02
Verwirrt schlug Joanna ihre Augen auf und sah das besorgte Gesicht von Dr. Banner vor sich. Dieser hatte ihr Handgelenk ergriffen und schien ihren Puls zu zählen. Er bemerkte, dass sie wach war und lächelte sie an.
"Was ist passiert?" Fragte Jo und richtete sich vorsichtig auf. Bei genauerem Umsehen erkannte sie, dass sie noch immer in dem Labor war. Sie lag auf einem Sofa, welches entlang einer der Wände stand. Außer dem Doktor sah sie keine weitere Person. Kurz machte sich etwas wie Enttäuschung in ihr breit, als sie ihren Vater nicht entdecken konnte.
"Du hast uns ja einen Schreck eingejagt. Wirst auf einmal kalkweiß und kippst um. Pietro konnte dich gerade noch auffangen." Erzählte ihr Dr. Banner, der in seine Kitteltasche griff und eine kleine Lampe zum Vorschein brachte. Damit leuchtete er in ihre Augen und kontrollierte ihre Pupillen.
"Wo sind die anderen?" Fragte Jo vorsichtig und setzte sich langsam auf.
Der Doktor besah sie mit einem Stirnrunzeln, bevor er antwortete. "Pietro wurde von mir damit beauftragt dir etwas zum Trinken zu holen, während Tony sich zurückgezogen hat. Er hatte den Umschlag bei sich, den du mitgebracht hast." Bei der Erwähnung des Umschlages musste Jo schlucken. Er machte eine kurze Pause. "Wie heißt du?"
"Mein Name ist Joanna Kingsley"
"Freut mich Joanna. Du kannst mich gerne Bruce nennen." Er nahm seine Brille ab und fing an sie zu putzen. Dabei sah er Jo weiterhin konzentriert an. "Du bist doch keine offizielle Botin der Kanzlei, oder?"
Joanna schüttelte ihren Kopf. "Nein. Ich bin dort selber Mandantin. Aber Mr. Barnes hielt es so für einfacher, damit ich meinen V..., ich meine Tony Stark treffen kann." Jo biss sich auf die Lippe, da sie sich fast verplappert hätte.
Bruce hatte ihren Versprecher natürlich bemerkt, fragte aber nicht weiter. So hingen beide dann ihren Gedanken nach und warteten, bis Tony wieder zurückkommen würde. Nach einigen Minuten waren Schritte zu hören. Beide sahen auf und erblickten Pietro, der ein Tablett vor sich her trug. Er stellte es auf den Tisch vor dem Sofa und reichte Jo ein Glas Wasser. Sie nahm dieses mit einem dankbaren Lächeln entgegen und nahm einen Schluck.
Wieder breitete sich Stille aus. Jo, war in die Betrachtung ihres Glases versunken, während Pietro sie interessiert musterte. Der Doktor hing ebenfalls seinen Gedanken nach und sah hin und wieder zu dem Mädchen. So warteten sie auf Stark.
Dieser ließ nicht lange auf sich warten und eilige Schritte verkündeten seine Rückkehr. Um seinen Mund herum lag ein ernster Zug und er hielt den geöffneten Umschlag in seiner Hand. Als er bei ihnen angelangt war, zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich zu ihnen.
Tony setzte zum Sprechen an, schien aber nicht genau zu wissen, wie er anfangen sollte. Also räusperte er sich einmal. Auch schien er auf einmal die anderen beiden Männer zu registrieren. Er sah sie an.
"Könnt ihr uns bitte alleine lassen?"
Pietro und Bruce sahen ihn einen Moment an, standen dann aber auf diese Bitte hin auf und verließen zügig den Raum. Stille senkte sich über das Labor, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war. Beide schienen in diesem Moment unfähig zu sein die richtigen Worte zu bilden. Schließlich war es wieder Tony, der zu sprechen begann.
"Gibt es einen Beweis für den Inhalt dieses Briefes? Kannst du nachweisen, dass der Inhalt der Wahrheit entspricht und du tatsächlich meine Tochter bist?" Dabei sah er Jo ernst in die Augen.
Jo zögerte kurz. "Ich habe selbst nur einen Brief von meiner Mum erhalten, in dem wahrscheinlich Ähnliches steht wie in ihrem. Er wurde mir heute ausgehändigt. Zusammen mit meiner Geburtsurkunde und einer Kette." Bei diesen Worten griff sie sich an den Hals und öffnete den Verschluss. Anschließend reichte sie diese an ihren Vater.
