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Entspannt verließ Joanna ihr Badezimmer, nachdem sie sich eine schöne Dusche gegönnt hatte. Das war aber auch dringend nötig gewesen. Denn auf dem Rückweg zum Tower war sie mit Bucky und Alex in einen wahren Wolkenbruch geraten. Der Regenschauer hatte nicht lange gedauert, aber dennoch waren sie alle bis auf die Haut durchnässt worden. Am Tower angekommen, hatte Jo schnell einen Wagen mit Fahrer für Alex organisiert, damit dieser nicht tropfnass nach Hause fahren musste. Dafür war er ziemlich dankbar gewesen und hatte versprochen sich in den nächsten Tagen wieder zu melden.
Bucky und sie hatten sich dann schnell in ihre Zimmer zurückgezogen und waren ins Bad verschwunden. Hier hatte Jo fast die letzte Stunde verbracht und sich gründlich gepflegt. Jetzt wollte sie sich mit einem Tee aufs Sofa verziehen und noch einmal durch ihre Ausbeute aus dem Buchladen schauen.
Ein paar Minuten später saß sie auf dem Sofa, mit einer Kanne frisch gebrühten Tee vor sich. Sie war gerade dabei durch eine Schmuckausgabe von 'Stolz und Vorurteil' zu blättern, als es an ihrer Tür klopfte. Jo seufzte tief, beschloss aber den Besuch hereinzulassen. Zumal sie eine Ahnung davon hatte, wer da klopfte.
„Herein."
Nach einem kurzen Augenblick öffnete sich die Tür und ein roter Schopf schob sich durch den entstandenen Spalt. Schnell schlüpfte Wanda in das Zimmer, schloss die Tür wieder hinter sich und ging zügig in Richtung des Sofas, wo sie sich setzte und Jo neugierig ansah. Jo war klar, was die andere von ihr hören wollte. Sie schenkte sich eine Tasse Tee ein und sah dann fragend zu der anderen.
„Ist was? Falls du auch eine Tasse haben willst, dann solltest du dir eine aus der Küche holen. Ich habe nicht erwartet, dass ich Besuch bekomme."
Wanda schnaubte leise, bevor sie aufstand und noch einmal schnell den Raum verließ. Nach einem kurzen Moment war diese wieder da und stellte eine Tasse vor sich auf den Tisch. Mit einem Grinsen goss Jo der Rothaarigen den dampfenden Tee ein.
„Was willst du hören?" Fragte sie schließlich.
„Wie war es? Erzähl!" Ohne große Umschweife stellte Wanda ihre Frage.
Amüsiert schüttelte Jo ihren Kopf. Sie nahm einen kurzen Schluck aus ihrer Tasse, bevor sie mit dem erzählen begann. „Es war richtig schön und hat auch Spaß gemacht. Erst waren wir shoppen, dann in einem Café, bevor wir uns einen Film angeschaut haben und danach waren wir noch Pizza essen."
„Nicht mehr?" Fragte Wanda schließlich nach einem kurzen Moment der Pause.
„Was hast du erwartet?" Stellte Jo schließlich eine Gegenfrage. „Hätte ich mit Alex durchbrennen und in Vegas Hochzeit feiern sollen?"
Wanda kratzte sich verlegen am Kopf, so als wäre sie genau bei diesem Gedanken erwischt worden. „Das jetzt nicht unbedingt... Tut mir leid. Ich hab mir einfach Sorgen gemacht."
„Weshalb?" Fragte Jo mit einem Lächeln nach. „Es ist Alex klar, dass ich mit Pietro zusammen bin. Außerdem habe ich ihm klargemacht, dass ich kein Mensch bin, der für ein flüchtiges Abenteuer alles aufs Spiel setzt."
„Also hattet ihr euren Spaß?"
Jetzt nickte Jo. „Ja. Auch Bucky schien sich gut zu unterhalten. Er scheint Alex wohl auch zu mögen." Ein Lachen entschlüpfte ihr, während sie an das vorangegangene Treffen dachte. „Alex hat es sich zudem nicht nehmen lassen beim Essen schamlos mit Bucky zu flirten. Und ich muss sagen, dass ich Bucky noch nie so sprachlos erlebt habe."
Wanda verzog ihr Gesicht ebenfalls zu einem Lachen. „Das hätte ich zu gern selbst gesehen!"
