16

Ich konnte die ganze Nacht lang nicht richtig schlafen. Beim Einschlafen habe ich Ewigkeiten gebraucht und ich bin danach ständig aufgewacht.

Reglos liege ich im Bett und starre an die Decke. Die Sonne strahlt durch die Jalousien. Ein gestreiftes Muster entsteht dadurch an der Wand und der Decke. Schon mehrere Male habe ich die Streifen neu durchgezählt. Erst die dunklen, dann die hellen und dann alle zusammen. Und die Anzahl ändert sich nicht, sie bleibt gleich. Natürlich bleibt sie das.

Mein Handy vibriert. Sofort verschnellert sich mein Herzschlag. Ich stütze mich an den Unterarmen ab und lehne mich etwas vor, um auf den Nachttisch sehen zu können. Josie.
Ich rolle mit den Augen und lasse mich zurückfallen. Lange bleibe ich aber nicht liegen, denn meine Blase drückt. Seufzend stehe ich auf und gehe ins Badezimmer. Dort steige ich anschließend auch gleich unter die Dusche, in der Hoffnung, dass ich zumindest eine kurze Zeit lang alles vergessen kann.

Aber es funktioniert nicht. Stattdessen sammeln sich wieder Tränen in meinen Augen. Ich möchte nicht weinen. Nicht schon wieder.

Recht schnell verlasse ich das Badezimmer wieder. Im Schlafzimmer werfe ich mir Rays Sachen über und krabble zurück ins Bett. Meine Haare durchnässen mein Kissen. Rays Kissen presse ich an mich, seine Decke habe ich fest um mich gewickelt. Schniefend vergrabe ich mich in die Bettwäsche und versuche mich auszuruhen.

Ich höre, wie jemand die Wohnung betritt. Genervt seufzte ich. Es wäre schlau gewesen, wenn ich irgendwem Bescheid gegeben hätte, dass ich heute nicht in die Arbeit komme. Irgendein Lebenszeichen. Eigentlich wollte ich vermeiden, dass jemand vorbeikommt, doch jetzt ist es zu spät.

Jedoch erkenne ich sehr schnell an den Schritten der Person, dass es keiner meiner Freunde sein kann. Ich schlucke schwer, meine Augen fangen an zu brennen. Die Matratze senkt sich und er liegt nun hinter mir. Seine Arme legen sich kräftig um meinen Körper. Ich spüre ihn, trotz der Decke. Sein Kinn liegt auf meinem Kopf und sein Oberkörper schmiegt sich gegen meinen Rücken.

Schluchzen erfüllt den Raum. Es ist unmöglich es noch weiter zurückzuhalten. Mir ist eiskalt, gleichzeitig brennt es auf meiner Haut.
Ray küsst meinen Hinterkopf. Tränen verlassen meine Augenwinkel und hinterlassen eine kitzelige Spur.

Lange bleiben wir so liegen. Am liebsten würde ich für immer so liegen bleiben, ich möchte nicht wissen, was als nächstes passiert. Auch, wenn ich es mir denken kann. Ich würde gerne von all dem einfach wegrennen.

"Ich habe Frühstück mitgebracht", flüstert er in mein Ohr und ich erschaudere. Die Tatsache, dass er ruhig bleibt und mich weiterhin so liebevoll behandelt, bricht mir mein Herz.

Ray möchte aufstehen, aber ich halte seine Hand fest. Er soll nicht gehen, nicht jetzt.

"Komm mit."

Seine Hand entgleitet meiner. Beschämt sehe ich auf den Boden, sobald ich auf meinen Beinen stehe. Ray seufzt und kommt auf mich zu. Seine Finger drücken meinen Kopf hoch, sodass ich gezwungen bin ihn anzusehen. Die Freude aus seinen hellen Augen ist verschwunden. Dennoch hüllt mich das Braun in eine kleine Blase. Sie ist dünn, droht jede Sekunde zu platzen, aber ich komme runter.

Ein schwaches Lächeln ist zu sehen. Ihm ist anzusehen, dass ihm die Situation auch sehr nahe geht. Ich habe ihn verletzt. Ich habe ihn verletzt und trotzdem ist er jetzt bei mir.

Seine Hand wandert zu meinem Rücken und er schiebt mich mit sich ins Wohnzimmer. Sofort sehe ich zur Stelle, an der Louis und ich uns geküsst haben. Mein Hals schnürt sich zusammen. Nichts deutet auch nur ansatzweise an, was hier gestern passiert ist.

