Teil 17

Valeria lehnte sich zurück und stützte sich mit den Armen ab.

„Nicht viel", gab sie zu. „In Hogwarts war das ein Tabuthema, dementsprechend gab es auch kaum Bücher dazu. Nur in der verbotenen Abteilung, aber da wurde jedes Buch genau überwacht. Und Zuhause hielt mein Vater die Bücher zu diesem Thema unter Verschluss. Ich weiß, dass die drei unverzeihlichen Flüche schwarzmagisch sind, dass die meisten Zauberer Angst vor diesem Zweig der Magie haben und die Ausführung schwarzer Magie streng bestraft wird. Wenn man Glück hat, mit lebenslänglich Askaban."

„Gut, dann weißt du, was auf dem Spiel steht, wenn du erwischt wirst", sagte Gellert trocken. „Das spart Zeit. Das Wichtigste ist erst einmal, dass du dir merkst, schwarze Magie gibt es nicht. Irgendwann einmal wurde diese Unterscheidung vorgenommen, zwischen schwarzer und weißer Magie, die sich bis heute hält. Was man schwarze Magie nennt, ist mächtiger und das macht den meisten Zauberern Angst.

Es hält sich hartnäckig der Glaube, dass schwarze Magie böse ist, aber jeder Zauber ist auf seine Art böse. So gesehen müsste jeder Zauberspruch schwarzmagisch sein. Es ist nicht nett, jemanden wehrlos zu machen, zu schocken oder sogar zu verbrennen. Aber trotzdem sind diese Flüche erlaubt und gelten nicht als schwarzmagisch.

Selbst Legilimentik oder deine Begabung kann man nutzen, um jemanden zu schaden und könnte damit als schwarzmagisch angesehen werden.

Verletzungen, die als schwarzmagisch eingestuft wurden, können auch nur von schwarzer Heilkunst behandelt werden. So gesehen muss jeder Heiler diese Form der Magie beherrschen.

Im übrigen stimmt es auch nicht, dass sämtliche Rituale schwarzmagisch sind. Auf die Ausübung mancher Flüche muss man sich vorbereiten und je gründlicher man das macht, desto besser wird es einem gelingen. Rituale in denen Blut fließt, wurden verboten, weil das Blut sie noch mächtiger werden lässt. Die Menge des Blutes ist dabei unerheblich. Um Zauberer abzuschrecken wurden Gerüchte in die Welt gesetzt, wonach man zum Beispiel eine geliebte Person opfern muss oder einen Freund ausbluten lassen. Es reicht ein Tropfen Blut aus dem eigenen Finger.

Weißt du, was die drei unverzeihlichen Flüche gemeinsam haben?"

„Man muss es wollen."

„Genau. Und das ist auch ein wesentlicher Aspekt der schwarzen Magie. Du musst den Zauber wollen, wenn du ihn aussprichst. So sagst du den Zauber und erwartet das Ergebnis, doch wenn du das Ergebnis willst, wird der Zauber noch stärker."

Gellert verstummte und erntete einen überraschten Blick.

„Das war es? Mehr steckt nicht dahinter, als der Wille?"

„Ich habe nicht gesagt, dass das alles war. Es ist das Wichtigste. Und unterschätze es nicht. Du bist es gewohnt, einfach so zu zaubern, also musst du deine Denkweise umstellen."

„Kann ich es mal ausprobieren?"

Gellert zog die Augenbrauen hoch.

„Du willst dich mit mir duellieren?"

Valeria nickte hastig, so dass sich eine Haarsträhne aus ihrem Knoten löste und ihr ins Gesicht fiel. Ungeduldig klemmte sie sie hinter ihr Ohr und sah Gellert abwartend an.

„Vergiss es. Diese Art Magie ist nicht umsonst verboten. Verlierst du die Kontrolle über einen Fluch, kann es gewaltig nach hinten losgehen. Und gerade in Duellsituationen kann man schnell die Kontrolle verlieren."

„Und wie soll ich es dann lernen?"

„Du zauberst täglich. Dabei kannst du es wunderbar üben. Ich werde dir Bescheid geben, wenn du soweit bist."

„Das erkennst du?"

„Ist die Frage ernst gemeint?"

Gellert stand auf.

„Wir sollten wieder zurückgehen. Dein Freund Cal beobachtet uns übrigens, wenn wir da sind. Mir wird er auch immer suspekter."

Valeria sah zu ihm.

„Was ist los mit dir? Du erzählst mir etwas über dich, du schmiedest Pläne für die Zukunft – in der du mich mit einplanst – deutest an, dass ich eine Art rechte Hand für dich werden könnte, deine wichtigste Komplizin und nun stimmst du mir zu? Hat Cal dir etwas ins Frühstück gemischt?"

„Ich hatte kein Frühstück, insofern ist dies nicht möglich. Aber vielleicht ist dein Verdienst, Valeria. Du hast dich mir geöffnet und mir dein Geheimnis anvertraut. Und Vertrauen wird erwidert."

Er lächelte leicht, erwartete jedoch keine Antwort und sprach weiter.

„Aber vielleicht bin ich auch einfach gut gelaunt, weil ich denke, dieser Hinweis gestern war ernst gemeint. Insofern sind wir der Bibliothek näher als noch vor zwei Tagen."

Er hielt ihr die Hand hin.

„Komm. Wir wollen diesen Tag nicht vergeuden."

Valeria zögerte einen Moment, dann ergriff sie seine ausgestreckte Hand, um sich aufhelfen zu lassen. Und in diesem Moment wurde ihr klar, dass sie zum ersten Mal für eine andere Person etwas anderes als Gleichgültigkeit empfand.

