#17.5

Ein paar kieselsteingroße Bruchstücke fielen von der Decke herab direkt auf Kades Schulter. Er gab einen fragenden Laut von sich, wischte die kleinen Stein- und Erdgemische von seinem T-Shirt und blickte nach oben.
„Ja, das passiert seit ein paar Tagen ständig", bemerkte Dale beiläufig und wandte seinen Blick ebenfalls an die hohe Decke des Trainingsgewölbes.
Es war in dem teilweise sehr provisorisch erbauten Höhlenreich nicht unüblich, dass ab und an mal Teile des Untergrundes oder der Decke locker wurden oder ein Gang einstürzte, doch Kade selbst hatte so etwas glücklicherweise noch nie am eigenen Leib erfahren.
„Ich hatte den Instandhaltern doch schon bescheid gesagt, warum tun die noch immer nichts dagegen...?", meinte Dale nun genervt.
„Wahrscheinlich nehmen die sich dem erst an, wenn uns der Laden hier auf den Kopf fällt", überlegte Kade.
Dale lachte kurz. „Ja, da hast du wohl recht. Na komm schon, weiter geht's"

Das Training heute war kein Vergleich mehr zu dem, was Kade am Anfang seiner Laufbahn tat. Früher musste Dale sich nicht einmal groß anstrengen, um den 10-jährigen auf den Boden zu bringen, doch in den 6 Jahren schaffte er es nicht nur seinem Trainer ein beinahe ebenbürtiger Gegner zu werden, auch der Körperbau ähnelte ihm immer mehr.
Die großen Fortschritte waren wichtig, da Kade im Laufe der Meisterschaft merkte, wie sehr die Ansprüche sich geändert haben und die Standards gestiegen sind. Viele Kämpfer kapitulierten bereits bevor sie die Arena überhaupt betraten, doch Kade dachte nicht ans Aufgeben und war nur froh seine kleinen, weißen Helfer zu haben.
Inzwischen standen nur noch einer von zwei Halbfinalkämpfen und das Finale an, durch das Aufgeben einiger Jugendlichen verkürzte sich die Gesamtdauer des Wettkampfes erheblich. Kade hatte sein eigenes Halbfinale bereits siegreich hinter sich, in den nächsten Tagen würde sich sein Finalgegner entscheiden, gegen den er in zwei Wochen antreten würde. Jedem Höhlenbewohner, der den Sport verfolgte, war klar, dass dieser Gegner Hunter sein würde oder zumindest erwarteten dies viele. Auch Kade war dies nicht entgangen, weshalb er keine einzige Trainingsstunde mehr ausfallen ließ.

