Teil 3
Gellert konnte über so viel Dummheit nur staunen. Über diese Überheblichkeit und Arroganz. Für wen hielt die sich? Dachte dieses Mädchen wirklich, dass nur weil sie eine Potter war, alle auf sie hören würden? Nun, auf sie wartete am nächsten Tag eine Überraschung. Denn sie hatte ihm gar nichts zu sagen.
Er würde garantiert nicht auf sie warten, sondern so früh wie möglich aufbrechen. Sollte sie doch zusehen, wie sie zu Recht und von hier wegkam. Wahrscheinlich wollte sie auch gar nicht wirklich von hier weg, es war nur der Reiz zu rebellieren. Doch kaum wäre sie aus ihrem gewohnten und zweifellos lukrativen Umfeld raus, würde sie sich zurück nach Hause sehnen und zurückkehren.
Damit würde er sich mit Sicherheit nicht abmühen. Er schuldete ihr gar nichts und fühlte sich in keiner Weise für sie verantwortlich. Sie würde ihn nur behindern mit ihrer Ahnungslosigkeit von der Welt und dachte vermutlich, er würde eine Art entspannte Weltreise machen. Doch das würde er nicht tun. Bei seiner Mission konnte er sie nicht gebrauchen.
Bathilda bestand darauf, für Gellert ein Abschiedsessen zu kochen und er hatte einfach nicht die Nerven und Geduld mit ihr zu diskutieren, sondern ließ es still über sich ergehen. Bathilda redete genug für sie beide, wobei sie immer wieder durchblicken ließ, dass es sie sehr begrüßen würde, wenn er blieb. Aber das war ausgeschlossen.
„Hast du schon einen Portschlüssel bekommen?", unterbrach er ihren Redeschwall.
Ihren enttäuschten Blick ignorierte Grindelwald gekonnt.
Schließlich nickte Bathilda und zeigte auf einen verrosteten Schlüssel, der auf dem Kaminsims lag.
„Ab morgen lässt er sich aktivieren", sagte sie.
„Wie oft?"
„Ein Jahr kannst du damit reisen, dann soll er im Ministerium abgegeben werden."
Grindelwald nickte langsam.
Ein Jahr. Das war besser als erwartet. Vermutlich hoffte Bathilda, dass er nach einem Jahr wieder zurückkam. Doch das würde er nicht tun. Eine Frage drängte sich aber noch in ihm auf. Oder besser gesagt, zwei.
„Kennst du eine Evelyna Potter?"
„Evelyna Potter? Henry hat manchmal von einer Evelyna geredet und sie als Schwester bezeichnet. Doch sonst habe ich noch nie etwas von ihr gehört. Mr und Mrs Potter haben sich nie dazu geäußert. Deswegen nahm ich an, das Henry sie sich einbildete oder vielleicht von ihr geträumt hat. Oder das sie eine entfernte Cousine ist. Wieso fragst du?"
„Gerüchte", murmelte Grindelwald. Warum wurde sie verleugnet? Das war egal, ermahnte er sich sofort. Es ging ihn nichts an und war nicht sein Problem.
„Und was weißt du über Ariana Dumbledore?"
„Nicht viel. Ich wusste gar nicht, dass es sie gibt, bis ich gesehen habe, wie ihre Mutter mit ihr spazieren gegangen ist. Das war sehr merkwürdig. Es war in der Nacht und sie ist mit ihr eine Runde durch den Garten gegangen. Dabei hat Kendra sie die ganze Zeit festgehalten, als würde Ariana jeden Moment wegfliegen. Kendra war alles andere als glücklich, dass ich von Ariana erfahren habe und hat mir verboten, ihnen nachzuspionieren oder es an die große Glocke zu hängen. Sonst würde ich alle in Gefahr bringen. Albus hat mir zumindest gesagt, dass sie krank ist und panische Angst vor Menschen und Lärm hat und sie sie deshalb von der Außenwelt abschirmen würden. Doch auch er hat mir gebeten, es nicht weiterzuerzählen. Als würde ich sowas tun!"
„Natürlich nicht", log Grindelwald. Seine Tante war die klatschsüchtigste Person, die er kannte.
Aber das konnte er ihr ja schlecht sagen. Er wollte nicht im Streit gehen, sie war schließlich die Einzige aus seiner Familie, die ihm erhalten geblieben war. Beinahe die Einzige. Und darum musste er auch gehen. Er wollte sie nicht in Gefahr bringen.
Ariana sollte also krank gewesen sein. So weit ging sein Wissen auch. Mit der Angst vor Menschen konnten die Dumbledores es begründen, dass Ariana nicht nach Hogwarts ging. Denn ein Squib war sie auf keinen Fall gewesen. Sie war mächtiger als Albus gewesen, doch auch gefährlicher. Ihre Magie war ungeschult und unreif. Niemand hatte ihr beigebracht, ihre Kräfte zu kontrollieren. Hatte sie die Explosion ausgelöst? Hatte sich versehentlich selbst umgebracht? Würde er jemals die Antworten finden?
Während Bathilda weiter redete, machte er Pläne für den nächsten Tag. Er würde eine Nacht noch hier schlafen, und am nächsten Morgen, noch bevor seine Tante aufstand, zum See gehen. Dort war er ungestört und vor neugierigen Blicken und Fragen sicher. So früh wie möglich.
