nur hinderlich sein. Außerdem waren sie fürchterlich unbequem. Dann schnappte sie sich ihren Zauberstab, der neben ihr zu Boden gefallen war und sprang auf.
"Sachte, sachte." Sirius packte Emily an den Armen und stabilisierte ihr Schwanken wieder.
Dunkle Punkte tanzten vor ihren Augen. "Danke", murmelte Emily. Nachwirkungen des Schockzaubers. Vielleicht war sie auch mit dem Kopf irgendwo gegen geschlagen, sie wusste es nicht mehr.
Sirius legte einen Arm um Emily und führte sie zur Mitte des Zeltes, dort wo sich noch vor ein paar Minuten eine fröhliche Menge im Takt der Musik gedreht hatte. Nun lagen die Tische und Stühle, zerbrochen und zersplittert, auf dem Boden. Dazwischen glitzerten Glasscherben und leuchtende Blumen. Über ihnen schwebten einsame, goldene Ballons.
"Noch kannst du gehen, Emily", sagte Sirius leise.
Emily schüttelte den Kopf, auch wenn ihr davon beinahe wieder schwindlig wurde. "Ich bleibe", sagte sie mit fester Stimme. Es war schließlich das mindeste was sie tun konnte, wenn die Todesser zum Fuchsbau kamen. Wenn die Todesser wirklich den Fuchsbau angreifen wollten, einen der wichtigsten Orte in ihrem Leben, dann würde sie hier bleiben und den Fuchsbau verteidigen. Außerdem konnten die Weasleys und der Orden jede Hilfe gebrauchen. "Ich bin volljährig, weißt du?"
Sirius schenkte Emily ein Lächeln. "Erst seit einem Tag", erinnerte Sirius sie leichthin, die Fröhlichkeit in seiner Stimme so im Kontrast zu seinem Lächeln, in dem so viel Traurigkeit lag, dass es Emilys Herz zusammenzog. "Dann lass uns zu den Anderen gehen."
Sophia eilte Sirius und Emily entgegen. Am Anfang des Abends war Sophias altrosa Kleid noch lang gewesen, doch nun hatte Sophia die Stoffbahnen gerafft und mit einem Knoten in ihrer Taille hochgebunden, so dass ihre schlanken Beine zu sehen waren. Anscheinend hatte sich auch Sophia für alles bereit gemacht.
"Emily, ich brauche deine Kette." Sophia streckte bereits die Hand aus.
Überrascht löste den Emily den Verschluss der Kette mit dem Smaragd, die Sirius einst Lily geschenkt hatte und reichte die Kette an Sophia weiter.
Als Sophias Zauberstab die Kette berührte, leuchtete das Silber für einen Moment blau auf. "Die Kette ist jetzt ein Portschlüssel." Sophia gab die Kette an Emily zurück. "Wenn irgendwas passiert, dann nutze ihn bitte. Er bringt dich nach Ynys Môn zurück."
"Okay", murmelte Emily und legte die Kette wieder um ihren Hals. Die filigrane Kette fühlte sich auf einmal schwerer an.
"Ich gehe davon aus, dass es heute Abend nicht zu einem Kampf kommt", sagte Sophia, "aber wenn, dann seid ihr vorbereitet. Bitte passt auf euch auf, bleibt wachsam."
"Du aber auch." Sirius gab seiner Frau einen langen Kuss. "Komm heil wieder zurück."
"Natürlich." Ein Grinsen tauchte auf Sophias Gesicht auf, bevor sie apparierte.
"Wo geht sie hin?", fragte Emily verwirrt.
"Der Orden hat damit gerechnet, dass das Ministerium früher oder später in die Hände der Todesser fallen wird", antwortete Sirius, "und dass es dann nicht lange wird, bis die Todesser sich den Orden vornehmen werden. Als die wichtigsten Ziele haben wir den Fuchsbau und das Haus von Andromeda identifiziert, deshalb sind Remus, Tonks und Sophia dorthin unterwegs. Wir denken, dass die Tonks auf jeden Fall angegriffen werden, da Bellatrix einen gewissen Hass gegen den Rest ihrer Familie hegt."
