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Gedankenverloren saß Joanna auf ihrem Bett und starrte dabei vor sich hin. Am gestrigen Abend war sie direkt in ihr Zimmer geflüchtet und hatte sich umgehend in ihrem Bett verkrochen. Danach hatte sie noch einige Male ein leises Klopfen vernommen, es aber gekonnt ignoriert. Sie war sich ziemlich sicher, dass es Wanda gewesen sei, welche mit ihr reden wollte. Aber Jo war nicht nach noch mehr reden zumute gewesen. Das Gespräch mit ihrem Vater und Pepper hatte ihr genügt.
So waren der restliche Abend und auch die Nacht in Stille vergangen. Mit einem Seufzen ließ Jo sich zurückfallen und sah in Richtung des Fensters. Einer ihrer liebsten Ausblicke. Man konnte dabei so weit über die Stadt sehen. Unwillkürlich musste Jo bei einer Erinnerung lächeln. Wie hatte ihr Dad den Turm vor so vielen Wochen genannt? Elfenbeinturm? Es stimmte irgendwie.
Erneut ließ ein leises Klopfen Jo aufhorchen. Sie grummelte etwas vor sich hin, aber sie wusste, dass sie sich nicht die ganze Zeit hier verkriechen konnte. Irgendwann würde sie hinausgehen müssen. Und dabei wohl ihm über den Weg laufen. Während Joanna das dachte, verzog sich dabei ihr Gesicht und sie wandte sich der Tür zu. „Herein." Kam leise über ihre Lippen, während sie sich wieder aufsetzte.
Die Tür öffnete sich leise und Bucky trat in ihr Zimmer, bevor er stehen blieb. Mit hoch gezogener Augenbraue sah er sie prüfend an, bevor er sich ihr weiter näherte. Er setzte sich neben sie und stupste sie mit seiner Schulter an. „Wie geht's dir Kleine?"
„Es geht irgendwie." Erwiderte Joanna daraufhin nur knapp. Diese Frage war doch lächerlich. Er musste doch wissen, dass es ihr nicht besonders gut ging.
Auf ihre Antwort hin rieb Bucky sich etwas verlegen über den Nacken. „Ich weiß. Es ist eine ziemlich überflüssige Frage. Irgendwie ist für dich gestern die Welt untergegangen." Dabei sah er sie mit einem entschuldigenden Lächeln an. „Aber mit irgendetwas musste ich ja das Gespräch beginnen."
Nach dieser Erklärung ließ Joanna erst einmal ein Schnauben vernehmen. „Ich hab schon verstanden. Fünf Punkte für die Ausführung und neun Punkte für den guten Gedanken dahinter. Was willst du?"
„Nach dir sehen. Wissen, wie es dir geht. Außerdem wollte ich fragen, ob du Lust hättest etwas mit mir zu unternehmen. Einfach, damit du hier herauskommst."
„Klingt gut." Gab Jo zur Antwort. „Was genau schwebt dir denn vor?"
Bucky verzog kurz sein Gesicht als er ihre Frage vernahm. „Ehrlich gesagt, habe ich keinen genauen Plan. Hatte eigentlich nicht damit gerechnet, überhaupt so weit zu kommen." Er dachte einen kurzen Moment nach. „Was hältst du von einem Spaziergang durch den Central Park? Und wenn du dann noch Lust hast, dann können wir entweder ins Met oder ins Guggenheim schauen. Dich als Kunst-Fan wird das doch sicher begeistern."
Joanna blieb Bucky eine Antwort schuldig. Dafür schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln und ein begeistertes Nicken.
„Dann ist das ja beschlossene Sache." Bucky stand auf und zog Jo an den Händen hoch. „Brauchst du noch was?"
„Bloß meine Tasche." Erwiderte Jo und griff nach ihrer Umhängetasche, welche neben dem Bett lag. Dann wandte sie sich zu ihrem Onkel und lächelte ihn an. Sie war ihm dankbar dafür, dass er sie aus ihren düsteren Gedanken herauszureißen versuchte. Dann kam ihre eine Idee. „Warst du schon mal im Belvedere Castle? Ich war als Kind einmal dort und fand es wunderschön."
Bucky hielt ihr die Tür auf und ging mit ihr zum Aufzug. „Das ist etwas länger als bei dir her. Also ja, wir können dort gerne vorbeischauen."
Gemeinsam betraten sie das Gefährt und begaben sich hinunter zur Eingangshalle, bevor sie von dort aus auf die belebten Straßen Manhattans traten.
