43. Rückkehr

43. RÜCKKEHR

"Gibt es niemanden, der sonst helfen kann?", fragte Charlie. Trotzdem legte er bereits die Schürze ab und hing sie ordentlich an einen Haken an der Tür.

Ari zuckte mit den Schultern. "Scheinbar nicht. Ich weiß auch nicht, wer bereits alles in Hogwarts ist. Und wenn Mad-Eye und Kingsley noch arbeiten, können die auch nicht weg. Ich glaube nicht, dass Dumbledore das Ministerium wissen lassen möchte, was heute Nacht in Hogwarts vor sich geht."

Vor allem, dann nicht wenn Malfoy Dumbledores Abwesenheit nutzen wollte, um etwas anzustellen. Bei der derzeitigen Lage würde sich das Ministerium eher auf die Seite von Malfoy und der Todesser stellen, als dem Orden zu glauben. "Wie kommen wir dann nach Hogwarts?", fragte Emily.

"Du bleibst hier, Emily", erwiderte Charlie sofort.

"Nein." Emily verschränkte die Arme vor der Brust. "Wenn es um meinen Bruder geht, dann bleibe ich garantiert nicht hier."

"Woher weißt du, dass Harry mit Dumbledore gegangen ist?", fragte Ari mehr neugierig als verwirrt. "Oder ist das so ein Zwillingsding?"

"Emily, du bist noch keine siebzehn und wir sind für dich verantwortlich", sagte Charlie streng.

"Ich bin trotzdem Mitglied von Lilium und ich komme mit." Emily hob die Galleone so hoch, dass Charlie sie sehen konnte und schnappte dann die Hand zu. "Oder ihr könnt es selbst herausfinden."

Ari blickte neugierig zwischen Charlie und Emily hin und her, schwieg jedoch.

Ein Funke blitzte in Charlies Augen auf, bevor seine Mundwinkel anfingen zu zucken. "Dein Pokerface ist immer noch beschissen."

Aber Emily kümmerte das nicht. Das einzige was zählte, war dass sie mit nach Hogwarts durfte. Ihr Bruder war in Gefahr und sie würde nicht tatenlos sitzen bleiben. Auch wenn sie derzeit am anderen Ende der Welt saß. "Ist mir egal."

"Nun, denn", sagte Charlie langsam, "bevor du am Ende noch einen Weg findest nach Hogwarts zu apparieren, sollten wir dich besser mitnehmen."

"Sophia wird bald hier sein um uns abzuholen", erzählte Ari. "Emily, zieh deine Drachenlederjacke an, du wirst sie gebrauchen können. Außerdem kannst du dann Sirje helfen. Sie packt auch schon. Yuna kommt auch mit, mehr können wir von Lilium nicht schicken. Irgendwer muss sich auch noch um die Drachen kümmern. Und die meisten sind noch weiter weg als wir."

"Dann hoffen wir mal, dass wir nicht noch weitere Verstärkung gebrauchen", murmelte Charlie und verschwand aus der Werkstatt, vermutlich um sich ebenfalls umzuziehen.

"Das hoffe ich auch", sagte Ari leise.

Emily nickte nur. Manchmal war es leicht zu vergessen, dass der Orden des Phönix nicht groß war. Dass sie alle noch eine andere Aufgabe hatten, dass sie nicht alle Kämpfer, Drachenzähmer oder Aurorinnen waren, dass nicht alle von ihnen jung und stark waren.

Aber bevor es sich einer der beiden noch einmal anders überlegen konnte, rannte Emily auch los. In ihrer Kammer riss sie die Jacke und die Hose aus der Kommode, sich nicht darum kümmernd, dass ihre anderen Klamotten auf dem Boden landeten. Ein winziges bisschen an Vorfreude stieg in Emily auf, doch sie erstickte das Gefühl wieder. Es war eine ernste Mission und da war kein Platz für Vorfreude.

In der Küche traf sie dann auch wieder auf Sirje, die ebenfalls ihre Jacke trug. Das Schwarz bildete einen harten Kontrast zu der weichen Heilerin mit dem ernsten Gesicht. Ihre langen, blonden Haaren waren zu einem strengen Zopf geflochten und wie eine Krone um ihren Kopf gebunden.

