33. Attachment

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„Miss Trinket! Mister Abernathy! Ich bitte Sie um einen Moment Ihrer Zeit!"

Die Stimme klang schrill und penetrant und gab Haymitch augenblicklich das Bedürfnis, nach Effies Arm zu greifen und zu verschwinden, bevor sie erneut in den Sog des Kapitols gezogen wurden. Doch Effie wäre nicht Effie, wenn sie nicht sofort innegehalten und sich umgedreht hätte. Sie hatte es wirklich mit ihren Manieren ...

Sie hatten die Lounge hinter sich gelassen und waren gerade im Begriff, den Gang zur Treppe zu durchqueren, der sie zu den Aufzügen führen würde, als sich ihnen ein rundlicher Herr in quietschgelbem Anzug in den Weg stellte. Ein breites Lächeln lag auf seinen orangenen Lippen und eine Kamera in seiner linken Hand, mit der er nun vor ihren Gesichtern herumwedelte. Haymitch seufzte in sich hinein und betrachtete ihn über den oberen Rand seiner Sonnenbrille hinweg. Der Kopfschmerz hatte sich immer noch nicht verflüchtigt und etwas sagte ihm, dass dieser Mann nicht dazu beitragen würde, dass dieser demnächst besser wurde.

„Wie kann ich Ihnen helfen?", fragte Effie, die Höflichkeit in Person, ein freundliches Lächeln auf ihren eigenen, dunkelroten Lippen. Für den Bruchteil einer Sekunde fragte Haymitch sich, wie seine Lippen aussehen mussten, schließlich hatte er sie geküsst. Aber Effie hätte nicht zugelassen, ihn so herumlaufen zu lassen, oder?

„Mein Name ist Hilarus Levin und ich fotografiere die Mentoren und Betreuer für das jährlicher Feature im Capitol's Magazine", erklärte der Mann mit dick aufgetragenem Akzent und Haymitch rollte automatisch mit den Augen. Falls dieser es mitbekam, ignorierte er ihn gekonnt. „In den letzten Jahren habe ich Mrs. Cajolery meistens allein ablichten müssen, deshalb freut es mich umso mehr, Sie beide nun gemeinsam vor der Linse zu haben!"

„Wen bitte?", fragte Haymitch und hob verwirrt die Brauen.

Hilarus Levin starrte ebenso verwirrt zurück und Effie warf ihm einen durchdringenden, beinahe fassungslosen Blick zu. „Petunia", brachte sie schließlich hervor und schien nicht recht zu wissen, ob Haymitch scherzte oder nicht. „Petunia Cajolery. Cajolery ist ihr Nachname."

Haymitch erwiderte den Augenkontakt unbeeindruckt und zuckte mit den Achseln, nicht im Geringsten bestürzt darüber, dass er nach vierzehn Jahren der Zusammenarbeit mit Petunia nie ihren Nachnamen in Erinnerung behalten hatte. „Lächerliche Frau, lächerlicher Name."

Effie biss die Zähne zusammen und ihr erzwungenes Lächeln weitete sich. „Entschuldigen Sie ... das meint er sicher nicht so. Zurück zum Thema. Wir kommen überaus gern unserer Pflicht nach. Wo werden die Fotos denn gemacht?"

Der Fotograf schien zufrieden mit Effies Antwort und führte sie zurück in die Lounge. In einer Ecke neben dem Bereich für die Sieger war eine kleine Fotobox aufgebaut worden. Ein quadratischer Greenscreen, der von zwei Seiten mit weißen Vorhängen abgeschirmt war und drumherum einige Studiolichter sowie ein Stativ für die Kamera. Haymitch hätte am liebsten auf dem Absatz kehrt gemacht, um davonzurennen. Effie musste dasselbe gedacht haben, denn sie griff instinktiv nach seinem Arm, um ihn an Ort und Stelle festzuhalten. Er warf ihr einen dunklen Blick zu, den sie absichtlich übersah; stattdessen tanzte ein selbstzufriedenes Schmunzeln um ihre Mundwinkel.

Hilarus Levin winkte ihnen zu und bedeutete ihnen, die Box zu betreten. „Mister Abernathy vor die Kamera zu bekommen ... Da bin ich überaus erfreut. Glückwunsch zur Rehabilitation! Bitte nehmen Sie aber die Brille ab, das passt nicht zu unserem Motiv."

Haymitch öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder, während er auf dem roten X stehenblieb, das die Position kennzeichnete, wo sie sich hinstellen sollten. Er drehte sich zum Fotografen um, der jedoch nicht einmal mehr zu ihm, sondern zu seiner Kamera schaute. Die Worte waren so beiläufig gewesen als wären sie das normalste der Welt. Es klang, als wäre Haymitch der dümmste Trottel in ganz Panem, der von Effie um den kleinen Finger gewickelt worden war und nur durch ihre Manipulation nun hier stand, anstelle sich irgendwo mit Chaff das Hirn aus der Birne zu saufen.