Er nahm sie entgegen und ein schmerzlicher Zug zeigte sich auf seinem Gesicht. Fast liebevoll strich sein Daumen über die Gravur, bevor er das Medaillon aufschnappen ließ. Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als er das Foto mit ihrer Mum erblickte. Und kurze Verwirrung und wieder Schmerz, als er das Bild mit Jo entdeckte. "So ähnlich." Flüsterte er.
Er sah hoch zu Joanna und blickte in ihre Augen. "Ich bin gewillt den Inhalt des Briefes zu glauben, da selbst wenn es nur eine kurze Zeit war, ich Mel als absolut ehrlich erlebt habe. Zudem verstehe ich tatsächlich, warum sie damals meinte gehen zu müssen." Jo sah mit einem Ausdruck von Hoffnung zu ihrem Vater, während er auch schon weiter sprach. "Natürlich werden wir es beweisen müssen. Nimm es mir nicht übel, aber sonst geben die Anwälte keine Ruhe."
"Ich glaube, das mir zumindest ein Anwalt glaubt." Gab Jo mit einem kleinen Grinsen von sich.
Tony zog eine Augenbraue hoch und sah sie fragend an.
"Mr. Barnes." Gab sie zur Antwort. "Aber ja. Ich verstehe, warum ein offiziellerTest nötig ist. Sonst könnte ja jeder auftauchen und sich als verschollenes Kind ausgeben."
"Friday!"
"Ja Boss. Wie kann ich helfen?" Ertönte wieder die weibliche Stimme.
"Mache Dr. Banner ausfindig und teile ihm mit, das er bitte unverzüglich hierher kommen soll. Außerdem soll er die nötigen Materialien für einen DNA-Test mitbringen."
"Natürlich Boss."
Wieder kehrte Stille ein und jeder ging seinen Gedanken nach. Tony sah konzentriert auf Jo, welche aber nur eingeschüchtert auf ihre Schuhe sah.
"Was erwartest du?" Fragte Tony abrupt.
Jo hob erstaunt den Kopf und sah in die Augen ihres Vaters. "Ich verstehe nicht."
"Was erwartest du, wenn ich dich offiziell als mein Kind annehme?"
"Eine Familie, in der man sich sicher fühlen kann und zu der man gerne nach Hause kommt." Ein bitterer Ausdruck erschien um Jos Mundwinkel, als sie an ihre jetzige Wohnsituation bei ihrer Tante dachte.
"Erkläre mir bitte, was du damit meinst." Gab Tony ruhig von sich.
Jo nahm ihre Brille ab und rieb sich über ihre Augen, bevor sie zögerlich zu sprechen begann. "Da zum Zeitpunkt von Mums Tod nichts von ihrem Testament bekannt war, kam ich zu ihrer älteren Schwester Margaret. Sie lebt mit ihrem Mann und den beiden Kindern in Brooklyn. Durch meine Ankunft wurde das Geld etwas knapper und auch der Wohnraum. Man hat mich spüren lassen, dass ich unerwünscht bin. Jede Sekunde. Das hat mich meine Cousine Missy, die in meinem Jahrgang ist, mit ihren Freundinnen zudem auch in der Schule spüren lassen." Sie machte eine kurze Pause. "Die verbalen Angriffe waren ja noch zu ertragen. Aber die körperlichen Übergriffe..."
"Körperlich?"
Jo sah auf und blickte in die wütenden Augen ihres Vaters. "Hauptsächlich schubsen oder das mir mal ein Bein gestellt wurde." Sie sah zur Seite, da Tonys Blick sich verhärtet hatte. "Ich habe es beim ersten Mal meiner Tante erzählt. Sie hat mich der Lüge bezichtigt und dafür geschlagen..." Zum Schluss hin waren ihre Worte immer leiser geworden, bis sie schließlich ganz verstummte.
Tony lehnte sich mit einem wütenden Schnauben zurück. Er schien eifrig nachzudenken, währender mehrere Szenarien durchging und dabei Jo betrachtete.
"Du bleibst ab heute hier!" Sagte er bestimmt. "Du gehst nicht mehr dort hin zurück!"
Jos Kopf ruckte hoch und sie sah ihn beinahe erschrocken an. "Aber meine Sachen!" Protestierte sie.
"Die kann jemand für dich abholen. Du gehst nicht mehr in die Nähe dieser Person."
Jo wollte wieder etwas einwenden, als es an der Tür klopfte. Nach einem "Herein" vonTony trat Bruce ein.