Sirje hatte eine grüne Binde um ihren rechten Arm gebunden, darauf eingestickt ein Zauberstab und ein Knochen, die sich kreuzten. Es war das internationale Erkennungszeichen für Heilerinnen und Heiler. Als solche war Sirje durch ihren Eid verpflichtet in jeder Situation jedem Menschen zu helfen, egal auf welcher Seite er oder sie stand.

Sirje drückte Emily mit grimmiger Miene eine schwarze Ledertasche in den Arm. Emily ging unter dem Gewicht leicht in die Knie. "Was hast du alles eingepackt?", fragte Emily und legte erst einmal einen Federleicht-Zauber auf die Tasche.

"Alles, was meine Vorräte für Lilium so hergeben", erwiderte Sirje, der kehlige Akzent auf einmal noch stärker hörbar. "Ich möchte vorbereitet sein."

Emily rann es kalt den Rücken runter. "Glaubst du, dass es so schlimm sein wird?"

"Nein." Sirjes Gesicht wurde sanfter. "Aber ich bin gerne auf alles vorbereitet."

"Das sagt sie vor jedem Urlaub auch." Yuna war in die Küche geplatzt und grinste Sirje und Emily an. "Gut, dass wir zaubern können. Naja, auf jeden Fall verschieben wir unser Date wohl besser auf morgen, oder?" Sie gab Sirje einen Kuss.

Es wäre ein freier Abend für Yuna und Sirje gewesen. "Gerne. Aber ich darf mir aussuchen, ja?" Sirje lächelte.

"Alles was du willst." Yuna grinste immer noch. "Wir sollen uns bei Ari versammeln."

Emily ließ die beiden vorgehen und kramte dann im Gehen ihre Galleone aus der Jackentasche. Es gab keine neue Nachricht von Inga. Ob das jetzt ein gutes Zeichen war, wusste Emily nicht.

Der Orden weiß Bescheid. Ari, Charlie, Yuna, Sirje und ich sind auf dem Weg. - EP.

Charlie und Ari hockten auf den Stufen der Veranda vor ihrer Hütte. An einer der Säulen lehnte Sophia, ebenfalls dunkel gekleidet und die Haare streng zusammengebunden. Trotz ihrer unbekümmerten Haltung, strahlte Sophia eine stille Energie aus.

"Hallo Emily", sagte Sophia leise lächelnd. "Ich hab gehört, dass du uns begleitest."

"Wenn Harry in Gefahr ist, dann bleibe ich doch nicht hier", erwiderte Emily entrüstet. Einzig die Tasche mit Sirjes Medikamenten hielt Emily davon ab die Hände in die Seiten zu stemmen.

"Alles gut", sagte Sophia. "Wenn ich eins gelernt habe, dann dass man die Potters nicht aufhalten kann, wenn ihre Freunde in Gefahr sind." Für einen winzigen Moment verschwand das Licht in ihren dunklen Augen, als ob sie sich an eine andere Nacht erinnerte. Doch schnell hatte Sophia sich wieder gefangen. "Danke, dass ihr alle mit nach Hogwarts kommt. Der Orden kann leider diese Nacht nicht so viele Leute abstellen. Mad-Eye und Kingsley stehen unter Beobachtung und der Rest ist nicht für einen eventuellen Kampf gerüstet. Außerdem kann es nicht schaden euer Wissen zur Seite haben."

Das Wissen, das Lilium eben so einzigartig machte. Das Wissen, dass sie untereinander teilten. Das Wissen, dass ihnen einen möglichen Vorteil verschaffte.

"Wir reisen gleich mit einem Portschlüssel nach Hogwarts." Sophia zog ein Seil aus ihrer Jackentasche. "Bitte stellt euch auf."

Portschlüssel durften, so hatte Emily es inzwischen gelernt, nur von dazu autorisierten Personen hergestellt werden, um einen Missbrauch zu verhindern. Als Aurorin war Sophia dazu befugt solche Portschlüssel herzustellen, im Gegensatz zu den Anderen. Dass sie inzwischen ehemalige Aurorin war, störte Sophia nicht wirklich.

