Teil 4

Das Lächeln auf Evelynas Gesicht verblasste.

Das erschien ihr als keine gute Idee. Sollte sie, kaum dass sie es geschafft hatte ihren ersten Fesseln zu entkommen, sich neue anlegen lassen? Doch würde er ihr anders jemals vertrauen?

„So weit geht deine Loyalität nun doch nicht, was?" Grindelwald lächelte kalt.

„Ich bin loyal!", entgegnete sie giftig. „Ich bin eine Slytherin und wenn wir was sind, dann loyal gegenüber denen, denen wir trauen!"

„Slytherin?"

Grindelwald war unentschlossen. Albus hatte ihm genug von den Hogwarts-Häusern erzählt und Slytherins waren laut ihm ein wenig verschlagen und hinterlistig. Gegenüber ihren Feinden.

„Der Hut hat gesagt, ich bin sehr schwierig, da ich gegensätzliche Charaktereigenschaften vereine und wollte mich eigentlich nach Hufflepuff schicken, da ich dort so akzeptiert werde. Aber das wäre in den Augen meiner Eltern ein Skandal gewesen. Also hat der Hut mich nach Slytherin geschickt, da dies an zweiter Stelle war und von meiner Familie eher akzeptiert werden würde. Aber ich habe niemals richtig dazugehört."

„Erspar mir bitte deine Lebensgeschichte. Ich kann nicht riskieren, jemanden bei mir zu haben, der mich vielleicht eines Tages verraten wird."

„Was soll ich denn verraten? Noch hast du doch gar nichts angestellt! Und wenn dir mein Wort nicht reicht, lass es mich beweisen. Lass mich beweisen, dass ich dein Streben verstehe und unterstütze. Dass ich dir nicht in den Rücken fallen werde. Du wirst auf Widerstände stoßen und kannst dann jede Hilfe gebrauchen."

Grindelwald stöhnte genervt auf, aber ihm war klar, dass sie sich nicht abschütteln lassen würde.

Mit sichtlichem Widerstreben hielt er ihr den Schlüssel hin, den sie ohne zu zögern berührte. Auch als Grindelwald seinen Zauberstab erhob, zuckte Evelyna nicht mit der Wimper. Sie fürchtete sich kein bisschen vor ihm.

Portus", murmelte Grindelwald, alle Gedanken an seine unerwünschte Begleitung verbannend und nur fest auf sein Ziel konzentrierend. Nach wenigen Sekunden verspürte er das vertraute Ziehen hinter seinem Nabel und wurde fortgerissen.

Im Kreis wirbelnd flogen sie eine Weile, wobei Grindelwald nicht umhin kam, ein wenig über Evelynas Mut zu staunen. Schließlich bräuchte er sie jetzt nur schocken und hätte seine Ruhe. Doch das schien sie nicht zu befürchten. Vielleicht war es doch nicht das Schlechteste, sie bei sich zu haben.

Nach einem langen Flug knallten sie abrupt auf die harte Erde. Evelyna rappelte sich sofort auf und sah sich neugierig um. Sie waren in einem Tal gelandet und den Geräuschen nach zu urteilen, war hinter dem Hügel, der vor ihnen war, eine Stadt. Sie drehte sich einmal um die eigene Achse. Überall waren mit Moos bewachsende Berge, gelegentlich durchbrochen von blau glitzernden Wasserfällen oder reißenden Flüssen. Doch trotz der Stadtnähe wirkte alles unberührt, urwüchsig, wild und nahezu magisch. Hier hatten die Muggel die Natur noch nicht unterworfen und ihren Bedürfnissen angepasst. Hier herrschte Frieden.

Evelyna blickte nach unten. Die Erde war schwarz. Vulkanerde.

„Wo sind wir?", fragte sie, auch wenn sie die Antwort zu kennen glaubte.

„Island", bestätigte Grindelwald ihre Vermutung. „Hier fällt man als Zauberer nicht auf und kann weiter planen."

„Und vielleicht mal in die Bibliothek gehen", ergänzte Evelyna.

Grindelwald wirkte überrascht.

„Ja", bestätigte er nach einer Weile. „Die wäre vielleicht auch einen Besuch wert."

Den Weg in die Stadt legten sie schweigend zurück, wobei Evelyna sich alles ins Gedächtnis rief, was sie über Island wusste. Die Muggel hier hatten ihren Glauben an Magie nie verloren und vor langer Zeit war ein Vertrag aufgestellt worden. Würden die Menschen die Geschöpfe – hauptsächlich Feen, Elfen und Trolle – in Ruhe lassen, ihren Lebensraum nicht beschädigen, die Feen nicht als Dekorationen missbrauchen und die Elfen nicht versklaven, wären auch sie sicher vor Trollüberfällen, Kindsentführungen oder ähnlichem. Dieser Vertrag führte dazu, dass immer mehr Geschöpfe sich hier ansiedelten. Der Vertrag war nie gebrochen worden und so lebten hier alle friedlich zusammen.

Über vierzig Prozent der Menschen waren Hexen und Zauberer, die Freundschaften mit Muggeln pflegten und sich trotzdem an das internationale Geheimhaltungsabkommen hielten. Wobei dies hier eigentlich überflüssig war. Hier war die Magie allgegenwärtig.

Auf dieser Insel gab es außerdem die größte Bibliothek der Zauberergesellschaft. Hatte man Fragen, würde man dort Antworten finden. Nur die Bibliothek selbst zu finden, war schwer. Ihr Eingang war verborgen und jeden Tag woanders und sah für jeden anders aus, was sämtliche Beschreibungen überflüssig machte. Doch hatte man sie einmal gefunden, würde man es immer wieder tun. Es gab Tricks die es einem erleichterten, doch auch die musste man können.

„Warst du schon einmal in der Bibliothek?", fragte Evelyna Grindelwald neugierig.

„Nein", antwortete der. „Sie zu finden, wird schwierig sein."

Inzwischen waren sie in der Stadt angekommen. Das Ortsschild war nicht lesbar, doch es war nicht Reykjavik. Alle nickten ihnen freundlich zu, während Grindelwald und Evelyna durch die Straßen gingen. Evelyna unterdrückte die Frage, was als nächstes geplant war, denn sie ahnte, dass es ihn nervte. Er würde schon einen Plan haben.

Ihr großes Vertrauen in ihn verblüffte sie selber, schließlich kannte sie ihn gar nicht. Noch dazu hatte sie nie jemandem vertraut, da sie wusste, wie gefährlich das war. Wer vertraute, konnte benutzt werden. Doch trotzdem konnte sie nichts dagegen tun. Sie konnte nur hoffen, dass ihr Herz klüger war, als ihr Verstand.


Frohe Weihnachten euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr!



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