31. Gespräche und Geheimnisse

Abends tauchte Charlie Weasley auf. Er war gekommen um Emily wieder mit nach Rumänien zu nehmen, sie sollte dort bis zum Sommer bleiben. Dann würde man erneut über die Gefahrenlage entscheiden, was auch immer das heißen würde. Emily wusste bereits, dass sie fürs Erste nicht nach Hogwarts zurückkehren würde, doch es bedeute nicht, dass sie es gerne tat.

Kurz dachte Emily darüber nach einfach alleine fortzugehen, aber ohne Geld und Besen und mit dem bekanntesten Person der Zaubererwelt als Bruder, war das vermutlich auch keine gute Idee. Auch sie sah ein, dass sie für viele nicht viel mehr als eine lebende Zielscheibe war.

Sie würde schon einen anderen Weg finden um nützlich zu sein, um irgendetwas tun zu können.

Ihre Tasche stand gepackt in der Küche, dank dem Federleicht-Zauber und mehreren Zaubern um das Volumen zu vergrößern, passte auch der Stapel an Büchern hinein, die Sophia und Remus für sie herausgesucht hatten, hinein.

Wenigstens hatte Harry einen ähnlich großen Stapel Bücher bekommen. Außerdem hatten sie ihn überzeugen können, dass es für ihn gut wäre, wenn er auch noch neben Dumbledores Unterricht trainieren würde. Er hatte den Erwachsenen nicht verraten, was Dumbledore ihm erzählt hatte, aber er konnte nicht leugnen, dass es kein Kampftraining war.

Daher würden nun jedes Wochenende entweder Sophia, Sirius, Remus oder Tonks, zumindest solange es wegen der Schwangerschaft bei ihr noch ging, in Hogwarts mit Harry trainieren. Emily fiel es etwas leichter ihren Bruder ziehen zu lassen, wenn sie wusste, dass die Anderen auf ihn aufpassten.

Als letztes, fiel Emily ihrem Bruder zum Abschied um den Hals. "Pass auf dich auf. Und schreib gefälligst öfters, ja?" Das letzte flüsterte sie ihm lieber nur ins Ohr. "Die Münzen sind sicher, verstehst du?"

"Jaahaa." Harry drückte seine Schwester kurz. "Lass dich nicht von den Drachen fressen, ja?"

"An mir ist eh nichts dran." Sie grinste ihren Bruder an.

"Kommst du?", drängte Charlie. Die beiden hatten nicht viel Zeit, denn es warteten ein legaler, zwei halblegale und ein definitiv illegaler Portschlüssel auf die beiden, um sie möglichst unbemerkt zurück ins Reservat zu bringen. Emily winkte allen noch einmal zu, dann zog der Portschlüssel sie davon.

Tatsächlich tauchten die beiden erst spätabends in einem Schneehaufen vor dem Reservat wieder auf. Total durchnässt, übermüdet und halb verhungert, schleppten Emily und Charlie sich zu Sirjes Hütte, die die beiden Reisenden schnellstmöglich trockenzauberte und mit heißem Eintopf versorgte.

"Ich soll bis zum Sommer hier bleiben", sagte Emily mit klappernden Zähnen zwischen zwei Löffeln Eintopf. "Anweisung von ganz, ganz oben."

Sirje nickte. "Das habe ich auch schon mitbekommen, Sophia hat es mir auf der Hochzeit erzählt. Bergson weiß auch schon Bescheid."

"Und damit hat er kein Problem?", fragte Emily ungläubig. "Schließlich bin ich ja eigentlich zu nichts nütze hier..."

"Nun", begann Charlie langsam. "Es gab eine großzügige Spende an das Reservat. Angeblich aus dem Nachlass deiner verstorbenen Familie. Wie du ja mitbekommen hast, fehlt dem Reservat chronisch das Geld, die Spende kam Bergson da nur gerade recht. Von daher denke, ich dass dein Aufenthalt hier kein Problem ist."

Emily blieb der Eintopf beinahe im Halse stecken. "Jetzt werden hier auch schon Leute bestochen?"

"Sieh es als guten Zweck an. Wir haben jetzt endlich das Geld um das Gehege für die Jungdrachen zu sanieren." Charlie sah begeistert aus. "Gut, außerdem kriegt Moreau jetzt doch seine Geräte, das hat der gar nicht verdient. Seine Forschung ist eh Mist." Er begann aufzuzählen, was man noch mit dem Geld anstellen könnte, was Emily nicht gerade beruhigte. Irgendwer schien eine gewaltige Summe gezahlt zu haben, damit sie hierbleiben konnte. Hogwarts wäre ihr lieber gewesen, aber Charlies Enthusiasmus war auch irgendwie süß anzusehen.

