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Ein stetiges Piepsen drang in ihre Gedanken und drängte allmählich den Schlaf beiseite. Mühevoll öffnete Jo ihre Augen und musste erst einen Moment gegen das helle Licht blinzeln. Sie öffnete ihre Augen erneut und sah erst einmal weiß. Musste wohl die Decke sein. Sie drehte ihren Kopf zur Seite und registrierte, wie das Piepsen schneller wurde. War das ihr Herz? Sie sah müde zu einer Apparatur, die diese Geräusche von sich gab. Sah die grüne Linie, die gleichmäßige Zacken über den Monitor zog. Jo drehte ihren Kopf wieder zurück und dann langsam in die andere Richtung. Die Anstrengung trieb ihr den Schweiß auf die Stirn und sie musste leise keuchen.
Neben sich hörte sie ein leises Rascheln und spürte anschließend, wie eine Hand nach der ihren griff. Aus einem Reflex heraus wollte sie diese zuerst wegziehen, aber ihr fehlte die Kraft. So ließ sie es geschehen. Sie drehte ihren Kopf endgültig zur Seite und sah in Peppers besorgtes Gesicht, die auf einem Stuhl neben ihr saß. Augenblicklich traten Jo Tränen in die Augen und fingen an ihre Wangen hinunter zu laufen.
„Pepper." Flüsterte Jo heiser. Mehr konnte sie nicht sagen, denn ein Schluchzen schüttelte ihren Körper.
„Schsch... Es ist alles wieder gut." Versuchte Pepper sie zu beruhigen. „Ich hole deinen Vater."
„Bleib bitte!" Jo packte mit aller ihr zur Verfügung stehenden Kraft nach Peppers Hand und versuchte sie zurückzuhalten.
Die Ältere sah mitleidig auf Jo hinunter und unterließ es aufzustehen. Stattdessen hatte sie begonnen vorsichtig über Joannas Hand zu streicheln. Diese lag weiterhin mit dem Gesicht zu Pepper gewandt im Bett und ließ die Tränen laufen. Die Stille zwischen ihnen wurde nur durch Joannas leises Schluchzen unterbrochen.
Es war so viel was an Gefühlen auf sie niederprasselte.
Erleichterung.
Freude.
Trauer.
Und auch Angst.
Pepper löste ihre Hand vorsichtig aus Joannas und griff in ihre Jackentasche. Aus dieser holte sie ein Taschentuch, mit dem sie begann das nasse Gesicht der Jüngeren behutsam abzutupfen.
„Was ist passiert?" Fragte Jo schließlich langsam, nachdem die Tränen versiegt waren. „Und wo bin ich?" Sie versuchte sich auf ihre Ellbogen aufzustützen, aber es gelang ihr nicht, sodass sie wieder in ihr Kissen zurücksank. Pepper griff nach einer Fernbedienung, die am Bett hing und betätigte einen Knopf, sodass sich das Kopfteil aufrichtete und Jo besser zu der älteren Frau schauen konnte.
Pepper zögerte einen kurzen Moment, bevor sie anfing zu erzählen. „Du bist wieder zuhause im Tower. Tony hat dich vor etwa einer Woche nach Hause geholt, nachdem dein Zustand im Krankenhaus endlich soweit stabil war und man davon ausgehen konnte, das er sich nicht mehr verschlechtern konnte."
„Eine Woche?" Entschlüpfte fassungslos Joannas Lippen. „Wie lange war ich weg?"
„Seit deiner Befreiung sind genau zweiunddreißig Tage vergangen. Die ersten zwei Wochen hast du im künstlichen Koma verbracht. Die Ärzte hielten es für besser, um deinen stark geschwächten Körper zu schützen."
Pepper hielt inne und sah besorgt zu der Jüngeren. Denn Joanna sah starr gerade aus und versuchte diesen Zeitraum in ihrem Kopf zu verarbeiten. Zweiunddreißig Tage in denen sie zwar da war, aber dann doch wieder nicht. Sie drehte ihren Kopf zu Pepper und starrte sie einen Moment an. Dann blinzelte sie und es kehrte wieder Leben in sie zurück.
