24. Unter Drachen
Emily seufzte erleichtert, als sie die Tasche öffnete und sie ihre eigene frisch gewaschene Kleidung vor fand. Es fühlte sich himmlisch an endlich wieder ihre Kleidung zu tragen, vor allen der kuschelige Weihnachtspullover vom letzten Jahr. In der Tasche fand sie auch ihre Brille wieder. Vorsichtig klappte sie das Etui auf und mit der Brille fiel ihr auch eine Galleone in die Hand.
Emily sog erschrocken die Luft ein. War das etwa die verzauberte Galleone? Hastig untersuchte sie die Seriennummer, es war immer noch das Datum des letzten Treffens zu sehen. Emily biss sich auf die Lippen um einen Jubelschrei zu unterdrücken. Ob Sophia wohl wusste, dass die Galleone sich in der Tasche befand oder hatte jemand anderes vielleicht die Münze dort hinein getan? War es am Ende Harry gewesen? Jetzt brauchte sie nur noch einen neuen Zauberstab, dann war sie vielleicht doch nicht so von all den anderen abgeschnitten. Vorerst verstaute sie die Münze in ihrer Hosentasche.
Vor der Tür, wartete bereits Charlie auf Emily. Er trug dicke Sicherheitsstiefel, sowie eine dicke Lederhose, die genauso wie sein kariertes Hemd bereits diverse Brandflecken aufwies. Auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln als er Emily sah. "Du trägst einen von Mums Pullovern, das ist gut. Die kannst du hier in Rumänien gut gebrauchen."
"Wird es hier echt so kalt?" Emily sah Charlie zweifelnd an.
Charlie nickte. "Und noch kälter, aber keine Sorge, wir haben genug Winterkleidung für dich."
"Das ist gut", erwiderte Emily. "Ich brauche nämlich noch ein paar Schuhe." Sie streckte ihm einen besockten Fuß entgegen. "Sie haben vergessen mir Schuhe einzupacken."
"Auch das ist kein Problem." Charlie heulte auf vor Lachen. "Du benötigst hier eh feste Stiefel, ich hab dir schon welche mitgebracht." Er deutete auf das Paar Sicherheitsstiefel, was auf dem Tisch stand. "Hier sind nur ein paar der Wege befestigt, der Rest ist matschige Wiese. Oder eine Eisbahn - je nach Jahreszeit." Währenddessen zog Emily sich schon einmal die Schuhe an. "Aber das wirst du gleich selber sehen. Sirje hat endlich erlaubt, dass du umziehen darfst und während wir schon einmal dabei sind, kann ich dir gleich alles zeigen."
"Ich darf umziehen?"
"Klar, du sollst ja nicht ewig auf der Krankenstation bleiben." Charlie ging schon mit großen Schritten zur Tür hinaus und Emily musste sich beeilen. "Eine Sache vorweg: für alle anderen hier, bist du Maia Johansen, Sirjes jüngere Cousine. Deine Familie ist bei einem Brand gestorben und du hast schwere Verletzungen davon getragen, deshalb hat Sirje sich um dich gekümmert und du darfst nun hier bleiben. Zumindestens für ein paar Monate. Deswegen kannst du auch mit zu Sirje in ihre Hütte ziehen."
"Zu Sirje?"
"Das ist doch in Ordnung?", fragte Charlie besorgt. "Ich hatte den Eindruck, dass ihr euch versteht. Sirje hat es vorgeschlagen-"
Emily zuckte mit den Schultern und verzog dann das Gesicht. Das Narbengewebe auf ihrem Rücken spannte immer noch, trotz der Salben, und vertrug keine plötzlichen Bewegungen. "Ich wollte nur niemanden zur Last fallen."
"Ach Quatsch", antwortete Charlie leichthin. "Du fällst doch niemanden zur Last. Du wirst schon sehen, wir sind hier eh eine große Gemeinschaft, da kommt es auf einen mehr oder weniger nicht an. Vor allem dann nicht, wenn sie so klein sind, wie du." Er wuschelte Emily durch die Haare, wie er es auch schon früher getan hatte.
Es kam ihr so vertraut war, dass sie Charlie deswegen nur halbherzig schimpfte. Sie stolperte hinter Charlie her, während sie die Krankenstation verließen.
"Herzlich Willkommen im rumänischen Drachenreservat", sagte Charlie und vollführte eine kleine Verbeugung, was Emily zum Lachen brachte. "Dem besten und größten auf der Welt."
Vor ihnen lag ein kleines Dorf aus bunt gestrichenen Holzhütten. Dahinter erhoben sich massive Berge, deren Gipfel schon mit Schnee bedeckt waren.
