39. Beltane

39. BELTANE

Langsam, aber sicher kehrte der Frühling in den Karpaten ein, was endlich mehr Sonne und sehr viel weniger Schnee im Reservat bedeutete. Was wiederum auch bedeutete, dass Sirje und die anderen Heiler endlich weniger Skiunfälle verarzten mussten, denn die Berge rundherum luden viele der Drachenzähmer zum Ski und Snowboard fahren ein. In typischer Drachenzähmermanier stürzten sich die meisten durch den frischen Schnee die Berge hinunter, ohne sich um das Risiko zu kümmern. Wenigstens gab es diesen Winter keine größeren Lawinenunfälle, wie Sirje Emily verriet.

Aber die Arbeit lenkte schnell viele vom Wintersport wieder ab, denn Rubeus war nur das Erste von vielen Drachenbabys die nun schlüpften und die Drachenzähmer hatten alle Hände voll zu tun, die aggressiven Drachenmütter voneinander fernzuhalten.

Emily verbrachte die Tage meist bei Sirje in der Krankenstation um im Labor auszuhelfen, die Vorräte an Heiltränken mussten wieder aufgefüllt werden. Emily fand die Arbeit im Zaubertranklabor eigentlich ganz angenehm, schließlich wachte kein schlechtgelaunter Zaubertrankmeister im dunklen Kerker über ihre Arbeit.

Die Abende verbrachten sie meist in geselliger Runde in Sirjes Küche, bei denen Emily noch weitere Mitglieder von Lilium kennen lernte: Merit und Samuel Iversen, Noahs ältere Geschwister. Soledad Lopez, die eine Freundin von Fleur war und nun in der spanischen Botschaft in London arbeitete. Elliott Sayre, der mit Bill zur Schule gegangen war und als Anwalt für magisches Recht arbeitete.

Nicht nur über Soledad und Elliott unterhielt Lilium zahlreiche Kontakte, über die dafür sorgen konnte, dass muggelstämmige Familien das Land verlassen konnten. Liliums Vorteil war es, dass sie so viele waren, die aus unterschiedlichen Ländern kamen und ein jeder unterschiedliche Verbindungen aufwies, die für Lilium nützlich waren.

Mehr wurde Emily nicht erzählt, doch dieses Mal verstand Emily dies und verlangte nicht mehr wissen. Die Sicherheit anderer stand über ihrem Wissensdrang.

Dafür durfte Emily an einem neuen Flugblatt mitarbeiten, welches effektive Verteidigungsmethoden gegen Todesser, Inferi und andere schwarzmagische Gestalten darstellten, die auch für nicht-magische Personen umsetzbar waren. Denn das Ministerium scherte sich kein bisschen um die nicht-magische Bevölkerung, die zwar nichts wusste, aber doch auch die seltsamen Geschehnisse um sie herum bemerkte.

Das beste Beispiel war schließlich Dudley, der von den Dementoren angegriffen wurde. Emily seufzte, die Dursleys waren nun wirklich die letzten Personen, an die sie denken wollte. Trotzdem versuchte sie sich in die Dursleys hineinzuversetzen und tatsächlich zu überlegen, was ihnen helfen konnte. Aber außer, dass Dudley den Inferi einen harten, rechten Haken verpasste und Tante Petunia ihre Pfannen einsetzte, fiel ihr nicht wirklich viel ein.

Da beantwortete Emily doch lieber noch die ausstehenden Nachrichten aus Hogwarts. Besonders Inga hatte sich nicht von Emilys Stille abhalten lassen und ihr dennoch jeden Tag neue Nachrichten gesendet. Im Stillen war Emily dankbar für Ingas unerschütterliche Freundschaft.

Ich hab die Lizenz. Die Lizenz zum Apparieren. - IB.

Nennt mich Bergström, Inga Bergström. - IB.

Was läuft so bei dir? - IB.

Emily grinste bei Ingas ebenso unerschütterlichen Enthusiasmus. Doch sie musste Inga leider enttäuschen, denn bei Emily war leider nicht viel los. Es sei denn Emily wollte alle Aufsätze, die sie noch zu schreiben und alle Bücher, die sie noch zu lesen hatte, aufzählen. Nicht mal von Rubeus konnte sie erzählen, ohne zu verraten wo Emily sich befand.

Mir geht's gut. Ich zähle die Tage bis ich wieder zurück kann.

