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„Bist du endlich fertig?"
Die aufgeregte Stimme ihres Vaters drang durch die Badezimmertür zu ihr. Jo seufzte tief und suchte über den Spiegel hinweg Nataschas Blick. Diese zupfte gerade eine Haarsträhne aus Joannas Frisur, bevor sie den Blick fragend erwiderte.
„Seit wann ist er dort draußen?" Fragte Jo schließlich.
Natascha wickelte die Haarsträhne vorsichtig um den Lockenstab und wartete einen Moment. „Seitdem du aus der Dusche gestiegen bist. Kurz bevor Wanda und ich zu dir rein sind." Sie besah sich die Locke und steckte sie vorsichtig fest.
„Warum?"
„Kannst du dir das nicht denken?" Kam jetzt von Jos anderer Seite. „Du gehst heute zu deinem Abschlussball. Du, sein einziges Kind. Er muss doch sehen, wie du aussiehst."
Über den Spiegel hinweg sah Jo weiter zu der Rothaarigen. „Hat er etwa seine Kamera dabei?"
Natascha erwiderte den Blick mit einem Grinsen. „Hier dabei hat er sie jetzt nicht. Aber ich weiß, dass du nach dem Anziehen hoch auf die Gemeinschaftsetage sollst. Du kennst doch deinen Vater."
„Inzwischen ja." Jo machte eine kurze Pause. „Wie sehr hat er übertrieben?"
Natascha sah sie mit einem Grinsen an. „Für seine Verhältnisse nur ein bisschen."
Jo seufzte tief. „Kannst du ihn nicht hochschicken? Er muss hier nicht warten und mich gleich anspringen, sobald ich aus dem Bad komme. Er soll mir noch einen Moment des Friedens lassen. Der Abend wird stressig genug."
„Ich verstehe." Erwiderte Nat und ging dann aus dem Bad. Jo hörte einen kurzen Wortwechsel, bevor die Ältere wieder reinkam.
„Meinst du?" Fragte Wanda. Sie trat zur Seite und begutachtete ihr Werk, welches sie mit dem Make-up vollbracht hatte.
„Ja." Joanna seufzte, als sie weiter sprach. „Missy geht auch hin. Mit deinem Bruder als Begleitung." Weiter sprach sie nicht, denn sie spürte erneut, wie sich der Kloß in ihrem Hals bildete. Er tauchte jedes Mal auf, seitdem sie diese Information erhalten hatte.
Wanda sah sie verwundert an. „Woher weißt du das?"
„Missy ist gestern zu mir in den Aufzug gestiegen." Erzählte Jo mit Grabesstimme. „Sie hat es sich nicht nehmen lassen, es mir unter die Nase zu reiben. Bis zum kleinsten Detail und mit ihrem besten Zahnpastalächeln."
„Miststück." Kam unisono von den beiden Rothaarigen.
„So ist sie eben." Joanna zuckte mit den Schultern. Sie kannte es nicht anders von der Blonden, da sie schon immer so zu ihr gewesen ist. „Ich bin froh, dass ich da nicht allein hin muss. Mit Alex habe ich ebenfalls eine fantastische Begleitung."
„Sicher, dass er nicht mit dir flirten wird?" Fragte jetzt Wanda vorsichtig.
Jo sah sie an und musste schmunzeln. Da machte sich jemand Sorgen. Sie überlegte und legte sich die richtigen Worte zurecht, bevor sie antwortete. „Ach Wanda... Und wenn es so wäre? Ich hänge immer noch sehr an deinem Bruder." Jetzt machte sie eine kurze Pause. „Aber was, wenn er sich nicht mehr erinnert? Soll ich einsam und allein bleiben? ... Ich kann das langsam nicht mehr." Flüsterte sie zum Schluss.
„Joanna..." Wanda begann, stockte dann aber. Sie sah Joanna über den Spiegel hinweg an. Ein trauriges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, welches sie schnell wieder verbarg. Sie legte ihre Arme von hinten um Joanna und umarmte sie sachte. „Komm, lass uns dich fertig machen, damit du einen wundervollen Abend hast."
Die junge Stark legte ihre Hände auf Wandas und lächelte zurück. „Danke Wanda."