„Warum das Koma? Was ist passiert?" Fragte sie schließlich.
Die Rothaarige seufzte. Sie griff zu einer Karaffe, die am Nachtkästchen stand und schenkte in ein beistehendes Glas Wasser ein. Anschließend nahm sie es hoch und reichte es Jo zum trinken an. Diese nahm zuerst einen Schluck und nickte dann dankbar. Joanna merkte, dass es Pepper offensichtlich schwerfiel weiterzusprechen und sie einen Moment Zeit brauchte um die richtigen Worte zu finden.
„Wir hätten dich fast verloren." Flüsterte Pepper schließlich leise. „Es war nicht nur ein starkes Beruhigungsmittel, das man dir verabreicht hat, sondern auch ein hoch dosiertes Relaxans. Deine Atmung ist noch direkt im Flieger ausgesetzt und kurz darauf auch dein Herz. Pietro hat sofort mit der Wiederbelebung begonnen..." Pepper brach ab und wischte sich mit der Hand über ihre Augen. Joanna traten wieder Tränen in die Augen. „Bruce kam zum Glück sofort und hat ihm geholfen. Er hat es irgendwie geschafft dich zurückzuholen. Dann hat er dich sofort intubiert. Als sicher war, dass du zumindest die nächsten Minuten überlebst, sind sie sofort losgeflogen und haben dich in das nächste Krankenhaus gebracht. Die Ärzte haben dich soweit stabilisiert und dann sofort in das Koma versetzt."
Jo musste schwer schlucken. „Was war noch?" Fragte sie langsam.
„Nachdem die Mittel aus deinem Körper draußen waren, kam das Fieber. Deine Wunden hatten sich trotz der Antibiotika, die man dir verabreicht hatte, entzündet. Es kam dann alles auf einmal. Schnell hatte sich eine Sepsis entwickelt und du standest schon kurz vor dem Organversagen." Pepper brach erneut ab. Nach einigen Minuten der Stille fuhr sie mit brüchiger Stimme fort. „Tony ist fast verrückt geworden vor Sorge. Er hat jeden Arzt, den er finden konnte, zu dir geschleppt. Schließlich nach Tagen, die es auf der Kippe stand und die Ärzte bereits fragten, ob man im schlimmsten Fall die Maschinen abstellen sollte, haben die Medikamente doch noch angeschlagen. Das Fieber sank und dein Körper erholte sich langsam. Sie behielten dich noch eine weitere Woche im Koma, bevor sie die Medikation ausschlichen und es beendeten. Aber du bist nicht aufgewacht. Und das obwohl alle Tests ergaben, dass es dir technisch gesehen wieder gut ging. Die Ärzte vermuteten einen starken Schock, der dich davon abhielt aufzuwachen. Wanda hat auch versucht dich aufzuwecken. Aber sie meinte sie hätte nur grau wirbelnden Nebel gesehen. Auf jeden Fall hat Tony dich noch eine weitere Woche in dem Krankenhaus gelassen und dann nach Hause geholt."
Jo lehnte sich in ihr Kissen zurück und schloss für einen Moment die Augen. Sie sah fast bildlich, wie die Ärzte um ihren leblosen Körper standen und versuchten ihn am Leben zu erhalten. Sie war so knapp am Ende vorbeigeschrammt. Sie öffnete ihre Augen und sah zu Pepper.
„Wie geht es Dad? Wie geht es... den anderen?" Sie wollte nicht direkt nach Pietro fragen, denn sie konnte sich nicht einmal ansatzweise vorstellen was er erlebt hatte als er ihren fast toten Körper gehalten hatte. Was es mit ihm gemacht hatte.
