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Joanna saß zusammen gekauert auf ihrer Pritsche und starrte ins Nichts. Sie sah zu, wie der Staub in der Luft tanzte. Beleuchtet von einem winzigen Strahl Sonnenlicht, der durch ein ebenso winziges Fenster fiel. Sie hatte es noch an ihrem ersten Tag gefunden. Es bot zwar keine Möglichkeit zur Flucht, aber der winzige Sonnenstrahl ließ sie nicht vollends verrückt werden.
Sie war nicht ganz sicher, aber sie befand sich wohl schon fünf Tage hier. Mindestens. Es könnten aber auch etwas mehr sein. Es war schwierig den Verlauf eines Tages durch diese kleine Öffnung zum Himmel zu verfolgen. Denn sie lag so dicht unter der Decke, sodass sie nur wenig sah. Sie hatte nur etwas Gras erspäht. Und das ständige künstliche Licht an der Decke trug auch nicht zu ihrer Orientierung bei.
Es war eher zermürbend.
Nie wurde es dunkel. Immer schien das Licht und störte ihren Schlaf. Einmal hatte sie die Leuchtstoffröhre beschädigen können. Aber das hatte ihr eine schmerzhafte Lektion eingebracht. Braun hatte ihr unter dem Blick des Monsters und einer vorgehaltenen Waffe befohlen sich bis zur Unterwäsche auszuziehen. Diese Demütigung allein hatte sie wütend schluchzen lassen. Und schließlich hatte das Monster sie berühren dürfen. Sie hatte nicht gewagt zu atmen, als sie seine Hände auf ihrem zitternden Körper gespürt hatte.
Tastend.
Streichelnd.
Fordernd.
Sie wäre am liebsten gestorben. Und als sie schon dachte, als Reaktion nur noch schreien zu können, da hatte Braun dem Monster Einhalt geboten. Anschließend hatte er gefragt, ob sie jetzt brav sein würde oder ob er sie allein lassen sollte. Jo hatte nur genickt und versprochen brav zu sein.
Und sie hielt Wort. Denn sie wollte nicht noch einmal mit dem Monster allein sein. Aber dennoch spürte sie ununterbrochen seine Blicke. Da die eine Seite ihrer Zelle komplett verglast war, konnte sie dem auch nicht entkommen. Sich nirgends verstecken.
Jo legte sich hin und zog die dünne Decke über sich. Sie fragte sich, wie lange sie noch hier bleiben würde. Wie lange ihr Vater den Männern von HYDRA noch Zugeständnisse machen konnte. Wie lange es dauern würde bis...
Sie schüttelte sich und kniff ihre Augen zu. Sie versuchte nicht an die drohende Gefahr zu denken. Nicht an ihren Vater zu denken. Und vor allem nicht an Pietro zu denken. Denn sobald sie an ihre Freunde dort draußen dachte, musste sie anfangen zu weinen. Und wieder liefen die Tränen unkontrolliert über ihr Gesicht.
So schlief sie schließlich unter der Decke zusammengekauert ein.
Sie lief durch grauen Nebel. So schnell wie sie nur konnte. Aber es nützte nicht viel, da sie bereits den fauligen Atem des Monsters in ihrem Nacken zu spüren meinte.
'Hilfe!' Schrie sie mit lauter Stimme.
Aber der Nebel schluckte ihre Stimme. Dennoch nicht genug, sodass das Monster sie hörte und sich ihr weiter näherte.
'Ist hier denn niemand?' Schrie sie mit Verzweiflung in der Stimme.
Sie sah auf als sie eine kleine Veränderung bemerkte. Der Nebel verzog sich etwas und sie meinte einen Fetzen Blau zu entdecken. Schnell rannte sie auf das Licht zu.
Ihre Schritte wurden langsamer, als das grau um sie herum weiter dünner wurde. Wenige Schritte vor sich meinte sie etwas Festes zu sehen. Sie lief darauf zu und erkannte erfreut die Gestalt eines Mannes.
'Hallo! Helfen sie mir bitte!' Rief sie ihm zu.