„Was genau mache ich hier eigentlich noch mal?" Fragte Bucky irritiert und sah sich dabei etwas unwohl um. Denn direkt neben ihm ging ein Mann gerade auf die Knie und hielt seiner Begleitung einen Ring hin.
Joanna sah mit einem schiefen Grinsen zu dem neben ihr stehenden. „Die schöne Aussicht auf den Turtle Pond genießen?" Aber sie verstand, was ihr Onkel meinte. Wenn sie sich umsah, dann wurde sie Zeuge von mindestens drei weiteren Heiratsanträgen. Man hatte von den großen Balkons des Schlosses nun mal einen wunderschönen Ausblick auf den Central Park, was wohl dazu einlud hier die Frage aller Fragen zu stellen. „Was meinst du, woran die Paare sich erinnern werden?"
Bucky sah skeptisch zu den vielen Verliebten. „An ein Gedränge. Und dass zwei Meter neben ihnen jemand genau das Gleiche macht. Also kreativ finde ich das hier nicht." Er schüttelte sich. „Wollen wir gehen?"
„Aber Bucky! Hast du denn keinen Sinn für Romantik?" Gespielt entrüstet sah Jo ihn an.
„Doch. Aber nicht für so etwas. Gefällt dir das etwa?"
„Nein." Gab Jo nüchtern von sich. „Öffentliche Zurschaustellung hat mir noch nie gefallen." Dabei sah sie mit einem Lächeln zu dem Paar neben sich, welches sie nur entrüstet ansah. „Oh oh... Lass uns von hier verschwinden, bevor wir noch gelyncht werden!"
Lachend wandte sich Bucky ihr zu und verließ mit ihr zügig den Balkon. Beim Hinausgehen sah er auf seine Uhr und blickte schließlich zu Jo. „Hast du Hunger? Ich habe vorhin als du auf der Toilette warst im Lakeside Restaurant angerufen und einen Tisch für uns reserviert."
Joanna sah begeistert zu Bucky. „Das klingt toll!" Sie hängte sich an Buckys Arm und sah dankbar zu ihm hoch. „Vielen Dank. Es bedeutet mir sehr viel, dass du den Tag mit mir verbringst."
Mit einem liebevollen Lächeln sah der Ältere zu ihr herunter. „Dafür brauchst du mir nicht zu danken. Du solltest nicht grübelnd in deinem Zimmer sitzen. Onkel sind nun mal für Ablenkungen und Unfug gedacht."
„Trotzdem danke." Danach ging Jo einige Minuten lang schweigend neben Bucky her. Schließlich brach sie das zufriedene Schweigen zwischen ihnen. „Wie kommt es überhaupt, dass wir einen Tisch in diesem Restaurant bekommen haben? Hin und wieder haben Mum und ich etwas in dem Café nebenan geholt. Es war immer voll." Sie hielt kurz inne. „Und ziemlich teuer." Fügte sie leise hinzu.
Bucky sah sie mit hochgezogener Braue an. „Miss Stark." Sagte er nur und zeigte ihr mit einer Geste, in welche Richtung sie gehen mussten.
Verdutzt sah Jo ihn bei dieser Anrede an, bevor es ihr einfiel. „Ach ja... Das habe ich tatsächlich für einen Moment vergessen." Sie überlegte kurz. „Hat Dad hier etwa dauerhaft einen Tisch reserviert?"
„Ganz genau." Er stupste sie in die Seite und zeigte auf das vor ihnen liegende Gebäude, welchem sie sich langsam näherten. „Wetten, er hat viele Damen für romantische Dates hierher gebracht?"
„Darauf kannst du Gift nehmen. Wetten er hat dafür das ganze Restaurant gebucht?"
Lachend traten sie in das Restaurant, und Jo sah sich neugierig um. Von einer großen Fensterfront konnte man auf den See und die dahinter liegende Skyline Manhattans blicken. Bucky stupste sie wieder an und bedeutetet ihr, ihm und der Bedienung zu folgen. Sie wurde auf die Terrasse, welche direkt am Wasser lag, geführt und blieben schließlich vor einem Tisch für zwei stehen.
Nachdem sie Platz genommen und ihre Bestellung aufgegeben hatten, saßen Jo und Bucky erst einmal schweigend da. Joanna genoss den Anblick, der sich ihr bot und folgte mit ihren Blicken den vielen auf dem See liegenden Booten. Lächelnd sah sie zu Bucky, welcher entspannt neben ihr saß.