Pepper lächelte sie sanft an und strich der Jüngeren eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Dein Vater hat die letzten Tage hier an deinem Bett verbracht. Er ging nur, wenn ich ihn zum essen und schlafen weg geschickt habe. Und selbst da blieb er nie lange weg. Er hat sogar hier gearbeitet." Mit diesen Worten deutete sie auf einen Tisch neben dem Bett, auf dem diverse Pläne und Werkzeuge lagen. „Vor gut zwei Stunden habe ich ihn dann ins Bett geschickt. Die anderen sorgen sich auch wahnsinnig. Und Pietro war mindestens genauso besorgt wie Tony. Auch er war mehrmals am Tag hier. Soll ich Tony wecken?"
Jo überlegte kurz, bevor sie den Kopf schüttelte. Sie sah in Peppers erstauntes Gesicht. „Lassen wir ihn noch einen Moment schlafen. Er hat es sicher dringend nötig. Sollte mich nicht ein Arzt anschauen? Wenn der sagt, dass alles okay ist, dann können wir Dad noch immer wecken."
Pepper nickte verstehend. „Friday sage bitte Doktor Cho Bescheid das sie in Joannas Zimmer kommt. Und sei dabei diskret."
„Natürlich Miss Potts."
„Dr. Cho?" Fragte Jo und sah interessiert zu Pepper.
„Dr. Helen Cho ist eine fabelhafte Ärztin und Wissenschaftlerin. Einer ihrer größten Erfolge ist das sie künstliche Hautzellen erschaffen kann. Sie hat deinen Rücken erfolgreich behandelt."
Pepper schauderte, woraufhin Jo schloss, dass diese ihren verletzten Rücken gesehen hatte. Dann realisierte sie allmählich wovon Pepper gesprochen hatte. „Meinen Rücken?" Jo riss ihre Augen bei dem Gedanken an ihre Wunden auf. „Soll das heißen, dass...?"
„Das soll heißen, dass er geheilt ist. Die körperlichen Wunden sind alle verschwunden." Antwortete Pepper mit einem sanften Lächeln.
Jo sah bitter lächelnd auf. Ja, der Körper war geheilt. Aber wie sollte sie die psychischen Wunden verheilen lassen? Ob genug Zeit reichen würde?
Ein Klopfen an der Tür ließ beide Frauen aufschrecken. Die Tür öffnete sich und eine asiatisch aussehende Frau trat ein. Ihre Augen weiteten sich überrascht, als sie sah das Jo wach war. Sie schloss schnell die Tür hinter sich und kam eilig zum Bett.
„Seit wann ist sie wach?" Fragte sie an Pepper gerichtet und leuchtete mit einer kleinen Lampe, die sie aus ihrem Kittel geholt hatte, in Joannas Augen.
„Ich weiß nicht genau. Es dürfte jetzt fast eine halbe Stunde sein." Antwortete Angesprochene, nachdem sie auf ihre Uhr geschaut hatte.
Helen trat einen Schritt zurück und sah prüfend auf die Jüngere. „Nenne mir bitte deinen Namen und das heutige Datum."
„Ich heiße Joanna Stark. Datum weiß ich nicht genau. Aber ich würde sagen Mitte Mai." Antwortete Jo nach kurzem Überlegen. „Obwohl. Es muss später sein. Am neunzehnten April wurde ich entführt... Wie lange hatten sie mich?" Sie sah fragend zu Pepper.
„Du warst acht Tage in der Gewalt von HYDRA." Antwortete Pepper umgehend.
Jo musste trocken schlucken. Acht Tage. Sie hob ihre Hand und strich über ihr Gesicht. Acht Tage unter Monstern. Sie ließ ihre Hand sinken. Acht Tage, die sie überlebt hatte.
„Auf den ersten Blick kann ich jetzt keine gravierenden Probleme feststellen. Du scheinst auch neurologisch keine Ausfälle zu haben. Soweit ich das ohne genaueren Tests bewerten kann." Fasste Helen knapp zusammen. „Ich denke, dass wir dich heute noch ausruhen lassen. Denn morgen ist immer noch früh genug für umfassendere Tests."