Jetzt mischte Natascha sich mit einem sanften Lächeln ein. „Bevor es hier zu jetzt zu Gefühlsbetont wird, unterbreche ich euch." Sie klopfte auf ihre Armbanduhr. „Es wird langsam Zeit. Alex und dein Dad warten schon."
„Ach Nat." Jo stand auf und umarmte sie ebenfalls. „Sag doch, wenn du auch eine Umarmung willst. Auch dir ein großes Danke."
Etwas überrumpelt erwiderte Natascha die Umarmung. Schließlich fasste sie sich wieder. „Wir sollten los, bevor die Männer noch vor Ungeduld ein Loch in den Boden laufen." Mit diesen Worten löste sie sich vorsichtig aus Joannas Umarmung und zog sie in Richtung der Badezimmertür und von dort weiter zum Aufzug.
„Wo hat er bitte schön nur ein bisschen übertrieben?" Fragte Jo an Natascha gewandt und sah schließlich wieder zu der sich ihr bietenden Szene.
Alex, welcher im perfekt sitzenden Anzug, peinlich berührt unter einem mit Blumen geschmückten Bogen stand. Über seinem Kopf ein Banner, welches in leuchtenden Buchstaben 'Prom 2017' zeigte. Neben diesem Konstrukt stand ihr Vater, welcher sie liebevoll und stolz ansah, seine Kamera fest in der Hand. Ihm gegenüber wartete Bucky, welcher sein Handy gezückt hatte und offenbar ebenfalls damit Fotos machen wollte.
„Ich weiß nicht, wer hier aufgeregter ist." Erwiderte Wanda, welche neben Jo getreten war. „Dein Dad oder Bucky."
Jo sah zu der Rothaarigen und verzog ihr Gesicht zu einem Lachen. „Die beiden geben sich nichts!" Sie ging auf die wartenden Männer zu. Vor ihnen blieb sie stehen, stützte die Hand in der Hüfte ab und versuchte zu posieren. Jo wusste, dass es ihr nicht gelang, aber die Lacher waren es ihr wert. Außerdem vertrieb sie so ihre eigene Aufregung.
„Du siehst perfekt aus!" Gab ihr Dad schließlich von sich, nachdem er ein erstes Foto geschossen hatte.
Jo, welche nur noch Blitze sah, nickte dankend. „Danke Dad." Langsam ging sie auf die drei Männer zu. „Laut Nat haben wir maximal eine halbe Stunde bevor wir losmüssen. In der Zeit müsst ihr alle eure Fotowünsche erfüllt haben!" Sie wandte sich an Alex und griff nach seinen Händen. „Hi! Ich hoffe, dieses kleine Shooting macht dir nichts aus."
Noch immer etwas verdattert drein schauend schüttelte er den Kopf. „Keine Sorge. Ich verstehe deinen Dad ja auch." Jetzt verzog sich sein Gesicht wieder zu dem altbekannten Grinsen. „Du siehst zum Anbeißen aus."
„Ich darf doch sehr bitten!" Kam entrüstet von Bucky. „Sie ist meine Nichte und verdient etwas mehr Respekt!"
„Ach Bucky! Sei nicht so altmodisch!" Winkte Joanna ab. Sie hackte sich bei Alex unter, grinste dann zu ihrem Vater hin. „Hier hast du dein Fotomotiv!"
„Warte, da fehlt noch was." Unterbrach Alex sie. Er entwand ihr seinen Arm und trat hin zum Esstisch. Auf diesem lag eine Schachtel, nach der er nun griff. Mit wenigen Schritten war er wieder bei Joanna und öffnete die Schachtel vor ihr.
Neugierig sah Joanna hinein und musste einen leisen Ausruf des Staunens unterdrücken. Darin lag ein Blumengebinde mit einer hellblauen Schleife. Es war wunderschön in seiner schlichten Eleganz. Vorsichtig berührte sie die zarten weißen Blüten.
„Was ist das für eine Blume?" Fragte Jo schließlich, nachdem sie die erste Überraschung überwunden hatte.
„Das ist Jasmin." Dabei nahm Alex das Armband aus der Schachtel, welche er an Bucky weiterreichte. Er griff nach Joannas rechter Hand und streifte er es ihr vorsichtig über die Hand und befestigte sie an ihrem Handgelenk. Dann sah er zu ihr auf. „Ich hoffe sie gefallen dir."