"Außerdem finden wir schon etwas für dich zu tun", beruhigte Sirje Emily. "Ari meinte letztens auch schon, dass wir darüber nachdenken sollten, dass Emily uns unterstützt-"

"Auf gar keinen Fall", unterbrach Charlie Sirje ungewohnt heftig. "Das ist viel zu gefährlich, das geht nicht, dass wir sie damit hineinziehen."

"Aber-"

"Nein. Ich bin für sie verantwortlich."

"Das sind Ari, Yuna und ich genauso." Emily hatte die junge Heilerin selten so entschlossen, fast schon wütend gesehen.

"Um was geht es denn?", wagte Emily vorsichtig zu fragen. "Ich kann das sicherlich auch selbst entscheiden."

"Da hast du es jetzt", sagte Charlie verbissen und sah Sirje anklagend an.

"Vielleicht redet ihr auch mal mit mir?" Emily wedelte mit der Hand herum.

Charlie warf Sirje einen letzten bösen Blick zu und wandte sich dann an Emily. "Es geht darum, ob wir dich mit zu den Drachen nehmen. Dann hättest du eine Aufgabe. Aber das ist viel zu gefährlich."

Emily sah ihn skeptisch an. Irgendwie nahm sie ihm die Geschichte überhaupt nicht ab. Sie wagte aber auch nicht weiter nachzufragen, dafür war Charlies Reaktion auf Sirje zu heftig gewesen. Stattdessen löffelte sie weiter ihren Eintopf. Morgen würde sie lieber Sirje noch einmal alleine fragen. Und dann Ari und Yuna. Irgendwer musste ihr doch etwas sagen können.

***

Leider traf sie die nächsten Tage überhaupt nicht auf Ari und Yuna. Ari war anscheinend irgendwo im Ausland unterwegs und Yuna hatte Nachtschichten. Charlie hielt sich wohlweislich von Sirjes Hütte und der Klinik fern. Auch Sirje sagte nichts mehr zu dem Thema, als Emily sie am nächsten Morgen danach fragte.

"Charlie nimmt deine Sicherheit sehr ernst", sagte Sirje nur. "Du gehörst für ihn zur Familie, deshalb versucht er dich zu beschützen."

"Ein bisschen zu ernst, meiner Meinung nach", sagte Emily und verzog das Gesicht. "Hier im Reservat kann mir doch nichts passieren, oder?"

"Im Reservat bist du sicher." Damit war für Sirje das Thema endgültig beendet. Stattdessen trug sie Emily eine lange Liste von Aufgaben auf, die sie für den Rest des Tages beschäftigten.

So ging es die nächsten Tage für Emily weiter. Wenn sie abends nicht immer so müde gewesen wäre, hätte sie sich längst gedacht, dass es Absicht sei.

Und so verfiel Emilys Leben wieder in den gewohnten Gang, als ob sie schon immer hier gelebt hätte.

Das Leben mit den Drachen hatte sowieso seinen ganz eigenen Rhythmus, der alle Bewohner im Griff hatte. Die ersten Monate des neuen Jahres waren geprägt von wenig Sonne und viel Schnee. Von langen Arbeitstagen und vielen Brandwunden. Von Stunden im Zaubertränkelabor und langen Abenden vor dem Kamin mit einem Buch auf dem Schoß.

Den ersten Vollmond im neuen Jahr verbrachte Emily schlafend. Auch wenn sie abends immer müde war, hatte Emily die Nächte vor dem Vollmond schlecht geschlafen und so hatte sie den letzten Rest des Schlaftrunkes genommen, den sie noch von Weihnachten übrig hatte. Es reichte gerade so, dass sie einen unruhigen Schlaf fiel. Aber besser als die ganze Nacht wachzuliegen und über den Wolf nachzudenken.

***

Im Februar hatte Emily endlich einen Durchbruch bei der verzauberten Galleone. Statt nur die Seriennummer ändern zu können, ließen sich jetzt beide Seiten der Münze mit Text füllen. Die Nachricht wurde nur dann angezeigt, wenn man seinen Zeigefinger auf den Drachen legte, der auf der einen Seite eingraviert war. Jede so verbesserte Galleone konnte nur mit Fingerabdruck des Besitzers aktiviert werden. Mit gefühlt hunderten von Nachrichten erklärte Emily Hermine und Inga wie man den Zauber auf die anderen Münzen übertragen konnte.

Postwendend tauchten die ersten Nachrichten von Inga auf. Und Inga hatte viel zu erzählen: wer gerade was von wem wollte, wer mit wem ausging, wer die rauschendste Geburtstagsparty zu seinem 17. Geburtstag gefeiert hatte, die neuesten Quidditchnews, eine lange Litanei über die niemals endenden Hausaufgaben und darüber, dass sie Dumbledores Armee wieder aufleben ließen.