Ray führt mich zum Esstisch, ich nehme Platz. Er selbst verschwindet kurz ins Vorzimmer und anschließend in der Küche. Es macht mich nervös. Denn dort sieht man bestimmt die Reste von gestern. Der Korb, die Tupperboxen, die Alkoholflaschen.

Meine Ellenbogen sind auf der Tischplatte, mein Gesicht ist in meinen Händen vergraben. Wie konnte das passieren? Wie konnte ich das zulassen?

Ramon balanciert sowohl Geschirr, als auch Essen und Getränke zum Tisch. Er stellt die Sachen ab, schiebt mir einen Teller zu und setzt sich nun ebenfalls hin. Mir gegenüber.

"Hier, er hat einen Zettel hinterlassen", höre ich ihn sagen und mein Kopf schießt nach oben. Er hält mir ein gelbes Post-it entgegen. Nervös greife ich danach. Louis' Schrift ist deutlich zu erkennen. Ich streiche mit dem Finger über den Fleck in der Ecke. Es sieht aus, als wäre es eine Träne, die in den letzten Stunden getrocknet ist.

Sollte etwas sein, kannst du dich trotzdem bei mir melden

Ich zerknülle den Zettel in meiner Hand und lege die Kugel neben mich auf den Tisch. Ein Blick zu Ray verrät mir, dass er mich bis eben noch beobachtet hat. Jetzt sieht er auf sein Brötchen und bestreicht es mit Marmelade. Marillenmarmelade. Schon immer habe ich mich gefragt, wie er Marillenmarmelade am liebsten haben kann. Oft habe ich ihn scherzhaft damit aufgezogen. Doch mit dem Hintergedanken, dass es vielleicht das letzte Mal ist, dass ich ihn Marillenmarmelade essen sehe, überkommt mich die Übelkeit und auch wieder das extreme Schuldgefühl.

Unsicher nehme auch ich mir ein Brötchen. Ich mache mir gar nicht die Mühe es zu beschmieren oder zu belegen. Stattdessen reiße ich mir einfach kleine Stücke ab und sättige mich hiermit. Rays Gesichtsausdruck dabei entgeht mir nicht.

Irgendwann legt er das Brot ab, lehnt sich zurück und verschränkt die Arme. Sofort sinke ich in mich zusammen. In mir rumort es. Jetzt ist reden angesagt.

"Konntest du schlafen?" Seine Stimme ist dünn, er muss sich räuspern.

Ich schüttle den Kopf.

"Ich auch nicht", er seufzt und fährt sich durch sein fluffiges, dunkelblondes Haar. Wie immer ist seine Frisur ein wildes Durcheinander, sein Scheitel ist nicht zu erkennen. Dabei fällt mir das Armband, welches ich ihm letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt habe auf. Ich senke meinen Blick.

"Harry, ich habe nachgedacht. Viel nachgedacht. Und ich glaube uns beiden ist es bewusst, dass es so nicht weitergehen kann." Der Knoten in meinem Hals wird fester.

"Harry."

Ich sehe auf. Auf seiner Stirn sind tiefe Falten. Er streckt seine Hände nach mir aus. Zögernd lege ich meine in seine und er umschließt sie sanft. Seine Hände sind weich und meine eigenen wollen nicht aufhören Schweiß zu produzieren.

"Diese Beziehung ... Unsere Beziehung muss enden. Wir können nicht länger zusammen sein, es macht dich fertig. Es macht dich fertig und das wiederum macht auch mich fertig."

"Aber ich liebe dich, ich wollte es so, ich wollte mit dir zusammen sein. Ich habe mich dazu entschieden", kommt es panisch von mir und er drückt meine Hände leicht.

Er nickt. "Das stimmt schon, aber ich muss irgendwann einen Schlussstrich ziehen, weil ich weiß, dass du es wahrscheinlich nicht machen würdest. Wir haben beide Mist gebaut. Mir ist bewusst, dass du auch alt genug bist, um selbst zu entscheiden, was du willst und was nicht. Aber es wäre egoistisch von mir, wenn ich es weiterhin zulasse. Wir sind noch jung, haben noch so viel vor uns. Am liebsten würde ich mein restliches Leben mit dir an meiner Seite verbringen, das war auch mein Plan. Manchmal funktionieren Pläne aber nicht so, wie sie sollten und es ist okay, auch wenn es weh tut", meint er und ich muss schlucken.