Pepper griff nach Jos Hand und sah sie eindringlich an. „Ich werde jetzt Tony informieren." Sie wartete nicht lang auf eine Antwort, sondern löste sich sogleich von Jo und verließ das Zimmer.
„Ich würde jetzt auch gehen. Ruh dich heute noch aus. Sollte es Probleme geben so bin ich gleich wieder da." Gab Helen Joanna zu verstehen und verließ ebenfalls den Raum.
Jo sah der Ärztin hinterher. Als die Tür aufschwang erstarrte sie für einen Moment. Sie sah in dieser einen Sekunde wie Pietro an ihrer Zimmertür vorbei ging. Er sah zu Helen und blickte dann ebenfalls kurz in ihr Zimmer. Als er sie da sitzen sah erstarrte er. Die Tür fiel wieder zu.
Ebenso schnell wurde sie wieder aufgerissen und Pietro stürzte in den Raum. Er sah geschockt zu Jo und schien unfähig ein Wort zu sagen. Die Tür fiel wieder ins Schloss und Pietro kam langsam Schritt für Schritt auf sie zu. Schließlich war er bei ihrem Bett angelangt und sah sie weiterhin nur an. Er streckte seine Hand nach ihr aus, aber schien nicht den Mut aufbringen zu können sie tatsächlich zu berühren.
Jo hob langsam ihre Hand und griff nach seiner ausgestreckten rechten Hand. Sie verwob ihre Finger mit seinen und lächelte ihn vorsichtig an.
„Hey Speedy!"
„Du hast mich noch nie so genannt." Antwortete Pietro heiser.
Aber anscheinend reichten diese wenigen Worte von ihr, sodass er sich zumindest traute sich neben sie auf das Bett zu setzen. So entgegen seiner sonstigen Gewohnheit saß er stumm neben ihr. Das einzige wozu er sich wohl imstande fühlte, war ihre Hand zu streicheln.
Jo lächelte nachsichtig. Sie hob ihre andere Hand und legte sie an seine Wange. Überrascht stellte sie fest, dass ihm Tränen in den Augen standen.
„Pietro es geht mir wieder gut!"
„Du bist beinahe in meinen Armen gestorben!" Gab er erschüttert von sich.
Pietro ließ ihre Hand los und packte mit beiden Händen ihre Schultern. Für einen Moment versteifte Jo sich unter seinen Händen. Sie kämpfte ihre Angst hinunter und sah ihn an. Es war doch nur Pietro. Er würde ihr nichts antun! Jo griff nach seinen Händen und löste sie sanft von ihrem Körper. Anschließend sah sie ihn zuerst einfach nur an, bevor sie wieder zum Sprechen ansetzte.
„Aber ich bin nicht gestorben. Pepper hat mir erzählt, dass du dafür gesorgt hast. Ich verdanke dir mein Leben. Danke!"
Jo griff wieder zu seinem Gesicht und zog ihn langsam zu sich heran. Sie sah den fragenden Blick in seinen blauen Augen. Dabei bemerkte sie auch die dunklen Augenringe. Er wollte etwas sagen, aber sie zog ihn noch näher, bis sie letztendlich seinen Atem auf ihren Lippen spürte. Sie hatte Angst, aber sie wollte es so sehr. Sie wollte wissen, ob sich etwas zwischen ihnen geändert hatte. Joanna atmete zitternd aus, bevor sie sich vorbeugte und den letzten Zentimeter zwischen ihnen verschwinden ließ. Sie ließ ihre Hände in Pietros Nacken gleiten, damit er ihr nicht entkommen konnte. Jo bewegte ihre Lippen und spürte zufrieden, dass er ihre Bewegung annahm und langsam auftaute.