„Kümmern Sie sich lieber darum, diese Fotos zu machen, bevor ich doch wieder verschwinde. Rehabilitation, dass ich nicht lache!" Seine Stimme triefte vor Sarkasmus als er sich die Sonnenbrille demonstrativ tiefer ins Gesicht schob.

„Haymitch also wirklich, wo sind denn deine Manieren?" Effie zog ihre Augen zu Schlitzen zusammen. Sie verstand wohl ebenso wenig wie dieser Clown von Fotograf, wie man diese Worte interpretieren konnte.

„In Ordnung ..." Nun, da Hilarus den berühmtberüchtigten Haymitch Abernathy endlich vor der Nase hatte, schien er langsam zu begreifen, weshalb genau dieses Foto vierzehn Jahre auf sich hatte warten lassen. Sein Lächeln schwankte für einen Moment, fing sich jedoch, als er sich auf Effie fokussierte, und Haymitch konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „Verhaltet euch einfach ganz natürlich, probiert verschiedene Posen aus und ich knipse einfach."

„Ja ja, knips du einfach", murmelte Haymitch vor sich hin, immer noch halb verärgert.

Effie stieß ihm ihren Ellbogen in die Seite und bedachte ihn mit einem langen Blick. „Meine Güte, Haymitch, du nörgelst wie ein alter Mann", murmelte sie und schüttelte kaum merklich den Kopf. Sie machte einen seitlichen Schritt auf ihn zu, sodass ihre rechte Schulter seine Brust berührte, griff nach seiner linken Hand und platzierte sie auf ihrer Taille. Haymitch versuchte, seinen Arm wegzuziehen, kapitulierte jedoch, als er das warnende Funkeln in ihren blauen Augen vernahm. Ihre Lippen verzogen sich zu einem breiten, strahlenden Lächeln und er konnte nicht anders, als zurückzulächeln, wenn auch zurückhaltender.

Die Kamera klickte und Haymitchs Fokus verschob sich zu Hilarus. Seine Laune verdüsterte sich beinahe augenblicklich, aber noch bevor er einen weiteren Kommentar machen konnte, stupste Effie ihn unter ihrem Kleid leicht mit dem Fuß an. „Schau zu mir", forderte sie und Haymitch seufzte.

„Ich hasse das hier", war alles, was er sagte.

Effie kicherte und hob spielerisch ihre perfekt gezupften Brauen. Eine Sekunde später stand sie in einer neuen Position und Haymitch bewegte sich mit ihr. „Kopf hoch und lächeln."

Haymitch hatte das Gefühl, dass sein Lächeln niemanden dort draußen überzeugen würde. Er war nicht der Sieger, der lächelte, weil er kein freundlicher Sieger war. Er war der ironische, düstere, charmante, unnahbare Sieger, der die meiste Zeit einen Scheiß auf alles und jeden gab. Irgendwie fanden viele Kapitoler das nicht weniger anziehend. Dumme Idioten.

Das Shooting zog sich und Effie wechselte andauernd die Stellung, um jeden Winkel ihres funkelnden, roten Kleides abzulichten. Die Kamera klickte und das Licht blitzte, aber sie schien nicht genug zu haben. Es war offensichtlich, dass sie im Fokus stand und nicht er, aber das war ihm nur recht. Mal stand Haymitch komplett hinter ihr, mal standen sie nebeneinander, mal berührten sie sich, mal nicht. Effie verschmolz förmlich zu einem einzigen Glitzern. Sie leuchtete von innen heraus und er ... passte nicht hinein in das Bild, was sie zu zeichnen versuchte.

„Ich glaube nicht, dass er dich nächstes Jahr erneut nach einem Bild fragen wird", bemerkte Effie so leise, dass ihr Mund sich dabei kaum auseinander bewegte. Ihre Pupillen bewegten sich kaum merklich in Hilarus' Richtung, der sich für die Dauer der Fotos hinter seiner Kamera zu verstecken versuchte und Haymitch kein weiteres Mal ansprach. „Du hast ihn wohl endgültig verschreckt."

Haymitch grinste bei dem Gedanken. „Das will ich doch hoffen."

„Der arme Mann", murmelte sie vorwurfsvoll, aber ihre dunklen Lippen zuckten. „Im Ernst, Haymitch, du bist mir ein Rätsel. Es kann doch nicht sein, dass das hier das erste Mal ist, dass er ein Bild von dir macht."