"Die Zeit, in der wir zusammen sind, ist beendet. Aber wir haben noch so viel Zeit, die wir schön gestalten können. Das alles muss nicht heißen, dass unsere gemeinsame Zeit komplett vorbei ist. Vielleicht fühlen wir uns irgendwann bereit dazu weiterhin Tage miteinander zu verbringen. Als Freunde. Aber erstmal sollten wir Abstand voneinander haben. Ich will, dass du glücklich bist."

"Aber ich bin nur mit dir glücklich. Ohne dir geht das nicht", murmle ich, was ihn lächelnd den Kopf schütteln lässt.

"Tu uns das nicht an. Ich weiß, dass es dich traurig macht, wenn ich nicht hier bin. Mich macht es doch auch traurig. Nur jetzt musst du nicht mehr auf mich warten, das hättest du niemals sollen. Ich möchte ehrlich mit dir sein, ich kann Abstand jetzt auch gut gebrauchen, nachdem wir das alles dann besprochen haben. Ich liebe dich, das wird sich auch nicht ändern. Du wirst immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben, aber manchmal muss man loslassen."

Ich ziehe meine Hände aus seine, drücke sie an mich. Meine Sicht ist schon wieder verschwommen. "Wie kann dir das so leicht fallen?"

Ray rauft sich die Haare. "Es fällt mir kein bisschen leicht, aber ich versuche vernünftig zu bleiben. Es bringt keinem was, wenn ich dich anmeckere und dir sage, dass das eine verdammt beschissene Aktion von dir war. Mir tut es so weh zu wissen, dass es aus ist. Zu wissen, dass es so weit kommen musste, damit was passiert. Ich weiß nicht, was ich fühle. Bin ich wütend, traurig, enttäuscht, erleichtert? Alles, schätze ich. Aber es ist auch meine Schuld."

Ich möchte ihm widersprechen. Einfach, weil es mir nicht passt. Ich will es nicht einsehen.

"Wie war es für dich?", fragt er, nachdem wir uns angeschwiegen haben.

"Was?"

"Der Kuss. Mit Louis."

Ich verziehe mein Gesicht. Meine Finger bohren sich in meinen Stuhl. "Nicht. Tu das nicht."

"Ich möchte es aber wissen, ich kenne ihn ja kaum. Und du bist keiner, der andere einfach so küsst. Erst recht nicht, wenn du in einer Beziehung bist, das wissen wir beide. Du magst ihn mehr als dir bewusst ist und fuck, es tut weh, aber ich will dir nicht mehr beim Glücklich werden im Weg stehen. Ich möchte, dass du glücklich bist und wenn du das mit ihm an deiner Seite bist, dann ist das okay. Dann freut es mich für dich. Aber ich brauche Antworten. Macht er dich glücklich? Bringt er dich zum Lachen?", fragt er und ich spüre, wie meine Unterlippe anfängt zu beben. Mein Gesicht spannt schon von den ganzen getrockneten Tränen, aber es kommen immer neue nach.

Ray schätzt Ehrlichkeit. Ehrlichkeit ist ihm verdammt wichtig und mir genauso. Aber es ist schwer, ich möchte nichts dazu sagen, ich möchte ihm nicht wehtun. Das würde aber passieren, wenn ich ihm sage, dass ich mich wohlgefühlt habe in diesem Moment und Louis mich sehr leicht zum Lachen bringen kann.

Mittlerweile sind auch seine Augen glasig. Er nickt. Er versteht.

"Aber ich liebe dich, Ray", versichere ich ihm ein weiteres Mal. Mir ist bewusst, dass das nichts ändert, aber er soll es wissen. Denn das tue ich.

Eine Träne kullert nun auch aus seinem Auge, doch er wischt sie sofort weg.

"Das hast du, das weiß ich. Aber es kann manchmal passieren, dass die Liebe zu einem verloren geht und langsam verschwindet. Diese aufrichtige Liebe, weißt du was ich meine? Ich möchte dir nichts einreden. Vielleicht liebst du mich, aber Louis ist in dein Leben getreten und hat deine Welt komplett auf den Kopf gedreht, oder?" Wieder sind seine Mundwinkel leicht hochgezogen.

"Wäre ich genug gewesen, gäbe es ihn nicht in dieser Position. Das soll kein Vorwurf an dich sein, auch nicht an ihn. Ich habe, wie gesagt, ja auch Schuld daran. Aber belüge dich nicht selbst, das tut dir nicht gut. Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit, es ist klar, dass wir an ihr hängen. Aber das soll dich an der Liebe nicht zurückhalten. Werde dir deinen Gefühlen bewusst, bevor du jemanden sagst, dass du ihn liebst."