Seufzend betrachtete Emily die Nachricht, bevor sie den letzten Satz wieder löschte.

Mir geht's gut. - EP.

Es dauerte nicht lange, bis Ingas Antwort eintrudelte. Da es gerade nachmittag war, schien Inga mal wieder keine Lust zum Lernen zu haben.

Es ist sooooooooooooooooooooo langweilig ohne dich. Mit dir war wenigstens immer was los. - IB.

Emily schnaubte. Die Tatsache, dass auch Inga in die ganzen Abenteuer verwickelt war, hatte sie eher weniger Emily zu verdanken, sondern mehr Harry, der sich ohne Rücksicht auf Verluste in jedes Abenteuer zu stürzen schien. Okay, und der Tatsache, dass Emily ihrem Bruder regelmäßig folgte.

Was ist denn mit der DA? Trefft ihr euch noch regelmäßig? -EP.

Nee, leider nicht. Die ersten haben schon mit dem Lernen für die Prüfungen am Ende des Jahres angefangen, dabei haben wir doch noch Wochen bis dahin. Meistens sind es Neville, Ginny, Luna, Leo, Susan, Seamus, Dean und ich. - IB.

Emily biss sich auf die Unterlippe und begann mit der Münze herumzuspielen. Sollte sie Inga nach Leo fragen? Eigentlich hatte sie kein Recht dazu, aber sie wollte nur wissen wie es ihm ging. Bevor sie es sich anders überlegen konnte, schickte sie ihre Nachricht an Inga.

Er ist noch stiller geworden als vorher. Aber er war auch schon vorher noch nie jemand, der gerne über seine Gefühle geredet hat. Ich glaube, dass er langsam mit eurer Trennung klar kommt. - IB.

Erleichtert stieß Emily einen Seufzer aus. Sie mochte Leo immer noch zu sehr, als dass sie wollte, dass es ihm schlecht ging.

Danke, dass du auf ihn aufpasst. - EP.

Macht nichts. Dafür habe ich was gut bei dir. - IB.

Emily konnte Ingas breites Grinsen bei dieser Nachricht förmlich vor sich sehen. Sie hoffte nur, dass der Gefallen für Inga sich auf Süßigkeiten vom Honigtopf bezog und nicht auf irgendwelche illegalen Sachen.

Dean und Ginny haben sich im Übrigen getrennt. Genauso wie Ron und Lavender. Dreimal darfst du raten, wer sich (natürlich total leise und heimlich) darüber gefreut hat. Es werden schon die ersten Wetten darauf abgeschlossen, welches der Paare zuerst zusammen kommt. Und ob Ron wegen Ginny Harry eine reinhaut. - IB.

Ich tippe darauf, dass Ginny Ron eine reinhaut, wenn er die große Bruder Nummer bei ihr abziehen will. - EP.

Ahhh, das ist wohl die wahrscheinlichste Variante. Ich gebe Harry und Ginny keine Woche bis sie zusammen kommen. Dein Bruder schmachtet sie ganz schön an. - IB.

Das sind Dinge, die ich niemals über meinen Bruder hören möchte. - EP.

Auch wieder wahr. Ich will auch nicht wissen mit wem Lasse auf seinen Schwedenurlauben immer geknutscht hat. Wir sollten dringend über etwas anderes reden. - IB.

Quidditch? - EP.

Quidditch! - IB.

***

Die beste Ablenkung von Heimweh bot das große Beltane-Fest im Dorf der Drachenzähmer, welches mit einem großen Festessen und einem riesigen Lagerfeuer gefeiert werden würde. Beltane war das irische Fest zum Sommeranfang, mit Wurzeln in der keltischen Mythologie und in vielen Kulturen eins der vielen Jahresfeste.

Irische und schottische Drachenzähmer hatten das Fest schon vor vielen Jahren ins Reservat gebracht und nun wurde es von allen gefeiert. Es hatte nicht mehr viel von dem ursprünglichen Fest, aber irgendwie passte es ins raue Lebens des Reservates. Außerdem war den Bewohner des Reservates jedes Fest Recht.

Schon Tage vorher wurde trockenes Holz vor der Halle gesammelt, welches dann von Freiwilligen zu einem riesigen Haufen geschichtet wurde. Zum Anzünden würden traditionell alte Akten aus der Verwaltung, die sowieso vernichtet werden sollten, verwendet werden.

