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Mit bedächtigen Bewegungen strich Jo über ihren blau-karierten Rock, während sie sich gegen eine Wand des Aufzugs lehnte. Sie war es nicht gewohnt Kleider zu tragen. Bequeme Hosen waren ihr grundsätzlich lieber. Aber beim Suchen durch ihren Schrank war ihr das Bild einer sittsamen Schülerin mit Uniform in den Sinn gekommen. Sie hatte zwar einige Zeit suchen müssen, aber war letztendlich fündig geworden. Nun ja fast. Da sie keine Blusen hatte, trug sie jetzt ein dunkelblaues Shirt mit einem Pink Floyd-Schriftzug.
Die Türen des Aufzugs öffneten sich und sie trat in das große Wohnzimmer. Sogleich drehte sich ihr Dad, der lesend auf dem Sofa gesessen hatte, zu ihr um und musterte sie kritisch. Wieder nervös zupfte Jo an ihrem Rock herum. Aber die Nervosität war unbegründet, denn ein breites Grinsen zog sich über das Gesicht ihres Vaters.
„Sehr eigenwillige Kombination." Äußerte er sich amüsiert. „Untenrum Klosterschülerin und obenrum wilde Rockerbraut?"
„Naja..." Sie strich sich verlegen über ihren Nacken. „Du hast selbst gesagt das ich es nicht übertreiben soll. Und das hier ist ein Mittelweg, mit dem ich leben kann."
„Ich auch." Dabei grinste ihr Dad ihr zu. „Komm setz dich zu mir."
Dieser Aufforderung kam Jo nur zu gerne nach. Nachdem sie sich hingesetzt hatte, ließ sie ihren Blick misstrauisch durch den Raum streifen.
„Wo sind die anderen?" Fragte Jo schließlich, nachdem sie ihre Inspektion abgeschlossen hatte. „Lauschen sie von einer sicheren Stelle aus?"
Auf ihre Aussage hin, konnte ihr Dad nur belustigt seinen Kopf schütteln. „Ich glaube nicht, dass sie hinter einer Tür sitzen und lauschen. Eher sitzen alle bequem in einer Wohnung zusammen und haben das folgende Gespräch auf einemFernseher laufen."
„Weil du es so machen würdest?" Fragte Jo und sah breit grinsend zu ihrem Vater.
Als Antwort zupfte er nur ertappt an seinem Bart, bevor er ihr ein freches Grinsen zuwarf. „Vielleicht." Gab er schließlich vage zur Antwort.
„Natürlich." Josah ihn skeptisch an.
Das Gespräch zwischen ihnen beiden stockte schließlich, denn Joanna bemerkte, dass ihr Vater genauso nervös vor dem kommenden Gespräch war. Schweigend saßen sie da, bis sie hinter sich das Öffnen des Aufzugs vernahmen. Beide Starks drehten sich um und sahen neugierig zu den beiden Neuzugängen. Zum einen war es Happy, der die Beamtin des Jugendamtes begleitete.
Diese war eine verhärmt aussehende Frau mittleren Alters, die etwas verkniffen zu den beiden Starks sah. In Jo kam der Gedanke auf, dass die Beamtin wohl in eine Zitrone gebissen haben musste und diesen Gesichtsausdruck so toll gefunden hat, dass sie ihn unbedingt behalten musste. Schnell wandte sie sich ab und versuchte ihr Kichern zu unterdrücken. Zumindest dies gelang ihr, aber das schelmische Grinsen auf dem Gesicht wollte einfach nicht verschwinden. Ihr Vater warf ihr daraufhin einen fragenden Blick zu, was sie aber mit einem Kopfschütteln verneinte.