Mit jedem hartem Aufschlag auf dem Boden der beiden Kämpfer lockerte sich immer mehr Stein über ihnen, was aber unbemerkt blieb. Nur gelegentliche Häufchen wie der auf Kades Schulter neben ihnen auf dem Boden oder auf ihnen kündigten schlimmere Folgen an. „Hey, Mann, vielleicht sollten wir aufhören... das ist mir echt nicht geheuer...", gestand Kade und schaute erneut nach oben.
„Vor ein paar Jahren ist mir sowas in meinem eigenen Haus passiert", erzählte Dale. „Manchmal bin ich morgens aufgewacht und hatte Steine auf meinem Bett liegen. Aber die Decke ist nie eingekracht, also musst du dir keine Sorgen machen" Während er sprach, wurde er zweimal von etwas Herabfallendem getroffen. Auch wenn er gerade sagte, dass dies ihn nicht sonderlich zu stören schien, stellte er sich trotzdem ein paar Meter zur Seite, sofern dies in der kleinen Arena denn möglich war.
„Aber, da unsere Zeit sowieso schon beinahe um ist...", hängte Dale an und trat erneut zur Seite, um Kade den Weg zum Ausgang frei zu machen.
Mit Leichtigkeit schwang Kade sich über den Rand der Arena, den er früher nur mit einem Sprung erreichen konnte.
Er vernahm ein krachendes Geräusch direkt vor sich, als er noch in der Hocke saß. Zeit zum Aufstehen hatte er nicht mehr. Die Quelle des ungewöhnlichen Geräusches war ein großer Felsbrocken, der sich von der Decke gelöst hatte und keine zwei Meter vor ihm gelandet
war. Dieser oder eher die Vibrationen, die der Aufprall auslöste, waren der Startschuss für das Wahrwerden von Kades Befürchtungen.
Auch wenn er es vielleicht hätte tun sollen, kümmerte er sich nicht um Dale, der noch immer unten in der Arena stand. Seine Instinkte sagten ihm, er solle auf die Seite rollen, um dem Steinschlag auszuweichen.
Gnadenlos stürzte das Gestein, unter dem sie lebten, auf sie herab, Fels für Fels bröckelte ab und riss auch die Wände teilweise mit, sodass sie Kade, der sich in einer schützenden Position an die Wand gedrückt hatte, auch beinahe gänzlich unter Schutt begruben. Mit jedem auf ihm landenden Stein, den er ausmachen konnte, hoffte er nicht stark verletzt worden zu sein, da er in seinem momentanen Schockzustand kaum seinen eigenen Körper spüren konnte.
Nach wenigen Sekunden war die Zerstörung auch wieder vorbei, doch ein Nachhallen des Lärms war noch deutlich zu hören und verhinderte somit jeglicher Ruhe das Einkehren in die Situation.
Nur langsam traute Kade sich aus der Steinschicht über ihm zu befreien. Eine schwache Antwort auf seine Rufe nach Dale halfen ihm allerdings wieder Kraft aufzubringen.
Er konnte das Ausmaß des Steinregens nicht erahnen, erst als er den gesamten Boden bedeckt von unregelmäßigen Felstrümmern sah, begann er zu begreifen. Vorsichtig kämpfte er sich zur Arena zurück, um seinem Trainer herauszuhelfen. Er hatte sich ebenfalls bereits befreit, denn auch der Teil des Raumes war nicht verschont geblieben.
„Bist du verletzt?", fragte Dale und kletterte zu Kade nach oben.
„Nein. Du?", erkundigte er sich.
Plötzlich spürte Kade auch noch Wassertropfen auf seinem Kopf. Zuerst dachte er, es sei nur aus dem Trauma hervorgegangene Einbildung, doch den stetigen Rhythmus, in dem sie nun auf seine Haare trafen, konnte er nicht mehr ignorieren.
Mit Staunen und Schreck zugleich musste er feststellen, dass sich das Volumen des Raumes durch den Einsturz mindestens verdoppelt hatte. Über ihm kam ein Hohlraum zum Vorschein, den das lose Gestein auf dem Boden niemals hätte ausfüllen können. Durch den Einsturz wurden zwar mehrere Lampen beschädigt, doch soweit Kade im schlechten Licht erkennen konnte, war die Decke des Hohlraumes feucht und es tropfte von dort auf ihn herab.
„Nein, mir geht es gut. Aber ich fürchte..." Dale stieg ans andere Ende des Raumes dorthin wo die Schließfächer mit allerlei wichtigen Aufzeichnungen standen. Schon von weitem konnte Kade erkennen, dass die Kästen aus Blech zertrümmert waren und jetzt ein wenig an zerdrückte Getränkedosen erinnerten. Dennoch kam er ebenfalls näher und half Dale zumindest einen davon zu öffnen.
„Scheiße", fluchte Dale, als er die Tür des Schließfaches mit bloßen Händen aufbog, darin aber nichts als ein vom verformten Blech zerfetztes Durcheinander vorfand.
Kade versuchte den zweiten Kasten zu öffnen, doch sein Vorhaben wurde von Klopfen an die durch Schutt versperrte Tür und erschrockenen Rufen von Ohrenzeugen unterbrochen.

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