Statt im Labor zu helfen, wurde Emily zu Sergio und Jolene in die Küche geschickt um dort das Essen vorzubereiten. Emily stellte fest, dass es nicht wirklich einen Unterschied machte ob man Zutaten für einen Zaubertrank schnippelte und dann in den Kessel schmiss oder Möhren für die Suppe.

Jolene wachte mindestens genauso argwöhnisch über ihre Töpfe und Pfannen, wie es auch Snape tat. Wenigstens roch es in der Küche zwischendurch noch nach Schokoladenkuchen und nicht nach verkohlten Metall und den versengten Holztischen.

"Komm her, Kindchen", rief Jolene quer durch die Küche, hinweg über das Klappern des sich selbst spülenden Geschirrs. "Die Plätzchen sind fertig."

Das ließ sich Emily natürlich nicht zweimal sagen, denn Jolene ließ Emily immer von allem probieren. Zumindest dann, wenn Sergio nicht hinsah. Allerdings hatte Emily Sergio schon ein paar Mal dabei beobachtet, wie auch er aus den Töpfen naschte und sich ein paar Kekse in die Jackentasche steckte. Das ältere Pärchen war schon ulkig, doch unter rauen Schale waren sie zwei herzensgute Menschen.

Emily stopfte sich eins der heißen Plätzchen sofort in den Mund. "Die sind wirklich gut", seufzte Emily genießerisch.

"Mit vollem Mund spricht man nicht", schalt Jolene, bevor sie Emily einen zweiten Keks in die Hand drückte. "Und jetzt wieder an die Arbeit. Der Brotteig ist fertig mit Gehen, wir müssen noch den Ofen weiter heizen."

Emily grinste Jolene an, bevor sie nach draußen verschwand um Feuerholz für den Steinofen zu holen. Jolene schwörte auf nicht-magisches Feuer für ihr Brot und ihre Kuchen. Sechs Ladungen Holz später, wurde Emily wieder aus dem Küchendienst entlassen. Es war auch höchste Zeit, denn sie wollte sich noch duschen und sich etwas anderes anziehen, bevor das Fest anfing.

Wenigstens war Sirje schon aus dem Bad raus und Emily konnte direkt unter die Dusche hüpfen. In dem beschlagenen Spiegel erhaschte sie einen flüchtigen Blick auf sich selbst. Zum ersten Mal seit langen schien das Heimweh aus ihren Augen verschwunden zu sein und sie war froh an diesem Ort zu sein.

***

Dank der Haarzauber, die in den Ferien von Ginny gelernt hatte, schaffte Emily es einigermaßen ihre wilden Locken zu bändigen und zu einem einigermaßen ordentlichen Bauernzopf zu flechten. Inzwischen fielen ihr die Haare schon weit über die Schultern, so lang waren sie nicht mehr seit dem Quidditchunfall im dritten Jahr gewesen. Aus ihrer immer noch unaufgeräumten Kommode, zog sie ihre beste Jeans und ein sauberes T-Shirt hervor. Da es auch im Frühling abends noch recht kalt war, kramte Emily noch ihren neuesten Weasleypullover hervor.

Emily verstaute noch ihren Zauberstab im Ärmel, dann ging sie in die Küche hinüber, wo schon Sirje auf sie wartete. "Ich komme mir etwas underdressed vor", murmelte Emily.

"Du passt genau zu uns", erwiderte Sirje, deren blondes Haar ihr in dicken Wellen bis zur Hüfte fiel. Statt Kittel und Jeans, trug Sirje heute ein dunkelblaues, fließendes Kleid, dass ihr bis über die Knie ging und darüber einen gestrickten, cremefarbenen Pullover. "Die meisten Drachenzähmer werden ihre Jeans tragen, die ausnahmsweise keine Brandlöcher haben und die meisten werden ihre Stiefel tragen, weil sie keine Lust haben auf andere Schuhe."

"Na, wenn du das sagst."

Die Tür sprang klappernd auf und Yuna platzte in die Küche. Sie hatte versprochen Emily und Sirje abzuholen. "Bin schon da", rief Yuna etwas atemlos.

Sirje hob grinsend eine Augenbraue und deutete auf Yunas Füße. "Hab ich es nicht gesagt?", flüsterte sie Emily zu.

Emily sah hinab und brach in Gelächter aus. Zur schwarzen Jeans trug Yuna tatsächlich ihre dicken Arbeitsstiefel.

