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Etwas gerädert saß Joanna am Esstisch und knabberte an ihrem Toast herum. Es war eine anstrengende Nacht gewesen. Emotional, als auch körperlich. Pietro war nun mal... ausdauernd. Doch in der Nacht hatte es sie nicht gestört, weil sie selbst im Strudel verschiedenster Gefühle gefangen war. Jetzt durfte sie dafür bezahlen. Nicht, dass sie sich beschweren würde. Sie ächzte nur etwas, als sie nach der Teekanne griff, um sich etwas einzuschenken.

„Alles klar bei dir?"

Bei dieser Frage zuckte Joanna zusammen und drehte sich zum Fragenden um. Sie erblickte Bucky, der mit einer Tasse Kaffee näher kam und sie ehrlich interessiert ansah. Schnell drehte sie sich um, damit er nicht sah, dass sie rot wurde. Die Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen, sollten jetzt wirklich nicht ausgesprochen werden.

„Ich... Es war gestern ein langer Tag." Murmelte sie undeutlich, während sie in ihren Toast biss.

Bucky sah sie verwundert an. „Du warst gestern soweit ich weiß mit Alex unterwegs. Nicht wahr?" Er blickte etwas missmutig in seine Tasse. „Ich wurde ja warum auch immer als dein Leibwächter abgezogen."

„Kannst du dir das nicht vorstellen?" Fragte Jo mit einem verschmitzten Lächeln. „Das letzte Mal hast du mich quasi vor Dads Nase weggeschleppt und wir waren unauffindbar."

„Aber dir ist nichts passiert!" Verteidigte sich Bucky. „Ich hätte dich mit allen Mitteln verteidigt, wenn es nötig gewesen wäre!"

Mit einem Lächeln sah Jo zu ihrem Onkel. „Ich weiß. Danke dafür! Ich sollte wohl mit Dad reden, damit er dich wieder zu meinem Bodyguard macht." Sie legte ihren Kopf schief und sah ihn nachdenklich an. „Warum willst du überhaupt mein Bodyguard sein. Willst du nicht lieber zu den Avengers gehören?"

„Nein." Beantwortete er ihre Frage schnell und knapp.

Joanna sah ihn verwundert an, während er sich ihr gegenüber hinsetzte und ebenfalls nach etwas zum Frühstücken griff. So, als würde er ihre verwunderten Blicke spüren, hob Bucky wieder seinen Kopf. Mit einem nachsichtigen Lächeln stellte er seine Tasse wieder ab.

„Ich habe genug Kriege gesehen." Er machte eine kurze Pause und schien nach den passenden Worten zu suchen. „Und selbst nach dem Krieg, war ich ein Instrument, welches zum Töten genutzt wurde. Ich kenne in meinem Leben tatsächlich nur Mord und Totschlag. Ich will einfach nicht mehr. Vor allem nicht, nachdem mein dunkles Alter-Ego vernichtet wurde. Ich kann jetzt einfach nur James sein." Jetzt taxierte er seine Nichte mit einem liebevollen Blick. „Bodyguard eines Teenagers zu sein, erscheint mir um einiges einfacher und risikoärmer."

Auf Joannas Gesicht erschien bei den letzten Worten ebenfalls ein Lächeln. Sie verstand ihn zu gut. Aber sie konnte es sich nicht verkneifen, ihm einen verschmitzten Blick zuzuwerfen. „Dir ist aber doch klar, dass ich bereits entführt wurde und auch weiterhin ein Ziel für HYDRA bin?"

„Deswegen absolviere ich auch weiter mein Training." Warf er trocken ein. „Damit ich dich jederzeit beschützen kann!"

„Oh Bucky!" Jo sprang auf und lief zu ihrem Onkel, um ihn zu umarmen. „Du bist der Beste!"

Joanna drückte sich fest an Bucky, spürte dabei die Wärme seiner Umarmung und den vertrauten, beruhigenden Herzschlag. Es waren Momente wie diese, welche sie daran erinnerten, wie wichtig Familie doch war, besonders in einem Leben, welches so oft unberechenbar war.

„Ich wünschte, ich könnte dir irgendwie helfen." Flüsterte sie, ihre Stimme gedämpft gegen seine Schulter. „Ich meine, dich wirklich vor allem beschützen, was in der Vergangenheit passiert ist. Ich weiß, dass dies ein Wunschtraum ist, da ich deine Vergangenheit nicht ungeschehen machen kann. Was ich dir letztendlich anbieten kann, ist das du bei mir immer ein offenes Ohr hast und ich dir, falls du es brauchst, jederzeit für Umarmungen zur Verfügung stehe."