"Friday hat eine interessante Bitte von deiner Seite übermittelt." Er hob dabei leicht amüsiert die Augenbraue. "Was genau brauchst du?"
"Es geht um einen Vaterschaftstest. Wie schnell können wir einen haben?" Gab Tony ruhig von sich.
"Mit unserer Laborausrüstung würde ich zwei Stunden sagen." Sagte Bruce nach kurzem Überlegen.
"Dann bitte ich dich, meinen ersten Vaterschaftstest zu machen." Sagte Tony mit einem schiefen Grinsen im Gesicht.
"Wirklich dein Erster?" Fragte Bruce, während er die benötigten Utensilien auf den nahe stehenden Tisch legte. Er hob den Kopf und lächelte Jo zu, die den beiden Männern aufmerksam zuhörte. "Bei deinem Playboyleben dachte ich, du hättest bereits ein paar hinter dir." Er wandte sich an Tony, mit einem Wattestäbchen in der Hand. "Mund auf."
"Sei zärtlich." Gab Tony mit einem kleinen Lachen von sich und öffnete den Mund. Er verzog das Gesicht, nachdem Bruce fertig war. "Ja der erste. Bei so etwas war ich immer sorgfältig. Ich wollte nie ein Kind aus einer flüchtigen und unbedeutenden Beziehung."
Bruce nickte verstehend und wandte sich mit einem weiteren Stäbchen an Jo. "Mach bitte den Mund auf." Jo tat wie geheißen und ließ die Probe abnehmen. "Und stammt Joanna aus etwas Flüchtigem und Unbedeutenden?" Er fragte dies beiläufig und bemerkte die Anspannung in dem Gesicht der jungenFrau.
"Nein." Antwortete Tony, ohne zu zögern.
Wieder lächelte Bruce Joanna an, als er sah, wie die Anspannung von ihr abfiel und Erleichterung auf ihrem Gesicht erschien. Er beschriftete die Proben und wandte sich im Gehen noch einmal an das Vater-Tochter-Gespann. "Noch eine Kleinigkeit, falls ihr tatsächlich Zweifel habt. Ihr riecht gleich."
Jo riss die Augen auf und wollte etwas erwidern, aber Tony kam ihr zuvor. "Wann hast du bitte schön an mir geschnüffelt?"
Bruce zuckte nur mit denSchultern. "Es hat manchmal schon Vorteile so zu sein wie ich."
"Superspürnase?"
"So in der Art." Sagte Bruce und verließ den Raum, während ihm Tonys Lachen folgte.
Tony wandte sich wieder zu Jo und sah sie amüsiert an. Auch auf ihrem Gesicht lag ein Grinsen.
"So. Wir haben jetzt zwei Stunden Galgenfrist. Hunger?"
Der plötzliche Themenwechsel ließ Jo kurz blinzeln, aber sie fing sich und nickte bestätigend. Tony registrierte das zufrieden und stand auf. Jo wollte es ihm nachtun, als ihr noch etwas einfiel.
"Darf ich Mums Brief an dich lesen?" Sie sah fragend zu Tony auf.
Dieser zögerte einen kurzen Moment, bevor er den Brief aus dem Umschlag zog und ihn ihr reichte. Im Gegenzug wühlte Jo in ihrem Rucksack und brachte ihren Brief zum Vorschein. Diesen reichte sie an Tony weiter. Dieser sah kurz auf die beschriebenen Seiten und setzte sich wieder hin. Gleichzeitig begannen sie zu lesen.
'Lieber Tony
Ich bin's Melissa. Sei jetzt bitte nicht wütend, dass ich dir nach all diesen Jahren nur einen Brief schreibe. Denn wenn du ihn in den Händen hältst, dann bin ich bereits gestorben. Und in diesem Brief wollte ich mich bei dir entschuldigen und dich gleichzeitig um etwas bitten.
Ich beginne zuerst mit der Bitte. Kümmere dich bitte um Joanna. Meine Tochter. Und auch die deine. Es tut mir leid, das ich gleich mit der Tür ins Haus falle, aber ich wusste keinen anderen Weg es anders zu schreiben.
Erinnerst du dich noch an unseren einzigen Sommer? Diese besondere Nacht, als wir erst im Theater waren und anschließend in Abendgarderobe zum Strand sind? Nach dieser Nacht waren wir nicht mehr nur zu zweit.
Aber das sollte ich erst Wochen danach erfahren. Das war dann auch der Zeitpunkt, als ich gehen musste.