Es gab ein kleines Durcheinander, bis alle ihre Plätze eingenommen hatten. Mit einem Ruck verschwand das Reservat vor Emilys Augen und alles drehte sich. Die Reise kam ihr dieses Mal ewig vor, vielleicht lag es daran, dass zwischen Rumänien und Schottland doch eine ganz schöne Strecke lag.

Schwankend landete Emily auf ihren Füßen, die Wände um sie herum drehten sich noch fröhlich weiter. Emily tastete nach vorne und stütze sich dann auf einem Tisch vor ihr ab, sie ging zumindest davon aus, dass es ein Tisch war.

"Oh, man. Das ist schlimmer als eine Achterbahn", stöhnte Yuna neben Emily. "Wie kannst du das nur so ruhig ertragen?"

"Jahrelange Übung", antwortete Sophia belustigt, "und ein wirklich verrückter Quidditchkapitän."

Emily blinzelte und langsam drehte sich auch nicht mehr alles. Sie erkannte, dass Sophia seelenruhig am Lehrertisch lehnte. Die Gruppe war im Klassenzimmer für Zauberkunst gelandet.

Professor Flitwick wartete bereits auf sie. "Gut, dass Sie alle da sind. Wir können jeden von Ihnen gebrauchen. Albus hat die Schutzzauber auf der Schule für heute Nacht noch einmal deutlich verstärkt, auch die Geheimgänge sind verschlossen worden. Ein- und Ausgänge werden von den Lehrern bewacht."

Unterstützt wurden die Lehrer von Remus, Bill und Sirius, die bereits nach Hogwarts geeilt waren. Es war Professor McGonagall gewesen, die doch den Orden informiert hatte, was aber niemand den Schülern gesagt hatte. In Hogsmeade hatte das Ministerium Auroren stationiert, doch diese sollten vorerst außen vor bleiben, da niemand einschätzen konnte, ob die Auroren wirklich vertrauenswürdig waren.

Auf Sophias Nicken hin, verschwanden Ari, Charlie und Yuna aus dem Klassenzimmer, vermutlich auf der Suche nach den anderen Ordensmitgliedern. Auch Professor Flitwick verließ den Raum, er war auf dem Weg um Professor Snape zu alarmieren. Emily wollte sich mit Sirje auf dem Weg zum Krankenflügel machen, doch Sophia hielt sie noch auf.

"Emily, woher weißt du eigentlich, dass Harry in Gefahr sein könnte?", fragte Sophia. "So gut kann eure Verbindung nicht funktionieren."

"Woher weißt du überhaupt von der Verbindung zwischen Harry und mir?", antwortete Emily lieber mit einer eigenen Frage.

"Harry hat uns letztes Jahr davon erzählt", erklärte Sophia. Nach Hogsmeade. Soviel musste Sophia gar nicht sagen.

Emily nickte nur. Aber da sie bereits Charlie das Geheimnis der Galleone verraten hatte, konnte sie es Sophia ebenfalls verraten. Über Lilium würde sie es sowieso erfahren. Also zog sie die Münze aus ihrer Jackentasche hervor und reichte sie Sophia. "Darüber."

Sophia runzelte die Stirn und betrachtete die Münze von allen Seiten. Mit ihren Zauberstab ließ sie ein paar Zauber zur Entdeckung von schwarzer Magie darüber laufen, doch das Ergebnis war negativ. "Wie könnt ihr euch darüber Nachrichten schicken?"

"Hermine hat die Münzen erfunden und verzaubert", erklärte Emily, "wir haben sie genutzt um allen die Zeiten für die Treffen der DA mitzuteilen. Die Seriennummer kann sich ändern. Ich habe den Zauber dann so modifiziert, dass man sich auch längere Nachrichten senden kann. Die Nachrichten können nur von der Person gelesen, der die Galleone gehört."

"Wer hat alles noch so eine Galleone?", wollte Sophia wissen.

"Mehrere Leute", antworte Emily ausweichend. Es stimmte ja auch irgendwie: es besaßen nicht alle Mitglieder der DA eine modifizierte Münze, da der Aufwand zu groß gewesen wäre. Nur der Kreis um Emily und Harry hatte solche Münzen. Sie würde den Teufel tun und die Anderen verraten. Auch wenn Sophia es sich sicherlich zusammenreimen konnte.