Haymitch zuckte mit den Schultern und Effie bewegte sich auf ihn zu. Sie standen nun seitlich zur Kamera, mit den Körpern dem jeweils anderen zugewandt. „Kann sein, dass er es vor ein paar Jahren mal versucht hat. Ich erinnere mich nicht mehr wirklich daran. Alles was ich weiß ist, dass ich weggerannt bin und Petunia ziemlich angepisst war."

Effie kicherte, nun etwas lauter. Sie hob das Kinn und ihre hellblauen Augen trafen seine. Sie bewegte ihre Hand, der auf seinem Oberarm lag und seine eigene Hand wanderte instinktiv zu ihrer Hüfte. „Du bist unglaublich unhöflich", brachte sie hervor, aber da lag nichts als Belustigung und Zuneigung in ihrer Stimme. Haymitch lehnte schmunzelnd den Kopf zur Seite und warf ihr einen Blick über den Rand seiner Brille zu, was ihr künstliches Lächeln nur weiter zum Schmelzen brachte. Ihre Augen waren weiter ineinander verhakt und Haymitch schaffte es nicht, sich von den ihren zu lösen. Er spürte die Hitze, die in ihm aufstieg, als ihre Finger in kaum spürbaren Bewegungen über den Saum seines Anzuges strichen. Seine Hand an ihrer Hüfte zog sie automatisch näher zu sich heran.

„In Ordnung", kam es in diesem Moment von Hilarus Levin und Haymitch wäre beinahe in die Luft gesprungen vor Schreck. Effie vor ihm zuckte und machte einen schnellen Schritt zurück, während ihre Wangen sich rötlich verfärbten. „Ich denke ich habe genug Material! Vielen Dank für Ihre Zeit und weiterhin viel Erfolg mit Ihren Tributen!"

Effies Maske war im Bruchteil einer Sekunde an ihrem Platz und sie schenkte dem Fotografen ein dankbares Strahlen. „Wir haben zu danken! Einen schönen Tag noch!", trällerte sie in dieser hohen Tonlage, bei der sich Haymitch wahrscheinlich noch im Grab umdrehen würde. Die bordeauxroten Steine ihres Kleides reflektierten das Licht, als sie nach seinem Arm griff und ihn aus der Fotobox zog. Haymitch stolperte ihr hinterher und schaffte es kaum noch, Hilarus einen warnenden Blick zuzuwerfen, bevor sie bereits verschwunden waren.

„Du hast es ja eilig", stellte er fest, als sie wenige Minuten später durch das Untergeschoss spazierten, auf der Suche nach ihrem Fahrer.

„Ich habe es überhaupt nicht eilig", erwiderte Effie und verlangsamte abrupt ihren Gang. Die Röte war wieder aus ihren Wangen verflogen, aber Haymitch wurde das Gefühl nicht los, dass sie sich ertappt fühlte. Der Avox kam in Sicht und hielt ihnen die Tür auf, während sie in den schwarzen Wagen stiegen.

„Bist du dir sicher, dass wir nicht die falsche Entscheidung treffen?", fragte Effie nach einigen Minuten, ihre Augen auf einen Punkt hinter den Scheiben fixiert. „Was ist, wenn Elowen und Ramon auf die Schnelle einen Sponsorendeal brauchen?"

Das Auto rollte langsam durch die Stadt und Haymitch drehte am Knopf für die Klimaanlage. Eine Sekunde später strömte ihm kalte Luft entgegen. Effie schauderte und bewegte sich fort von ihm, um der Kälte zu entgehen. Haymitch ließ sich Zeit mit der Antwort. Stattdessen griff er nach dem Flachmann in seinem Jackett, nahm einen langen Zug und steckte sich die Sonnenbrille in die kleine Tasche unterhalb des Revers. „Wir haben jeden Cent des Sponsorengelds verbraucht, Süße."

„Aber ..." Plötzlich klang Effie verloren, ihre geweiteten Augen ungläubig auf ihn geheftet, als kannte er die Antworten auf all ihre Fragen. Haymitch ignorierte den schmerzlichen Stich in seiner Brust, den dieser Blick auslöste. Ein Schmerz, den selbst der Alkohol nicht lindern konnte. Effie hatte keine Ahnung, dass er vollkommen ratlos war, was die Spiele betraf. Sie hatte keine Ahnung, dass alles was er wusste auf gefährlichem Halbwissen basierte, was er entweder über die Jahre bei anderen Siegern aufgeschnappt oder sein zugedröhntes Hirn sich mit der Zeit irgendwie zusammengereimt hatte. „Wir sollten dort oben sein und ihnen neue Sponsoren suchen."

