Teil 25
Fast neuntausend Kilometer entfernt, schlug Gellert unsanft auf dem Boden auf.
Er war später angekommen als geplant, die Zeitzonen, die er übersprungen hatte nicht mitgezählt. Er hatte nicht die ganze Strecke auf einmal zurücklegen können, dafür war der Weg einfach zu weit. Außerdem war er noch einen Umweg gegangen, auf welchem er Zwischenstopps eingelegt hatte. Anstatt den direkten Weg zu nehmen, war Gellert von Frankreich nach Deutschland gereist und dort in den Süden des Landes.
Vor den Alpen, sehr ländlich gelegen, gab es, wie überall auf der Welt, eine verborgene Stadt. Sie war nicht besonders groß, eher ein Dorf und es lebten auch keine Hexen oder Zauberer dort. Es war nur zum Einkaufen.
Leben konnten Hexen und Zauberer überall, im Verborgenen, doch sie konnten nicht überall ihre notwendigen Zauberutensilien kaufen. Dies wollte Gellert ändern, zu gegebener Zeit und mit den notwendigen Mitteln. Bis dahin musste er mit dem vorlieb nehmen, was es gab. Und hier schien es alles zu geben. Von Umhängen, Kessel, Eulen, Federn, eine Bank, wo man Geld wechseln konnte bis magische Restaurants. Und natürlich ein Zauberstabgeschäft, welches von einem Gregorowitsch betrieben wurde.
Gellert schlenderte scheinbar seelenruhig durch die Straßen, während er sich aufmerksam umsah. Er war zufrieden. Hier konnte man alles kaufen. Er konnte seinen Plan fortsetzen.
Gellert aktivierte erneut den Portschlüssel, reiste diesmal aber nur ein kleines Stück. Tief in den Alpen nahm er erneut Gestalt an. Er war hier geboren, doch besaß keine Erinnerungen an diesen Ort, kannte ihn nur aus Erzählungen. Es war seine Familiengeschichte.
Bis vor ungefähr fünfzehn Jahren hatten die Grindelwalds noch in den österreichischen Alpen gelebt, doch aufgrund der Isolation, in welcher sie hier aufgewachsen wären, hatten seine Eltern entschieden, in das Gebiet zu ziehen, welches Weißrussland genannt wurde. Dies lag näher an Durmstrang, war somit schneller erreichbar und Gellert und seine Schwestern konnten regelmäßig Freunde einladen. Sie hatten ein ländliches Anwesen erworben, mit großen Ländereien, doch ihr Schloss in den Alpen hatten sie nicht aufgegeben.
Es war mit zahlreichen Schutz- und Tarnzaubern versehen, die nur ein Grindelwald oder jemand, dem er es gestatte, durchdringen konnte. So hatten es seine Eltern Gellert und seinen Schwestern erzählt und diese Tatsache kam Gellert jetzt zur Hilfe. Er fand es ohne Probleme.
Gellert war überrascht, dass das Schloss noch so makellos war, keine Verfallserscheinungen oder ein undichtes Dach hatte, doch auch erfreut. Die Zauberer, die es vor etlichen Jahren errichtet hatten, hatten gute Arbeit geleistet.
Wie es ihm versprochen wurde, konnte er es betreten. Gellert hatte sich nur rasch umgesehen, längst nicht jeden Raum, und war zu dem Schluss gekommen, dass dies ein geeigneter Hauptsitz für sein Vorhaben sei. Natürlich müsste einiges erneuert werden, doch das würde kein Problem sein. Ein paar Hauselfen würden sich sicher darum kümmern.
Aber jetzt war der Zeitpunkt noch nicht gekommen. Jetzt hatte er anderes zu tun. Gellert wollte weiter reisen. Er würde mit Sicherheit wiederkommen, doch er war in Eile.
Von den Alpen aus reiste er nach Frankreich, von dort nach Spanien und weiter nach Gibraltar.
Gellert hatte lange überlegt, wie er vorgehen wollte, hatte ganz Europa nach einer Lösung abgesucht und in Gibraltar war er fündig geworden. Es war nicht ideal, aber das Beste, was es gab.