Dennoch hielt sie den Kuss nur für wenige Augenblicke aufrecht. Sie löste sich von ihm und lehnte ihre Stirn gegen seine. Sie sah mit einem Lächeln in seine Augen und bemerkte zufrieden das sein Blick nicht mehr so verletzt und traurig wie davor war.
„So schnell wirst du mich nicht los." Sagte Jo mit einem Lächeln auf den Lippen.
„Das will ich doch hoffen." Flüsterte Pietro gegen ihre Lippen.
Jo hauchte noch einen weiteren kleinen Kuss gegen seine Lippen, bevor sie sich von ihm löste und sich in ihr Kissen zurückfallen ließ. Sie griff wieder nach seiner Hand. „Ich will Dad heute nicht noch einen Schock verpassen." Gab sie mit einem Grinsen von sich. „Mein Aufwachen ist schon Aufregung genug."
„Womit willst du mich nicht schocken? Das ich sehe wie du mit Speedy herumknutscht?" Kam es amüsiert von der Tür, sodass Joanna und Pietro zusammen zuckten. „Aber es hat ja so kommen müssen."
Jo wandte ihren Kopf zu ihrem Vater und ein strahlendes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. "Dad!" Sie ließ Pietro los und streckte ihre Hand zu ihrem Vater hin aus. Dieser erwiderte ihr Lächeln und kam langsam auf sie zu. Im Gegenzug erhob sich Pietro und wandte sich zum Gehen. Jo sah ihn fragend an.
„Ich glaube das Tony einen Moment mit dir allein sein will. Ich komme, wenn du willst gerne später wieder vorbei." Er schenkte ihr noch ein Lächeln bevor er sich abwandte und Richtung Tür ging.
Auf halbem Weg wurde er aber von Tony aufgehalten. Dieser sah ihn grimmig an und hob drohend seinen Zeigefinger.
„Solltest du ihr das Herz brechen, dann werde ich dir ganz andere Dinge brechen! Und selbst deine Schwester wird mich nicht davon abhalten können." Warnte Tony den Speedster.
„Dad!" Entrüstete sich Joanna.
„Keine Sorge. Ich habe nichts in dieser Richtung vor. Und sollte ich doch Mist bauen, dann wird dir Wanda mit Freuden helfen." Gab Pietro trocken von sich.
„Das freut mich zu hören." Antwortete Tony sichtlich zufrieden. „Und jetzt verschwinde bitte."
Pietro lächelte Jo noch ein letztes Mal zu, bevor er die Tür öffnete und den Raum verließ. Tony überwand den Abstand zu seiner Tochter und setzte sich zu ihr auf die Bettkante. Vorsichtig griff er nach ihrer Hand und hielt sie einfach nur fest in seiner.
Er musterte erst einmal ihr Gesicht genauer, bevor er zu sprechen anfing. „Ich dachte, dass ich dich nie mehr wieder sehen würde." Gab er mit zittriger Stimme von sich. „Ich dachte diese furchtbaren Videos wären das letzte, was ich von dir hätte. Ich hatte die Angst meine erst kürzlich erhaltene Familie wieder zu verlieren. Mein einziges Kind."
„Dad..." Flüsterte Jo. Sie wurde aber von Tony unterbrochen.
„Festzustellen das du weg bist, war furchtbar. Und dann diese Nachricht von HYDRA zu bekommen und dich darin zu sehen. Ich dachte das mein Herz stehen bleibt. Ich will so etwas niemals wieder erleben. Nicht zu wissen was sie mit dir machen. Nicht zu wissen, ob sie durchdrehen und dir doch etwas antun." Tony sah ihr ernst in die Augen. „Ich weiß, dass es jederzeit hätte passieren können. Aber sag mir in nächster Zeit bitte Bescheid, falls du mal raus willst. Tu mir das nicht wieder an. Das du einfach so ohne ein Wort verschwindest."
Jo musste schlucken. Einen Moment verspürte sie ihr schlechtes Gewissen. Die ersten Tage hatte sie diesen Gedanken ebenfalls gehabt. Das wenn sie jemandem von ihrem Spaziergang erzählt hätte, es vielleicht anders gekommen wäre.