„Elowens Moment ist verflogen und Ramon hat bisher noch niemanden beeindrucken können", sagte Haymitch in die erdrückende Stille. Seine Finger zitterten bei der Erinnerung an Elowens perplexen Blick, als die Realität sie nach dem Tod von Rye Hooker eingeholt hatte. Er hob den Flachmann instinktiv an seine Lippen. Effies Augen folgten schweigend seinen Fingern, registrierten den Tremor, hinderten ihn nicht. Der Alkohol brannte in Haymitchs Rachen und zog ihn zurück an die Oberfläche. „Heute Abend wird sich niemand für sie interessieren. Ihre Aufmerksamkeit wird allein Cashmere gelten. Wir haben es an guten Tagen schon schwer genug, einen Deal abzusahnen."

„Ich kann das nicht akzeptieren", flüsterte Effie und sie sah aus, als wüsste sie selbst nicht, weshalb sie sich dazu hatte überreden lassen, hier mit ihm im Auto zu sitzen und ins Penthouse zurückzufahren. „Du denkst, dass sie fürs Erste außer Gefahr sind, aber was, wenn du dich irrst? Was wenn sie–"

„Dann sind sie auf sich allein gestellt", unterbrach Haymitch sie und gab sich Mühe, die Endgültigkeit seiner Worte zu betonen. „Dann können wir nichts mehr tun, Effie."

Effies Kopf drehte sich fort von ihm und der nachdenkliche Ausdruck wurde von einer emotionslosen Schale ersetzt, die sich über ihre Züge zwängte. Haymitch hasste es, wenn sie ihre Maske aufsetzte. Er hasste es, wenn er nicht wusste, was sie fühlte. Der Wagen fuhr weiter durch die Innenstadt des Kapitols und Effie starrte nach vorn, als würde sie alles andere ausblenden wollen.

„Kannst du die Klimaanlage ausschalten? Mir ist kalt." Ihre Worte waren nicht mehr als ein Flüstern, so leise, dass Haymitch sich vorbeugen musste, um sie aufzufangen. Er kam ihrer Bitte nach, ohne zu zögern. Effie nickte dankend, aber der abwesende Blick in ihren Augen signalisierte, dass sie mit ihren Gedanken an einem völlig anderen Ort war. Er musste nicht raten, um zu wissen, wo.

Haymitch streckte seine rechte Hand aus und strich Effie sanft über den Rücken; von der Leidenschaft von vorhin nichts mehr übrig. Dennoch ... etwas in ihm gefiel es nicht, sie so ... verletzlich zu sehen. Hauptsächlich, weil es für gewöhnlich nicht ihre Art war und es zu dem Spektrum an Emotionen gehörte, welches im Kontrast zu ihr stand. Zweitrangig, weil es einem Teil von ihm Angst machte, sie so zu sehen. Diese Dunkelheit gehörte zu ihm. Sie passte nicht auf Effies Gesicht; passte nicht in ihre Welt.

Effie neigte leicht den Kopf in seine Richtung und wieder trafen sich ihre Augen. Haymitch hoffte, dass sie nichts in seinem eigenen Gesicht sah. Es gelang ihr nicht, ihre Maske aufrecht zu erhalten. Sie presste die Lippen zusammen, rückte wieder näher an ihn heran und lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter. Haymitch schlang ihr seinen Arm um die Mitte und zeichnete willkürliche Muster auf den bestickten Stoff ihres Kleids.

„Ihnen wird nichts passieren", versprach Haymitch, versagte jedoch bei der tröstenden Tonlage. Zumindest heute nicht. Es war der Alkohol, der aus ihm sprach. Irgendwann zu Beginn dieser Spiele hätte er sich für eine solche Aussage geohrfeigt, jedoch hatte er ab irgendeinem Zeitpunkt, den er nicht einmal benennen konnte, die Kontrolle verloren. Alles, was er noch zustande brachte, war ein tiefer, erschöpfter Atemzug.

Effie glaubte ihm. Haymitch konnte spüren, wie sie sich gegen ihn entspannte und ihre Wange gegen sein Schlüsselbein rutschte. Sie glaubte seinen Worten; sie vertraute ihnen. Er war zu sehr involviert, als dass er sie damit allein lassen konnte. Dafür war es zu spät. Schon lange zu spät. Er konnte es nicht über sich bringen und der selbsterhaltende, kluge Teil seiner selbst, der in den letzten Tagen zunehmend an Bedeutung verloren hatte, verfluchte ihn dafür.