Ihr Vater und Jo standen auf, sobald Happy und die Frau am Sofa ankamen. Zuerst reichte ihr Dad der Frau die Hand, bevor Jo an der Reihe war. Entgegen ihrer Befürchtung brachte sie ein kleines Lächeln der Beamtin gegenüber zustande. Diese hingegen sah sie nur streng an und verzog ihr Gesicht kein bisschen. Das bremste Joannas Zuversicht doch etwas aus. Denn wie es aussah, hatte die Frau bereits eine vorgefertigte Meinung und würde nicht von dieser abweichen. Nun ja, für den Fall der Fälle hatte Jo einen Plan B in der Hinterhand.
„Guten Tag Mrs.?"
„Mrs. Wulff." Entgegnete die Frau und musterte dabei genau das Vater-Tochter-Gespann. „Vielen Dank das sie den Termin so kurzfristig einrichten konnten."
Jo verzog aufgrund dieser Verlogenheit ihr Gesicht. Als wenn sie eine Wahl gehabt hätten. Ein flüchtiger Seitenblick zeigte ihr, dass ihr Dad offenbar ähnliche Gedanken hegte. Natürlich waren beide klug genug ihr Missfallen für sich zu behalten.
„Setzen sie sich doch." Unterbrach Tony schließlich die auftretende Stille. Er wandte sich an Happy, der wenige Meter von ihnen entfernt Stellung bezogen hatte. „Danke das du sie nach oben begleitet hast. Du kannst dich zurückziehen."
Happy verzog unwillig sein Gesicht und wandte sich zum gehen ab.
„Du kannst in meiner Privatwohnung warten." Rief Tony ihm hinterher. Schließlich wandte er sich wieder Jo und Mrs. Wulff zu. Er warf der Beamtin ein charmantes Lächeln zu, welches sie nur eisig erwiderte. „Was genau ist der Grund, weswegen sie uns besuchen?"
Die Frau rückte ihre Brille zurecht und sah missbilligend zu dem Erfinder, bevor sie zu sprechen begann. „Der Grund meines Kommens sollte in dem Brief gestanden haben."
„Ja, ich habe einen ihn gelesen. Aber ist das tatsächlich alles?"
„Nachdem Mr. Grey uns sein Anliegen vorgebracht hat, kamen uns berechtigte Zweifel, ob sie der Vaterrolle überhaupt gewachsen seien. Die ganze Welt kennt ihren unsteten Lebensstil."
„Den ich vor Jahren abgelegt habe!" Wandte Tony ein. „Ich befinde mich seit neun Jahren in einer festen Beziehung."
„Das sagen sie jetzt, aber was ist mit der Tatsache, dass sie als Iron Man Verbrecher bekämpfen?" Fuhr Mrs. Wulff unbeirrt fort. „Allein deswegen steht Joanna mehr im Mittelpunkt, als es ein anderer Jugendlicher ihres Alters tun würde. Somit kann sie zur Zielscheibe für Verbrecher werden, die durch sie an sie, Mr. Stark, heran kommen wollen."
Gänsehaut zog sich über Joannas Rücken. Mit ihren Worten hatte die Beamtin absolut ins Schwarze getroffen. Jo senkte ihren Blick und sah auf ihre Fingernägel. Siewollte jetzt niemanden ansehen. Ihr Blick würde sie verraten. Denn zumindest ihr Vater würde erahnen, an was sie dachte. Welche Dämonen sie heimsuchten.
„Das wird nicht geschehen." Erwiderte Tony gelassen. „Sobald Joanna den Tower verlässt, befindet sie sich in Begleitung von hochqualifiziertem Personal."
Joanna bemerkte sofort, das diese Gelassenheit nur vorgetäuscht war. Einem Außenstehenden wäre das leichte Zittern in der Stimme ihres Vaters nicht aufgefallen. Ihr hingegen schon. Auch an ihm war ihre Entführung nicht spurlos vorbeigegangen.
