Teil 13

Ein Geräusch weckte Evelyna. Es war noch dunkel im Zimmer, was dafür sprach, dass es noch in der Nacht war, doch sie wusste nicht, wann. Auch hatte sie keine Ahnung, wie lange sie geschlafen hatte.

Sie griff nach ihrem Zauberstab und mit diesem Griff kamen sämtliche Erinnerungen wieder hoch. Der Überfall, ihre Wehrlosigkeit, das Geständnis an Grindelwald ...

Schlagartig war Evelyna hellwach. Er war nicht da, als sie eingeschlafen war und sie hatte nicht mitbekommen, ob und wann er wiedergekommen war.

Sie entzündete ihren Zauberstab und erkannte seine Gestalt in seinem Bett liegen. Erst wollte sie erleichtert ausatmen, bis sie erkannte, dass er es war, der sie geweckt hatte. Unruhig wälzte er sich in seinem Bett um her, gab manchmal halb erstickte Laute von sich, als würde er jemanden rufen ...

Sie hatte mitbekommen, dass er jede Nacht an Albträumen litt, hatte aber es vermieden, ihn darauf anzusprechen. Das erschien ihr ein wenig zu unhöflich. Abgesehen davon, wusste sie auch nicht, wie sie ihn auf eine Tatsache ansprechen wollte, die nichts Gutes verhieß. Sie würde ihre Hand dafür ins Feuer legen, dass diese Träume etwas mit seiner Vergangenheit zu tun hatten. Ein Thema, über das er nie sprach.

Auch jetzt wusste sie nicht, was sie tun sollte. Ihn wecken? Ihn weiterschlafen lassen? Ihn mit einem Geräusche-schluckenden Zauber belegen? Das letzte erschien ihr als ein wenig unfair, auch wenn es ihr einen ruhigen Schlaf ermöglich würde. Bei der zweiten Möglichkeit würde weder sie erholsam schlafen, noch er. Blieb nur die Möglichkeit, ihn aufzuwecken.

Sie drosselte das Licht ihres Zauberstabs, verließ ihr Bett und ging durch das Zimmer.

„Mr. Grindelwald?", fragte sie leise.

Nichts passierte. Schweißperlen glitzerten im schwachen Licht auf seiner Stirn, während er den Kopf hin und her warf.

„Mr. Grindelwald!" Diesmal wurde sie ein wenig lauter, doch es passierte immer noch nichts.

Vorsichtig setzte sie sich auf seine Bettkante und berührte seinen Arm.

„Gellert?"

Grindelwald zuckte zusammen, doch wachte nicht auf. Er murmelte etwas vor sich hin, doch Evelyna verstand ihn nicht.

Sie versuchte noch einmal ihn zu wecken, noch lauter dieses Mal. Wieder erfolglos.

Mit einem leisen Laut der Resignation, holte sich Evelyna mit einer Zauberstabbewegung ein Glas, welches auf dem Schreibtisch stand. Sie füllte es mit kaltem Wasser und hielt es ihm gegen die Stirn. Grindelwald wurde ein wenig ruhiger, doch seine Augen bewegten sich unter den geschlossenen Lidern weiter schnell hin und her.

Evelyna lehnte sich in weiser Voraussicht ein Stück zurück, während sie das Glas aufforderte, seinen Inhalt langsam über Grindelwalds Stirn zu kippen.

Der Effekt war erschreckend. Grindelwald schlug das Glas weg und schreckte hoch. Seine Augen funkelten wütend, während er den Raum nach dem Schuldigen absuchte. Evelyna biss sich auf die Lippen. So eine heftige Reaktion wollte sie nicht erzielen. Inzwischen hatte er sie entdeckt, was nicht verwunderlich war. Schließlich saß sie auf seinem Bett, nicht einmal fünfzig Zentimeter entfernt, mit einem leuchtenden Zauberstab.

„Bist du von allen guten Geistern verlassen?", zischte er. „Wenn das ein Scherz sein sollte, dann war der alles andere als lustig! Ich hätte einen Schock bekommen können!"

„Verzeihung, aber es erschien mir unverantwortlich, dich nicht von deinen Träumen zu erlösen", erwiderte die bissig. Ihre eben noch guten Vorsätze, ihn nicht auf seine Träume anzusprechen, waren hinfällig.

Im schwachen Licht des Zauberstabs sah Grindelwalds eines Auge pechschwarz aus, beide Augen schienen umschattet und selbst seine Wangenknochen wirkten spitzer. Seine blonden Haare hingegen sahen aus wie flüssiges Gold, wodurch sie wie ein Heiligenschein wirkten. Unwillkürlich musste Evelyna an Abbildungen von Engeln denken, welche sie in manchen Büchern gefunden hatte. Er sah aus wie ein gefallener Engel. Doch diese Tatsache änderte nichts an ihrer Wut.

„Sei versichert, nächste Nacht werde ich dich einfach mit einem Zauber belegen, damit ich in Ruhe weiterschlafen kann!", fügte sie zynisch hinzu und stand auf, um in ihr Bett zurückzukehren. Doch ein Druck an der Hand hielt sie zurück. Grindelwald hielt sie fest.

„Warte", bat er leise. Er saß immer noch, schien jedoch mit jeder Sekunde, die verstrich, ruhiger zu werden. Er zog sie zu sich und nötigte sie, sich hinzusetzten. Diesmal sehr viel näher an ihm.

„Es tut mir leid. Ich weiß, du wolltest mir helfen..."

„Schön, dass du es weißt. Aber bei solchen Reaktionen brauchst du dich nicht wundern, wenn ich das in Zukunft unterlasse!" Evelyna wollte wieder aufstehen, doch Grindelwald verhinderte es.