Auf diese Nachricht hin, musste Emily erst einmal die Münze wieder weglegen. Heimweh nach Hogwarts stieg in ihr auf. Sehnsucht nach alldem was sie hinter sich lassen musste. Auch wenn sie sich an das Leben im Reservat gewöhnt hatte und fast schon gerne hier war. Aber Hogwarts war ihre Heimat.

Es dauerte ein paar Tage bis Emily Inga darauf antworten konnte, ohne ihr gleich zu schreiben, dass jemand sie aus Rumänien wieder abholen sollte.

"Wir haben beschlossen, dass wir unsere Verteidigung wieder selbst in die Hand nehmen müssen", schrieb Inga. "Snape hat zwar Ahnung von Verteidigung gegen die Dunklen Künste, aber pädagogisch ist er nicht sehr wertvoll. Neville, Ginny, Luna und ich haben daher die DA wieder versammelt, wir treffen uns jede Woche im Raum der Wünsche."

"Weiß Harry davon?", schrieb Emily hastig zurück. "Unterrichtet er euch?"

"Nein. Er hat Anfang des Jahres bereits gesagt, dass er die DA nicht weiterführen will. Hermine weiß als Einzige Bescheid, aber sie hat gesagt, dass sie Harry unterstützt. Ich glaube, dass dein Bruder auch irgendwie seine eigene Aufgabe zu erledigen hat. Ich habe mitbekommen, dass er sich öfters mit Dumbledore trifft. So Auserwählten-Kram, vermute ich." - IB.

"Aber wir bekommen, das auch so gut ganz gut hin, denke ich. Sind ja auch nicht auf den Kopf gefallen. Es sind auch fast alle wieder dabei. Außer Zacharias, den Idioten hat keiner gefragt. Fred und George haben uns ein paar Produkte zum Testen geschickt, das macht Spaß." - IB.

"Soll ich dir ein paar meiner Bücher schicken? Die stehen bestimmt nicht in der Bib." - EP.

"Ne, geht schon. Ich habe mein Weihnachtsgeld dafür genutzt um Bücher zu kaufen. Das sagt schon einiges über mich aus, findest du nicht?" - IB.

"Keine Romanzen mehr?"- EP.

"Nur eine. Aber Lavender und Parvati haben mir noch welche geliehen. Lisa und Susan wollen die auch unbedingt lesen. Ich glaube ich habe einen neuen Trend gestartet." - IB.

"Ich schicke dir welche. Für kalte Winterabende." - IB

"Äh, danke? Gib sie lieber Hannah." - EP.

Es dauerte einige Zeit bis Inga wieder antwortete: "Hannahs Mutter wurde von Todessern ermordet. Sie ist seit Herbst nicht mehr in der Schule."

Außer Cedric Diggory kannte Emily niemanden, den die Todesser erwischt hatten. Auch wenn sie natürlich wusste, dass seit dem Sommer immer mehr Leute in das Visier von Voldemorts Leuten gerieten. Nur bekam sie im Reservat nicht viel davon mit, Emily hatte langsam das Gefühl, dass die anderen versuchten sie von der Außenwelt abzuschirmen.

"Verstehst du warum wir selbst aktiv geworden sind?" - IB.

"Ich hätte es so oder so verstanden. Aber das haut einen schon um. Wisst ihr, wie es Hannah geht?" - EP.

"Keine Ahnung. Wir haben nichts von ihr gehört. Susan hat sie Weihnachten besucht, aber Hannah muss sich anscheinend um ihren Vater und ihre jüngeren Geschwister kümmern. Vielleicht kommt sie nächstes Schuljahr wieder." - IB.

"Verdammt." - EP.

"Hannah ist nicht die Einzige, der so etwas passiert ist, weißt du. Susans Tante Amelia wurde im Sommer ermordet. Genauso wie Emmeline Vance." - IB.

Soweit Emily das wusste war Emmeline Mitglied im Orden gewesen. Vermutlich war sie deshalb ermordet worden. Amelia Bones war Leiterin der Abteilung für magische Strafverfolgung gewesen und eine sehr mächtige Hexe, was als Mordmotiv anscheinend ausreichte. Ihr Bruder, Edgar, war bereits im ersten Krieg ermordet worden.

"Weißt du warum, Hannahs Mutter ermordet worden ist?" - EP.

"Nur Gerüchte. Aber die Abbotts gehören zu den unantastbaren 28 der Zaubererwelt, aber Hannahs Mutter ist muggelstämmig. Vermutlich wurde sie deshalb umgebracht." - IB.

Die unantastbaren 28 waren die Familien, die wirklich reinblütig waren. Zumindest irgendwann in den Anfängen des 20. Jahrhunderts, als Cantankerus Nott sein Reinblüterverzeichnis schrieb. Zu diesen Familien gehörten auch die Malfoys, Nott, Greengrasses, Lestranges, Blacks und viele weitere bekannte Familien.