Eine Weile später, es kam Haymitch wie eine Ewigkeit vor, hielt der Wagen in der Garage des Trainingscenters. Er half Effie, auszusteigen, weil sie mit den Unmengen an Stoff kaum selbst dazu imstande war. Ihre Hand verharrte in seiner, selbst als sie sicher auf ihren eignen zwei Beinen stand und Haymitch hatte das Bedürfnis, sie zu küssen. Er wollte den abgetretenen, passiven Ausdruck von ihrem Gesicht küssen. Er wollte, dass das Funkeln in ihre Augen zurückkehrte. Also zog er Effie zu den Aufzügen. Die Fahrt ins Dachgeschoss dauerte keine Minute. Haymitch ließ ihre Hand nicht los, führte sie stattdessen durch den Flur ins Wohnzimmer. Der Fernseher schaltete sich von selbst an, sobald sie den Raum betraten. Effie wandte den Blick ab, obwohl sich in der Arena gar nichts ereignet hatte.

Haymitch griff nach Effies Schultern und drehte sie so, dass sie dem Fernseher den Rücken zudrehte. Dann ließ er sie los, machte einen Schritt in ihren persönlichen Bereich und streckte die Hand nach ihr aus. Einladend.

Effie betrachtete seine ausgestreckte Hand und hob langsam die Brauen. Ihre Augen wanderten hoch zu seinem Gesicht, ein fragender Ausdruck spiegelte sich darin.

„Tanz mit mir", sagte Haymitch und ein schwaches Lächeln stahl sich auf seine Züge.

Effies Pupillen wurden groß und ihr Fokus sprang von seinem Gesicht zurück zu seiner Hand; aus der Bahn geworfen. „Aber du wolltest nicht mit mir tanzen. Wieso jetzt?"

„War ja klar, dass du den Gefallen nicht einfach annehmen kannst", erwiderte Haymitch und schnitt eine Grimasse. „Also, willst du nun tanzen oder mache ich mich gerade umsonst zum Affen?"

Diesmal zögerte Effie nicht, als sie ihm entgegentrat und seine Hand nahm. Ihre dünnen Finger waren kühl gegen seine Haut und als Haymitch die Hand schloss und ihre Finger verschränkte, verschwand ihre beinahe unter seiner. Er machte einen letzten Schritt auf sie zu, schlang seinen anderen Arm um ihre Taille und gab Effie einen Moment der Anpassung, bevor er sich in Bewegung setzte. Es gab keine Musik, außer dem kaum wahrnehmbaren Wispern des Fernsehers, dessen Ton jemand bei der letzten Benutzung heruntergefahren haben musste. Haymitch brauchte keine Musik. Er kannte die Schritte auswendig, obwohl er sie seit Jahren kein einziges Mal geübt hatte. Manche Dinge, die ihn seit seinen Spielen begleiteten, wollte sein Hirn einfach nicht vergessen.

„Du kannst tatsächlich tanzen", stellte Effie fest, ihre Stimme im hier und jetzt. Ein Hauch von Ungläubigkeit lag darin.

Haymitch grinste und drehte sie wie aufs Stichwort um die eigene Achse. „Wenn ich will, kann ich so einiges, Prinzessin." Er ließ ihre Hand los, um die Arme um ihren Rücken zu schlingen. Effies Gesicht kam ihm entgegen und er stellte befriedigt fest, dass sie lächelte. Seine Füße glitten langsam über den Boden und Effies folgten ihm, ohne wirklich darauf zu achten.

„Du bist wirklich unfair", flüsterte sie. Haymitch hatte sich zu ihr herabgebeugt, sodass ihre Nasenspitzen sich beinahe berührten. „Die Leute hätten uns auf der Tanzfläche sehen können. Das wäre gut für Zwölf gewesen."

„Davon halte ich immer noch nichts", antwortete Haymitch ohne Abneigung in der Stimme. Er machte einen Schritt zurück, griff erneut nach Effies Fingern und drehte sie. Ihr Kleid glitzerte, während es um ihren Körper kreiste und sich in einen roten Fluss aus Diamanten verwandelte. Blutdiamanten. Hergestellt und verarbeitet in Distrikt 1 für die Schönen und Reichen im Kapitol, wo sie einen Tag getragen wurden, um dann für immer in einem Kleiderschrank zu verschwinden.

Als Haymitch Effie in einer harmonischen Bewegung zum Stillstand brachte, funkelten ihre tiefblauen Augen ihm entgegen; das Bedauern und die Sorge, die eben noch präsent gewesen waren, erfolgreich beseitigt. Er ließ ihre Hand los und ärgerte sich über das Bedürfnis in seiner Brust, die Bewegung rückgängig zu machen. Er schaffte es nicht, die Grenze zu ziehen. Er schaffte es nicht, sie für diese Diamanten zu verurteilen. „Verdammt, ich hasse Tanzen", platzte es stattdessen aus ihm heraus, aber selbst seine Stimme betrog ihn, spielte all das hier herunter; als wären sie nicht Sieger und Betreuerin, die durch dutzende Pflichten, Loyalitäten und Sitten an unterschiedliche Welten gebunden waren.