„Es ist sehr schön hier." Kurz wurden sie von dem Kellner gestört, welcher ihre Getränke brachte. Mit einem leisen Dank nahm Jo es entgegen.
„Ja, das ist es wirklich. Man vergisst gerne, dass New York auch seine schönen und ruhigen Seiten hat." Er hob sein Glas und prostete ihr zu. „Irgendeinen Wunsch, was du nach dem Essen machen möchtest?"
Jo hob zur Antwort erst einmal ihr Glas und sah sich nachdenklich um. Wenn sie Bucky dabei hatte, dann könnte sie doch auch... „Boot fahren!"
Ihr Gegenüber sah sie skeptisch an. „Wirklich? Du willst doch nur, dass ich dich über den See schippere. Oder willst du selbst rudern?"
„Du machst den Anfang und fährst uns auf den See und ich bringe uns zurück?" Jo sah ihn in der Hoffnung an, dass er dem zustimmte.
„Faulpelz." Erwiderte Bucky, nickte dann aber zustimmend. Einen Moment lang sah er sie forschend an und wirkte dabei etwas unschlüssig. „Was hättest du gemacht, wenn ich dich in deinem Zimmer gelassen hätte? Den ganzen Tag Trübsal geblasen?"
Bei dieser Frage warf Jo ihm einen leicht pikierten Blick zu. Schließlich seufzte sie und antwortete auf seine Frage. „Unter anderem. Wahrscheinlich hätte ich mir einfach nur selbst Leid getan."
„Warum das?" Bucky sah sie interessiert an.
„Ach..." Jo zuckte etwas hilflos mit den Schultern. Jetzt, wo sie das erwähnt hatte, kam sie sich etwas albern vor. Es gab schlimmeres. „Weil irgendwie passiert doch ständig etwas Neues. Wie soll ich das sagen?..." Sie überlegte einen kurzen Moment. „Gerade eben die Sache mit Pietro. Davor der Angriff von Hydra. Die Entführung. Und auch anderes. Es wirkt so, als wolle das Schicksal nicht, dass wir auch nur eine ruhige Minute haben."
„Das Schicksal dafür verantwortlich zu machen, ist irgendwie zu einfach." Entgegnete Bucky, nachdem er über ihre Worte nachgedacht hatte.
„Was denn sonst? Denkst du, einem Gott ist langweilig, sodass er sich bei uns einmischt?" Nachdem sie das ausgesprochen hatte, kam ihr der Gedanke, dass dies tatsächlich im Rahmen des Möglichen liegen könnte. „Wenn ich das so sage, dann kommt es mir gar nicht mal so unwahrscheinlich vor. Immerhin kennen wir ja zumindest einen Gott."
„Wobei ich nicht glaube, dass Thor sich so sehr in das Leben Sterblicher einmischen würde."
„Aber..." Jo überlegte kurz, da ihr der Name entfallen war. „Was ist mit seinem Bruder, Loki? Der könnte und würde sich sicher einmischen."
Bucky schnaubte amüsiert. „Nachdem, was ich von ihm gehört habe, könntest du damit wohl recht haben. Aber welches Interesse sollte er daran haben, dir zu schaden?" Sein Gesicht hellte sie auf, als der Kellner wieder zu ihnen trat und ihnen ihre Mahlzeiten brachte. „Ich hatte die Gelegenheit, mich beim letzten Mal etwas mit Thor zu unterhalten. Er erschien mir wie ein echt netter Typ." Er nahm einen Bissen seines Essens, kaute und schluckte herunter, bevor er ein breites Grinsen zeigte. „Auf jeden Fall ein sehr trinkfester Kerl."
„Was habt ihr gemacht? Im Tower ein Besäufnis veranstaltet?"
„Und was für eines!" Bucky lachte sie an. „Selbst Tonys Partys haben nicht solche Ausmaße angenommen."
„Du meinst wohl Exzesse." Warf Jo schnell ein.
Bucky sah sie verdutzt an, bevor er schließlich nickte. „Vielleicht früher mal. Jetzt ist er laut dem, was ich gehört habe, zahmer geworden."
„Habt ihr Dads Vorräte vernichtet?"
Auf ihre Frage hin schüttelte Bucky lachend seinen Kopf. „Nicht ganz. Wobei wir uns wirklich Mühe gegeben haben. Du kannst dir sicher vorstellen, dass dein Vater nicht gerade begeistert war. Wir haben ein paar wirklich teure Flaschen vernichtet."