Mein ganzer Körper versteift. Der Sauerstoff fehlt in meinen Lungen und ich spüre mein Herzklopfen bis in den Hals.

"Es ist aus", stelle ich leise fest. Ray nickt.

"Ja, es ist aus." Er legt den Kopf nach hinten. Sein Kehlkopf bewegt sich, als er schluckt.

"Kann-", fange ich an und lasse meine Finger knacken, "Kann ich dich umarmen? Einfach bei dir sein?" Ramon steht nickend auf und winkt mich mit sich.

"Lass uns ins Schlafzimmer gehen", schlägt er vor und ich renne ihm sofort hinterher, greife dabei unsicher nach seiner Hand. Doch wir verschränken die Finger nicht. Wir halten einfach die Hand des jeweils anderen.

Ray lässt sich auf der Matratze fallen und zieht mich mit sich. Ich liege zur Hälfte auf ihm. Fest umklammere ich meinen Freund. Meinen Ex-Freund. Der Gedanke bereitet mir Kopfschmerzen.

Mein Ohr liegt auf seiner Brust und ich höre seinem ruhigen Herzschlag zu. Es beruhigt mich. Die Blase von vorhin ist wieder spürbar. Ich schließe die Augen, konzentriere mich voll und ganz auf das Gefühl, welches mir dieser Mann beschert.

Doch die einstige Wärme fehlt plötzlich. Mir ist nicht kalt, aber ich habe das Gefühl zu erfrieren.

Ich hebe meine Hand und spiele mich mit seinem Haaren, darauf bedacht, dass ich sie nicht verknote.

"Wieso konntest du so spontan herkommen?", will ich leise von ihm wissen. Seine Brust hebt und senkt sich stark als er seufzt.

"Es war nicht spontan. Ich wollte dich nur eigentlich überraschen, weil ich doch früher als gedacht Heim kann. Deswegen hab ich noch nichts gesagt."

Schwer schlucke ich. Meine Finger löse ich aus seiner weichen Haarpracht und schiebe sie stattdessen zwischen unsere Körper.

"Du hättest es mir sagen sollen", flüstere ich leise und kaue auf meine Unterlippe herum.

"Weil das gestern sonst nicht stattgefunden hätte zwischen dir und Louis? Das ist Blödsinn, es ändert nämlich nichts an deinen Gefühlen. Gar nichts. Weißt du, früher oder später wären wir trotzdem an genau diesem Punkt. Ob wegen einem Kuss oder wegen dem Realisieren, dass diese Beziehung so nicht weiter gehen kann. Es spielt keine Rolle, Harry. Es ist jetzt nun mal so. Nur möchte ich mich bei dir entschuldigen. Dafür, dass ich dir nicht bieten konnte, was du verdienst und, dass ich genau das nie einsehen konnte."

Sprachlos hebe ich meinen Kopf und schüttle ihn. Er sieht nicht zu mir, aber ich sehe, wie seine Augen wässrig von einem Punkt zum anderen im Zimmer umherwechseln.

"Ray", hauche ich und presse meine trockenen Lippen aufeinander. "Du meinst du konntest mir nicht genug bieten? Ist das dein Ernst? Du hast mir so eine schöne Zeit geschenkt, Ramon! Ich-"

Er unterbricht mich. "Dann sehe mit einem Lächeln darauf zurück, Hübscher." Nun sieht er zu mir, seine große Hand liegt schwer auf meinem Kopf und er streicht darüber. Seine Stimme ist nun auch leiser: "Ich werde die Zeit mit dir auch niemals vergessen und immer wertschätzen. Das verspreche ich dir. Die Welt geht weiter, lebe dein Leben, werde glücklich. Es hat nun mal nicht funktioniert, deswegen dürfen wir uns jetzt aber nicht das Leben selbst schwer machen."

Ray versucht zu lächeln, aber wir beide heulen nun Wasserfälle. Qualvoll nicke ich und lege meinen Kopf wieder auf seinen Oberkörper ab. "Okay."

~♡~

Hi. Wie geht's euch?

Ich hab voll aufs hochladen vergessen aaaah es tut mir so leid!

Aber gut... Hier lernen wir Ray mal so richtig kennen. Ich weiß nicht wie es euch geht (tell me tho), aber ich liebe ihn. Er ist toll.

Heute spielt es Iron Man (Tony... yk) im Fernsehen und ich freu mich voll xD

See you soon.
Loads of love xx

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