Sophia nickte nur. "Das habe ich mir schon gedacht."

"Ich habe nichts erzählt was ich nicht erzählen durfte", erklärte Emily schnell. "Ich hab noch nicht mal Inga erzählt, wo ich war. Meistens haben wir uns einfach nur unterhalten. Ich wollte wissen, was in Hogwarts los war." Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

Sophia betrachte ihr Patenkind für einen Moment und warf ihr dann die Münze wieder zu. "Hier. Aber nur, wenn ihr noch ein paar herstellt. Ich will auch so eine." Sie grinste. "Ich bin beeindruckt von Hermine. Und von dir auch." Sophia stieß sich vom Tisch ab und verließ den Raum, ohne Zweifel auf der Suche nach Sirius.

Fassungslos starrte Emily Sophia hinterher. Mit so einer Reaktion hatte sie jetzt nicht gerechnet. Aber gut, Sophia war nicht umsonst mit einem der Rumtreiber verheiratet. Emily schüttelte den Kopf und verstaute die Münze wieder in ihrer Jackentasche. Sie bedeutete Sirje ihr zu folgen, denn ohne Hilfe würde sich Sirje auf dem Weg in den Krankenflügel hoffnungslos verlaufen.

Madam Pomfrey eilte kreuz und quer über die Krankenstation und bereitete Betten vor, stellte Verbände und Zaubertränke bereit, die sie hoffentlich in dieser Nacht nicht brauchen würden. Sie blickte erstaunt auf, als Emily ihm Krankenflügel auftauchte. "Miss Potter, Sie habe ich hier als allerletztes erwartet."

Emily grinste verlegen. "Ich werde versuchen mich auch den letzten Rest des Schuljahres vom Krankenflügel fernzuhalten." Es musste nun wirklich nicht zu einer Tradition werden, dass sie jedes Schuljahr mehrere Wochen im Krankenflügel verbrachte. Es hatte ihr im ersten, zweiten, dritten und erst Recht im vierten Schuljahr definitiv gereicht. Dass sie im fünften Jahr nicht so viel in Hogwarts Krankenflügel gewesen war, lag auch nur daran, dass sie in einem Krankenflügel am anderen Ende von Europa gelegen hatte.

"Wie geht es Ihnen?", erkundigte sich Madam Pomfrey. "Haben Sie Ihre Verletzungen gut überstanden?"

"Ja, alles wieder bestens." Emily lächelte. "Das habe ich alles Sirje zu verdanken."

"Ich bin hier um Ihnen heute Abend zu helfen", sagte Sirje. "Ich bin Sirje Johansen, Heilerin in Ausbildung im Drachenreservat."

Madam Pomfrey strahlte Sirje an. "Kommen Sie nur herbei. Für Hilfe bin ich immer dankbar." Und schon waren die beiden in ein Fachgespräch vertieft, von dem Emily nichts verstand. Das nahm sie als ihr Zeichen zu verschwinden.

Vor dem Krankenflügel blieb Emily unschlüssig stehen. Sie wusste nicht, wo sie am besten mit der Suche nach ihren Freunden anfangen sollte oder ob sie erst ihren Bruder suchen sollte. Sie war sich nicht sicher, ob Harry und Dumbledore bereits von ihrer Mission zurück waren. Sie rieb sich über das Brustbein. Bisher hatte sie noch keine weiteren Warnzeichen von Harry gespürt. Nur Stress und Anspannung, aber das war in einer Nacht wie dieser wohl normal.

***

Es war komisch nach so langer Zeit wieder in Hogwarts zu sein. Vor allem, weil sich Emily die Rückkehr etwas anders vorgestellt hatte. Die Gänge lagen still und verlassen vor ihr, während das einzige Licht die wenigen Fackeln und das Mondlicht waren. Es war lange her, dass sie einmal nachts durch die Gänge geschlichen war. Emily konnte sich schon gar nicht mehr daran erinnern, wann das letzte Mal gewesen war.