Mit einem Grinsen wandte Jo sich wieder ihrem Essen zu. Dieses Grinsen verschwand langsam und wurde durch ein zufriedenes Lächeln ersetzt. Das hier tat ihr echt gut. Bucky tat ihr gut. Er hatte es wirklich geschafft, sie aus ihren düsteren Gedanken herauszuholen. Der Tag mit ihm machte ihr Spaß. Sie sah zu Bucky, welcher sich durch sein Steak arbeitete und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Aber ihm taten diese Ausflüge auch gut. Jo wusste, dass Bucky nicht oft aus dem Tower kam. Seit seiner Rehabilitation waren es nur wenige Male gewesen. Und wenn sie sich richtig daran erinnerte, dann war sie jedes Mal dabei gewesen.
Buckys Stimme riss sie schließlich aus ihren Gedanken. Fragend sah Joanna zu ihm, da sie keines seiner Worte wahrgenommen hatte.
„Bist du fertig mit deinem Essen?"
Jo nickte und lehnte sich entspannt und ziemlich satt in ihrem Stuhl zurück.
Bucky griff nach der Speisekarte und warf einen weiteren Blick hinein. „Magst du Nachtisch?"
Die Jüngere schüttelte nur den Kopf. „Nein danke. Sonst wird das Boot am Ende nur noch kentern. Aber wir könnten uns ja im Café nebenan Nachtisch holen und dann auf dem Boot essen."
„Wie war das gerade eben noch mit kentern?" Fragte Bucky und grinste sie an.
„Wir rudern davor ja noch etwas." Erwiderte Jo und lächelte zurück. „Da geht das schon noch."
„Du meinst wohl, ich rudere." Wandte Bucky ein. Dann hob er seine Hand und signalisierte der Bedienung, dass er zahlen wollte. „Wenn du willst, dann kannst du ja schon mal den Nachtisch besorgen."
Jo nickte darauf hin, stand auf und begab sich in das Cafe nebenan. Sie nahm ein paar Stücke Kuchen und Getränke für sie mit, bevor sie sich wieder nach draußen begab und mit Bucky in Richtung des Bootsverleihs ging.
Ziemlich müde trat Jo mit einem amüsierten Bucky aus dem Aufzug, welcher bei ihrer Etage angelangt war. Langsam bewegte sie sich in Richtung ihres Zimmers. Dabei grummelte sie immer noch vor sich hin. Denn natürlich hatte Bucky sie die ganze Zeit rudern lassen. Sein Einwand dabei war gewesen, dass sie die körperliche Arbeit bräuchte und so nicht auf unnötige Gedanken kommen würde. Jetzt im Nachhinein stimmte sie ihm zu, was Joanna ihm gegenüber aber nie laut äußern würde.
„Noch einmal vielen Dank für diesen schönen Tag." Fing Jo an und wandte sich zu ihrem Onkel. „Alles heute hat richtig viel Spaß gemacht."
Während sie sprach, verzog Bucky seinen Mund zu einem Lächeln. „Du brauchst mir nicht noch einmal zu danken. Genau dafür bin ich doch da."
„Wie hast du noch mal gesagt? Du bist für eine Ablenkung und Unfug da?" Jo machte eine kurze Pause. „Bloß, wo war da heute der Unfug?"
Auf diese Frage hin grinste er sie verschlagen an. „Der lag darin, dass ich Tony nicht darüber informiert habe, wo wir sind."
Daraufhin klappte Jo der Mund auf und sie sah ihn fassungslos an. „Du hast was?" Sie verzog ihr Gesicht. „Damit hast du die oberste Mutterglucke in Panik versetzt!"
Kaum, dass diese Worte ihren Mund verlassen hatte, öffnete sich erneut der Aufzug und Jo und Bucky sahen einen wirklich sauren Tony darin stehen. Mit mäßiger Begeisterung sah sie zu Bucky. „Deine Schuld!" Flüsterte sie und versteckte sich hinter seinem breiten Rücken. Vorsichtig lugte sie hinter ihrem Onkel hervor und sah zu ihrem Vater hin. „Hi Dad!" Versuchte sie es zwanglos, wich aber zurück, sobald der Blick ihres Vaters sie streifte.
Dieser blieb vor ihnen stehen und sah sie beide streng an.
„Ihr erzählt mir jetzt, wo ihr wart!" Dabei dirigierte er beide in Joannas Zimmer und scheuchte sie in Richtung des Sofas.
Jo ließ ein leises Seufzen vernehmen und setzte sich Schicksalsergeben. Das hier würde noch dauern.
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