Evelyna hob ihren Zauberstab, aber Grindelwald nahm ihn ihr ohne zu zögern ab. Er warf ihn auf ihr Bett, bevor Evelyna protestieren konnte und entfachte seine Nachttischlampe. Dann redete er weiter, als wäre nichts geschehen, trotz Evelynas vorwurfsvollen Blick.

„Ich wünschte, ich könnte dir alles erzählen, aber das geht nicht. Nicht, weil ich mich weigere, es zu glauben, sondern weil ich damit abgeschlossen habe. Jedes Gespräch darüber, reist die Wunde wieder auf."

„Dann hast du nicht damit abgeschlossen", meinte Evelyna, die einsah, dass es jetzt nichts brachte, über ihren Zauberstab zu diskutieren. „Wenn es so wäre, könntest du darüber reden."

„Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun."

„Doch, das hat es. Es macht mich sauer! Ich habe dir so viel über mich erzählt, doch weiß ich nicht das Geringste über dich! Nicht einmal, wo du gelebt hast, bevor du nach Godric's Hallow kamst!" Evelyna wurde leiser. „Du kannst mir vertrauen."

Selbst jetzt konnte Grindelwald noch überlegen grinsen.

„Du kannst Lügen erkennen, nicht ich. Ich müsste mich auf dein Wort verlassen. Und damit habe ich in der Vergangenheit keine guten Erfahrungen gemacht."

Evelyna antwortete nicht sofort, denn ihr war klar, dass jemand, der verletzt worden war, nur schwer wieder Vertrauen fasste.

„Sagtest du nicht selber, dass du mit deiner Vergangenheit abgeschlossen hast? Dann solltest du eigentlich in der Lage sein, wieder Vertrauen zu können. Oder du glaubst mir einfach, wenn ich dir sage, dass du noch nicht darüber hinweg bist. Das hast du schließlich gerade auch selber bestätigt. Abgesehen davon habe ich dich noch nie angelogen."

Grindelwald musterte sie, wie er es nur selten tat. Meistens sah er sie nicht wirklich an, doch jetzt analysierte er jeden Zentimeter ihres Gesichtes, als versuche er, ihre Gedanken zu lesen. Doch damit würde er keinen Erfolg haben, denn diese waren hinter einer dicken Mauer geschützt. Niemandem war es bisher gelungen, diese Mauer zu durchbrechen und außerdem war Grindelwald - soweit sie wusste - kein Legilimentor.

„Es würde mir leichter fallen, dir zu glauben, wenn man dir irgendwelche Emotionen ansehen könnte, aber einer Maske zu vertrauen ist nicht leicht", sagte er nach einer Weile.

„Das hat nichts mit dir zu tun", versicherte Evelyna ihm rasch. „Aber jahrelange Gewohnheiten lassen sich nur schwer ablegen und ich habe es auch noch nie als Nachteil empfunden."

„Ist es auch nicht. Aber es macht mir eine Entscheidung schwer."

Wieder herrschte schweigen, welches von Grindelwald unterbrochen wurde.

„Was hältst du davon, wenn wir nochmal von vorne anfangen, Miss Potter?"

Evelyna senkte den Blick und überlegte kurz, ob sie einen Versuch unternehmen sollte, ihre Hand wegzuziehen, die er immer noch festhielt, doch entschied sich dagegen. Als ob Grindelwald doch Gedanken lesen konnte, verstärkte er den Druck.

„Ich bin einverstanden", antwortete Evelyna leise. „Aber ich habe eine Bedingung."

Sie sah wieder auf. Grindelwald hatte die Augenbrauen hochgezogen und sah sie skeptisch an. Er sprach es nicht aus, doch es war offensichtlich, was er dachte. Was auch Evelyna dachte. Es stand ihr nicht zu, irgendwelche Bedingungen aufzustellen. Zum einen verbot ihr das ihre Erziehung und die Tatsache, dass sie als junge Frau in der Gesellschaft nichts zu sagen hatte. Und zum anderen folgte sie Grindelwald und war dadurch nicht berechtigt, irgendwelche Bedingungen aufzustellen.

„Ach ja? Und welche wäre das?", fragte er dennoch, aber die Warnung in seiner Stimme war unüberhörbar.

„Ich möchte Ehrlichkeit. Keine weiteren Lügen. Du musst mir nicht alles erzählen, aber bitte höre auf, mich anzulügen."

Ein schwaches Lächeln bildete sich auf Grindelwalds Gesicht.

„Damit wäre ich einverstanden."

Er hob ihre Hand und gab ihr einen leichten Handkuss, wie er bei Bällen und Empfängen üblich war. Darin bestätigte er Evelyna, dass er keinerlei Probleme hatte, sich an Situationen anzupassen und mit seinem Charisma viele Dinge überspielen konnte.

„Ich bin erfreut, deine Bekanntschaft zu machen, Miss Evelyna Potter."


Frohe Weihnachten und bleibt gesund! 

Zu diesem Kapitel muss ich noch ein paar Worte schreiben. Dieses Kapitel hat mich eine Menge Nerven gekostet, denn ich habe hier irgendwie die Kontrolle über die Handlung verloren. Grindelwald und Evelyna haben entschieden. Ich stand komplett zwischen den Stühlen, komplett ratlos, auf wen ich hören soll. Dementsprechend häufig habe ich das Kapitel auch überarbeitet. Ich hatte feste Vorstellungen, wie sich die Geschichte entwickeln soll, aber das ist irgendwie ein wenig anders gelaufen. Ich lasse mich überraschen, was da weiter auf mich zukommt. 

Nochmal frohe Weihnachten, denkt positiv und bleibt hoffentlich negativ!

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