Bucky lächelte schwach und legte sanft eine Hand auf ihren Kopf und strich liebevoll über ihr Haar. „Du hilfst mir mehr, als du denkst. Jeder Tag, an dem ich auf dich aufpassen kann und sehe wie du erwachsen wirst, ist ein Tag, an dem ich  ein bisschen mehr von mir selbst zurückgewinne."

Joanna zog sich ein wenig zurück, um ihn anzusehen, ihre Augen dabei voller Ernsthaftigkeit. „Du verdienst es, glücklich zu sein, Bucky! Und ich werde alles tun, um sicherzustellen, dass du das auch wirst!"

Bucky nickte, und in seinen Augen blitzte eine Mischung aus Dankbarkeit und Melancholie auf. „Das gilt für uns beide, Jo. Wir beide haben viel durchgemacht, aber wir lassen uns davon nicht definieren. Wir gehen unseren eigenen Weg." Jetzt verzog sich sein Gesicht wieder zu dem von ihr bekannten Lächeln. „Aber bitte mache es nicht wie Nat. Ich brauche keine Dating-Apps!"

„Also hast du es herausgefunden?" Jetzt lachte sie ebenfalls. Kurz wurde sie wieder ernst. „Ich könnte keinen besseren Onkel haben als dich! Du bist Gold wert!" Sie drückte ihn noch einmal fest an sich, bevor sie ihm einen Kuss auf die Wange gab.

„Störe ich in einem besonderen Moment?" Erklang eine leicht verwunderte Stimme.

Joanna löste sich von Bucky und sah ihren Vater, welcher langsam auf sie zukam. Mit einem warmen Lächeln drehte sie sich zu ihrem Vater, während Bucky sich langsam zurücklehnte, den Moment noch in sich aufnehmend. Tony Stark, ihr Vater, schaute zwischen den beiden hin und her, die Augenbraue leicht hochgezogen, aber seine Augen verrieten eine Spur von Zuneigung, welche Jo gerade auch selbst in sich spürte.

„Nicht wirklich, Dad." Antwortete Joanna schließlich, während sie zu ihrem Platz zurückging und sich wieder hinsetzte. „Bucky und ich haben nur ein bisschen geredet."

Tony nickte und setzte sich dann ebenfalls an den Tisch, seine Tasse Kaffee in der Hand. „Es ist schön, euch so zu sehen. Es wird langsam selten, dass wir alle zusammen Zeit verbringen."

„Ja." Stimmte Joanna zu, ihre Stimme wurde dabei sanfter. „Manchmal vergisst man, wie wichtig solche Momente sind. Die letzten Wochen waren ziemlich anstrengend für uns alle."

Tony sah sie einen Moment lang an, seine Miene entspannter als sonst. „Du hast recht. Und ich möchte, dass du weißt, Jo, dass ich immer für dich da bin, egal was passiert."

Joanna lächelte ihn dankbar an, bevor sie sich wieder an ihren Toast machte, während Tony einen nachdenklichen Blick mit Bucky austauschte. In diesem stillen Moment war die Verbindung zwischen ihnen allen spürbar, eine Verbindung, die trotz der vielen Herausforderungen und Kämpfe, die sie alle durchlebt hatten, unzerbrechlich war.

Ein verwegener Gedanke schlich sich in Joannas Kopf, während sie ihren Gedanken nachhing. Sie stupste ihren Vater spielerisch in die Seite. „Gib es zu, dass du ein bisschen eifersüchtig bist." Sie sah ihn liebevoll an. „In letzter Zeit bin ich nicht oft zu dir gekommen, obwohl die nächtlichen Gespräche mit dir die besten sind, die es gibt."

„Nun..." Begann Tony nach einer kurzen Pause, in der er etwas verlegen an seinem Bart gezwirbelt hatte und ihr damit bewies, dass sie im Recht lag. Er zwinkerte seiner Tochter zu. „Wie wäre es, wenn wir heute einfach mal einen ruhigen Tag einlegen? Kein Drama, keine Action, nur ein bisschen Zeit für die Familie."

„Klingt gut." Stimmte Bucky zu, bevor er sich wieder seiner Tasse widmete. Er sah sein Gegenüber fragend an. „Ich hoffe, dass ich dabei sein kann?"

„Natürlich!" Erwiderte Tony und sah direkt zu Bucky. Sein Blick machte dabei deutlich, dass er bereit war über alte Differenzen hinwegzusehen. „Unsere Familie mag zwar klein sein, aber sie besteht nur aus den besten Leuten."

Joanna lächelte breit, zufrieden mit dem Gedanken an einen friedlichen Tag im Kreis ihrer Familie. „Ich bin dabei." Sagte sie, froh über die Aussicht, einfach mal durchatmen zu können. „Lasst uns das tun."

„Was schwebt dir vor?" Fragte Tony und sah sie interessiert an.