"Das sind die Karpaten, das Reservat liegt in einem Tal, direkt unterhalb des Moldoveanu. Es ist für Muggel nicht auffindbar, sie wissen noch nicht mal, dass es dieses Tal überhaupt gibt." Charlie grinste stolz. "In den Hütten wohnen alle Mitarbeiter des Reservates. Es gibt noch die Halle, das ist so ein Gemeinschaftsraum für alle, dort gibt es auch Essen."
Langsam machten sie sich auf den Weg zu den Hütten, dieser Weg war tatsächlich befestigt. Charlie passt sich inzwischen Emilys kleinere Schritten an. "Am anderen Ende des Dorfes ist noch das Verwaltungsgebäude, aber das ist langweilig."
"Und wo sind die Drachen?"
"Die Drachengehege liegen, von uns aus gesehen, hinter der Krankenstation. Der Wald gehört zur Krankenstation für die Drachen. Die Krankenstationen sind irgendwie der Mittelpunkt des ganzen Reservates." Er lachte und deutete auf die Brandflecken. "Aber es ist alles halb so gefährlich wie es sich anhört, wenn man weiß wie man mit den Drachen umzugehen hat. Du darfst das Drachenreservat nur betreten, wenn einer der Drachenzähmer dabei ist, hast du verstanden, Emily?"
Emily nickte. "Nach dem trimagischen Turnier, habe ich eigentlich kein Interesse ihnen groß näher zu kommen. Wie viele Menschen leben eigentlich hier?"
"Mehr als du glaubst", erwiderte Charlie. "Lass mich mal überlegen: also in der Verwaltung, da arbeiten so sieben Leute, die kümmern sich um die ganzen Dienstpläne und die Abrechnungen. Im gleichen Gebäude sitzen auch die Forscher, die habe ich vorhin vergessen. Sind aber auch komische Leute." Er verzog das Gesicht. "Tun immer ein bisschen so, als wären sie zu gut für diese Umgebung hier."
"Dann haben wir noch Sergio und Jolene, die kümmern sich in der Halle um das Essen", fuhr Charlie fort. "Mit Sirje sind es drei Heiler für uns Menschen, dann nochmal zehn für die Drachen, weil die sich auch um verwaiste Eier kümmern oder auch mal auf Außeneinsätze müssen. Dazu kommen dann noch wir, die Drachenzähmer, etwa zehn in der Ausbildung und so sechzig bis siebzig Ausgelernte. Einige wenige haben auch ihre Familien hier, aber die meisten leben lieber alleine hier."
Das waren tatsächlich mehr Leute als Emily erwartet hatte, aber sie hatte sich auch noch nie wirklich mit Drachen beschäftigt.
"Hier." Charlie deutete auf eine der ersten Hütten des Dorfes. "Das ist Sirjes Hütte, als Heilerin hat sie ihre eigene Hütte bekommen, die meisten von uns müssen sich eine teilen."
"Und wo wohnst du?", fragte Emily neugierig.
"Zeig ich dir später auch noch." Charlie grinste sie verlegen an. "Es ist vermutlich nicht aufgeräumt. Wir sind beide nicht so ordentlich. Bei Sirje ist es aber auch gemütlicher."
Sirjes Hütte war tannengrün gestrichen, während die Fensterrahmen weiß waren. Vor der Haustür war eine schmale Veranda angebracht, auf der mehrere Stühle standen. Als Emily und Charlie klopften, bemerkte Emily die vielen Kräuterbündel, die zum Trocknen an den Holzbalken hingen. Auch auf den Fensterbrettern standen jede Menge Töpfe mit Kräutern und Pflanzen herum.
"Seit wann klopfst du, Charlie?", fragte Sirje, als sie die Tür öffnete. Den weißen Kittel hatte sie gegen Jeans und einen dicken Pullover getauscht, ihr blondes Haar fiel ihr in einem dicken Zopf über den Rücken. "Oh, hi Maia. Das erklärt natürlich alles." Sie schlug Charlie spielerisch auf den Oberarm. „Du möchtest wohl einen guten Eindruck machen."
„Nein, eigentlich möchte ich eher ein Stück von deinem Kuchen." Charlie grinste.
„Erst der Besuch!"
„Sie ist kein Besuch, sie wohnt bei dir." Charlie klang entrüstet. „Also bin ich der Besuch."
„Dann halt eben Ladies first." Sirje winkte Emily herein. „Mach dir nichts draus, es ist genug für alle da. Ich hoffe, du magst Schokoladenkuchen."
Vorsichtig betrat Emily Sirjes Hütte. Man stand direkt in der großen Wohnküche, an der gegenüberliegenden Wand, schien eine Tür zu den weiteren Zimmern zu führen. Die abgelaufenen Holzdielen knarrten, als Charlie das Zimmer durchquerte und es sich an dem großen Küchentisch bequem machte, der beinahe den halben Raum einnahm. Um den Tisch herum, standen ein altes, plüschiges Sofa, sowie verschiedene Holzstühle.