Ich kam gerade vom Arzt und hatte den ersten Ultraschall, den ich dir zeigen wollte. Aber bevor ich zu dir konnte, wurde ich von Obadiah abgefangen. Ich weiß nicht, was er zuerst wollte, denn er sah schnell das Bild in meiner Hand. Und dann zeigte er mir eine andere Seite an sich.
Er sagte, ich sollte dich verlassen, da ich dich zu sehr ablenkte. Das es so besser wäre.
Ich weigerte mich zuerst. Und so bedrohte er mich und somit auch mein Baby. Es sagte, ich würde dieses Kind nie lebend sehen, wenn ich bleiben würde. Und nach einiger Zeit glaubte ich ihm. Er hatte die nötigen Mittel und Verbindungen.
Also ging ich nicht zuerst zu dir, sondern drehte mich um und verließ die Firma ohne mich umzudrehen. Ohne noch etwas einzupacken. Nur mit dem, was ich am Körper trug. Ich hatte einfach nur Angst, dass Obadiah seine Drohung wahr machen würde.
Es tut mir leid für alles, was ich dir damit angetan habe. Ich kann es nicht mehr gut machen. Den Schmerz nach meinem weggehen. All diese verlorenen Jahre. Alles was hätte sein können.
Aber es ist müßig darüber nachzudenken. Es ist Vergangenheit. Und die Zukunft hält nichts mehr für mich bereit. Außer noch mehr Schmerzen und ein baldiges Ende.
Aber du hast nicht alles von mir verloren. Du hast noch Joanna, die dich an mich erinnern kann. So wie sie mich an dich erinnert hat. Sie ist dir in vielem ähnlich. Aber das wirst du noch früh genug feststellen. Sie hat genau wie du den Hang dazu Regeln und Autoritäten zu missachten.
Ich hoffe, sie kann dir zumindest etwas zu der Familie verhelfen, die du dir immer gewünscht hast.
In ewiger Liebe Melissa'
Joanna ließ den Brief sinken und sah mit Tränen in den Augen zu ihrem Vater. Auch er hatte seine Lektüre beendet und blickte sie mit einem traurigen Gesichtsausdruck an.
"Darf ich dich etwas fragen?" Kam zögerlich über ihre Lippen.
"Frag ruhig."
"Hat sie dir gefehlt?"
Tony wandte sich kurz ab und blickte in Richtung Fenster. Jo sah, wie sein Kiefer sich anspannte, bevor er antwortete.
"Jede Minute."
"Wieso hast du nie nach ihr gesucht?" Jo schlug sich die Hand vor dem Mund. DieseFrage war ihr herausgerutscht und klang vorwurfsvoller als beabsichtigt. "Es tut mir leid."
"Du brauchst dich nicht zu entschuldigen." Sagte Tony mit einem schwachen Lächeln. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare, bevor er weiter sprach. "Ich habe es anfangs versucht. Aber immerhin war Mel damals eine der Besten in der IT. Wenn sie nicht gefunden werden wollte, dann wurde sie nicht gefunden. Zudem hat Obadiah meine Suche geschickt manipuliert. Und irgendwann habe ich aufgegeben."
Jo sah ihn nachdenklich an. Etwas kam ihr in den Sinn. "Was erwartest du?" Wiederholte sie seine Frage von vorhin. Anhand dem Blitzen in seinen Augen sah sie, dass er die Frage wieder erkannt hatte.
"Eine Familie. Jemand der mich so nimmt, wie ich bin. Der mich ohne Vorbehalt liebt."
"Aber du hast doch..." Weiter kam Jo nicht, da Tony sie unterbrach.
"Ja, ich habe Pepper, die mich so liebt, wie ich bin. Was mehr ist, als ich je zu träumen gewagt habe. Aber blutsverwandte Familie zu finden, dass ist etwas anderes. Es ist..." Er stockte kurz und überlegte. "Das erstaunt mich jetzt selbst. Mir fehlen die Worte."
Er lachte und Joanna musste ebenfalls grinsen.
"Hunger?" Diesmal wechselte sie das Thema, da sie spürte, wie es Tony etwas unangenehm wurde über die Thematik zu reden.
"Sehr gerne." Er blickte sie erleichtert an. "Pizza?"
"Ausgezeichneter Vorschlag."
Tony stand auf und Jo tat es ihm gleich. Gemeinsam gingen sie zum Aufzug.
Im Aufzug stehend grinsteTony sie an. "Es wird Zeit, dass du den Rest des Superheldenvereins kennenlernst."
Mit ähnlicher Begeisterung grinste sie zurück. "Freu mich schon darauf."
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