Evelyna erreichte den See schnell. Sie hatte nicht sonderlich auf den Weg geachtet, ihre Füße hatten diesen von alleine gefunden. Sie wusste, sie sollte etwas fühlen, Wut und Trauer, doch das war nicht der Fall. Selbst, als sie bewusst diese Gefühle in sich erzeugen wollte, funktionierte es nicht. Doch eines konnte sie überdeutlich spüren: Freude. Sie war frei! Niemand würde ihr jetzt noch Vorschriften machen und sie zu irgendwas zwingen. Zu einem Leben, welches sie nicht führen wollte. Nun hatte sie endlich die Kontrolle über ihre Zukunft.
Doch die Euphorie verschwand langsam und machte einem neuen Gefühl Platz. Erschöpfung. So kurz der Moment auch gewesen sein mochte, in welchem sie gegen ihren Vater aufgestanden war, so hatte er sie doch ausgelaugt. Psychisch vor allem. Am liebsten hätte sie sich sofort hingelegt, um zu schlafen, aber sie wusste auch, dass das nichts bringen würde. Dafür fühlte sie doch noch zu aufgewühlt.
Sie sah sich am See um, fand eine geschützte Stelle und errichtete rasch ein paar Schutzzauber. Sichtschutz, damit sie innerhalb eines bestimmten Radius nicht gesehen wurde, sowie einen Alarmierungszauber, der ein nur für sie hörbares Geräusch aussandte, wenn sich jemand nährte.
Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie alleine war, zog sie sich rasch bis auf die Unterkleidung aus – auf das Korsett hatte sie verzichtet – und stieg in den See. Das Wasser kühlte ihren aufgeheizten Körper und Evelynas Gedanken, die sie fast überfordert hatten, beruhigten sich. Eine Weile ließ sie sich vom Wasser treiben, bevor sie den See wieder verließ, sich abtrocknete und wieder in ihr Kleid schlüpfte. Da sie nicht wusste, wann sie das nächste Mal die Gelegenheit hatte, neue Kleider zu kaufen, wollte sie mit ihren Sachen möglichst sparsam umgehen.
Dann zog sie ein paar Decken aus ihrem Rucksack und legte sich am Fuß des Baumes schlafen. Der bemooste Boden war erstaunlich weich und obwohl Evelyna nicht gedacht hatte, hier draußen auch nur ein Auge zumachen zu können, schlief sie schnell ein. Was sie aber unterschätzt hatte, waren die Geräusche. Blätter raschelten, wenn nachtaktive Tiere sie streiften, Eulen kreischten. Da Evelyna diese Geräuschkulisse nicht gewohnt war, war ihr Schlaf unruhig. Ständig schreckte sie hoch, um sich dann genervt wieder in ihr provisorisches Lager sinken zu lassen.
Als es dämmerte und die Eulen und Uhus von noch lauteren Vögeln abgelöst wurden, beschloss sie, schon mal ihre Sachen zu packen. An Schlaf war eh nicht mehr zu denken. Die Decken hatte sie schon verstaut und als sie ihre Sachen einpackte, hörte sie Schritte. Auch ihr Alarmierungszauber meldete sich sofort. Sie wandte sich um und sah Grindelwald näher kommen. Aufgrund ihres Zaubers für Sichtschutz hatte er sie noch nicht gesehen. Das beschloss sie umgehend zu ändern.
„Was machst du denn schon hier? War nicht Mittag gesagt?", rief sie ihm zu und ließ den Zauber sinken.
Seinen Blick verbuchte sie als persönlichen Sieg. Es war eine Mischung aus Überraschung, Frustration und – Anerkennung.
„Offenbar meinst du es ernst", stellte er fest.
„Fällt dir ja früh auf", konterte sie.
Grindelwald seufzte.
„Gut, sagen wir mal, ich bin einverstanden, dass du mich begleitest. Woher weiß ich, dass ich dir wirklich vertrauen kann? Dass du mich nicht bei der kleinsten Schwierigkeit verlässt?"
„Du wirst es wohl darauf ankommen lassen müssen." Evelyna zuckte mit den Schultern.
„Vertrauen entsteht durch die Tat."
„Mir fällt da eine sicherere Methode ein", sagte Grindelwald. „Der unbrechbare Schwur."
Zum Start ins neue Schuljahr gibt es ein neues Kapitel. Heute, vor 28 Jahren, saß Harry Potter zum ersten Mal im Hogwarts-Express, wo der Grundstein einiger Freund- und Feindschaften gelegt wurde. Und wir alle waren dabei, durften Harry auf seinem Weg begleiten, haben mitgelacht, geweint und gekämpft. Wir waren dabei.
Heute ist seine Tochter, Lily Luna Potter, zum ersten Mal mit ihren Brüdern und ihren zahlreichen Cousins und Cousinen nach Hogwarts aufgebrochen. Heute ist ihr Traum in Erfüllung gegangen. Viel Spaß, Lily, auf deiner Reise und versuch nicht allzu viel anzustellen! Die Lehrer dürften schon genug zu tun haben ...
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