An der Wand, links von der Eingangstür, zog sich eine Küchenzeile mit einem großen Ofen entlang. Darüber waren in mehreren Reihen Regale montiert worden, die vor Einmachgläsern, weiteren Kräutertöpfen und Büchern nur so überquollen. An der anderen Wand standen ein Ohrensessel und weitere Bücherregale. Davor lag ein dicker Flickenteppich.
„Es ist ein bisschen einfach, Maia", sagte Sirje. „Aber ich hoffe, du wirst dich trotzdem hier wohlfühlen. Du hast auch ein eigenes Zimmer, aber das zeige ich dir später. Ich habe dir schließlich etwas zu Essen versprochen." Sie lächelte Emily an und deutete auf den Küchentisch. „Setz dich schon einmal, du kriegst gleich erst einmal eine Suppe."
„Ich möchte keine Umstände machen", murmelte Emily.
„Machst du doch nicht", beruhigte Sirje Emily, während sie eine Schale nahm und diese mit Suppe füllte. „Du wirst schon noch sehen, dass hier immer was los ist. Und meistens hat es was mit Essen zu tun." Sie stellte Emily die Suppe hin. „Iss. Es ist genug da."
Emily setzte sich neben Charlie und da ihr nun wohl nichts anderes übrig blieb, begann sie zu essen. Die dicke Kartoffelsuppe schmeckte Emily besser als erwartet und während Charlie und Sirje sich über das Reservat unterhielten, löffelte Emily gleich zwei Schalen leer. Sie konnte sich gar nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal großartig etwas gegessen hatte.
Es war wirklich gemütlich in Sirjes Hütte und Emily hoffte, dass sie auch weiterhin so gut mit der jungen Heilerin verstehen würde. Die Aussicht hier einige Zeit verbringen zu müssen, erschien ihr vielleicht gar nicht mehr so schlimm.
„Magst du noch etwas Essen?" Sirjes Stimme riss Emily aus ihren Gedanken.
„Ich würde etwas von dem Schokoladenkuchen nehmen", erwiderte Emily leise.
„Ich auch!"
„Ihr kriegt beide etwas." Lachend stand Sirje auf und schnitt den Kuchen an, bevor sie zwei Stücke an Charlie und Emily verteilte. Emily musste grinsen, als sie sah, dass Sirje das deutlich größere Stück gegeben hatte. Charlie sah Sirje schmollend an, bevor er seine Energie lieber darauf verwandte den Kuchen zu essen.
„Wenn das für dich in Ordnung ist, würden Yuna und Ari noch hier vorbei kommen", sagte Sirje. „Ich habe ihnen auch etwas vom Kuchen versprochen."
„Aber nur wenn du magst", fügte Charlie hinzu. „Wenn du dich lieber ausruhen möchtest oder so, ist das auch okay. Dann nehme ich den Kuchen mit."
Emily schüttelte den Kopf. „Nein, das ist schon okay." Sie mochte sich nicht mehr ausruhen, sie wollte nicht mehr wie ein Stück Glas behandelt und in Watte gepackt werden. Auch Sophias Besuch, als sie so offen über diese schrecklichen Themen gesprochen hatten, war besser als einsam auf der Krankenstation zu liegen und von allen wie ein Invalide behandelt zu werden. Sie mochte zwar eine seltsame Mutation sein, aber sie lebte noch.
„Yuna hat mich schon oft gefragt, wann sie dich endlich besuchen kann", berichtete Sirje. „Aber sie versteht natürlich auch, dass du deine Ruhe brauchst."
„Davon hatte ich erst einmal genug", sagte Emily.
„Dann ist ja gut", kam es von Charlie. „Wir haben einiges mit dir vor. Die Zeit hier soll nicht verschwendet sein, außerdem musst du deinen Stoff für die Schule lernen."
Emily verzog das Gesicht. An den Unterricht hatte sie bisher gar nicht gedacht.
„Eine Bedingung für den Aufenthalt hier, ist, dass du weiterhin Unterricht erhältst und du in den wichtigsten Fächern auf dem gleichen Stand bleibst, wie deine Mitschüler. Daher liegen in deinem Zimmer auch schon deine Schulbücher", erklärte Charlie. „Aber, keine Sorge, wir haben auch ein paar spaßige Sachen geplant."
„Quidditch ist vermutlich nicht auf dem Stundenplan vorgesehen, oder?"
Charlie lachte laut auf. „Mit Quidditch warten wir vielleicht noch, bis Sirje ihr Okay gibt, aber abends organisieren wir oft genug ein paar kleine Spiele. Einen Besen finden wir für dich auch. Du spielst als Jägerin, richtig?"
