#20

Manche wecken morgens die Vögel, die zwitschern, andere erwachen durch den Sonnenschein, der durch ihr Fenster dringt. Für Lynne war es diesmal die Änderung des Rhythmus von Kades Brust, der sie auch schon in den Schlaf gewogen hatte.
Ihr Kopf ruhte auf ihm, sein Arm war um sie geschlungen und als dieser sich zuckend bewegte, riss es Lynne endgültig aus dem Schlaf. Sie drehte den Kopf um ihn ansehen zu können und sie versuchten sich verschlafen anzublinzeln.
„Wie spät ist es?", fragte sie müde, als sie erkannte wie dunkel ihre Umgebung war. Mehr als die fein umrahmten Silhouetten ihrer Möbel konnte sie nicht erkennen.
„Noch ziemlich früh", antwortete Kade mit kratziger Stimme. „Sorry, dass ich dich geweckt hab"
„Alles okay?", fragte sie, rutschte von ihm weg und stützte sich mit den Ellbogen aufs Bett. Er änderte seine Position ebenfalls indem er sich auf die Seite drehte und sich stöhnend auf den Rücken griff, etwa auf Höhe der Niere. Lynne beobachtete kurz wie er sich die Stelle massierte.
„Tut's sehr weh?", traute sie sich zu fragen, obwohl sie sich selbst vor der Antwort fürchtete. „Nein, es ist einfach nur... anstrengend", tat Kade seine Schmerzen ab.
Er seufzte. „Ich frage mich immer noch, wie man so kindisch sein kann..."
Lynne erinnerte sich, dass er während des Arbeitens an ihrem Artikel bereits einen Hunter, den er von unten kannte, kindisch nannte. Was genau er getan hatte, verriet Kade immer noch nicht, sie wusste lediglich, dass die beiden Rivalen waren – oder sind – und, dass Kade ihm die Schuld für seine Beschwerden gab.
Kade ließ sich zurück auf den Rücken sinken. „..., wenn es den anderen doch so ein leichtes war", beendete er den Satz mit bedrückter Stimme.
„Wovon redest du?", hakte Lynne nach und legte eine Hand auf seine Schulter.
Er atmete schwer aus und zögerte mit einer Antwort. Dafür schien er eine längst verdrängte Erinnerung hervorholen zu müssen.
„Mein... mein Dad hat mir das früher immer... wie eine Geschichte erzählt", begann er. „Vermutlich, weil es so einfacher für mich war die Sache zu verstehen... Also, vor einer Zeit gab es eine Frau, die alles dafür tat den Wettkampf zu gewinnen und die nächste Anführerin zu werden. Sie war die erste Frau, die es tatsächlich so weit schaffte, dass die meisten glaubten, sie würde das Ding tatsächlich gewinnen können. Und sie wollten das auch, sie war... beliebt, gab nie auf... die Leute hätten sich gefreut, sie als ihre Anführerin zu haben. Alle bis auf ihre Mitstreiter, natürlich."
Etwas an seinem Erzählton gefiel Lynne. Er schien die Geschichte schon ein paar Mal gehört zu haben, also stellte sie sich Kade als kleinen Jungen vor, der sie ebenso von seinem Vater erzählt bekam. Aber sie ahnte bereits, dass die Geschichte noch eine Wendung haben würde und hörte aufmerksam weiter zu.
„Wenige Jahre vor der Meisterschaft... wurde sie plötzlich Mutter. Sie dachten sich, schön, Problem gelöst, das Training holt sie nicht mehr nach. Aber, Mann, haben die sich geirrt...", setzte er fort. „Aber sie ließen das auch nicht auf sich sitzen... Es hatte sich eine kleine Gruppe zusammengeschlossen, die ähnliche Interessen vertraten und sich gegenseitig unterstützten. Sollte einer von ihnen gewinnen, schworen die anderen dessen nachfolgende Generationen ebenfalls zum Sieg zu verhelfen, so sagt man zumindest. Und diese... unaufhaltsame Frau, die trotz eines Babys zuhause, weiterkämpfte, stand ihnen dabei im Weg... ‚Die Leute sahen sie als eine Rose, doch ihren Feinden war sie ein Dorn im Auge.' So hat mein Dad es früher immer gesagt... ‚also pflückten sie diese Rose und ließen sie welken'" Kade wartete ein paar Atemzüge, um mit angespannter Stimme zum Schluss zu kommen: „Ich brauchte eine Zeit lang, um herauszufinden, dass das meine Mom war... und noch länger um zu erfahren, dass sie wenige Monate vor dem Wettkampf in den Kanälen gefunden wurde..."
Lynne blieb der Atem weg. Sie hätte es wissen müssen, da Kade die ganze Zeit nur von sich und seinem Vater sprach, wenn es um seine Familie ging.
Sie versuchte etwas zu sagen, doch aus ihrem Mund wollte kein Laut treten, nur aus ihren Augen Tränen.
„Sorry, dass ich dir das erzählt hab...", entschuldigte Kade sich und griff nach ihrer Hand an seiner Schulter. „Ich wollte eigentlich darauf hinaus, dass Hunter genauso ein Arschloch ist, wie die Generation vor ihm."
Langsam sank Lynne zurück auf die Matratze und schmiegte diesmal ihren Kopf sanft an seine Schulter und seine Hand, die die ihre hielt.
„Nein, schon okay...", murmelte sie. „Danke."
Sie drückte liebevoll seine Hand und gab ihr einen sanften Kuss, in den sie versuchte all ihr Mitgefühl, ihre Zuneigung und Liebe für ihn zu legen.

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