Minutenlang war in dem Raum nur Lachen zu hören. Schließlich hatte Jo eine Idee. Sie rief sich die Situation im Restaurant in Erinnerung, bevor sie sich auf ihr Gegenüber konzentrierte und versuchte ihr diese Erinnerung zu vermitteln. Wanda wurde einen Moment lang still, bevor sie erneut in lautes Gelächter ausbrach.
„O mein Gott! Ein hochroter, stotternder Bucky! Wie soll ich ihn die nächsten Tage nur gegenüber treten ohne zu lachen?" Japste sie schließlich. Dann sah sie zu Jo. „Gut gemacht! Das war eine fantastische Übertragung."
„Ich hatte ja auch eine ziemlich gute Lehrerin!" Erwiderte Jo mit einem kleinen Lächeln in Richtung ihres Gegenübers.
Auf diese Aussage hin erschien ein Strahlen auf Wandas Gesicht. Zufrieden nahm sie einen weiteren Schluck von ihrem Tee. Dann schien ihr wohl ein neuer Gedanke zu kommen, da sie die Tasse zögerlich auf den Tisch vor sich abstellte. „Darf ich dich etwas fragen?"
„Das hast du doch gerade eben." Erwiderte Jo schelmisch und sortierte währenddessen die Bücher vor sich.
„Haha... Scherzkeks." Kam trocken aus Wandas Richtung.
Auf diese Antwort hin hob Joanna ihren Kopf und sah prüfend zu der Älteren. Was diese wohl wollte? Die oberflächlichen Gedanken Wandas gaben ihr nichts preis, als Jo sich in deren Richtung konzentrierte. Außer aufrichtige Neugierde. Ein weiterer kleiner Trick, welchen die Rothaarige ihr beigebracht hatte und den das Gegenüber nicht mitbekommen sollte. Eigentlich... Denn Wanda sah sie mit einem kleinen Grinsen wissend an.
„Auch nicht schlecht. Jemand anderes hätte das nicht bemerkt."
Jo seufzte tief. „Einen Versuch war es ja wert. Aber was willst du wissen? Ich werde antworten so gut ich kann."
„Ok." Wanda rutschte vor und sah gespannt zu Jo hinüber, bevor sie ihre Frage stellte. „Das wollte ich dich eigentlich schon viel länger fragen. Wie kommt es das du Fury kennst? Was wir damals mitbekommen haben ist, dass er dir wohl seit deiner Kindheit bekannt ist. Aber wie kam es dazu?"
Diese Frage traf die junge Stark jetzt doch etwas unerwartet. Sie hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit dieser Frage. Jo griff nach ihrer Tasse und nahm einen großen Schluck, bevor sie langsam eine Antwort gab. „Die Geschichte könnte aber etwas dauern. Moment... Ich bin damals gerade erst in die Schule gekommen, als meine Mum eines Nachmittags mit diesem Mann in Grannys Wohnung gekommen ist und ihn mir als Nickolas Wilde vorgestellt hat." Nachdenklich drehte sie an ihrer Tasse. „Damals muss er eigentlich bereits der Direktor von S.H.I.E.L.D. gewesen sein, weswegen ich mich frage, warum er zu uns gekommen ist. Er hätte doch jemand anderen schicken können."
„Persönliches Interesse?" Warf Wanda daraufhin ein.
Jo zuckte nur mit den Schultern. „Mag sein. Wenn ich ihn jetzt darauf ansprechen würde, dann weiß ich nicht, ob ich darauf eine Antwort bekomme. Du kennst ihn doch. Auf jeden Fall hat er sich damals als Kollege meiner Mum, die damals bei einer IT-Firma gearbeitet hat, vorgestellt und wollte wohl nur etwas Zeit mit uns verbringen. Er hat mir erzählt, dass er alleine in der Stadt wohne und keine Familie in der Nähe habe, sodass er oft alleine sei. Damals erschien mir das mehr als nur logisch."
„Du warst damals wie alt? Sechs?" Warf Wanda ein. „Da hätte ich wohl auch geglaubt, wenn er mir erzählt hätte, dass er der Weihnachtsmann ist."