Aber er reagierte nicht. Jo hörte das Monster hinter sich, welches sich nicht mehr weit hinter ihr befand. Sie mobilisierte ihre letzten Kräfte und lief auf den Mann zu. Bei ihm angekommen packte sie seinen linken Arm und spürte verwundert die Härte von Metall.
Er drehte sich erstaunt zu ihr um. Jo sah flehentlich in seine blauen Augen.
'Hilf mir!'
'Wer? Wie?'
'Geh zu Tony Stark! Bitte!'
Mehr konnte sie nicht sagen, da das Monster sie eingeholt hatte. Sie sah das schockierte Gesicht des Mannes, als sie von ihm weg in den Nebel gezogen wurde.
Die Decke wurde ihr unsanft vom Kopf gerissen, sodass Jo abrupt aufwachte und verwirrt aufsah. Braun stand vor ihr und sah sie unzufrieden an. Augenblicklich war sie vollkommen wach und sah ängstlich zu ihm auf. Sie spürte eine böse Vorahnung in sich aufsteigen, als sie seinen Blick sah.
„Tut mir ja Leid ihren Mittagsschlaf zu stören, aber wir sollten ihrem Vater eine Nachricht zukommen lassen." Gab er gepresst von sich.
„Warum?" Fragte Jo leise.
„Damit er nicht vergisst, was für ihn auf dem Spiel steht. Denn er scheint etwas lasch zu arbeiten." Erklärte er ihr.
Dann gab Braun ein knappes Zeichen und Jo wurde von zwei weiteren Männern gepackt. Sie wehrte sich im ersten Moment und trat aus. Sie erzielte einen Glückstreffer und traf einen der Männer, der sogleich ausholte und ihr einen festen Schlag ins Gesicht verpasste, sodass ihr die Brille wegflog.
Jo sah Sternchen und sackte ächzend in sich zusammen. Auch spürte sie die ersten Bluttropfen auf ihrer durch den Schlag aufgeplatzten Lippe. So wurde sie von den beiden Männern dann aus ihrer Zelle geschleift und in einen neuen Raum gebracht. Trotz ihrer verschwommenen Sicht registrierte sie zwei aufrechte Pfosten.
Sie ahnte dunkel, wofür diese da waren und startete wieder einen Versuch sich zu wehren. Ein weiterer Faustschlag, diesmal in den Bauch, beendete ihre verzweifelten Bemühungen. Sie hustete und würgte. Während sie versuchte sich auf ihre Atmung zu konzentrieren meinte sie ein Geräusch zu hören. Ein Schreien? Währenddessen wurden ihre Arme von ihr gestreckt und an den beiden Pfosten befestigt.
Braun trat an ihre Seite und sah sie kurz missbilligend an, dann trat er einen Schritt zur Seite und gewährte ihr einen Blick auf den Laptop, auf dem bereits die Übertragung lief. Sie sah das verschwommene Gesicht ihres Vaters. Er war offensichtlich wütend. Daher wohl das schreien.
„Aber Stark. Seien sie doch nicht so ungehalten. Ich habe hier viel eher einen guten Grund wütend zu sein! Denn sie halten sich nicht an unsere Vereinbarung!" Zischte Braun wütend und nahm eine Reitgerte vom Tisch.
„Ich tu bereits mein Bestes! Aber ich bin nun mal nicht der Kopf bei S.H.I.E.L.D.." Beteuerte Tony und sah sorgenvoll zu seiner Tochter.
Jo blickte zurück und zeigte ihm ein schiefes grinsen. Sie sah, dass ihr Vater nicht allein war. Jemand der wie Steve aussah stand neben ihm. Daneben ein weiterer Blondschopf.
Pietro.
Sie senkte ihren Kopf und biss sich auf ihre Lippe. Schmeckte das Blut. Sie verzog etwas ihr Gesicht, da ihre Arme auch langsam zu schmerzen begannen.
„Das reicht nicht! Bemühen sie sich mehr. Denn jetzt dürfen sie sehen sie, wie ihreTochter für ihre Nachlässigkeit bezahlen muss."
Braun trat von hinten an Jo heran und packte ihr Shirt. Mit einem Ruck riss er es auseinander, sodass ihr Rücken zu sehen war. Jo senkte den Kopf, der ihr aber an ihren Haaren wieder brutal hoch gezogen wurde.
