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Jo saß entspannt gegen Pietro gelehnt auf dem Sofa im Wohnbereich und beobachtete amüsiert ihren Vater, der unruhig vor ihnen auf und ab ging. Das Frühstück hatten sie nicht einmal zu Ende bringen können, denn sie waren von Tony kurzerhand in den Wohnbereich zitiert worden.  Nun warteten sie auf 'das Urteil', das er wohl gleich fällen würde. Auch Pepper, die ursprünglich gemütlich frühstücken wollte, war durch Tonys plötzlichen Aufschrei in den Raum gezogen worden. Jetzt saß sie ebenfalls auf dem Sofa und blätterte mit einem leichten Lächeln in einem Buch, das sie aus dem Esszimmer mitgenommen hatte. In ihrem Gesicht spiegelte sich das leise Kichern, das von den anderen aus dem Essbereich herüberdrang – offenbar hatten alle beschlossen, dem Schauspiel beizuwohnen. Innerlich verdrehte Jo die Augen und wartete geduldig ab, als ihr Vater schließlich stehen blieb und sie mit strengem Blick musterte.

„Pietro erinnert sich also wieder?"

Jo hob leicht die Brauen, warf Pietro einen kurzen Seitenblick zu und wandte sich dann mit einem fragenden Ausdruck wieder ihrem Vater zu. „Ja?"

„Tony, wieso fragst du sie?" Wandte sich der Blonde an den Älteren. „Ich sitze hier direkt vor dir."

„Gut, dann bist jetzt du dran." Der Erfinder wandte sich an Jos Freund. „Seit wann erinnerst du dich und wieso weiß ich nichts davon? Ich dachte, so als Teamkameraden vertraut man sich so etwas an!" Mit großen Gesten unterstrich er dabei seine Worte und setzte eine dramatisch gekränkte Miene auf, die Pietro sichtlich belustigte.

Jo musste sich ein Grinsen verkneifen. Ihr Vater hatte immer schon Tendenzen zur Drama-Queen und zu großen Gesten, und in solchen Momenten zeigte er es besonders gerne. Bewusst oder auch unbewusst. Er war zweifellos ein Genie, aber wenn es um zwischenmenschliche Dinge ging, war sein Taktgefühl manchmal, hier zögerte Joanna etwas, ausbaufähig.

„Vorsichtig, Tony", kam Peppers trockene Stimme von nebenan, ohne dass sie den Blick von ihrem Buch hob. „Trag nicht zu dick auf. Jo durchschaut dich sowieso."

„Ich musste erst einmal ein paar wichtige Dinge sortieren", antwortete Pietro und warf dabei Jo einen zärtlichen Blick zu, der ihr Herzkurz schneller schlagen ließ. „Außerdem musste ich sicherstellen, dass eine bestimmte Person in Ordnung ist."

„Warum hätte sie nicht in Ordnung sein sollen?" Fragte Pepper verwundert und legte das Buch endgültig zur Seite.

Jo drehte sich zu ihr um und seufzte leicht. „Weil ich dabei war und... na ja, es war meine Schuld, dass das alles passiert ist." Ihre Stimme klang ruhiger, als sie sich selbst erwartete.

Tony schnaubte und richtete sich auf, als hätte er eine plötzliche Eingebung. „Aber wieso hast du es deiner Schwester nicht erzählt?" Er blickte Pietro streng an. „Sie ist immerhin dein Zwilling. Ihr seid... keine Ahnung, zwillingsmäßig synchronisiert, oder sowas."

Bevor Pietro antworten konnte, klang Peppers strenge Stimme durch den Raum: „Tony, lass die beiden in Ruhe. Als wenn du es in seiner Situation anders gemacht hättest." Sie warf ihm einen scharfen Blick zu. „Oder wärst du nicht sofort zu mir gekommen?"

Das hatte gesessen. Jo konnte förmlich sehen, wie ihr Vater die Schultern leicht einzog und sich wie ein ertappter Teenager setzte.

„Okay, okay", gab er kleinlaut zu und hob beschwichtigend die Hände. „Weniger Aufregung. Aber ich behalte mir das Recht vor, bei großen Ereignissen dramatisch zu werden." Er grinste schließlich breit, was die Anspannung im Raum sofort löste.

Pietro schüttelte nur leicht den Kopf, während Jo sich leise lachend an ihn schmiegte. Pepper hob wieder ihr Buch, doch das Lächeln auf ihren Lippen verriet, dass sie den Rest der Unterhaltung aufmerksam verfolgte.

„Wie kam es überhaupt dazu?" Fragte ihr Vater weiter, diesmal deutlich ruhiger, aber dennoch mit hörbarer Neugier in der Stimme.

Jo wand sich unruhig, spürte die wachsende Neugier hinter ihrem Rücken und atmete tief durch, bevor sie zu einer Antwort ansetzte. „Ich kam gerade von dem Ausflug mit Alex zurück und stand noch mit ihm in der Lobby, als zeitgleich Pietro und Missy aus dem Aufzug stiegen." Sie warf Pietro einen kurzen Blick zu, um seine Reaktion auf die kommenden Worte zu beobachten. „Alex hatte dann wohl die Idee Pietro zu provozieren und so eine Reaktion hervorzurufen, also hat er mich geküsst..." Während sie sprach, sah sie, wie Ärger über Pietros Gesicht huschte. Sie wandte sich jedoch ab, als ein überraschter Ausruf von hinten ertönte.

„Ha! Ich wusste es!" Erklang Wandas triumphierende Stimme und schnitt ihr die Worte ab. „Von wegen Freund!"