"Warum bist du nicht auch dort?", fragte Emily. Immerhin war es auch seine Familie. "Und was ist mit Ynys Môn?"
"Unser Zuhause ist gesichert, das Cottage kennt niemand", erwiderte Sirius. "Außerdem bist du hier." Er sah zu Emily. "Und fang bitte nicht an darüber zu diskutieren."
Emily klappte den Mund bei Sirius unerwartet strengen Ton den Mund wieder zu und nickte nur.
Endlich hatten sie sich einen Weg durch das Zelt bahnen können und erreichten die Tanzfläche, auf der sich schon die Weasleys und der Orden versammelt hatten, die Gesichter fest entschlossen in dem dämmrigen Licht.
Ari und Charlie, der erstaunlich nüchtern wirkte, dafür, dass er gerade noch mit Hagrid getrunken hatte.
Neben ihnen stand Yuna, die in einer Hand ihren Stab hielt und mit der anderen Hand Sirje.
Die Weasleys, ein eng verbundene Gruppe mit Ginny in der Mitte. Die Delacours, die das ganze Chaos erstaunlich gefasst aufnahmen. Fleur, immer noch wunderschön in ihrem hellen Brautkleid, aber so unglaublich wütend, mit Bill an ihrer Seite.
Inga, immer noch ein Lachen auf dem Gesicht, als sie mit Lasse flüsterte, und ihre Eltern.
Hagrid, der sie alle mit seiner massigen Gestalt, überragte und sich nervös über den Bart strich.
"Alles klar bei dir, Emily?", fragte Inga.
Emily nickte nur. Sie würde Inga später alles erzählen, nicht jetzt, wenn die Todesser jeden Moment auftauchen konnten. Die Luft um sie herum kribbelte elektrisch, vermutlich hatte jemand neue Schutzzauber beschworen, nicht so stark wie die alten, aber doch besser als nichts in der Kürze der Zeit. Es konnten nicht mehr als zwei, drei Minuten seit Kingsleys Nachricht vergangen sein.
"Glaubst du wirklich, dass die Todesser uns angreifen werden?", fragte Emily leise Sirius.
Sirius zuckte mit den Schultern. "Sie sind auf der Suche nach Harry, deshalb sind sie jetzt auf dem Weg zum Fuchsbau. Fürs Erste werden sie Informationen haben wollen und ihre neue Macht demonstrieren. Von daher können wir vielleicht darauf hoffen, dass wir einen Kampf vermeiden können. Es wäre besser für uns. Jeder Kampf ist ein Risiko für für uns alle."
Nicht jedes Ordensmitglied war ein Kämpfer, wie es Kingsley, Sophia oder Remus waren. Außerdem waren auch Gabrielle und die Delacours hier, die weder zu Lilium, noch zum Orden gehörten. Niemand wollte riskieren, dass einer von ihnen verletzt wurde. Nicht, wenn der letzte Kampf Mad-Eye das Leben gekostet hatte und George sein Ohr. Niemand wollte das Risiko eingehen, dass der Fuchsbau zerstört wurde, der immer noch das Heim der Weasleys war. Sie waren nicht irgendwo in der Luft, im Niemalsland.
Und es musste auch kein offenes Duell sein, allein, dass sie hier standen war Widerstand genug.
Dann brach die Stille: das fast schon ohrenbetäubenden Knalle, als mehrere Zauber schnell hintereinander apparierten und im Zelt auftauchten. Jeder von ihnen trug einen dunklen Umhang, aber keine silberne Maske. Die Zeiten, in denen sie sich hinter Masken verbergen mussten, waren längst vorbei.
An der Spitze der Gruppe stand Yaxley, einer der Todesser, der eigentlich in Askaban sitzen sollte. Aber keiner der Todesser, der dort sein sollte, blieb derzeit lang dort. Das Ministerium tat jedoch alles um den letzten Ausbruch zu vertuschen.