"Was?", fragte Yuna irritiert und sah an sich hinab. "Hab ich was falsches an?" Sie drehte und wendete sich prüfend. Ihr dunkles Haar war im Nacken zusammengebunden und der tiefe Rückenausschnitt ihres Oberteils zeigte ihr riesiges Drachentattoo, ein Rumänisches Langhorn, wie Emily inzwischen erkannte.

"Nein." Sirje schüttelte lachend den Kopf. "Ich habe Emily nur gesagt, dass sie sich keine Sorgen um ihre Kleiderwahl machen braucht."

"Die meisten sind sowieso mehr am Essen interessiert", sagte Yuna und grinste. "Obwohl du einen echt schicken Pullover trägst."

"Ich fands passend", erwiderte Emily und zog am Saum des Pullovers, so dass der eingestrickte Drache gut sichtbar war. "Danke."

"Obwohl ich leider sagen muss, dass Sirje einfach um Längen besser aussieht als wir alle." Yuna starrte ihre Freundin verliebt an.

"Lalalala." Emily hielt sich die Händen über die Ohren und flüchtete lieber auf die Veranda. Es war schön, dass Sirje und Yuna so verliebt waren, aber sie ließ den beiden dann doch lieber ihre Privatsphäre. Ein paar Minuten später tauchten die beiden auch wieder auf, Sirjes Wangen rot gefärbt und aus Yunas Frisur hatten sich ein paar Strähnen gelöst.

"Endlich", sagte Emily gespielt streng. "Ich will Jolenes Essen nicht verpassen, schließlich stand ich den ganzen Tag in der Küche."

"Keine Sorgen, verhungern wird heute Abend keiner", antwortete Yuna unbekümmert und hakte sich bei Sirje ein.

Die drei spazierten in Richtung Dorfmitte. Die Wege waren mit frischem Rindenmulch bestreut, damit sie nicht so matschig waren. Das Rindenmulch verströmte einen angenehm holzigen Geruch. Überall zwischen den Hütten waren lange Lichterketten gespannt, Emily freute sich schon auf den Anblick, wenn es bald dunkel werden würde.

Je näher sie dem Festplatz kamen, desto mehr Leute tauchten auf und strömten ebenfalls in ihre Richtung. In der Mitte des Festplatzes war der riesige Scheiterhaufen aufgebaut, der rundherum alles überragte. Rundherum waren hölzerne Bänke und Tische aufgebaut worden, sogar eine kleine Tanzfläche gab es. Die Lichterketten umspannten den Rand des Festplatzes.

Es erinnerte Emily ein bisschen an die Feste in Hogwarts und die schwebenden Kerzen in der Großen Halle, aber gleichzeitig war es doch so anders, dass ihr es erstaunlich leicht fiel den Gedanken an Hogwarts beiseite zu schieben. Vorfreude stieg in Emily auf.

"Ari hat uns einen Tisch reserviert." Yuna griff nach Emilys und SIrjes Hand und zog die beiden nach links, wo ihnen Ari schon entgegen winkte.

"Ich habe uns extra einen Tisch nah beim Essen ausgesucht", meldete Ari vergnügt, als sich die drei auf die Bank fallen ließen.

Erst jetzt sah Emily den langen Tisch, der tatsächlich ganz in der Nähe stand. Jolene und Sergio mussten den Tisch, wohl nachdem Emily verschwunden war, aufgebaut haben. Der Tisch bog sich beinahe unter dem ganzen Essen und den Getränken. Heute Abend würde wahrscheinlich niemand verhungern.

"Wo stecken die Anderen?", fragte Yuna und sah sich um. "Die sollen sich beeilen. Je schneller alle da sind, desto eher hält Bergson seine Rede und erst danach gibt es Essen."

"Und Bergson hält seine Rede tatsächlich erst, wenn alle da sind." Noah setzte sich neben Emily auf die Bank. "Keine Ahnung, wie er es schafft den Überblick über seine Schäfchen zu halten."

"Es ist ganz einfach." Eine junge Frau war mit Noah gekommen und setzte sich zu ihnen an den Tisch. "Ich bin übrigens Noelle", sagte sie zu Emily. Dunkelbraune Locken fielen in Noelles Gesicht, die sie ungeduldig wieder hinters Ohr steckte. "Alle haben Hunger und alle wissen, dass sie nichts kriegen, ohne das Bergson seine Rede hält, also kommen einfach alle. Will schließlich niemand Schuld sein, dass niemand was zu Essen kriegt."