Effie runzelte die Stirn und seufzte leise. „Musst du jeder schönen Sache die Magie nehmen, Haymitch?", fragte sie, als könnte sie jeden seiner Gedanken glasklar lesen; als wären all diese Barrieren irrelevant für sie.

Haymitch war bereits auf dem Weg zur Bar in der Ecke des Wohnzimmers. „So bin ich nun mal, Süße." Ein weiches Schmunzeln umrahmte sein Gesicht, als er zur ihr herüberschaute, wie sie dort inmitten des Raumes stand und ihm einen Blick zuwarf, der halb auf Enttäuschung halb auf Sehnsucht basierte. „Willst du was trinken?"

Effie blinzelte perplex und schien für einen Moment sprachlos. Die gesamte Situation war seltsam, so deplatziert. Ein Tanz im totenstillen Wohnzimmer eines riesigen Penthouses. Zwei Menschen, die sich so nah und doch so fern waren. Die Leichtigkeit, mit der sie miteinander umgingen, nur um kurze Zeit später an etwas anderem beinahe auseinanderzureißen. Allein die schiere Größe dieses einzigen Raumes war so gewaltig, dass die Distanz zwischen ihnen ein Gefühl von Einsamkeit aufkommen ließ.

Haymitch kniff den Mund zusammen, während er im Kühlschrank stöberte und sein Glas mit Eis füllte. Sein Blick fuhr unbeeindruckt über die vielen verschiedenen Sorten von Alkohol, die heutige Auswahl beeindruckte ihn nicht sonderlich. Die ausgefallenen Flaschen sagten ihm, dass der Großteil des Budgets für Werbung draufgegangen war und der Inhalt beschissen schmecken würde. Chaff und er hatten sich über die letzten Jahre durch zahlreiche solcher Marken durchgetrunken, um diese Gewissheit zu haben. Schließlich entschied er sich für eine der schlichteren Glasflaschen und das auch nur, weil ihm das Logo unbekannt war.

Die Eiswürfel knisterten, als Haymitch die indigofarbene Flüssigkeit einschenkte. Das Geräusch trieb ein Kribbeln des Verlangens durch seine Finger. „Kriege ich in diesem Jahrhundert noch eine Antwort?", fragte er mit einem Hauch von Anstrengung in der Stimme.

„Ein Glas Wein wird reichen", sagte Effie schließlich und bewegte sich langsam auf die Bar zu. Haymitch schaute ihr zu. Jede ihrer Bewegungen war so flüssig und gleichmäßig, dass sie den Eindruck erweckte, als würde sie einige Zentimeter über dem Boden schweben. Sie war wunderschön, umgeben von bordeauxroten Schichten aus Stoff und Glitzer, die kristallblauen Augen nachdenklich auf ihn geheftet, die goldblonden Haare ein wenig zerzaust.

Haymitch drehte ihr ruckartig den Rücken zu und griff nach der unangetasteten Weinflasche. Außer zum Essen war ihm dieser nicht stark genug. Innerhalb weniger Augenblicke hatte er den Korken entfernt und goss ihr ein. Effie griff nach dem Glas und wanderte zurück zum Fernseher, um sich auf dem Sofa niederzulassen. Sie nippte abwesend an ihrem Drink, während ihre Augen den Bildschirm fixierten.

„Geh dich umziehen, Süße." Haymitch trat an sie heran, die Kälte des Eises angenehm gegen seine warme Haut. „Das kann nicht bequem sein. Ich halte hier die Stellung."

Effie warf ihm über die Schulter hinweg einen langen Blick zu, drückte ihm den Wein wortlos in die Hand und nickte dann. Als sie eine Stunde später wiederkam, hatte Haymitch es sich bereits auf dem breiten Sofa gemütlich gemacht. Sein Jackett hatte er achtlos über die Sitzlehne geworfen und sein Glas war eher halb leer als halb voll. In der Arena hatte sich nichts getan, genau so wie er vorhergesehen hatte. Die übrigen Karrieros folgten Cashmere, aber der Abstand zu ihr war seit dem schnellen Ende um Elira aus Distrikt 2 gewachsen. Keiner von ihnen schien in der Stimmung, in einen weiteren Kampf zu geraten. Ungeachtet, ob es sich beim Gegner um Cashmere oder ein anderes Tribut handelte.

Ohne das bodenlose Kleid wirkte Effie in ihrer Figur mit einem Mal um einiges geschrumpft. Haymitch stieß die Luft hörbar aus seinen Lungen, als sie ihm Türrahmen auftauchte. „Süße, als ich umziehen gesagt habe, dachte ich da an etwas Bequemes."