Jetzt stand er hier, sah auf das grün-blaue, klare Meer, welches ruhig dalag, und nahtlos zu dem feinen, weißen Sand, der die Küste bedeckte, überging. Hin und wieder sah man einen Felsen aus dem Wasser ragen und weiter weg konnte Gellert eine Felsenküste erkennen. Über seinem Kopf flogen kreischend Möwen, die hin und wieder in den Sturzflug gingen, wenn sie glaubten, etwas Essbares zu sehen.
Die wunderschöne Landschaft schien alle schlechten Gedanken und Gefühle vertreiben wollen, doch gerade das war es, was Gellert wieder schmerzhaft daran erinnerte, warum er hier war. Während er also auf die malerische Landschaft blickte, zweifelte er.
Zweifelte, ob er die richtige Entscheidung traf. Er hatte sich eigentlich gesagt, er wolle nicht wiederkommen und doch stand er hier. Zurzeit schien gar nichts so zu funktionieren, wie er es sich wünschte. Sämtliche Versprechen, die er sich selbst gegeben hatte, brach er. Mit großer Wahrscheinlichkeit war es falsch, was er hier tat. Doch er musste sie noch einmal sehen, um zu wissen, ob sie glücklich war. Er bezweifelte es zwar sehr, doch zumindest konnte er sehen, ob es ihr gut ging. Ob er zumindest in dieser Hinsicht richtig entschieden hatte.
Hier konnte man bestimmt glücklich werden. Es war ohne Zweifel wunderschön hier, nicht nur landschaftlich, auch in jeder anderen Hinsicht. Die Menschen, die hier lebten, waren ihm sehr gegenüber sehr freundlich gewesen, was auch seine Entscheidung beeinflusst hatte. Noch dazu war es hier von den Temperaturen her angenehmer als sonst irgendwo. Es war der ideale Ort.
Das versuchte er sich immer wieder einzureden, während er die gewundene Straße entlang ging. Es war ein Traum, hier zu leben. An einem Ort zu leben, von dem andere Menschen träumten.
Sich darauf konzentrierend setzte er seinen Weg fort. Den Ort, den er aufsuchen wollte, war verborgen vor den Augen der Muggel, wie es so viele magische Institutionen waren. Darüber wollte Gellert jetzt nicht zu intensiv nachdenken.
Hier musste er nicht eine Art Parallelwelt betreten, denn wie Hogwarts war das Gebäude durch Zauber getarnt, welche Muggeln vorgaukelten, es wäre nur eine einsturzgefährdete Ruine, die irgendjemandem im Ausland gehörte und selbst Jugendliche, die gerne solche Häuser erkundeten, wurden ferngehalten, indem ihnen scheinbar wichtige Dinge einfielen oder sie von solch dunklen Vorahnungen geplagt wurden, dass sie bereitwillig einen Bogen um das Haus machen.
Doch Gellert konnte den Schein durchschauen. Er sah das Gebäude schon in der Ferne, majestätisch und groß, doch dabei auch freundlich. Den Blick fest darauf gerichtet, setzte Gellert seinen Weg auf der von Palmen gesäumten Straße fort.
Als er das eiserne Eingangstor erreichte, hielt Gellert inne. Noch konnte er umkehren. Woher diese Furcht kam, wusste er nicht zu sagen, schließlich ging von ihr keine Gefahr aus. Es war eher schwieriger, eine harmlosere Person zu finden. Vermutlich wollte er nicht die Enttäuschung in ihren Augen sehen. Enttäuschung über seine lange Abwesenheit und darüber, dass dies sein letzter Besuch sein würde.
Er musste sich von ihr fernhalten, zu ihrer eigenen Sicherheit. Sie wusste nicht, wie gefährlich ihre Beziehung sein würde, wenn er sich einen Namen gemacht hatte. Die Auroren würden jede seiner Schwachstellen nutzen wollen und sie war die schutzloseste, die gefährdetste. Dieses Risiko durfte er unter keinen Umständen eingehen.
Doch dazu musste er sie noch einmal sehen. Er musste wissen, wie es ihr ging. Darum öffnete er das Tor und ging den gepflasterten Weg weiter. Hinter dem Gebäude hörte er laute Stimmen und Gelächter, doch eine Hecke verhinderte, dass Gellert um das Haus herumgehen konnte.
