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Ein aufgeregter Aufschrei ließ alle Anwesenden im großen Wohnzimmer aufschrecken. Jo wandte ihren Kopf so wie jeder andere zu dem gerade eintreffendem Störenfried. Mit hochgezogener Augenbraue sah sie, das es ihr Vater war, der eilig auf sie zukam. Dabei schwenkte er einen großen Umschlag herum.
Schnell schob sie ihren Block, auf dem sie sein Geburtstagsgeschenk skizzierte in eine Tasche, die sie extra für diesen Zweck besorgt hatte. Sie hätte auch in ihrem Zimmer an dem Bild arbeiten können, aber da wurde es ihr auf Dauer zu langweilig. Und zu ruhig. Die Stille um sie herum ließ sie nervös werden. Unruhig. Da saß sie lieber im Wohnzimmer. Hier war zumindest immer jemand anwesend. Es ging ihr dabei auch nicht um die Gespräche, sondern um die Gegenwart der anderen. Und die genoss sie in vollen Zügen.
Schließlich war Tony bei ihr angekommen und ließ sich neben ihr auf das Sofa fallen. Auch weiterhin war ein breites Grinsen auf seinem Gesicht zu sehen.
„Was strahlst du so?" Fragte Steve interessiert, der von seinem Buch aufsah. „Sechser im Lotto?"
„Als wenn er das Geld bräuchte!" Kam gedämpft aus der Küche, in der Clint sich gerade eine kleine Mahlzeit zubereitete.
„Lasst mir doch meine Freude." Gab Tony gespielt beleidigt von sich. „Denn hier..." Er wedelte mit dem Umschlag herum. „Hier habe ich die Ergebnisse von Joannas High-School Abschlussprüfung."
„Was?!" Rief Jo überrascht aus. Sie griff nach den Papieren. „Gib her!"
Ihr Vater machte sich aber einen Spaß daraus, indem er den Umschlag über seinen Kopf hielt, sodass sie nicht herankam. Er lachte amüsiert auf, als Jo schließlich eine beleidigte Schnute zog und sich mit einem derben Fluch wieder hinsetzte. Er sah zu Steve, der ebenfalls lächelte und dabei den Kopf schüttelte.
„Ganz eindeutig dein Kind. Genau dasselbe lose Mundwerk wie du." Gab Steve trocken von sich.
„Tja, ich muss zugeben, dass sie Dinge wie gutes Aussehen, Intelligenz und Eloquenz eindeutig von mir hat." Erwiderte Tony mit einem belustigten Augenzwinkern.
„Tatsache? Mir wurde immer gesagt, ich würde wie meine Mum aussehen. Von einem Vater war nie die Rede. Und das mit der Intelligenz lass mich mal an meinen Ergebnissen prüfen." Schaltete Jo sich in das Gespräch ein. „Was soll überhaupt der dicke Umschlag? Reicht nicht ein Blatt Papier, um mitzuteilen, das man durchgefallen ist?"
„Wie kommst du darauf das du durchgefallen bist?" Fragte Tony sie verwundert.
„Keine Ahnung. Das denke ich mir jedes Mal wenn ich Noten bekomme. Und bisher waren meine Noten sicher nicht die besten." Antwortete Jo mit einem Schulterzucken.
„Du bist ein komisches Kind. Aber hier." Tony reichte ihr den Umschlag. Dabei warf er Clint einen missbilligenden Blick zu, der „Ganz der Vater." dazwischen geworfen hatte.
Jo nahm diesen ungeduldig entgegen und hielt ihn in ihren leicht zitternden Händen. Zu sagen, dass sie nicht aufgeregt war, wäre mehr als nur gelogen.
„Hast du dir das Ergebnis bereits angeschaut?" Fragte sie noch in Richtung ihres Vaters. Jo versuchte noch einen kurzen Moment Zeit zu schinden. Gleich wäre es soweit.
„Nein." Antwortete Tony schlicht. „Ich wollte dabei sein, wenn du ihn öffnest. Und nun trau dich. Da ist kein Monster das dich auffrisst." Dabei stupste er ihr liebevoll in die Seite.
Jo warf ihrem Vater einen kleinen Seitenblick zu und musste grinsen. Er hatte ja Recht. Sie musste sich vor dem Ergebnis nicht fürchten. Sie griff beherzt in den Umschlag und holte die Papiere heraus. Erst ein Brief von Mr. Ainsworth, den sie ungelesen zur Seite legte. Dann eine Einladung zur Abschlussfeier und anschließend der Bogen mit ihren Ergebnissen. Jo warf einen schnellen Blick darauf und stutzte.
Sie hatte bestanden!