Hinter Yaxley standen Rookwood, Mulciber, Avery und Jugson. Emily erkannte sie Jugson vom Kampf im Astronomieturm, die anderen drei aufgrund von alten Fotos und Zeitungsartikeln, die Sophia und Sirius ihr im Laufe des Sommer gezeigt hatten, damit Emily wusste, wer da vor ihr stehen würde.
Auch wenn längst niemand mehr einen Überblick hatte, wer nun wirklich zu den Todessern gehörte. Es wurden mit jeder Woche mehr und mehr. Auch die weiteren Todesser erkannte Emily nicht. Sie schienen nur so jung zu sein, kaum ein paar Jahre älter als Emily. Zauberer, mit denen sie vermutlich zur Schule gegangen war. Die vielleicht in Aris, Charlies oder Bills Jahrgang gewesen waren oder bei Fred und George. Irgendwie ein bitterer Gedanke.
"Guten Abend." Yaxley war vorgetreten, die Stimme herrisch und befehlsgewohnt. Sein dunkler Umhang war aus einem feinen Stoff gewebt und das graue Haar war im Nacken zu einem ordentlichen Zopf gebunden. Nicht ein Haar saß fehl am Platz. "Es tut mir schrecklich Leid Sie an diesem Abend zu stören-" Sein Blick wanderte zu Fleur und Bill. "Meine herzlichen Glückwünsche natürlich an das Brautpaar."
Fleurs Gesicht verzerrte sich, ihre Hände fest in dem Brautkleid vergraben.
"Aber Sie wissen ja", fuhr Yaxley unbekümmert fort, "die Pflicht gegenüber unserer Gemeinschaft und unserem Ministerium gegenüber ruft, wann immer sie will." Seine Worte waren deutlich an Elina, Lasse, Michael und Mr Weasley gerichtet. "Als neuer Leiter für magische Strafverfolgung, bin ich heute in einer wichtigen Angelegenheit hier."
Niemand schien es für nötig zu halten Yaxley zu antworten oder auch irgendwie auf seine Worte zu reagieren.
"Zuerst muss ich Ihnen leider mitteilen, dass unser geschätzter Minister Scrimgeour leider kürzlich verstorben ist", sagte Yaxley. "Damit unsere Gemeinschaft in diesen schweren Zeiten jedoch nicht die Führung verliert, wurde unser geschätzter Kollege Pius Thicknesse als neuer Minister berufen. Wir sind doch alle sehr froh, dass Pius diese Aufgabe übernimmt, nicht wahr?"
Wenigstens schien Yaxley auch darauf keine Antwort zu erwarten. Die Bergströms sahen nicht sonderlich begeistert davon aus, dass Thicknesse seinen Posten als Leiter der Abteilung für magische Strafverfolgung aufgegeben hatte und Yaxley nun ihr neuer Vorgesetzter sein würde. Emily fragte sich, wie lange die drei wohl noch als Auroren arbeiten würden.
"Nun gut, nun gut", sagte Yaxley. "Kommen wir zurück zu dem Grund, aus dem wir heute hier sind." Aus seiner Robe, zog er einen zusammengerolltes Stück Pergament, was er einem der jüngeren Todesser in die Hand drückte. "Bring das Mr Black."
Der junge Todesser nickte und strebte sofort auf die Tanzfläche zu, wurde jedoch schnell von dem Schutzzauber aufgehalten.
"Man kann in diesen schweren Zeiten," sagte Sirius mit dem gleichen, tragenden Tonfall wie Yaxley, "nicht genug vorsichtig sein, nicht wahr? Wenn es schon unseren geschätzten Minister erwischt hat. Ex-Minister natürlich", verbesserte Sirius sich süffisant. "Das verstehst du doch, Corban."
Yaxley verzog kurz das Gesicht, als er von Sirius beim Vornamen genannt wurde. "Natürlich", erwiderte Yaxley versucht ungezwungen.