„Du zählst mit." Zischte Braun in ihr Ohr. „Und wehe du verzählst dich."
Ein Zischen erklang, als die Luft zerschnitten wurde. Sie schrie auf, als sie getroffen wurde. Ihr Rücken brannte nach dem einen Schlag bereits wie Feuer.
„Ich höre dich nicht zählen!" Rief Braun über das aufgebrachte Schreien hinweg, welches aus dem Laptop zu hören war.
„E-eins." Stotterte Jo.
Wieder ein Zischen.
„Zwei."
Eine kurze Pause und wieder das Geräusch. Schmerz flammte rot hinter ihren geschlossenen Augenlidern auf. Sie biss sich auf die Lippen und schmeckte wieder Blut. Sie würde Braun nicht den Gefallen tun und noch einmal schreien.
„Drei."
Und wieder.
„V-v-vier." Schluchzte sie.
Wieder.
„F-f-fünf."
„Wie sie sehen Mr.Stark kann ich das den ganzen Tag lang tun!"
Dabei ließ Braun die Gerte mit jedem Wort erneut niedersausen. Jo konnte unter diesem plötzlichen Ansturm nicht mehr weiter zählen und sackte schließlich bewusstlos zusammen. Die Antwort ihres Vaters bekam sie nicht mehr mit. Ihr Bewusstsein flog davon und stürzte sie in gnädige Dunkelheit.
Sie stand wieder in dem Nebel. Bloß dieses Mal spürte sie das Monster nicht. Seine Präsenz war zu spüren, aber es verfolgte sie nicht. Jo sah sich schnell um und versuchte sich zu erinnern, warum sie hier war und wie sie hierhergekommen war.
Nur noch dumpf nahm sie die Schmerzen ihres Rückens wahr. Sie atmete erleichtert auf. Wenigstens konnte ihr hier nichts weh tun.
Sie drehte sich um und sah vor sich wieder diese Helligkeit. Leise, aber dennoch zügig schritt sie darauf zu. Jo wusste aus einem unbestimmten Gefühl heraus, dass wenn sie tatsächlich eine Chance zu Flucht haben wollte sie dort hin musste. Sie lief und wieder lichtete sich der Nebel.
Ein Schluchzen verließ ihre Lippen, als sie die Gestalt des Mannes wieder erblickte. Offenbar hatte er das Geräusch gehört und sich zu ihr umgedreht. Seine Augen weiteten sich schockiert, was Jo daraus schließen ließ das ihr Geist wohl wie ihr tatsächlicher Körper aussah.
Blutend und erschöpft.
'Wer bist du?' Fragte er sie, nachdem sie ihn erreicht hatte.
'Mein Name ist Joanna Stark. Aber das ist jetzt unwichtig. Kannst du mir helfen?' Fragte sie ihn hastig.
Der Mann nickte. 'Wobei?'
Jo wandte sich kurz um. Sie hatte gemeint etwas von dem Monster zu spüren. Aber da war nichts. Sie wandte sich wieder zu dem Mann. 'HYDRA hält mich gefangen! Sie stellen Forderungen an meinen Vater. Und sie werden mich foltern, wenn er die Forderungen nicht erfüllt. So wie jetzt.' Sie drehte sich um und zeigte ihren Rücken. Sofort hörte sie das entsetzte Aufatmen des Mannes. 'Kannst du mir helfen?'
'Ich kenne HYDRA und ich werde dir helfen.' Gab der Mann von sich.
Jo riss ihre Augen erfreut auf und wandte sich wieder zu ihm um. 'Danke!'
'Wo bist du?' Fragte er sofort.
Jo schüttelte ratlos den Kopf. 'Ich weiß es nicht genau. Ich war in New York und wurde von dort entführt. Jetzt befinde ich mich wohl unterirdisch in einer teilweise verglasten Zelle. Mehr kann ich leider nicht sagen.' Sie sah zu dem Mann hoch. 'Hilft dir das?'
Sie sah wie der Fremde kurz überlegte und dann anscheinend eine Idee zu haben schien. 'Ich bin mir nicht ganz sicher. Aber ich habe da eine Vermutung.'