Hoffentlich begegnete sie nicht Filch und Mrs Norris, darauf konnte sie nun wirklich verzichten. Die beiden hatte sie nicht vermisst. Vom Krankenflügel im ersten Stock wandte Emily sich auf den Treppen nach oben. Wenn Malfoy angeblich im Raum der Wünsche war, dann war die Chance vermutlich groß, dass jemand den Raum bewachte und darauf wartete, dass Malfoy wieder heraus kam, oder? Um die Karte des Rumtreibers aus Harrys Schlafsaal zu stehlen, blieb keine Zeit.

Emily versuchte so schnell wie möglich die Treppen hinauf zu sprinten. SIe hatte auch vergessen, was für ein Sportprogramm es war jeden Tag diesen Treppen rauf und runter zu rennen. Wenigstens waren ihr ausnahmsweise die Treppen wohl gewogen und änderten nicht plötzlich ihre Richtung, wenn Emily auf ihnen stand oder rannte.

Im sechsten Stock traf sie auf Sirius und Remus, die aus einem der Gänge auftauchten. Die beiden blieben abrupt stehen, als sie Emily sahen.

"Was machst du denn hier, Emily?", fragte Remus erstaunt. "Ich dachte nicht, dass sie dich mitnehmen-"

"Ich habe ihnen keine andere Wahl gelassen", erklärte Emily und lehnte sich gegen die Brüstung. Die Treppen hatten sie doch etwas aus der Puste gebracht. "Ari, Charlie, Yuna und Sirje sind auch hier, falls ihr sie noch nicht gesehen habt."

"Charlie ist uns kurz begegnet", antwortete Remus. "Aber das erklärt noch nicht, warum du hier bist."

Emily zuckte mit den Schultern. Eigentlich wunderte es sie ja schon ein bisschen, dass Sophia sie trotz des Vergleiches zu ihrem Vater ohne Widerrede mitgenommen hatte, aber sie beschwerte sich nicht.

"Ich glaube, nachdem Emily sich der nächsten Widerstandsorganisation angeschlossen hat, hat Sophia wohl beschlossen, dass es keinen Zweck hat, dich von irgendwas fernzuhalten." Sirius deutete auf ihre Jacke aus Drachenhaut. "Ihr könnt mich Sherlock nennen."

Emily grinste. Vielleicht war es aber auch nur ein winziges bisschen auffällig, dass sie alle die gleiche Jacke aus diesem ungewöhnlichen Material trugen. "Ich gehe nicht wieder zurück."

"Wie gesagt, es hat keinen Zweck mehr dich von irgendwas fern zu halten", wiederholte Sirius. "Außerdem bin ich mir sicher, dass deine Freunde hier auch irgendwo sind."

"Sirius, du solltest sie nicht auch noch ermutigen", sagte Remus mit einem Kopfschütteln.

Sirius zuckte nur mit den Schultern und schlang einen Arm um Emily um sie an sich zu ziehen. "Trotzdem schön, dass du hier bist."

Emily lachte. "Ich freu mich auch euch zu sehen." Sie wurde wieder ernst. "Wisst ihr wo Inga und Hermine stecken? Eigentlich bin ich auf der Suche nach ihnen."

"Bisher ist uns kein Schüler begegnet", sagte Remus nachdenklich. "Aber wir sind seitdem wir hier sind, auch auf Patrouille im sechsten Stock."

"Ja, McGonagall hat uns direkt zum Arbeiten eingeteilt", fügte Sirius hinzu.

"Professor McGonagall, Sirius."

Emily musste ein Grinsen unterdrücken, als Remus automatisch Sirius korrigierte, obwohl sie wusste, dass beide Professor McGonagall inzwischen duzen durften. Wahrscheinlich konnte Remus das auch noch im Schlaf.

Dumpfe Schreie ertönten. Türenknallen. Gebrüllte Befehle. "Lumos", schrie jemand.

Emily, Remus und Sirius erstarrten und lauschten für einen Moment. Sirius war der Erste, der los sprintete, die beiden anderen dicht hinterher. Die Schreie waren aus dem siebten Stock gekommen.

"LUMOS MAXIMA."

"Das kannst du auch lassen, bringt sowieso nichts mehr."

"Ich habe ein ernstes Wort mit den beiden zu reden."