Also öffnete Gellert die Eingangstür. Er wusste, wo er hin wollte, doch trotzdem musste er sich erst anmelden. Normalerweise wäre es ihm egal, dass er Hausverbot bekommen würde, wenn er sich nicht anmeldete, doch hier nicht.
Auf den ersten Blick war niemand zu sehen, doch anscheinend war die Tür mit einem Alarmierungszauber belegt, denn kaum dass sie geschlossen war, kam schon ein griesgrämig aussehender, kleiner Zauberer auf ihn zugeeilt.
„Ja? Was wollen Sie?"
Jeden anderen hätte Gellert eine Lektion erteilt und gefragt, was ihm einfiele, so unhöflich mit Besuchern zu reden, doch keinem Mitarbeiter von hier. Denn er würde für immer in ihrer Schuld stehen.
„Ich möchte jemanden besuchen."
„Haben Sie einen Termin?"
„Nein."
„Werden Sie erwartet?"
Gellert zögerte.
„Ich denke schon, dass sie mich erwartet."
„Mr Grindelwald! Wie schön, Sie wiederzusehen!"
Gellert atmete erleichtert aus, denn die Person, die nun auf ihn zukam, kannte er.
„Miss Swan, die Freude ist ganz meinerseits."
Sie hatte sich für ihn eingesetzt, hatte dafür gesorgt, dass seine Geschichte, die zugegebenermaßen ein wenig schwammig klang, geglaubt wurde. Er konnte ihr nicht genug danken.
„Sie waren schon lange nicht mehr hier."
„Ich war verhindert. Und ich denke auch, dass es nach diesem Besuch wieder dauert. Länger als diesmal."
Das Lächeln von Miss Swan verblasste.
„Es tut mir leid, dies zu hören. Bitte nehmen Sie es nicht persönlich, aber ich bezweifle dann, dass dieser Besuch eine gute Idee ist, wenn Sie dann wieder gehen. Das ist nicht gut. Sie ist dann immer sehr traurig und wir brauchen eine Weile, um sie wieder aufzumuntern. Im Moment ist sie gerade einigermaßen glücklich, aber wenn Sie jetzt auftauchen und dann wieder für eine längere Zeit verschwinden ... Ich weiß nicht. Sie sind nun mal auch ein Teil ihrer Vergangenheit, die dann immer wieder geweckt wird."
„Ich weiß." Gellert seufzte. „Ich war auch lange am überlegen, ob ich vorbeikomme, aber ich muss sie sehen. Ich muss wissen, dass es ihr gut geht."
Jetzt war es Miss Swan, die seufzte.
„Na gut." Sie wandte sich an den Mann, der schweigend zugehört hatte. „Tragen Sie bitte bei Joelle Mason ihren Besucher ein. Sie ist in ihrem Zimmer. Sie wissen ja, wo das ist."
Die letzten Sätze waren wieder an Gellert gerichtet, der zum Dank wieder nickte und dann ohne ein weiteres Wort durch die vielen Flure und Räume eilte. Es war schon eine Weile her, aber diesen Weg würde er nie vergessen. Der Weg zog sich ewig hin und war gleichzeitig zu kurz. Auf einmal stand er schon vor ihrer Tür und starrte sie an, wieder unsicher, ob er ihnen wirklich diesen Schmerz zufügen wollte. Doch eigentlich hatte er keine Wahl. Nicht wirklich.
Er klopfte und eine leise Stimme rief ihn herein. Sie stand am Fenster, mit dem Rücken zu ihm und sah hinaus, zu den spielenden und lachenden Kindern. Sie war größer geworden und auch ihre hellblonden Haare waren länger. Es führte ihn wieder vor Augen, wie viel Zeit vergangen war, wie viel er von ihr verpasste. Gellert räusperte sich.
„Gaelle."
Wie versprochen, ein neues Kapitel.
Die schriftlichen Prüfungen habe ich (hoffentlich) überstanden und bin jetzt wieder im Leben angekommen. Jetzt kommt nur noch die mündliche/praktische, dann habe ich es mit ein bisschen Glück ganz geschafft😅
Ach so, keine Sorge, das nächste Kapitel wird auch noch aus Gellerts Sicht sein😊
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