"Also alles nur Taktik", seufzte Yuna. "Naja, wenigstens hält sich Bergson meistens kurz."

Charlie tauchte als nächstes auf, das Haar immer noch nass von der Dusche und zu einem unordentlichen Knoten auf dem Kopf gebunden. Er grinste, als er sah, dass Emily ebenso wie er einen Pullover seiner Mutter trug.

Gavin und Sasha gesellten sich zu ihnen an den Tisch, genauso wie Alena Wagner. Im Gegensatz zu den meisten Anderen am Tisch, arbeiteten Gavin und Sasha als Forscher im Reservat. Außerdem stellte sich heraus, dass Noelle einer von den Drachenzähmern gewesen war, die damals Norberta aus Hogwarts abgeholt hatten.

"Wir waren ziemlich jung und ziemlich dumm", seufzte Noelle. "Erst in einer Nacht in Etappen den ganzen Weg nach England apparieren, dann fliegen und dann den Drachen abholen und mit dem innerhalb von zwei Tagen mit dem Besen wieder zurück fliegen."

"Wir konnten Norberta ja schlecht offiziell abholen", sagte Charlie. "Ich wollte ja weder Hagrid, noch meinen Bruder in Schwierigkeiten bringen."

Emily winkte ab. "Das haben sie danach schon oft genug selbst geschafft." Sie erinnerte sich immer noch daran, wie ihnen so viele Punkte abgezogen worden waren. Aber das war auch nicht die einzige Gelegenheit gewesen, bei der sich Harry, Ron, Hermine und sie in irgendwelche Schwierigkeiten gestürzt hatten.

Die anderen lachten nur, während sich langsam auch die anderen Tische füllten und die Dämmerung sich über das Reservat senkte. Trotz des Frühlings, wurde es hier immer noch schnell dunkel. Doch das Tuscheln verstummte schnell, als Bergson aufstand und sich auf die kleine Tanzfläche stellte. Ein Sonorus-Zauber verstärkte seine Stimme. so dass ihn alle gut hören konnten.

"Ich freue mich, dasss wir uns auch in diesem Jahr wieder versammelt haben um Beltane, Cétsamuin oder auch einfach nur den Tanz in den Mai zu feiern. Es war ein gutes Jahr für das Reservat, ich will euch jetzt nicht mit Statistiken langweilen-"

"Yippie yeah", schrie einer der Drachenzähmer auf der anderen Seite, zum Gelächter aller.

"Aber-", fuhr Bergson ungerührt fort, "es sind wieder viele Drachenbabys geschlüpft." Mit seiner Hornbrille und dem Tweedjackett wirkte er wie ein verliebter Großvater, der über seine Enkelkinder sprach. "Unsere Forscher haben ihr Labor dieses Jahr nicht komplett in die Luft gejagt, die Knochenbrüche aufgrund von Skiunfällen sind etwas gesunken. Dafür soll ich von unseren Heilern ausrichten, dass ihr bitte etwas vorsichtiger klettern und fliegen sollt, sie wären sehr froh darum."

"Am liebsten würden wir euch gar nicht sehen", rief Grace, die die Leiterin der Krankenstation und Sirjes Vorgesetzte war.

"Nachdem ihr sowieso alle auf das Essen wartet und mir nicht mehr zuhört", sagte Bergson, "bleibt mir nichts Anderes mehr übrig, als euch für eure Arbeit im letzten Jahr zu danken und euch einen schönen Abend zu wünschen." Er winkte zwei Personen zu sich auf die Tanzfläche. "Linnea und Alvar haben in diesem Jahr die Ehre das Feuer zu entzünden."

Linnea und Alvar traten unter dem Applaus nach vorne, beide trugen eine Fackel in der Hand und die klaren Farben der Flammen verrieten, dass es sich um echtes Drachenfeuer handelte.

"Eins", rief die versammelte Menge lautstarkt. "Zwei. Drei."

Auf Drei flogen die beiden Fackeln auf den Holzhaufen, der sofort in lichterlohe Flammen ausbrach, die hinauf in den Abendhimmel stiegen. Jubelschreie ertönten in der Menge, als die Flammen immer höher und höher züngelten. Funken stoben hervor, das Holz knackte leise.

"Je höher die Flammens teigen, desto mehr Glück hat das Reservat bis zum nächsten Fest", erklärte Sirje Emily leise. "Außerdem kann das Feuer auch nur mit echten Drachenfeuer entzündet werden. Drachenzähmer sind leicht abergläubisch."