Natürlich bedeutete umziehen in Effie Trinkets Welt nichts anders, als sich in ein weiteres spektakuläres Outfit zu schmeißen. Haymitch verdrehte resigniert die Augen und lehnte sich weiter in die Kissen der Couch. „Es könnte jederzeit jemand hier vorbeikommen, Haymitch. Ich werde dafür bezahlt, mich in Schale zu werfen", argumentierte sie sofort, fügte jedoch ein kleinlauteres „Zumindest teilweise." hinzu.

Effie trug ein pinkes Cocktailkleid, das vielleicht im Vergleich zu dem Ballkleid von vorhin schlicht wirkte, dennoch nicht ohne war. Entworfen wie ein Korsett mit feinen Details aus Spitze, weitete es sich an ihrer Hüfte zu einem Rock mit mehreren Lagen Tüll. Ihre kahlen Schultern und Arme bedeckte sie mit einer knappen, rosa Pelzjacke und das Make-Up hatte sich der Farbpaillette ihres Kleids angepasst. Wenigstens hatte sie sich keine Perücke aufgesetzt. Ihre Haare waren unverändert geblieben.

Haymitch betrachtete sie skeptisch, aber Effie hatte nur Augen für seine Schuhe, die er gedankenlos ausgezogen hatte, um die Beine auf dem Sofa auszustrecken. So viel Anstand hatte er dann doch noch gehabt. Anscheinend war die goldene Linie für Effie bereits überschritten. „Du liegts hier herum, als wärst du bei dir zuhause", stellte sie fassungslos fest. „Das geht gegen jede Etikette und ist sicher nicht so gedacht."

„Sag mir, Süße, wenn das Sofa nicht für genau diese Tätigkeit gemacht ist, wofür dann? Das kannst du doch nicht ernst meinen", betonte Haymitch sarkastisch. Er deutete mit seinem Fuß auf den Couchtisch vor ihnen. „Jetzt setz dich hin und trink deinen Wein."

Effies Kehle entkam ein pikiertes Schnauben, doch sie griff nach ihrem Glas und nahm neben ihm Platz. Nah genug, um Haymitch wissen zu lassen, dass er sie mit seiner ungehobelten Art nicht wirklich irritierte. Eine Weile schlürften sie beide ihre Drinks; Effie – natürlich ganz die Dame – langsam und elegant, während Haymitch seinen geradezu verschlang. Sie verfolgten die Debatten einiger Psychologen, die das Klima um die Karrieros zu entziffern versuchten. Jeder der Experten hatte seine eigene Meinung, die von „Cashmere wird sie noch alle umbringen" über „Die übrigen Tribute werden sie bei passender Gelegenheit überwältigen" bis „Ihre Wege werden sich gewaltfrei trennen" reichten.

Haymitch interessierte sich herzlich wenig für die Meinung irgendwelcher selbsternannten Experten. Mit jedem Wort, welches aus den Lautsprechern zu ihm herandrang, wurde das Bedürfnis größer, einfach in sein Zimmer zu verschwinden und die Welt für eine weitere Nacht auszublenden. Stattdessen blieb er auf dem Sofa liegen, kippte sich die letzten Tropfen des Alkohols in den Rachen und sank tiefer in die Polster, als könnte er ab einem gewissen Intus in ihnen verschwinden.

„Wie fühlt es sich an, so oft die Kontrolle abzugeben?" Effies Stimme neben ihm riss Haymitch aus seinen Gedanken und er zuckte. Seine Augen hefteten sich auf sie und sein Hirn brauchte einige Momente, um ihre Worte zu registrieren und den Sinn dahinter zu verstehen. Ein teils neugieriger, teils gequälter Ausdruck lag auf ihren Zügen.

Der Alkohol brannte in seinem Hals, breitete aus seinem Magen heraus ein kühles Gefühl der Taubheit in seinen Muskeln aus, fuhr seine Schmerztoleranz herunter. Haymitch wartete, bis Effie einen weiteren Schluck von ihrem Wein genommen hatte, bevor er ihr eine Antwort gab. „Nicht das beste Gefühl, aber tausendmal leichter als sich bewusst zu machen, dass ich keinen einzigen Funken an Kontrolle besitze."

Die Worte waren gefährlich, das wusste Haymitch. Er hatte das Gefühl, sie nichtsdestotrotz aussprechen zu müssen. Für sie. „Das habe ich nicht gemeint", war alles, was Effie erwiderte, als hätte sie diese Antwort bereits gekannt. „Ich kann natürlich nur für die Zeit im Kapitol sprechen. Hier bist du unter Leuten, hast deine Freunde und dennoch bist du die Hälfte der Zeit betrunken. Hast du nicht das Gefühl, Teile deines Lebens zu verpassen?"