Mrs. Wulff verzog ihr Gesicht zu einem fiesen Lächeln. „Aber was ist das für ein Leben für einen Jugendlichen? Immer unter Beobachtung. Kontinuierlich einen Leibwächter wie einen Schatten hinter sich zu haben. Verstehen sie mich nicht falsch..." Sie machte eine kunstvolle Pause. „Es geht mir nur um das Wohl ihrer Tochter."
„Ebenso wie mir!" Knurrte Tony die Frau fast an.
Mrs. Wulff zeigte sich aufgrund Tonys Gereiztheit aber unbeeindruckt. Sie sah ihn kühl an. „Außerdem kommt Joanna hier mit Personen in Kontakt, die keine angemessene Gesellschaft für ein junges Mädchen sind."
„Ach, und die wären?" Mischte Jo sich ein.
„Allen voran Pietro Maximoff." Die Frau machte eine kurze Pause. „Es kursieren Bilder im Internet, die sie beide zeigen. Sie pflegen darauf einen sehr vertrauten Umgang."
„Was geht sie das Privatleben meiner Tochter an? Ich erlaube diesen Umgang!" Erwiderte Tony ungehalten.
„Aufgrund seiner vorherigen Verbindungen ist er kein geeigneter Umgang für ihre Tochter. Zudem ist er zu alt, um mit einem minderjährigen Mädchen derart vertraut umzugehen." Unbeirrt zählte die Frau ihre Punkte auf.
„Was...!" Fuhr Jo auf, wurde aber von ihrem Vater unterbrochen.
„Ist ja schön und gut, wenn sie meinen das Pietro kein geeigneter Umgang für mein Kind ist. Aber es ist mir egal was sie denken! Es gibt niemanden, der sie besser beschützen könnte! Zudem erlaube ich diese Verbindung!"
Die Beamtin und Tony sahen sich stechend an. Stille breitete sich aus. Einerseits war Jo etwas besorgt wegen der Entwicklung, aber andererseits freute sie sich, dass ihr Vater ihre Beziehung zu Pietro befürwortete. Schließlich brach Mrs. Wulff die entstandene Stille.
„Vielen Dank Mr. Stark." Wandte Mrs. Wulff sich erneut an Tony. „Wenn es ihnen nichts ausmachen würde, dann würde ich mich gerne alleine mit Joanna unterhalten."
Jos Vater sah die Frau auf diese Bitte hin scharf an. Offensichtlich gefiel ihm der abrupte Sinneswandel der Beamtin nicht. „Gehört das zum üblichen Prozedere?"
„Es ist durchaus nicht unüblich, dass wir ein Vier-Augen-Gespräch mit dem betreffenden Kind führen." Jo hob skeptisch eine Braue in dir Höhe und sah zu ihrem Vater. Sie wandte sich wieder zu der Beamtin und lauschte ihren weiteren Worten. „Denn oft kommen da Themen zur Sprache, die mit anwesendem Elternteil nicht aufkommen würden."
„Es gibt nichts, dass ich vor meinem Vater verheimliche." Wandte Jo ein. „Es besteht also kein Grund, dass er geht."
„Ich bitte dennoch darum." Beharrte die Frau auf ihrem Standpunkt.
Vater und Tochter sahen sich einen Moment lang an, bevor Tony ergeben seufzte. Er stand langsam auf, blieb aber noch einen Moment bei ihnen stehen. Liebevoll sah er Joan. „Rufe mich sofort, wenn du mich brauchst." Mit diesen Worten wandte er sich ab und steuerte zügig auf den Aufzug zu.
Sehnsüchtig sah Jo ihrem Vater hinterher, der gerade das Zimmer verließ. Ganz sicher würde er das weitere Gespräch wie die anderen auf einem Monitor weiter verfolgen. Sie hoffte es, denn dann wäre sie zumindest nicht ganz allein mit dieser Person. Jo wandte sich wieder Miss Wulff zu, die sie mit ihren Blicken genau taxierte und ihr dabei ein Lächeln schenkte.
Ein Lächeln, welches ihr nicht geheuer war.
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