Bei genaueren Betrachtung bemerkte sie, dass Naturwissenschaften zwar nach wie vor ihren schwächster Teil darstellten, sie da aber trotzdem noch besser war als zu ihrer regulären Schulzeit. Sprachen waren wie erwartet sehr gut, ebenso wie Wirtschaft und Kunstgeschichte. Den Rest überflog sie und stellte auch da keine gröberen Ausrutscher fest. Sie blickte zufrieden auf.
„Ich bin gut." Gab sie mit einem Grinsen von sich und sah ihren Vater an.
„Diese Bescheidenheit ist ebenfalls von dir." Warf Steve trocken dazwischen.
„Mein Kind!" Gab ihr Vater theatralisch von sich und zog Jo in eine feste Umarmung. „Meinen Glückwunsch!"
„Danke!" Freute sich Jo und sah noch einmal auf ihr Ergebnisblatt. Dann blickte sie auf die Einladung und anschließend wieder zu ihrem Vater hoch. „Darf ich auf die Party?"
Tonys Blick verdüsterte sich etwas, als sie die Feier erwähnte. „Ungern."
„Aber das ist mein Abschluss!" Gab Jo empört von sich. Sie löste sich von ihrem Vater und sah ihn entrüstet an. „Du warst sicher auch auf deiner Abschlussfeier und hast getrunken und jemanden abgeschleppt. Ich habe nichts davon vor! Ich will da einfach nur hin und meinen ehemaligen Mitschülern zeigen, dass die mich mal kreuzweise können und es mir gut geht! Und wenn es dich beruhigt, dann nehme ich natürlich auch jemanden mit."
„Sie kennt dich wohl ganz genau." War wieder von Clint zu hören, der inzwischen essend am großen Tisch saß. „Wieso gönnst du ihr nicht ihren Spaß?"
„Fall mir bitte nicht in den Rücken!" Gab Tony verärgert von sich. „Von uns wurde keiner erst vor kurzem entführt."
„Deswegen will ich ja auch nicht alleine gehen!"
„Und wen willst du mitnehmen?" Fragte Tony lauernd.
„Nun ja..." Jo wurde rot. „Pietro wird sicher mitgehen."
„Pietro..." Gab Tony leise knurrend von sich.
Jo sah, wie sein Augenlid bei der Erwähnung des Speedsters anfing zu zucken. Sie musste tief seufzen. Das war ja schon fast krankhaft wie beschützend ihr Vater werden konnte. Nach den neuesten Ereignissen war das zwar verständlich, aber dennoch etwas nervig. Und sie konnte sich auch vorstellen, wie schwer es ihm fiel seine Tochter zu teilen. Vor allem mit jemandem wie Pietro, der ihm im Frauenverschleiß in nichts nachstand. Auch wenn beide diese Phase bereits hinter sich gelassen hatten. Jo lächelte ihren Vater vorsichtig an.
„Ja, Pietro. Wenn er will." Jetzt da sie es ausgesprochen hatte, war sie sich dessen nicht mehr sicher. Sie verzog kurz ihr Gesicht, als ihr der Gedanke kam, dass Pietro wohl keine Lust hätte unter lauter High School-Schülern zu sein.
Ihr Vater verzog jetzt ebenfalls das Gesicht, als er ihre Worte hörte. „Der soll es nur wagen meinem kleinen Mädchen abzusagen."
Jo sah erstaunt hoch. „Also darf ich hin? Mit der Begleitung meiner Wahl?"
„Wenn es denn sein muss." Gab Tony schließlich nach einigen Minuten klein bei.
„Super! Du bist der Beste!" Mit diesen Worten fiel Jo ihrem Vater um den Hals und sah ihn mit einem zufriedenen Lachen an.
„Ich weiß." Gab Tony mit einem schweren Seufzen von sich.
„Und so bescheiden." Bemerkte Jo trocken.
„Eindeutig meine größte Schwäche." Entgegnete Tony amüsiert. Er sah sich schnell um. „Wo ist eigentlich Barnes?"
„Wird wohl in seinem Zimmer sein. Wieso?" Fragte Steve.
„Hey Friday, sag Barnes Bescheid das er doch bitte ins große Wohnzimmer kommen soll." Wandte Tony sich an die KI, ohne auf Steves Frage einzugehen.
„Klar Boss."
„Was willst du von Bucky?" Fragte Joanna jetzt ebenfalls.
„Wartet doch einfach nur ab." Erwiderte Tony.
Steve und Jo sahen sich ratlos an. Aber da Tony nicht mehr erzählen wollte, mussten sie wohl warten, bis Bucky da war. So sah Steve wieder in sein Buch, während Jo sich ihrem Brief zuwandte. So vergingen ein paar Minuten in Stille, bis sie hörten, dass der Aufzug auf ihrer Etage ankam. Bucky trat aus diesem und kam zu ihnen zum Sofa. Er setzte sich in einen Sessel und sah fragend in Tonys Richtung.