Er hob seine Hand und versuchte sie zu berühren, aber Jo wich furchtsam zurück. Sie sah wie sich seine blauen Augen verdunkelten. Joanna senkte ihren Blick und sah auf seine linke Hand und bemerkte dabei das sie aus Metall war. Sie hatte noch nie so etwas gesehen. Sie griff danach, nur diesmal entzog er sich ihr.
'Wer bist du?' Fragte sie ihn neugierig.
'Ich heiße James.' Antwortete er nach kurzem zögern.
'Selbst wenn es nicht so aussieht, so freue ich mich dich zu treffen.' Gab Jo gequält von sich.
James sah sie prüfend an. Er reichte ihr seine linke Hand und Jo ergriff sie sofort. Sie klammerte sich verzweifelt an ihn. Daraufhin zog James sie in seine Arme. Fest schlossen sich seine Arme um ihren dünn gewordenen Körper. Jo barg ihr Gesicht an seiner Brust und atmete zitternd aus.
'Wirst du es noch etwas aushalten?' Fragte er besorgt. 'Selbst wenn ich Stark sofort kontaktiere und er mir glauben sollte, so schaffen wir es nicht schneller als in vierundzwanzig Stunden.'
'Ich muss.' Flüsterte Jo zögerlich.
Beide zuckten erschrocken zusammen, als hinter ihnen ein lautes Heulen ertönte. Jo klammerte sich fester an den Mann vor sich und ließ unbewusst ein Wimmern ertönen.
'Was ist das?' Fragte James sie, bestürzt über ihre Reaktion.
Jo sah zu ihn auf. 'Es ist das Monster. Es findet und fängt mich. Dann schleift es mich in den Nebel zurück. Dann wache ich meist auf und da ist das andere Monster...' Sie brach ab. 'Dieses andere Monster macht mir mehr Angst als dieses hier. Dieses hier kann meinem Körper wenigstens nichts antun.'
James sah über ihren Kopf hinweg in den wirbelnden Nebel. Er sah eine schwarze Masse die sich schnell auf sie zubewegte. Das Geräusch des Monsters wurde lauter und das Mädchen in seinem Arm verkrampfte sich immer mehr.
'Halte noch einen Tag aus. Ich hole dich da raus.' Versprach er ihr.
Jo sah auf und wollte etwas erwidern, als sie die Arme des Monsters um ihren Körper spürte, die sie brutal zurück zogen. Sie sah noch einmal ins James' Gesicht, bevor die Nebel ihn verschluckten.
Ekel stieg in ihr auf, als sie den Atem des Monsters in ihrem Nacken spürte. Seine Hände die sie berührten. Jo schloss die Augen und wartete ab. Nur noch ein weiterer Tag.
Joannas Augen flatterten und sie merkte wieder das sie einen Körper besaß. Sie stöhnte gequält auf. Einen schmerzenden Körper.
Sie bemerkte auch das sie auf ihrer Pritsche auf dem Bauch lag. Vorsichtig hob sie ihre Hand und führte sie zu ihrem Rücken, wo der Schmerz am stärksten war. Aber allein die Bewegung ihrer Hand trieb ihr den kalten Schweiß auf die Stirn. Sie berührte ihren Rücken und zuckte zusammen. Sie fühlte keine glatte Haut mehr, sondern nur noch rohes Fleisch. Jo zog ihre Hand zurück und sah das Blut. Tränen fingen an ihr über das Gesicht zu laufen. Sie barg ihr Gesicht in ihrer Ellbeuge und weinte bitterlich.
James hatte von vierundzwanzig Stunden gesprochen. Sie wusste nicht, wie sie das aushalten sollte, da bereits jede weitere Minute eine unsägliche Qual war. In dieser Zeit konnte alles passieren. Jo drehte ihren Kopf herum und sah zu der Glaswand und bereute es augenblicklich. Sie sah das Monster, das auf der anderen Seite lauerte. Wie es sie mit gierigen Blicken verschlang. Wie es sie mit diesem Blick anlächelte.
Joanna erschauderte und wandte sich sofort ab. Sie atmete einmal tief durch.
Nur noch vierundzwanzig Stunden.
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