Emily nickte stolz. „Wir haben letztes Jahr den Quidditchcup gewonnen."
„Ginny hat mir davon lang und breit berichtet." Charlie lächelte stolz. „Sie ist die Einzige von uns, der ich ebenfalls zutraue, Quidditch professionell zu spielen. Harry hat ihr im Übrigen deinen Feuerblitz gegeben, er meinte es wäre sicherlich in deinem Sinne und als Kapitän könnte er jeden schnellen Besen gebrauchen."
„Harry ist Quidditchkapitän?" Emily freute sich für ihren Bruder. Er war letztes Jahr, schon ein bisschen eifersüchtig auf Ron gewesen, der Vertrauensschüler geworden war, auch wenn er es nicht hatte zugeben wollen. Aber jetzt hatte Harry sein eigenes Amt. Hoffentlich würde er gute Spieler für diese Saison finden. „Es ist natürlich in Ordnung, wenn Ginny mit meinem Besen fliegt. Sie ist eh die bessere Spielerin." Ginny würde unbesiegbar auf diesem Besen sein.
„Mit dem Unterricht fangen wir aber erst in ein paar Tagen an", sagte Sirje. „Wir haben gerade Wochenende. Außerdem müssen wir für dich noch einen neuen Zauberstab besorgen und Remus hat uns eine ganze Liste an Büchern aufgeschrieben, die du auch lesen sollst, die wir noch besorgen müssen. Vielleicht sollte er mal darüber nachdenken, selber zu unterrichten?"
Emily musste dann doch lachen. „Er hat mal ein Jahr Verteidigung gegen die Dunklen Künste unterrichtet. Er war der beste Professor, den wir je hatten."
Mit einem Mal öffnete sich die Tür und zusammen mit der kalten Luft, platzten zwei junge Frauen in die Hütte. Beide trugen, trotz der Kälte, nur die dicken Lederhosen und langärmelige T-Shirts. Emily erkannte Yuna auf den ersten Blick, von daher musste die andere Frau Ari sein.
„Sind wir schon zu spät für den Kuchen?", fragte Ari. Ihr langes, glattes Haar war dunkelblau gefärbt und sie trug ein Piercing im rechten Nasenflügel. Sie streckte Emily die Hand entgegen. „Hey, ich bin Ari."
Noch rechtzeitig erinnerte sich Emily daran, sich mit Maia vorzustellen und schüttelte Aris Hand.
Ari lachte. „Keine Sorge, ich weiß eh wer du bist. Ich kenne dich noch aus Hogwarts."
„Oh." Emily blickte verlegen drein. „Ich muss jetzt leider sagen, dass ich dich nicht kenne."
„Macht nichts, ich war auch ein paar Jahre über dir", erklärte Ari, während sie sich neben Charlie setzte. „Ich war in Olivers und Percys Jahrgang, aber in Hufflepuff. Du bist ständig mit Harry und Ron in Schwierigkeiten geraten."
„Kann man so sagen", murmelte Emily.
„Ich hoffe, du kannst dich wenigstens an mich erinnern", meldete sich Yuna zu Wort.
Emily grinste. „Natürlich." Sie umarmte die Freundin kurz. „Es freut mich, dass du wirklich hier anfangen konntest."
Inzwischen hatte Sirje schon für Ari und Yuna Kuchen ausgeteilt und für alle Kaffee und Tee gekocht. Emily nahm den Tee dankbar an und setzte sich wieder.
„Mich auch. Also meistens", sagte Yuna zwischen zwei Bissen Kuchen. „Die Ausbildung ist manchmal wirklich grausam, vor allem die Nachtschichten."
„Du wirst es überleben", erwiderte Charlie, der nun bei seinem dritten Stück Kuchen angelangt war. „So wie wir alle auch."
„Das lässt sich so leicht sagen, ihr beide habt die zwei Jahre bereits hinter euch", beschwerte sich Yuna.
„Und ich habe noch vier Jahre vor mir, also beschwert euch alle nicht", sagte Sirje gutmütig. „Esst lieber mehr Kuchen."
„Emily, wenn du morgen fit genug bist, dann können wir schon deinen Zauberstab besorgen", sagte Charlie.
„Ich würde auch gerne mit", sagte Yuna sehnsüchtig. „Aber ich habe morgen wieder die Frühschicht."
„Natürlich können wir morgen los", antwortete Emily eifrig. Je eher sie einen neuen Zauberstab bekam, desto eher konnte sie eine Nachricht an ihre Freunde senden. „Und wo gehen wir dann hin?"
Charlie grinste. „Das ist eine Überraschung."
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