"Gar nicht wahr", verteidigten sich sofort Ari, Charlie, Noah, Yuna, Alena und Noelle.

Sirje hob skeptisch eine Augenbraue, entschied sich aber nichts weiter dazu zu sagen, sondern nur zu lächeln.

"Das Feuer war schon mal größer", sagte Ari langsam, ohne den Blick von den Flammen zu nehmen. "Aber nun gut, das war auch irgendwie zu erwarten."

Man brauchte nun wirklich nicht abergläubisch zu sein, um zu wissen, dass das nächste Jahr für sie alle nicht einfach sein würde.

Noah war der Erste, der die plötzliche Stille zwischen ihnen brach. "Wir sollten uns auf das Essen stürzen."

"Richtig." Sirje schenkte Noah ein warmes Lächeln. "Es ist schließlich Beltane."

Die Teller mit Essen beladen und die Krüge gefüllt mit Butterbier oder Cider, versammelten sich alle schnell wieder am Tisch. Irgendwie kamen sie von den Drachenbabys auf der Babystation zu den Finnen, die dort eine Sauna veranstaltet hatten, was wiederum dazu führte, dass sie alle Emily die wildesten Geschichten aus dem Reservat erzählten.

Die Lichterketten über ihnen sprangen mit einem Mal an und tauchten zusammen mit dem Schein des Feuers in ein sanftes Licht, während die Geschichten immer wilder und abstruser wurden. Wahrscheinlich konnten die Drachenzähmer die ganze Nacht solche Geschichten erzählen, denn jeder hatte mindestens zehn solcher Geschichten auf Lager und natürlich kannte jeder eine andere Version.

Emily bog sich vor Lachen, doch mit jedem hellen Gelächter, jedem Schluck Butterbier, war da ein stiller Schmerz in ihrer Brust. Hatte sie noch früh am Abend die Gedanken an Harry und Hogwarts bei Seite schieben können, war es inzwischen nicht mehr so einfach. Sie wollte bei ihren Freunden, ihrer Familie sein. Aber da war nichts, dass sie dagegen tun konnte.

"Kommt, lasst uns lieber tanzen." Yuna war plötzlich aufgesprungen und sah die Anderen herausfordernd an. "Ich muss mich jetzt bewegen." Ohne eine Antwort abzuwarten, hatte sie sich schon Emilys und Aris Hand geschnappt und zerrte die beiden hinter sich auf die Tanzfläche, die schon gut gefüllt war.

Emily sah Sirjes hilfesuchend an, doch die lachte nur und schien ihr damit sagen zu wollen, dass Emily ruhig tanzen gehen sollte.

Die Musik war eine wilde Mischung, irische Geigen vermischten sich mit spanischen Folksongs und alten slawischen Weisen, genauso bunt und lebendig wie das Reservat selbst.

Ari und Yuna hüpften lachend zu der Musik hin und her, beide nicht mit viel Taktgefühl gesegnet, aber dafür mit viel Spaß. Nach und Nach ließen sich auch die anderen auf die Tanzfläche locken, sogar Charlie, der eine deutliche bessere Figur machte als sein jüngster Bruder.

Yuna griff erneut nach Emilys Hand und zog sie zu sich in den Kreis. "Es ist Beltane, tanz mit uns."

Nur zögerlich ließ Emily sich dieses Mal in die Mitte der Tanzfläche ziehen. Es machte mehr Spaß als erwartet zu tanzen und die dunklen Gedanken schwanden fürs Erste hinter tiefen Bässen und schnellen Melodien.

In diesem Moment, umgeben von Yuna, Sirje, Ari, Charlie und all den anderen, realisierte Emily, dass sie vielleicht doch nicht so allein war, wie sie glaubte. Emily legte den Kopf in den Nacken, die Bässe dröhnten durch ihren Körper, die Sterne über ihr leuchtend und stiebende Funken in der Nachtluft und atmete tief ein.

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Ja, das war wieder mal eins der Kapitel, die so nicht geplant waren :D  Aber ich hoffe, dass euch der Einblick in das Leben im Reservat gefallen hat. Ansonsten geht es langsam in Richtung Ende des sechsten Jahres. Zwischendurch hätte ich ja echt nicht geglaubt, dass ich soweit komme :D Danke an all jene, die immer so fleißig kommentieren und voten und treu weiterleisen :)

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