Eine dichte Wand aus Dunkelheit erwartete Emily, Remus und Sirius, kaum, dass sie die letzten Stufen genommen hatten. Remus und Sirius zückten sofort ihre Zauberstäbe und feuerten Zaubersprüche ab um die Dunkelheit aufzulösen.

Doch Emily kannte diese Dunkelheit. "Das hat keinen Zweck", sagte sie und bedeutete Remus und Sirius mit den Zaubern aufzuhören. "Peruanisches Instant-Finsternispulver. Da hilft kein Zauber. Wir können nur abwarten bis es sich wieder legt." Aus Erfahrung wusste sie, dass das schon mal gut und gerne eine halbe Stunde dauern konnte. Sie meinte zwar die Stimmen in der Dunkelheit erkannt zu haben, nämlich Ginny und Ron, doch lieber richtete sie ihren Zauberstab auch auf die Schwärze, wer weiß wer sich da sonst noch verbarg.

Die Stimmen näherten sich langsam und gemessen an den Schimpfwörtern, die fielen, konnte es ihnen nicht allzu schlecht gehen. Inga und Ron schimpften nämlich beiden wie die Rohrspatzen über Fred und Georges Erfindung und darüber an wen sie das Zeug alles verschacherten. Nacheinander stolperten tatsächlich Inga, Ron, Neville und Ginny aus der Dunkelheit.

"Endlich", seufzte Ron.

"Was ist passiert?", wollte sofort Remus wissen. "Seid ihr verletzt?"

"Malfoy", antwortete Ginny grimmig. "Harry hatte Recht. Malfoy hat sich im Raum der Wünsche verbarrikadiert und irgendwas gemacht. Wir haben den Gang überwacht und sollten aufpassen, wenn er den Raum verlässt."

"Und als er sich endlich dazu bequemt hat, hat er das Licht ausgemacht", mischte sich Inga ein, "bei dem Zeug sieht man ja echt nix mehr und Lumos hilft nicht. Malfoy hatte so eine komische Mumienhand bei sich, man hats kurz sehen können. Und die Hand hat geleuchtet, so dass Malfoy der Einzige war, der etwas gesehen hat."

"Die Hand des Ruhmes", erklärte Sirius, der sich mit schwarzmagischen Artefakten auskannte. "Hat meine Mutter mal überlegt meinem Vater zum Geburtstag zu schenken. Leuchtet nur für denjenigen, der sie hält."

"Was hat das mit Ruhm zu tun?", fragte Ron. Emily hatte sich ehrlich gesagt die Frage auch schon gestellt.

"War noch jemand bei Malfoy?" Remus reagierte nicht auf Rons Frage. "Konntet ihr sonst noch etwas sehen?"

Die vier schüttelten den Kopf. "Man hat mehrere Stimmen gehört, aber niemand den ich erkannt habe", antwortete Inga. "Bestimmt waren es Todesser. Und wenn ihr ihnen nicht begegnet seid, dann sind sie wohl in die andere Richtung geflohen. Es war ein bisschen schwer so im Dunklen."

"Ihr habt das völlig Richtige getan", versicherte Remus ihr. Er runzelte die Stirn. "Der Gang führt in der anderen Richtung zu den Türmen, oder Sirius?"

Sirius legte den Kopf schief. "Ja, zum Astronomieturm. Für Ravenclaw und Gryffindor müsste man hier abbiegen. Keine Geheimgänge, keine Abkürzungen hier oben. Aber was bringt ihnen der Astronomieturm?"

"Einer von denen hat vom Dunklen Mal gesprochen", meldete sich zum ersten Mal Neville zu Wort. Neville war im letzten Jahr ganz schön gewachsen, ihm fehlte nicht mehr viel zu Rons Größe. Man sah ihm an, dass er regelmäßig trainierte. Nicht nur körperlich, sondern dass er nicht der mehr der kleine, schüchterne Junge war, sondern viel selbstbewusster und in sich gewachsen. "Der Astronomieturm ist der höchste Turm Hogwarts, der nicht eins der Häuser beherbergt."

"Sehr gut, Neville", sagte Remus lächelnd und Neville grinste schief, als er das Lob seines ehemaligen Professors hörte.