Langsam zog Jo ihre Hand wieder zu sich und sah auf das Armband. Ein zarter Duft stieg in ihre Nase und sie musste wieder lächeln. Strahlend sah sie zu Alex hin. „Sie ist wunderschön! Danke!"
„Ich dachte mir, dass es nun mal zu einem Abschlussball dazugehört." Erwiderte Alex. Welcher sich aber offenbar über ihre Begeisterung freute. „Und dieses hier passt nun mal gut zu deinem Kleid."
Noch immer sah Jo fasziniert auf die Blumen. Schließlich nahm sie mit einem Lächeln Alex' Hand und zog ihn zu dem Blumenbogen. Dort stehend warf sie ihm ein weiteres Lächeln zu, bevor sie sich an ihren Vater wandte. „Jetzt kannst du deine Fotos machen! Wir stehen dir zur Verfügung."
Nach vielen Fotos waren Tony und Bucky endlich zufrieden. Versonnen sahen beide Männer auf die Fotos, während Jo und Alex ein paar Schlucke Wasser tranken. Joanna lehnte sich gegen den Esstisch und besah sich die Beiden. Dabei konnte sie ein breites Grinsen nicht vermeiden. Es freute sie, dass die Männer ihrer Familie glücklich waren. Während sie weiter grinsend zu den beiden sah, blickte ihr Vater auf und fing ihren Blick. Langsam kam er auf sie zu und blieb schließlich vor ihr stehen.
„Du siehst wunderschön aus und ich wünsche dir viel Spaß!" Mit diesen Worten zog ihr Vater sie in seine Arme. Dann flüsterte er ihr ins Ohr. „Lass dich von deinen ehemaligen Mitschülern nicht unterkriegen. Kopf hoch und denke daran, wer du bist!"
Jo drückte ihren Vater zurück. „Danke Dad." Dann sah sie ihn an. „Außerdem bin ich in bester Begleitung! Alex ist ja da." Dann wandte sie sich an den Genannten.
„Nicht nur Alex wird da sein." Kam von Tony, was Jo ihre Augen aufreißen ließ.
Sie wandte sich erschrocken zu ihrem Vater. „Bist du etwa auch da? Das kannst du nicht! Alle Lehrerinnen werden dich verliebt ansehen!"
Tony schmunzelte nur aufgrund ihres Ausbruchs. „Ich nicht. Aber es freut mich, dass du nur meiner bloßen Anwesenheit solch eine Wirkung auf die Frauen aussprichst." Er schüttelte den Kopf. „Nein. Bucky und Natascha werden da sein. Es waren zu wenig Aufsichtspersonen und die beiden haben sich angeboten."
„Als wenn das besser ist." Erwiderte Jo trocken. Dann sah sie zu ihrem Onkel und Nat. Besah sich deren Kleidung. „Die Mädchen werden sich um Bucky scharen und die ganzen pubertären Jungs um Natascha! Die beiden sind nun mal was fürs Auge und werden herausstechen!"
Bucky schlang einen Arm um ihre Schulter. „Das heißt sie werden weniger Blödsinn machen, wenn sie mit uns beiden beschäftigt sein werden."
Ein weiterer Arm legte sich von der anderen Seite um ihre Schulter. „Als wenn ich nicht mit ein paar Jungs fertig werden würde. Außerdem bin ich multitaskingfähig und kann meine Umgebung durchaus im Auge behalten." Ließ Natascha belustigt vernehmen.
Jo seufzte ergeben und wandte sich aus der Umschlingung der beiden. Dann stürzte sie auf Alex zu. Sie griff ihn bei den Händen und zog ihn hinter sich her. „Lass uns bitte gehen! Das hält man ja im Kopf nicht aus."
„Warte auf uns!" Erklang hinter ihr. „Wir fahren zusammen."
Jo stöhnte auf. Das war ja ein guter Start in den Abend. Während sie ihr Gesicht verzog, fing Alex neben ihr an zu lachen.
„Wie hat dein Dad gerade gesagt? Kopf hoch!" Munterte er sie auf. Dann schlang er seinen Arm um ihre Taille und zog sie zu sich. „Lachen!"
Und Jo konnte nicht anders. Sie lachte.
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