Sie nickte. „Ja Dad. Ich hab sicher nicht vor in nächster Zeit auf Abenteuertour zu gehen."
„Beruhigend." Tony legte seinen Kopf etwas schief und sah sich seine Tochter genau an. „Wie geht es dir? Sei dabei bitte ehrlich."
Joanna lehnte ihren Kopf zurück in die Polster und sah einen Moment zur Decke. Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Denn sie wusste es selbst nicht genau. Ob gut oder schlecht würde sich wohl erst in nächster Zeit zeigen. Sie drehte ihren Kopf wieder zu ihrem Vater und sah ihn an. Dieser schien zu verstehen und nickte ihr zuversichtlich zu.
„Das wird irgendwann wieder. Ich weiß, wovon ich rede. Und vielleicht kommt ja etwas Gutes dabei heraus."
„Wenn du das sagst, dann wird es wohl stimmen." Jo schwieg einen kurzen Moment, bevor ihr etwas Entscheidendes einfiel. „Also hat James dich kontaktieren können?"
Tonys Gesicht verfinsterte sich. „Ja. Ich hielt es zuerst für einen schlechten Scherz, als mir Barnes von dir erzählte. Aber er wusste deinen Namen und er wusste auch, wie du aussiehst. Er wusste ebenfalls von deiner Rückenverletzung." Er machte eine kurze Pause und sah aus einem Fenster. Während er weiter hinaussah, sprach Tony langsam weiter. „Er erzählte, wie er dich getroffen hat. Wie du ihn mit dieser Aufgabe beauftragt hast und das er wüsste, wo du zu finden seist."
„Wo war das Problem?" Fragte Jo, der das Verhalten ihres Vaters seltsam vorkam.
„Er ist für den Tod meiner Eltern verantwortlich." Antwortete Tony leise.
Jo riss schockiert die Augen auf und sah bestürzt zu ihrem Vater.
„Deswegen fiel es mir anfangs schwer ihm zu glauben oder ihm zu vertrauen." Er wandte sich wieder seiner Tochter zu. „Aber Steve vertraut ihm. Sie sind seit ihrer Kindheit Freunde. Nur deswegen war ich bereit ihm zuzuhören. Hätte Steve mir nicht gut zugeredet, dann hätte ich die Sache auf sich beruhen lassen. Ich habe wegen meiner Vorbehalte riskiert dich nicht zu finden."
Jo sah bestürzt zu ihrem Vater. Sie verstand ihn. Verstand, warum er James nicht vertraute und er ihm nicht zuhören wollte. Und sie verstand, warum er sich jetzt Vorwürfe machte. Sie sah nachdenklich zu dem älteren Mann.
„Ich verstehe dich. Wahrscheinlich wäre es mir nicht anders gegangen." Sie drückte seine Hand. „Aber du hast über eure Differenzen hinweg gesehen. Du hast mich gefunden!"
„Und doch fast verloren." Gab er bitter von sich.
„Nur fast." Jo lächelte. „Ich werde mich wieder erholen."
„Natürlich wirst du das! Du bist wie ich." Entgegnete Tony energisch.
„Na ob das was Gutes ist?" Gab Jo mit einem Lachen von sich. Schnell wurde sie wieder ernst. „Wo ist James?"
„Er befindet sich in einer unserer Zellen. Wir können ihn nicht frei herum laufen lassen. Er hat zu HYDRA gehört. Er hat mehr als nur einen Menschen getötet."
Jo musste schlucken. Das hatte sie nicht gewusst. Sie dachte an den Mann aus ihren Gedanken. Dachte an seine blauen Augen, die irgendwie traurig drein gesehen hatten. Sie hatte seine Reue gespürt. Seine Einsamkeit. Und den Willen sein Schicksal zu ändern.