"Wir sollten los", drängte Sirius. Er war der Erste, der sich umdrehte um die Treppen wieder herunter zu rennen. Da der Gang Richtung Astronomieturm immer noch stockdunkel war, blieb ihnen nur der Weg über den sechsten Stock.

Remus bedeutete den Schülern, hinter ihnen zu bleiben, während sie Sirius folgten. "Haltet eure Zauberstäbe bereit." Zuerst beschwörte er noch seinen Patronus hinauf, einen riesigen Wolf und schickte ihn mit einer Nachricht zu den anderen. Fasziniert sahen sie dem silbrigen Tier hinterher, sogar Emily, die diese Art Nachrichten zu versenden, schon öfters gesehen hatte.

"Wo ist Hermine eigentlich?", fragte Emily. Sie lief neben Inga und Ginny her.

"Mit Luna und Leo in den Kerkern", antwortete Ginny. "Sie überwachen Snape."

"Flitwick war auf dem Weg dorthin", berichtete Emily. "Er wollte Snape um Hilfe bitten."

"Naja mit den Dunklen Künsten kennt er sich ja aus", murmelte Inga.

"Seid ihr die Einzigen von Dumbledores Armee?", wollte Emily noch wissen.

"Vorerst ja", sagte Inga. "Aber die Anderen wissen Bescheid und stehen für den Notfall bereit. Außerdem sollen sie erst einmal auf die jüngeren Schüler aufpassen, wir wissen ja immer noch nicht was uns hier eigentlich genau erwartet."

"Harry hat mal wieder keine klaren Informationen hinterlassen", fügte Ginny hinzu. Sie verdrehte die Augen.

"Wenigstens ist tatsächlich Verstärkung angerückt", sagte Inga. "Und ich will wissen, woher du deine Jacke hast. Ich will auch so eine."

"Später-" Emily wurde unterbrochen, denn am Ende des Ganges tauchten Sophia, Ari, Charlie, Bill und Yuna auf.

"Wir haben deine Nachricht erhalten, Remus", rief Sophia ihnen entgegen. Die Gruppe schloss zu ihnen auf. Hastig berichtete Sophia, dass ihnen bisher nichts Verdächtiges in Hogwarts aufgefallen war.

"Gut, dann machen wir uns auf dem Weg zum Astronomieturm", sagte Sophia. "Remus, Charlie, Yuna, ihr bildet die Nachhut. Ari, Sirius ihr geht mit mir vor. Die DA bleibt in der Mitte zusammen mit Bill. Zauberstäbe immer bereit halten, versucht einen Schildzauber über euch zu legen und ihn zu halten. Wir wissen nicht was uns erwartet. Verstanden?"

Es gab ein kurzes Durcheinander bis alle ihre Positionen eingenommen hatten. Ein bisschen Stolz erfüllte Emily, als sie merkte, dass Sophia die DA so ernst nahm. "Protego", murmelte Emily und versuchte den Schildzauber so zu formen, dass er sie wie eine Blase umgab. Die Schwierigkeit war ein bisschen den Zauber aufrecht zu erhalten, als Sophia das Signal zum Loslaufen gab und sie sich in Bewegung setzen. Nach ein paar Schritten hatte Emily den Dreh raus und versuchte sich neben dem Zauber noch auf ihre Umgebung zu konzentrieren.

Der Gang zum Astronomieturm war lang und schmal, dafür dank der vielen Fenster an beiden Seiten durch das Mondlicht hell erleuchtet. Die Porträts an den Wänden waren hellwach, beäugten die Gruppe misstrauisch, aber blieben stumm. Nur wenige tuschelten leise mit ihren Bildgenossen. Ohne Frage hatte die Nachricht, dass Todesser in Hogwarts waren, schon die Runde gemacht.

Doch es hätte sich niemand die Mühe machen müssen, leise zu bleiben, denn die Todesser um Malfoy waren schon von Weitem zu hören. Sie johlten und lachten unbekümmert, sie wussten längst, dass sie entdeckt worden waren.

"Schildzauber, jetzt sofort", sagte Sophia leise. Ihr Schutzzauber schimmerte für einen Moment während er sich wie eine Mauer vor ihrer Gruppe aufbaute und dann unsichtbar wurde. Keine Sekunde zu spät, denn die Todesser hatten sie entdeckt und die ersten Zauber jagten auf sie zu. Prasselnd trafen sie auf den Schutzschild und verglühten zischend.