„Gruselige Vorstellung." Erwiderte Jo. „Stell ihn dir in der roten Kluft und mit weißem Rauschebart vor." Joanna wartete keine Antwort von Wanda ab, sah aber deren breites Grinsen und fuhr fort. „Damals kam er so einmal in der Woche. Meist am Wochenende. Da hat er mir dann bei meinen Hausaufgaben geholfen und mit mir gelernt. Jetzt im Nachhinein weiß ich, was er da gemacht hat. So wie er es vor paar Wochen gesagt hat, hat er mich auch irgendein Talent überprüft."
Auch jetzt unterbrach sie Wanda erneut. „Aber er hätte es ruhig etwas netter ausdrücken können. Zu sagen, dass du im Gegensatz zu deinen Eltern talentlos bist, war schon hart."
„Aber ehrlich. Hast du ihn jemals anders erlebt?" Sie fuhr schnell fort, als sie Wandas Gesicht sah. „Gut, er hat seine Geheimnisse, die er nie im Leben jemandem verraten würde. Aber wenn er einem etwas persönlich zu sagen hat, dann war er immer ehrlich. Zumindest war er früher so. Wie er jetzt ist weiß ich nicht, denn immerhin sind seit unserem letzten Aufeinandertreffen ein paar Jahre vergangen."
„Wie war er damals so?" Die Rothaarige beugte sich interessiert vor. „Ich kann ihn mir überhaupt nicht im Umgang mit einem Kind vorstellen. Das ist irgendwie... grotesk."
„So grotesk war es gar nicht." Gab Joanna nach einem kurzen Moment von sich. Sie schwieg wieder und versuchte sich an die Zeit von damals zu erinnern. Manches war einfach zu lange her. Ein wehmütiges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Er hat mein Interesse an alten Romanen geweckt. Mit ihm habe ich damals die Bücher von Jules Verne gelesen. Wobei..." Jetzt verzog Jo ihr Gesicht zu einem Lachen. „Manchmal hat er mit seiner Buchauswahl auch ziemlich daneben gegriffen. 'Krieg und Frieden' ist für jemanden, der gerade erst lesen lernt nicht gerade leichte Kost. Aber ich habe es durch gelesen, obwohl ich vieles nicht verstanden habe."
„Oh je..." Wanda stimmte in das Lachen mit ein.
„Er hat mich ein paar Mal in einen Vergnügungspark mitgenommen und mich einfach spielen lassen." Bei der nächsten Erinnerung musste Jo wieder grinsen. „Zu meinem achten Geburtstag habe ich mir damals verzweifelt eine Barbiepuppe mit diversem Zubehör gewünscht. Aber es war einfach nicht machbar. Mum hatte einen soliden Job, aber die Bezahlung war nicht gerade üppig. Für Miete, Kleidung und Essen hat es gelangt. Sie konnte auch etwas sparen. Aber diese Puppe hat einfach das Budget gesprengt. Dennoch stand dieses Spielzeug auf meinem Geburtstagstisch. Onkel Nick hat sie mir geschenkt. Kannst du ihn dir da vorstellen? Wie dieser Mann die Puppe gekauft hat? Du kennst doch seinen Gesichtsausdruck. Die Kleidung war damals auch nicht viel anders als heute. Er muss in dieser pinken Puppenabteilung herausgestochen haben."
Auf dem Gesicht der Rothaarigen erschien ebenfalls ein Lächeln. „Auf jeden Fall. Oder er hat jemanden geschickt, der sie kauft."
„Glaubst du wirklich?" Jo sah sie schmunzelnd an. „Stell ihn dir vor wie er den Befehl erteilt, dass man für ihn eine Barbie mit dazu passendem Auto kauft. Natürlich die Sonderedition. Und wie diese Person ihm dann heimlich das Paket überbringt?"
„Okay... Das ist sogar noch schlimmer." Wandte Wanda schließlich ein.
Jo wandte ihr Gesicht zum Fenster und wurde nachdenklich. Da war ein Gedanke der ihr schon seit längerem im Kopf herumgeisterte. Sie sah wieder zu ihrem Gegenüber, bevor sie weitersprach. „Ich glaube, dass er damals wirklich auf eine gewisse Art und Weise ziemlich einsam war. Wieso ist er sonst derart regelmäßig zu uns gekommen? Wir waren die Familie, welche er sich nie persönlich zugestanden hat. Wahrscheinlich war ihm das Risiko zu hoch. Er stand einfach zu sehr im Fokus, sodass es ihm schwergefallen wäre ein solches Geheimnis zu bewahren. Oder aber er hatte eine andere Vorstellung davon, wie ein Vater zu sein hat. Präsent für seine Familie und nicht nur mal kurz am Wochenende anwesend. Darauf wäre es letztendlich wohl hinausgelaufen."