Sie blickte zu ihrem Vater. „Können wir ihn nicht raus lassen? Ich würde gerne mit ihm sprechen."
„Bist du dir sicher?" Fragte Tony.
„Natürlich."
„Friday gib Steve bitte Bescheid das er Barnes unverzüglich zu Joannas Zimmer bringen soll."
„Wird gemacht Boss." Erklang Fridays Stimme.
Die nächsten Minuten vergingen in Stille. Vater und Tochter genossen einfach nur die Gegenwart des anderen, während jeder seinen eigenen Gedanken nach hing. Nach einiger Zeit klopfte es an der Tür, bevor sie sich öffnete und Steve gefolgt von James eintrat. Steves Gesicht hellte sich auf als er Joanna wach erblickte.
„Du bist wach!" Stellte er erfreut fest. Er wandte sich mit vorwurfsvollen Blick an Tony. „Wieso hast du uns nicht Bescheid gegeben?"
„Ich wollte sie einen Moment für mich allein haben, bevor sie von euch allen in Beschlag genommen wird!" Versuchte Tony sich zu rechtfertigen.
„Ich verstehe schon." Gab Steve mit einem nachsichtigen Lächeln von sich. Er wurde augenblicklich wieder ernst und zeigte auf den Mann hinter sich. „Ich habe so wie du wolltest Bucky mitgebracht."
„Ich wollte es." Mischte Joanna sich ein. Sie wandte sich an den Mann. „Bucky?" Fragte sie amüsiert. „Mir gefiel James besser."
„Spitznamen bleiben nun mal an einem hängen." Erwiderte James mit einem Grinsen und trat ein paar Schritte näher. „Nenne mich ruhig wie du willst."
„Dann probiere ich auch Bucky. Klingt ja eigentlich ganz süß." Schelmisch sah sie zu dem dunkelhaarigen Mann. Er sah tatsächlich genauso aus wie in ihren Gedanken. Nur grinste er sie jetzt frech an.
Jo strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah etwas müde zu Bucky. „Danke! Ich verdanke dir so viel! Hättest du meinen Dad nicht informiert, dann wäre ich wahrscheinlich noch immer dort und es würde mir wohl noch schlechter gehen. Oder aber ich wäre bereits tot." Sie hörte das entsetzte Atmen ihres Vaters. Ihr Blick hing aber weiterhin an dem Mann vor sich. „Ohne dich wäre ich jetzt nicht hier."
Bucky sah sie mit einem Lächeln an. „Das habe ich doch gern gemacht. Ich muss aber auch zugeben, dass die Art wie du mich kontaktiert hast, mich neugierig gemacht hat. Außerdem..." Er brach seinen Satz ab und schüttelte mit einem scheinbar traurigem Lächeln seinen Kopf.
„Dennoch danke." Erwiderte Jo dankbar. Sie sah zu ihrem Vater und musste ein Gähnen unterdrücken. „Ich bin müde Dad."
„Sollen wir dich allein lassen damit du schlafen kannst?" Fragte er sie besorgt.
Jo sah ihn zögernd an, bevor sie ihre Bitte stellte. „Kannst du zumindest bleiben bis ich eingeschlafen bin?" Fragte sie leise und mit gesenkten Kopf.
Tony lächelte nachsichtig. „Natürlich." Er sah mit demselben Lächeln zu Steve, welcher verstand, Bucky an der Schulter antippte und ihm Richtung Tür zeigte. Beide Männer verließen anschließend den Raum. Tony griff nach der Fernbedienung vom Bett und stellte das Kopfteil wieder flach. Dann stand er auf und zog sich einen Stuhl neben das Bett, auf den er sich schließlich setzte. Er griff nach Joannas Hand und streichelte sie sanft.
„Schlaf ruhig. Hier passiert dir nichts." Versprach er ihr.
Jo sah ihn mit einem kleinen Lächeln an. Ihre Augen fielen langsam wieder zu. Begleitet vom Geräusch des Herzmonitors schlief sie ein.
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