„Ferien wären toll." Sprach Jo das erste aus, was ihr in den Sinn kam. Dann sah sie etwas erschrocken zu ihrem Vater. „Also, ich weiß nicht wie man das machen kann, da du ja deine Verpflichtungen als Avenger hast, aber ein Ausflug zusammen wäre wirklich schön. Aber auf den heutigen Tag bezogen,..." Sie legte ihren Kopf schief und dachte nach. „...wäre es schön, wenn wir es schaffen zu den Mahlzeiten zusammen zu sein. Hierbei entstehen doch immer die tollsten Gespräche und Ideen."

„Beides machbar." Erwiderte ihr Dad. „Für dich lasse ich die Avengers einfach mal sein. Du wirst schließlich nicht ewig bei mir wohnen."

Bevor Joanna antworten konnte, war hinter ihnen ein leise gebrummtes „Morgen." zu hören.

Jo drehte sich um und sah Wanda zu ihnen schlurfen. Die Rothaarige sah ziemlich missmutig drein und ihr Blick klärte sich erst etwas, nachdem sie einen ersten Schluck Kaffee genommen hatte. Mit einem Seufzen der Erleichterung ließ sie sich in ihren Stuhl zurückfallen.

Jo stütze ihr Kinn auf ihre Hand und sah neugierig zu dem Neuankömmling. „Was hat dir denn die Laune verhagelt?"

„Hast du es denn nicht gehört?" Kam nur missgelaunt zurück.

Verwundert hob Jo ihre Braue. So schlechtgelaunt hatte Joanna Wanda noch nie erlebt. „Nein, was hätte ich denn hören sollen?"

Empört plusterte Wanda ihre Backen auf. „Ich glaube, dass Pietro heute Nacht die blonde Schnepfe zu Besuch da hatte! Ich konnte nicht schlafen, da die beiden so laut waren!"

„Oh!" Jos Wangen verdunkelten sich etwas. Daran hatten sie heute Nacht keinen Gedanken verschwendet. Aber es wunderte sie doch ein bisschen, da Wandas Zimmer auf der anderen Gangseite lag. Sie griff nach ihrer Tasse und versteckte ihr hochrotes Gesicht dahinter. Gut, dass im Moment niemand auf sie achtete, da das Gespräch weiterging.

„Ich hab nichts gehört." Warf Bucky einen Kommentar ein.

Wanda sah ihn missmutig an. „Ja, weil mein Zimmer als Puffer dazwischenlag."

„Ich dachte, wir haben deiner Cousine Hausverbot erteilt?" Mit dieser Frage, bezog ihr Vater Jo wieder ins Gespräch mit ein, sodass ihr nichts anderes übrig blieb, als zu antworten.

„Das dachte ich auch..." Antwortete Jo nur vage und wandte ihm ihren Kopf zu.

„Was hast du da am Hals?" Fragte Wanda unschuldig, nachdem sie die Jüngere einen Moment lang prüfend angeschaut hatte.

Jo, wandte sich von dem Gespräch mit ihrem Dad ab und sah zu der Rothaarigen. Sie hob fragend ihre Augenbraue. „Was meinst du?" Sie griff an ihren Hals. „Vielleicht ein Mückenstich?"

„Die Mücke möchte ich ja mal sehen." Erwiderte Natascha trocken, welche gerade den Raum betrat und zum Tisch näher kam. Natascha zog Joannas Kragen ein Stück herunter, richtete ihn nach einem amüsierten Blick jedoch wieder sorgfältig. „Soll ich den Kammerjäger holen? Das sind ja mehrere 'Stiche'." Sie setzte sich zu ihnen an den Tisch und blinzelte die Jüngere verschmitzt an, während sie sich eine Kaffeetasse griff. „Bist du diese Nacht oft gestochen worden?"

„NAT!" Rief Jo aus. „Das... Es... Nein!" Jo stammelte nur, bevor sie sich die Hände über ihr hochrotes Gesicht schlug. Sie war vielleicht schon deutlich abgeklärter, wenn es um solche Anzüglichkeiten ging, aber das war jetzt doch etwas zu viel. Die Hoffnung, dass ihr Dad genau in diesem Moment einen Hörsturz erlitten hatte, war leider umsonst, denn dieser verzog entrüstet sein Gesicht.

„Ich werde Barnes das Fell über die Ohren ziehen!" Knurrte Tony empört.

Bucky sah ihn verwundert an. „Ich habe nichts damit zu tun!" Verteidigte er sich.

„Nicht du! Wir sind hier immer noch nicht bei Game of Thrones! Der andere Barnes. Alex." Setzte der Erfinder hinzu, nachdem er Bucky einen Blick zugeworfen hatte, der fragte, ob er sich denn tatsächlich so dumm stellte.