„Hast du ihn jemals als Vaterfigur angesehen?" Fragte Wanda nach einem Augenblick des Nachdenkens.
Jo hob skeptisch eine Braue und sah zu der Älteren. „Falls ich das jemals habe, dann hat er dem sofort einen Riegel vorgeschoben. Das hat er sicher sofort bemerkt, falls sich etwas an meinem Verhalten geändert hätte. Ich weiß noch, wie er mal so etwas wie, dass er nur ein nicht blutsverwandter Onkel sei, der gerne zu mir und meiner Mutter kam, sagte. Damit hat er seine Position eigentlich klargemacht."
„Und zwar ziemlich direkt." Erwiderte Wanda trocken.
„Dennoch hatte ich so weit eine schöne Kindheit. Meine Familie von damals hat mir alles mitgegeben, was ich heute benötige. Ich wäre definitiv ein anderer Mensch, wenn Nick Fury sich nicht in Mums Erziehung eingemischt hätte." Bei den letzten Worten lehnte Jo sich lächelnd auf ihrem Sofa zurück.
„Ein Glück, dass er es getan hat." Stimmte Wanda ihr schließlich zu. „Komm, zeig mir deine Einkäufe. Möchte wissen, ob du wieder so komische Bücher gekauft hast."
„Keine Sorge, es sind ein paar Liebesgeschichten dabei. Falls du das meinst." Gab Jo mit einem Grinsen von sich. Sie liebte einfach die Klassiker. Da hatte nun mal ein gewisser jemand dazu beigetragen. Jo lehnte sich wieder vor und zog die entsprechenden Bücher heraus und reichte sie ihrem Gegenüber.
Diese verzog nur ihr Gesicht. „Das sind ja doch nur ältere Geschichten!" Dabei zeigte sie auf 'Stolz und Vorurteil'. Sie seufzte. „Aber gut. Erzähl mir bitte worum es da geht."
Triumphierend grinste Jo sie an. „Du wirst es nicht bereuen. Anfang des 19. Jahrhunderts lebte in England eine Familie mit fünf Töchtern..."
Nach einiger Zeit blickte Joanna wieder auf und sah in Richtung ihres Fensters. Verwundert stellte sie fest, dass es draußen bereits dunkel geworden war. Sie war aber auch zu vertieft in die Erzählung gewesen, während Wanda ihr wie gebannt gelauscht hatte.
„Und weiter? Bekommen sie sich?" Fragte Wanda schließlich und sah sie aufgeregt an.
Joanna ließ ein verschlagenes Grinsen aufblitzen. „Das erzähl ich dir beim nächsten Mal. Oder..." Sie versuchte Wandas lautes Jammern zu übertönen. „Oder wir schauen uns eine der vielen Verfilmungen an.Da gibt es eine, die ich sehr mag und welche dir sicher auch gut gefallen wird."
Die Rothaarige schnaubte nur missmutig, bevor sie dann aber doch zustimmte. Dann sah auch sie, dass draußen schon lange die Nacht hereingebrochen war. „Es wird wohl Zeit ins Bett zu gehen."
„Unbedingt." Gab Jo von sich und warf einen anklagenden Blick in die leere Teekanne. „Du hast meinen Tee ausgetrunken."
Die Ältere stand mit einem unschuldigen Grinsen auf und wandte sich zur Tür. Wanda blieb noch einmal in der geöffneten Tür stehen, nachdem sie von Jo aufgehalten wurde. „Was hältst du davon, wenn wir uns morgen Abend einen Film anschauen? Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht."
Die Rothaarige überlegte einen Moment, bevor sie bestätigend nickte. „Das klingt toll! Es ist tatsächlich lange her. Aber lass uns morgen den Rest besprechen. Ich sollte dringend ins Bett." Sie lächelte Jo noch einmal zu, bevor sie den Raum mit einem „Gute Nacht." den Raum verließ.
„Gute Nacht!" Rief Jo ihr noch hinterher, bevor sie aufstand und langsam in ihr Bad schlurfte, um sich für die Nacht fertig zu machen.
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