Gellert bedeutete ihr mehr, als sonst eine Person aus ihrem Leben. Sie mochte ihn, ohne sich zu zwingen, diese Zuneigung zu empfinden. Das empfand sie als sehr merkwürdig, aber bestärkte sie in dem Glauben, dass sie sich auf den für sie richtigen Weg befand. Ihr Leben hatte nun einen Zweck und all das würde irgendwo hinführen. Und sie konnte es sich ganz einfach erklären, dass sie ihn mochte, denn er verurteilte sie nicht. Er akzeptierte sie so, wie sie war und ihr war klar, dass dies keine Selbstverständlichkeit war.

Sie ließ seine Hand wieder los und fragt wie nebenbei:

„Wie hieß sie?"

„Wer?"

„Deine andere Schwester."

Gellert seufzte.

„Nun ja, was soll's. Ihr Name war Galina. Sie war anderthalb Jahre jünger als ich. Also auch ein wenig jünger als du." Es könnte als Gemeinsamkeit zählen, überlegte Gellert. Ein ähnliches Alter. Valeria könnte die Lücke füllen, die Galina hinterlassen hatte. Das wäre einfacher, als die Alternative, sie fern zu halten.

„Wir standen uns sehr nah", fügte er hinzu.

„Ging sie auch nach Durmstrang?"

„Nein, das war nichts für sie. Meine Eltern haben es versucht, doch sie war eine zarte Seele und Durmstrang war zu düster und kalt für sie." Er schwieg einen Moment. „Wäre sie auch nach Durmstrang gegangen, würde sie noch leben. Ich konnte ihnen nicht helfen, weil ich nicht da war. Nach ihrem Tod wurde ich ein anderer."

„Galina ist ein wirklich schöner Name", merkte Valeria an. „Sah sie dir auch ähnlich?"

„Ja, wir sahen uns alle drei sehr ähnlich. Galina sah aus wie eine ältere Ausgabe von Gaelle. Gaelle wurde häufig mit Engeln verglichen, da sie lange Locken hatte und meerblaue Augen. Jeder liebte sie, auch wenn man sie das erste Mal traf."

„Aber das wird doch so bleiben, oder nicht? Du sagtest, sie würde in Sicherheit leben."

„Ich hoffe sehr, dass es so bleiben wird, aber nicht nur ich habe mich verändert. Auch sie ist ein anderer Mensch geworden."

„Würde Galina dein Vorhaben gutheißen?"

„Ich weiß es nicht", sagte Gellert. „Ich habe sie geliebt, beide meiner Schwestern und wollte sie vor jeglichen Unheil bewahren. Darum hätte ich auch nie verlangt, dass sie mich unterstützen. Doch ich denke, Galina hätte es getan. Sie wäre mit mir gekommen und sei es nur, um auf mich aufzupassen. So wie ich es auch immer getan habe."

„Du standest Galina also näher?"

„Sie war erwachsener. Sie hätte mich verstanden. Gaelle war unser Engel, aber noch ein Kind. Mit Galina konnte ich reden und da sie so kurz nach mir geboren wurde, sind wir miteinander aufgewachsen. Ich kannte sie besser, als mich."

„Ich hätte sie gerne kennengelernt."

Zu Valerias Überraschung lachte Gellert auf.

„Ja, das kann ich mir vorstellen. Sie hätten dich gemocht, weil du nicht auf den Mund gefallen bist. Ich hätte es vermutlich nicht ganz so gut gefunden, wenn ihr euch gekannt und angefreundet hättet, denn Gaelle sah nur engelsgleich aus, war aber frech und auch wenn Galina zurückhaltener war, war es nicht so, dass es ihr keinen Spaß machte, mich zu ärgern. Drei Mädchen die sich gegen mich verbünden? So hättet ihr mich definitiv in die Flucht geschlagen."

„Das werde ich mir merken", sagte Valeria, ebenfalls lächelnd. „Aber hätte ich einen großen Bruder, würde es mich nicht geben. Deine Eltern schienen nicht den typischen Reinblütergedanken zu folgen."

„Nicht wirklich. Sie waren froh, dass sie einen Erben hatten, aber für sie stand immer fest, dass sie mehr als ein Kind wollen und wenigstens eine Tochter."

„Ich kann mir solche Menschen überhaupt nicht vorstellen", murmelte Valeria.

Inzwischen hatten sie den Ortsrand erreicht, was dafür sorgte, dass Gellert wieder wachsamer und Valerias Gesicht zur Maske wurde.

„Das ist alles Vergangenheit", sagte Gellert leise. „Und es bringt nichts, ihr nachzutrauen."

Dem konnte Valeria nur zustimmen. Man konnte sich zurückerinnern, konnte lachen und trauern, aber sich der Vergangenheit niemals so hingeben, dass man die Zukunft aus den Augen verlor. Dann hatte und war man verloren.

Sie waren noch nicht weit in der Stadt drin und die Häuser hier sahen ein wenig verwahrlost aus, so dass die Tür regelrecht in Auge fiel. Sie hatte weder eine besondere Farbe, es war ein dunkelbraun, noch war etwas anderes an ihr auffällig.

Es war eine ganz normale, dunkelbraune Tür in einer Hauswand, doch sie schien Valeria buchstäblich anzuziehen. Sie blieb stehen.

„Was ist?", fragte Gellert.

„Ich glaube, ich habe meinen Eingang zur Bibliothek gefunden."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top