„Was gibt es Stark?" Fragte er schließlich ungeduldig, nachdem Tony mehrere Minuten nichts gesagt hatte.
Dieser schreckte auf, da er wohl in Gedanken versunken war und sah entschuldigend zu seinem Gegenüber. „Ich bin eurer Bitte von heute Morgen nachgekommen." Mit diesen Worten zog Tony ein zusammen gefaltetes Papier aus seiner Hosentasche.
Jo und Bucky sahen sich kurz überrascht in die Augen, bevor sie ihre volle Aufmerksamkeit Tony zuwandten. Dieser musste etwas schmunzeln, als er in die gespannten Gesichter der beiden sah. Steve hatte sein Buch ebenfalls zur Seite gelegt und sah jetzt interessiert zu Tony.
„Ich habe das weitere Leben von Rebecca Joanna Barnes nach dem Krieg verfolgt." Erzählte Tony und sah konzentriert auf seinen Ausdruck. So entging ihm das erstaunte Gesicht von Steve, der jetzt auch aufmerksam zuhörte. „Sie hat 1947 einen Michael Blake geheiratet. Aus dieser Ehe ging eine Tochter namens Eugenie hervor. Diese heiratete 1971 einen William Kingsley. Und aus dieser Ehe gingen dann zwei Töchter namens Margaret und Melissa hervor. Melissa wiederum hat eine Tochter namens Joanna bekommen." Tony ließ grinsend das Blatt Papier sinken. „Ein wahrer Frauenverein."
„Soll das heißen, dass...?" Setzte Jo zögernd an
„Dann ist Jo tatsächlich die Urenkelin meiner kleinen Schwester?" Fragte jetzt auch Bucky fassungslos. Sein Blick glitt zu dem Mädchen, welches ihm gegenüber saß.
„Laut den Unterlagen der Stadt gibt es tatsächlich keinen Zweifel daran." Antwortete Tony auf die Fragen der beiden. „Aber wenn ihr sicher sein wollt, dann kann man auch da einen DNA-Test machen. Selbst weit entfernte Verwandtschaften sind damit festzustellen."
„Nein! Nein. Ich glaube das schon." Entgegnete Bucky schnell. Er fuhr sich mit der Hand über sein Gesicht. „Und es gibt noch mehr Nachfahren meiner Familie?"
Jo verzog für einen Moment ihr Gesicht, als sie an ihre Tante und deren Kinder dachte. „Ja gibt es. Aber es ist kein Verlust, wenn man sie nicht kennt."
„Da muss ich ihr zustimmen." Wandte Tony ein. „Jo scheint aus dem vernünftigen Teil der Familie zu kommen."
„Ja das tut sie." Bucky sah mit einem liebevollen Lächeln zu Joanna. „Du siehst aus wie Becca."
Steve sah bei der Aussage seines Freundes ebenfalls zu Jo. Er betrachtete sie einen Moment schweigend und musste nicken. „Jetzt wo du es sagst. Sie hat äußerlich viel von Tony, aber ein Teil erinnert mich entfernt an dich."
„Das wird ja immer besser! Ich hab mein Äußeres also von euch Männern." Gab Jo gespielt entrüstet von sich. Dann sah sie mit einem breiten Grinsen zu Bucky. „Also doch Onkel Bucky."
„Oh nein!" Gab Bucky schnell von sich. „Du weißt, was ich sonst mache, wenn du mich so nennst!" Drohte er.
Jo riss erschrocken die Augen auf, als ihr das Gespräch vom Morgen einfiel. „Schon gut! Ich werde dich nicht so nennen!"
„Was macht er sonst?" Fragte Steve interessiert.
„Ich werde mich sonst wie Stark in ihr Liebesleben einmischen." Beantwortete Bucky die Frage.
„Nennen wir es bitte nicht so." Warf Tony gequält dazwischen. „Meine Tochter hat kein Liebesleben! Zumindest nicht in meiner Gegenwart. Aber an sich finde ich die Idee ganz gut."
„Das ist doch wohl nicht euer Ernst?" Fragte Jo schockiert und sah zwischen beiden Männern hin und her. Diese Konstellation erschien ihr doch sehr befremdlich.
Die beiden Männer tauschten nur einen verschwörerischen Blick aus und grinsten sich an. Dann sahen beide ebenso grinsend zu Joanna. Diese sank gegen die Rückenlehne des Sofas und wünschte sich für einen Moment doch nie hierhergekommen zu sein.
Dann schüttelte sie nur amüsiert ihren Kopf.
Familie.
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