Sirius Hand passierte die Schutzzauber einfach und der junge Todesser drückte Sirius hastig die Botschaft in die Hand, nur um dann schnell wieder zu seinen Kameraden zurück zu kehren. Sirius nahm sich alle Zeit der Welt um das Pergament zu entrollen und den Inhalt zu studieren.
Sirius rollte das Pergament wieder zusammen. "Wie du sicherlich weißt, ist Harry Potter seit gestern volljährig und ich nicht mehr sein Vormund. Er ist jetzt für sich selbst verantwortlich und du wirst ihm die Vorladung wohl selbst überreichen müssen." Sirius machte eine kurze Pause um dann mit einem leichten Grinsen hinzuzufügen: "Corban."
Yaxley nickte und sah seltsam zufrieden aus, als hätt er genau das erreicht, wozu er hergekommen war. "Dann werden Sie wohl alle zu Harry Potter befragen müssen", sagte er. "Als seine Familie und Freunde sind Sie natürlich verdächtig und wir tun nur unsere Pflicht, das verstehen Sie doch?"
Knallend tauchten weitere Todesser auf, zwei, vier, sechs, sieben. Der Orden war nicht mehr eindeutig in der Oberhand, sollte die seltsame Stimmung umschwingen und es zu einem Kampf kommen.
"Fangen wir doch mit Miss Potter an." Yaxley bedeutete Emily mit einer ausladenden Bewegung näher zu treten.
Emily sah zu Sirius, unsicher was sie jetzt machen sollte. Sie traute Yaxley und seinen Begleitern kein bisschen über den Weg, aber sie wollte auch nicht Schuld an einem Kampf sein.
"Miss Potter wird sich deiner Befragung stellen", sagte Sirius mit unbewegter Miene, "aber sie wird hier bleiben und nicht ins Ministerium oder sonst an einen anderen Ort gebracht."
Yaxley legte den Kopf etwas schief. Jetzt kam es darauf an, ob die Todesser mehr an Informationen und einer Machtdarstellung interessiert waren oder an Emily selbst. "In Ordnung. Miss Potter, wenn Sie bitte herkommen würden."
Sirius seufzte und flüsterte Emily zu: "Solange Corban dich unter unserer Aufsicht befragt, spielen wir das Spiel fürs Erste mit. Derzeit will er kein Duell mit uns riskieren und keiner von uns weiß tatsächlich etwas über Harrys Verbleib. Und wenn du tatsächlich nach Hogwarts zurück möchtest, wirst du sicherlich irgendwann befragt werden. Besser du kannst jetzt zeigen, dass du nichts weißt."
Daran hatte Emily bisher überhaupt nicht gedacht. Auch wenn Hogwarts ein sicherer Ort war, würde ihr der Orden dort nicht mehr helfen können.
Emily trat aus dem Bereich der Schutzzauber hervor, Sirius dich neben ihr. Er ließ es sich nicht nehmen sie zu begleiten und dafür war sie ihm dankbar.
"Sirius, du kannst zurück bleiben", sagte Yaxley, der inzwischen an einem der Tische Platz genommen hatte. "Miss Potter ist schließlich auch volljährig."
"Gut aufgepasst, Corban", erwiderte Sirius ruhig, "aber Miss Potter gehört als meine Patentochter aus zum Haus Black und als Oberhaupt der Familie bin ich dabei, wenn Mitglieder meines Hauses befragt werden." Das war zwar nicht ganz richtig, denn Sophia war Emilys Patin, aber das wusste Yaxley ja nicht.
Emily hatte keine Ahnung, auf welche uralten Traditionen von Reinblutfamilien Sirius anspielte, aber Yaxley konnte offensichtlich schlecht etwas dagegen sagen. Mit grimmiger Miene, ließ er zu, dass Sirius bei Emily blieb.
Auf ein Zeichen von Yaxley traten auch Rookwood, Avery, Mulciber und Jugson vor, die die Befragung der Anderen vornehmen würden. "Miss Tarjonen." Yaxley wandte sich Yuna zu, die überrascht dreinsah, hatte sie sich doch bisher im Hintergrund gehalten. "Sie können natürlich gerne gehen. Aber bestellen Sie doch ihrer Mutter unsere besten Grüße."