Jo zuckte leicht zusammen, als Wandas Stimme den Raum erfüllte. Sie drehte sich zur Seite und sah, wie ihre Freundin mit einem triumphierenden Lächeln im Türrahmen stand. „Wanda, das ist jetzt wirklich nicht der Zeitpunkt", murmelte Jo und spürte, wie sich eine leichte Röte auf ihren Wangen ausbreitete. Es war typisch für Wanda, jedes kleine Detail aufzuschnappen und dann mit voller Lautstärke zu verkünden.

„Was denn?" Wanda zuckte unschuldig mit den Schultern, während sie ins Zimmer trat und sich neben Pietro auf die Sofalehne setzte. „Es war doch offensichtlich, dass da etwas zwischen dir und Alex war. Ich habe euch schließlich gesehen." Sie grinste breit, während Jo versuchte, ihre Verlegenheit zu überspielen.

„Es war nichts", sagte Jo, etwas fester als beabsichtigt, und sah direkt zu Pietro, dessen Kiefer leicht angespannt wirkte. „Es war wirklich nichts, okay? Alex wollte nur..."

„Mich eifersüchtig machen", beendete Pietro den Satz für sie. Seine Stimme war ruhig, aber Jo erkannte den Unterton von Groll, den er nicht ganz verbergen konnte. Sie seufzte leise und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.

„Es war vielleicht nicht die klügste Idee von ihm", sagte Jo schließlich, ihre Stimme sanft und nachdenklich. „Aber ich verstehe, warum er es getan hat. Alex wollte einfach nur... etwas provozieren, um eine Reaktion zu sehen." Sie seufzte und fuhr sich weiter durch das Haar. „Er ist immer noch mein Freund, und ich weiß, dass er es nicht böse gemeint hat. Ich war nur zu überrascht, um sofort richtig zu reagieren."

Tony schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. „Ich verstehe nicht, warum dieser Kerl überhaupt noch in deiner Nähe ist. Vielleicht sollte ich doch mal ein ernstes Wort mit ihm reden?" Seine Augen funkelten schelmisch, und Jo erkannte sofort, dass er es nicht wirklich böse meinte. Er war zwar besorgt, aber sie wusste auch, dass er Alex mochte.

„Dad, du weißt, dass Alex es nicht böse gemeint hat," sagte Jo sanft und schüttelte leicht den Kopf. „Er ist immer noch mein Freund, und das bleibt auch so."

Tony seufzte dramatisch und hob die Hände, als würde er kapitulieren. „Na gut, aber vielleicht rede ich trotzdem mal mit ihm – nur ein Vater-Tochter-Freund-Gespräch. Nichts Dramatisches." Er zwinkerte, und Jo musste lächeln.

„Ach, Dad..." Jo lächelte weiterhin. „Das ist nicht nötig. Lass doch den armen Kerl in Ruhe." Sie sah zu Pietro, dessen Gesichtsausdruck sich langsam entspannte. „Und außerdem... ich war nie an ihm interessiert. Du weißt das, oder?" Ihre Worte waren leise, fast eine Frage, während sie in seine Augen blickte.

Pietro seufzte schließlich und seine Gesichtszüge weichten auf, während er leicht den Kopf schüttelte. „Ich weiß", sagte er und nahm sanft ihre Hand. „Aber das bedeutet nicht, dass es nicht schwer war, zuzusehen." Er hielt kurz inne und fügte dann hinzu: „Vor allem, als ich mich an so vieles noch nicht erinnern konnte."

Jo nickte verständnisvoll und drückte seine Hand. „Es tut mir leid, wirklich", flüsterte sie, und für einen Moment war alles um sie herum vergessen – der Raum, die neugierigen Blicke, die ganze Aufregung. Nur sie und Pietro, verbunden durch das unsichtbare Band, das sie beide immer gespürt hatten.

„Ihr zwei seid wirklich hoffnungslos", hörte sie plötzlich Tony murmeln, und sie lachte leise, als sie den Kopf hob und ihren Vater anlächelte.

„Man könnte meinen, du wärst ein bisschen romantisch, Dad", neckte sie ihn, woraufhin er schnaubte und sich wieder in seinen Sessel fallen ließ.

„Romantisch? Ich? Nein, nein. Ich bin bloß praktisch", antwortete er mit einembreiten Grinsen. „Aber wenn ich sehe, dass mein Mädchen glücklichist, dann habe ich wohl meinen Job gemacht."

Pepper legte schließlich das Buch ganz beiseite und stand auf, um sich neben Tony zu setzen. „Vielleicht sollten wir jetzt alle etwas entspannen", schlug sie vor und legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. „Es ist schon genug passiert, und ich denke, wir alle haben ein bisschen Ruhe verdient."

Jo nickte zustimmend und lehnte sich wieder an Pietro, der seine Arme um sie legte. „Ruhe klingt gut", murmelte sie, während sie die Wärme seiner Umarmung spürte. „Nach all dem Trubel wäre ein bisschen Normalität ganz nett."

Wanda jedoch grinste weiterhin verschmitzt. „Oh, ich bin mir sicher, dass das Drama noch nicht vorbei ist", sagte sie, bevor sie aufstand und den Raum verließ, einen letzten schelmischen Blick zurückwerfend.

Jo sah ihr nach und seufzte. „Sie wird nie aufhören, oder?"

Pietro lächelte leicht und drückte sie fester an sich. „Nein, aber das macht sie irgendwie liebenswert."

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