„Mir war schon immer klar, dass er es auf dich abgesehen hat." Warf Wanda trocken ein. „Von wegen, dass er nur dein Freund sein möchte. Wer kein Interesse hat, der schleppt einen nicht in eine Ausstellung!" Ereiferte sie sich weiter.

„Wanda!" Schnaubte Jo gereizt. „Alex hat nichts damit zu tun!" In diesem Moment war die junge Stark äußerst froh um die Unterweisung von ihrem Gegenüber. Die Rothaarige würde sicher nicht so reagieren, wenn sie Jos Gedanken aufgeschnappt hätte. Insgeheim verfluchte sie Pietro für seinen Übermut der letzten Nacht. Aber in diesem Moment hatte es einfach nur dazu beigetragen ihrer beider... Jo wand sich. In diesem Moment unter allen anderen wollte sie nicht mal an das Wort 'Erregung' denken. Sie zuckte ertappt zusammen.

„Ach, und wer war es dann?" Wurde jetzt hinter Joannas Rücken die Frage gestellt. Tony zog jetzt seinerseits an ihrem Kragen und schnaubte aufgebracht, als er die Male sah. „Es kann nur Alex gewesen sein. Der bekommt was zu hören!"

„Nein!" Jo wandte sich erschrocken zu ihm. Das hier nahm jetzt eine Wendung, welche sie nicht unbedingt an diesem Morgen hatte erleben wollen. Dahin war die entspannte Atmosphäre von davor.

„Wir hören!" War jetzt von Wanda zu vernehmen.

Jo wandte ihr den Kopf zu und suchte fieberhaft nach den passenden Worten. Wo war nur das Loch zum Verkriechen? Konnte es noch schlimmer werden?

„Guten Morgen!" Erklang eine weitere Stimme.

Joannas Auge zuckte ungeduldig. Langsam nahm das alles hier die Ausmaße eines Kammerspiels an. Alle paar Minuten ein neuer Charakter, welcher seine Meinung einwarf und alles nur noch schlimmer machte.

„Speedy! Welch seltener Gast." Vernahm Jo verwundert von der Seite ihres Vaters.

Sie wandte sich zu dem Neuankömmling und sah ihn düster an. Er hatte ihr da wirklich ein paar Probleme eingebrockt. Pietro sah sie nur verwundert an. Jo schnaubte schlechtgelaunt und wandte ihren Blick wieder von ihm ab. Dabei streifte ihr Blick wie automatisch seinen Körper hinab. Sie stockte und musste doch etwas grinsen. Jetzt war sie mal gespannt wie es weitergehen würde. Bedächtig griff sie nach ihrer Tasse und wartete ab. Denn für den Moment war sie vom Haken, da sein Auftauchen bei einer gemeinsamen Mahlzeit Seltenheit geworden war.

„Nun ja,..." Der Blonde machte eine kurze Pause und rieb sich verlegen über seinen Nacken. „...ich kann euch ja nicht für immer aus dem Weg gehen. Immerhin darf ich ja hier wohnen." Damit kam er langsam auf sie zu und setzte sich neben Natascha.

Tony stellte seine Tasse wieder ab. „Das freut mich sehr, dass du wieder mit uns isst. Es ist wirklich selten geworden. Lass es dir schmecken!" Er deutete Pietro, sich zu bedienen, bevor er sich wieder an Joanna wandte und sie verärgert ansah. Jo zuckte nur mit den Schultern und lächelte ihm entschuldigend zu.

Ein amüsiertes Schnauben war zu vernehmen, welches alle von ihren Tellern aufblicken ließ. Joanna hingegen, hatte auf derartiges gewartet, da sie wusste, dass Nataschas scharfen Augen nur wenig entging. Alle sahen zu Nat, welche ihre Gesichtszüge nur mühevoll unter Kontrolle halten konnte. Diese hingegen sah weiterhin zu Pietro, welcher ihren Blick etwas verwirrt erwiderte.

„Hab ich was im Gesicht?" Fragte Pietro verwundert und sah zu seiner rothaarigen Nachbarin.

„Gibt es in deinem Zimmer etwa auch eine Mückenplage?" Fragte Natascha neckend. Dabei streckte sie ihre Hand aus und zog am Hals den Saum seines Shirts hinunter. Sie ließ das Stück Stoff los und wandte sich an Jo. „Wie bei dir sieht es bei ihm nach einem wirklich großen Insekt aus."

Einen Moment lang war es still am Tisch. Jo fragte sich schon, wo denn die Stecknadel war. Sie wandte ihren Blick zu Pietro und sah wie er sie verstehend und auch etwas schuldbewusst angrinste. Langsam zählte sie bis drei.

„WAS!?" War im Chor zu vernehmen.

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