Yuna stützte sich weiter auf ihren Stab und blickte ziemlich unbeeindruckt drein, trotz der Tatsache, dass Yaxley mehr an der Macht ihrer Familie interessiert war. "Ich denke ich werde noch bleiben und mir einen Eindruck von Ihrer Arbeit verschaffen, Mr Yaxley. Ich würde der Präsidentin der Magischen Gemeinschaft in Estland gerne einen wahrheitsgemäßen Bericht über Ihren-" Ein belustigstes Funkeln blitzte kurz in ihren Augen auf. "Wie sagen die Engländer? Club? Ja, über Ihren Club erstatten."
An Yaxleys Auge begann eine Ader zu zucken, aber er konnte schlecht potenzielle Verbündetete, zu denen die Präsidentin trotz der wiederholten Ablehnung weiterhin zählte, verprellen. Also ignorierte er Yuna und konzentrierte sich lieber auf Emily, die nun gegenüber von ihm an einem der Tische Platz genommen hatte.
"Also Miss Potter", begann Yaxley. "Können Sie mir sagen, wo Ihr Bruder ist?"
***
Längst wusste Emily nicht mehr, wie oft sie schon auf dem Stuhl vor Yaxley gesessen hatte und die immer gleichen Fragen beantwortet hatte.
Wo war Harry Potter?
Wissen Sie, was Harry Potter vorhat?
Wo sind Ron Weasley und Hermine Granger?
Was hat Harry Potter mit dem Tod von Albus Dumbledore zu tun?
Emilys Antwort war immer die gleiche. Ich weiß es nicht.
Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht.
Jedes Mal, wenn sie diese Worte aussprach, diese bittere Wahrheit, zog sich etwas in ihr zusammen, splitterte etwas in ihr. Sie wusste nicht wo ihr Bruder, wusste nicht was er tat. Nur, dass er eine Mission hatte, eine Mission so gefährlich und vielleicht auch so tödlich, dass er ihr kein Wort verraten wollte.
Objektiv gesehen wusste sie doch längst, warum Harry kein Wort gesagt hatte. Hatte es längst verstanden. Die Tatsache, dass sie jetzt vor Yaxley saß und abertausende Fragen beantworten musste, bewies doch eigentlich nur, dass Harry Recht daran getan hatte ihr nichts zu verraten.
Sie wusste selbst nicht, warum sie das so mitnahm, warum sie es nicht akzeptieren konnte. Aber all die Geschehnisse der letzten Wochen, der letzten Tage hatten sie rau und müde zurück gelassen.
"Wo ist Harry Potter?" Yaxleys Stimme riss Emily aus ihren Gedanken.
"Ich weiß es nicht", antwortete Emily monoton.
An den Tischen neben ihr wurden Mr und Mrs Weasley von Rookwood verhört, Sirius von Avery und die Weasley-Zwillinge von Mulciber. Auch wenn Mulciber immer irritierter aussah, denn die Zwillinge beantworteten ständig die Fragen des jeweils anderen.
"Schicken Sie Miss Weasley her." Die Befragung war fürs Erste für Emily wieder beendet. Langsam stand sie auf und trottete zurück zur Tanzfläche, während Ginny Emilys Platz einnahm. Irgendjemand musste Yaxley verraten haben, dass Emily und Ginny von allen Anwesenden Harry am nächsten standen, denn keiner wurde so oft wie sie nach vorne geholt.
Die restlichen Todesser hatten die Tanzfläche umzingelt, zwei von ihnen traten beiseite um Emily passieren zu lassen. Keiner von ihnen hatte die Zauberstäbe gezogen, es war kein Wort von Zwang gefallen, doch alle wussten, dass es sich innerhalb von Sekunden ändern konnte.
Noch war Yaxley mehr an Informationen als an einem Kampf interessiert.
Noch waren die Namen Black und Bergström etwas wert.