Die Potters gehörten nicht dazu, dafür war die Familie immer zu sehr pro-Muggel gewesen. Auch die Weasleys würde man heutzutage vermutlich nicht mehr dazu zählen. Das Buch war schon uralt, dennoch hielten viele der Familien etwas auf ihren Status als eine der 28.

Selbst im Zauberergamot hatten diese Familien meist einen Sitz, der innerhalb der Familie vererbt wurde. Und wenn die Familien nicht den veralteten Ansichten über Blutsvorherrschaft glaubten, wurden sie sofort als Blutsverräter bezeichnet.

„Irgendwie ist das ganze so surreal. Aber gleichzeitig so irrsinnig real", schrieb Inga. „Ich meine wir haben bereits ein Jahr lang mit der DA trainiert, wir haben bei der Attacke auf Hogsmeade gekämpft, wir kennen den Orden, wissen was sie tun. Du sitzt wegen dem Ganzen im Nirgendwo fest, aber manchmal ist das ganze Geschehen so weit weg von Hogwarts weg. Und dann – bamm – holt es dich wieder ein. Ich muss nur zu Hannahs leerem Bett schauen."

Eigentlich musste man nur in Nevilles Gesicht sehen, in Harrys und ihr eigenes, die Gesichter der Weasleys, die Gesichter von Sirius, Sophia, Remus. Gesichter von Menschen, die der erste Krieg schon getroffen hatte. Die Narben von Moody und Sirius, Emily und Harry. Die Erschöpfung, die die Gesichter derjenigen niemals verließ, die bereits gekämpft hatten und wieder kämpfen würden. Die Anspannung und Wachsamkeit in den Augen derjenigen, die bereits in den Krieg gezogen waren und ihn überlebt hatten. Doch würden sie in ein zweites Mal überleben?

Emily versuchte diese Gedanken zu verscheuchen. Solange wie noch Leben in ihnen war, würden sie kämpfen. „Wir sollten versuchen uns auch an die guten Seiten zu erinnern."

„Sagst du mir das oder dir?" – IB.

„Oder liest du auch Selbsthilfebücher?" –IB.

Emily musste ein bisschen lachen. „So schlimm ist es noch nicht. Aber man wird sonst wahnsinnig. Vermutlich."

„Vermutlich. Also halt ich dich ruhig auf dem Laufenden was Quidditch und den neuesten Klatsch und Tratsch betrifft?" – IB.

„Auf jeden Fall. Wie geht es eigentlich deiner Familie? Und Linus?" – EP.

„Linus geht's gut. Der ist sooo groß geworden, kannst du dir das vorstellen? Meine Eltern sind dauernd unterwegs. Alles total geheim und so. Auch Lasse erzählt mir nicht viel. Aber der reist demnächst nach Rumänien. Ich habe ihn während der Weihnachtsferien belauscht. Fred und George haben da echt ein paar super Produkte. Ich pack dir ein Paket, das soll er dir geben, wenn er da ist. Meinst du kannst rausfinden, was er dort macht?" – IB.

„Ich kanns probieren. Aber die anderen sagen mir wahrscheinlich nichts, alles zu meiner eigenen Sicherheit. Alles total geheim und so. Du verstehst." Emily musste an den fast Streit zwischen Sirje und Charlie denken, als sie Anfang Januar wieder zurückgekehrt waren.

„Und ob ich das verstehe." – IB.

Emily konnte Ingas langgezogenen Seufzer beinahe hören. „Dabei sind wir eigentlich alt genug um alles zu erfahren."

„Denkst du. Die halten uns alle für kleine Kinder. Naja, wir machen einfach weiter. A propos weitermachen, ich muss immer noch fünf Zoll für Snapes Aufsatz schreiben. Sonst kann ich mein O in Verteidigung nicht halten und dann nehmen sich mich nicht bei den Auroren. GUTE NACHT! ADIOS! UND BIS BALD." – IB.

„Du wirst die beste Aurorin." – EP.

Im Gegensatz zu Inga war ihr Bruder nicht so mitteilungsbedürftig. Emily fragte ihn zwar ständig nach seinem Unterricht bei Dumbledore, doch Harry weigerte sich darüber zu sprechen, auch wenn Emily ihn ständig darauf hinwies, dass die Münzen sicher waren. Ob Dumbledore es ihm verboten hatte oder ob Harry nicht wollte, konnte sie nicht ergründen. Auch Hermine sagte kein Wort dazu, sondern verwies sie auf Harry.

Irgendwann gab Emily es auf. Wenn Harry nicht wollte, dann eben nicht. Wenn Harry störrisch blieb, dann konnte sie das auch. Lieber ließ sie sich von Inga und Ginny auf dem neuesten Stand halten, was Dumbledores Armee so trieb.

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