Emily stieß die Luft aus, die sie unbewusst angehalten hatte. Den ersten Angriff hatte der Schutzzauber überstanden. Aber sie wusste auch, dass der Kampf gerade erst angefangen hatte.

Die Todesser rückten näher und Emily erkannte zum ersten Mal einzelne Gestalten. Im Hintergrund leuchtete fahl Malfoys Blondschopf, das Gesicht schmal und hager. Er sah erschöpft und verängstigt und entschlossen aus.

Keine gute Kombination. Ein flaues Gefühl stieg in Emilys Bauch auf, eine dunkle Vorahnung auf die Geschehnisse der Nacht, die da kamen.

Vor ihm standen zwei Todesser, die Emily noch nie gesehen hatte. Bei der Ähnlichkeit konnten es nur Bruder und Schwester sein, beide stämmig und dunkelhaarig. Die groben Gesichtszüge waren zu einem grimmigen Lächeln verzogen, wenn man es denn überhaupt ein Lächeln nennen konnte. Bei der Auswahl von Malfoys Begleitern hatte wohl mehr Kraft und Stärke gezählt, denn auch die beiden anderen Todesser waren großgewachsen und breitschultrig. Während der eine blonde Haare hatte, trug der zweite eine Maske, die sein Gesicht verbarg.

Sophia schien die beiden dennoch zu kennen. "Thorfinn Rowle und Andrew Gibbon. Lange nicht mehr gesehen." Ihre Stimme war leicht, als ob das hier nicht mehr als eine Einladung zum Tee und Rowle und Gibbon zwei alte Bekannte wären. Wenn man allerdings Sophias Vergangenheit als Aurorin im ersten Zaubererkrieg bedachte, dann könnte der Teil zumindest stimmen.

"Schlammblut", zischte der blonde Todesser, Rowle, und feuerte einen Zauber auf Sophia ab, die den Zauber jedoch einfach an ihrem Schutzzauber abprallen ließ. Der zweite, Gibbon, lachte nur und lief dann die Treppe zur Plattform im Astronomieturm, wo normalerweise der Unterricht stattfand, hoch. Die Flüche, die Sirius ihm nach schickte, prallten jedoch an den Mauern ab.

Dafür schlossen jetzt die beiden Geschwister zu Rowle auf, Malfoy hielt sich immer noch zurück. Als wollte er gar nicht am Kampf teilnehmen. Er schien sich höchst unwohl zu fühlen, vor allem als sein Blick auf die DA fiel, seine Mitschüler.

"Alecto und Amycus Carrow", murmelte Inga neben Emily. "Dad versucht ihnen schon seit Jahren zu beweisen, dass sie Todesser sind. Na, das dürfte wohl als Beweis reichen." Sie grinste bei dem Gedanken ihrem Vater helfen zu können. "Die beiden sind leider genauso schlau wie gutaussehend. Aber irgendwie hat es immer gereicht."

Mit einem Mal wurde der Flur in ein grünes Licht getaucht, fahl und kalt. Erinnerungen stiegen in Emily hoch: die Quidditch-Weltmeisterschaft, der Kampf in Hogsmeade. Gibbon hatte das Dunkle Mal über Hogwarts beschworen und es verkündete jedem, die Todesser waren hier um zu morden.

Aber da war noch etwas in den Schatten, mehr eine Ahnung, als das Emily es wusste. Etwas Altes, ja sogar etwas Vertrautes trieb sich in der Dunkelheit herum. Ein alter Geruch von Blut und Schweiß, ein Brennen in den Narben auf ihren Rücken.

Und das jagte Emily Angst ein, knochentief und herzzerreißend.

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Nachdem ich jetzt endlich mit dem Bingewatchen von Shadow & Bone fertig bin, kommt hier ein extralanges Kapitel für euch :D (Es ist, glaube ich zumindest, bisher sogar das längste Kapitel für Emily). Ansonsten avanciert Ben Barnes doch wieder zu meiner Lieblingsbesetzung für Sirius :D

Ich hoffe euch, dass euch das Kapitel gefallen hat :)

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