Noch trug der Name Tarjonen die Macht der estnischen Präsidentin.
Noch war das reine Blut in den Adern der Weasleys und von Sirius etwas wert, auch wenn sie längst als Blutsverräter galten.
Aber das Gleichgewicht, das Machtgefüge zwischen ihnen und den Todessern war fragil. So fragil, dass es jeden Moment in die falsche Richtung kippen konnte.
Aber niemand wollte riskieren, dass einer von ihnen für Antworten gefoltert wurde. Dass Gabrielle oder die Delacours in Gefahr gerieten. Dass die Todesser Emily mitnahmen. Dass der Fuchsbau zerstört wurde.
Und so machte jeder gute Miene zum bösen Spiel und antwortete auf Yaxleys Fragen. Doch niemand wusste etwas und mit jeder Antwort, die er nicht bekam, wurde Yaxley wütender und ungeduldiger. "Durchsucht das Haus", befahl Yaxley irgendwann nach Mitternacht.
Mrs Weasley schluchzte auf, Mr Weasley mit steinernem Gesicht daneben. Aber alles was sie fanden, war Ron auf dem Dachboden, der dort mit Griselkrätze lag und niemand anfassen wollte. Schwach erinnerte sich Emily an den Ghul, der dort hauste, aber selbst die Todesser waren nicht so dämlich und konnten einen Ghul mit Ron verwechseln. Vielleicht ein Ablenkungsmanöver?
"Miss Potter, kommen Sie bitte erneut nach vorne", herrschte Yaxley Emily an.
Seufzend trat Emily nach vorne und ließ sich auf den Stuhl fallen. Am liebsten wäre sie an Ort und Stelle eingeschlafen, aber Yaxleys Fragen kamen immer schneller und schneller, in der Hoffnung, dass Emily sich vielleicht irgendwann verraten würde.
"Ich weiß es nicht", wiederholte Emily müde, "ich weiß es nicht." Krampfhaft versuchte sie wach zu bleiben. Diese endlosen Fragen zermürbten sie langsam.
Es war in den frühen Morgenstunden, als Yaxley aufstand. "Nun, scheinbar wissen Sie tatsächlich nichts." Er strich seine immer noch makellosen Roben wieder glatt. "Ich denke wir können die Befragung für heute beenden. Ich darf Sie jedoch erinnern Ihre Abstammungsnachweise zu erstellen und zu pflegen." Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf Sirius. "Sirius, ich habe hier ein weiteres Dokument für dich."
Erneut sprang der junge Todesser auf und überbrachte das Dokument an Sirius.
"Nachdem wir deine Frau hier nicht angetroffen haben, bitte ich dich diese Vorladung ihr zu überbringen", sagte Yaxley, ein seltsam zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht.
"Nachdem die Vorwürfe haltlos sind", sagte Sirius, "werde ich nichts tun." Er stopfte das Dokument ungelesen in seine Hosentaschen.
"Deine Frau wird der Registrierung und einer Gerichtsverhandlung zu der Herkunft ihrer Magie nicht entgehen können", sagte Yaxley langsam.
Langsam verstand Emily, was in dem Dokument stehen musste. Sophia war muggelstämmig und daher nach den neuen Gesetzen zur Registrierung verpflichtet. Als muggelstämmige Hexe oder Zauberer war man zudem automatisch dem Verdacht ausgesetzt die Magie einer anderen Hexe oder Zauberer gestohlen zu haben.
Yaxleys letzter Versuch ihnen etwas auszuwischen.
"Denken Sie an Ihre Nachweise", wiederholte Yaxley warnend. "Sie möchten sicherlich nicht dem Beispiel von Sophia Jones folgen. Ansonsten halten Sie sich bitte für eventuelle weitere Befragungen durch das Ministerium bereit. Auf Wiedersehen."
"Mrs Jones-Black", murmelte Sirius, doch das Apparieren von Yaxley und den Todessern übertönten seine Worte. "Ihr Name ist Sophia Jones-Black. Und sie ist eine bessere Hexe als du, Corban."
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