Wie sollte Haymitch ihr klarmachen, dass er genau das wollte? Er wollte so viel Lebenszeit wie möglich verpassen, weil der Schmerz jetzt bereits unerträglich war. Effie hatte recht, zu Zeiten der Spiele hatte er Chaff und Mags, die durch ihr eigenes Leid eine Stütze waren. Dennoch erinnerte alles in dieser Stadt ihn an seine eigenen Spiele, was die Qual um Dimensionen schlimmer machte. In 12 war es nicht viel besser. Dort gab es niemanden, er war immer allein; allein mit den Geistern, die seine tote Familie zurückgelassen hatte. Dort war der Schmerz anders; persönlicher, anklagender, schuldzuweisender. Im Kapitol erinnerte er sich hauptsächlich daran, dass er das Opfer war, während Distrikt 12 ihn daran erinnerte, dass er der Täter war.

Was also sollte Haymitch ihr nun sagen? Welche Begründung gab es, dass er überhaupt noch lebte, wenn er so dachte? „Ich bin ein Feigling", brachte er schließlich hervor, sein Ton rau und unbeherrscht.

„Du bist vieles, aber kein Feigling." Effie klang so überzeugt von sich selbst, dass Haymitch die Brauen hob. Sie hatte sich ihm zugewandt. Ihre Knie berührten beinahe seinen Körper und er musste den Kopf in den Nacken legen, um ihrem Blick zu begegnen, weil er so tief lag.

„Und das weißt du, weil?"

„Du handelst nicht wie ein Feigling. Du bist unhöflich, unnahbar und wütend, aber selbst wenn du so tust, als wäre dir alles egal, weiß ich, dass es nicht so ist. Du interessierst dich für die Kinder, du kämpfst für sie, obwohl du vom ersten Tag klar das Gegenteil behauptet hast. Welcher Feigling verhält sich so?" Effie schenkte ihm ein triumphierendes Lächeln, als hätte sie den Punkt getroffen. Dabei war das nur die Spitze eines Eisbergs, der zu tief ging, um es in simple Worte zu fassen.

Alles was Haymitch wusste war, dass er wartete. Er wartete auf die Veränderung. Die anderen Sieger ebenso. Nicht, dass etwas in der Luft lag oder ihn jemand in irgendetwas eingeweiht hätte. Nichts dergleichen. Mags war in die Dinge verwickelt, Chaff wusste es auch. Sie war schlau genug vor ihnen die Klappe zu halten, aber sie war involviert und das genügte Haymitch. Er fragte sich nur, wie lange er noch würde warten können.

Haymitch ließ sie in dem Glauben, dass sie recht hatte und der Nachmittag verflog vor seinen Augen, bis die Sonne irgendwann hinter den gläsernen Wolkenkratzern der Stadt unterging. Außer um sich vor einigen Stunden einen neuen Drink zu holen, hatte er sich nicht vom Fleck gerührt. Stattdessen hatte er vor sich hingestarrt, im Versuch, alles um sich herum auszublenden, vor allem aber den Fernseher. Effie sprach nicht viel, sie verfolgte schweigend Interview um Interview, verschwand zum Abendessen, zu dem Haymitch sich nicht aufraffen konnte und kehrte wieder zurück zu ihm.

Haymitch hatte keine Ahnung, wann Effie ihren Kopf gegen seine Schulter lehnte, es musste schon spät sein. Als Antwort legte er ihr seinen Arm um die Taille, erwachte aber ansonsten nicht aus seiner Starre. Sie zu halten fühlte sich so natürlich an, dass er sich nicht dazu bringen konnte, über die Bedeutung von irgendetwas nachzudenken. Das was sie hatten veränderte sich dadurch kein Stück, sie waren weiterhin nicht mehr als Distrikt und Kapitol, die einen gefährlichen Tanz ausführten.

Effie murmelte etwas und Haymitch musste blinzeln, um den Fokus wiederzuerlangen. Der Monitor flackerte und zeigte das Bild einer Nachtsichtkamera in der Arena. Wie spät war es? Er versuchte, den Kopf zu drehen und zuckte zurück, als fremdes Haar sein Kinn streifte. Sein Hirn brauchte mehrere Ansätze, um zu begreifen, dass Effie sich erneut bewegt haben musste. Er konnte sich nicht daran erinnern. War er eingeschlafen? Wahrscheinlich war er nur kurz weggedöst. Tatsächlicher, tiefer Schlaf war für ihn recht rar in Wochen wie diesen.

Ein dicker Dunst tauchte seinen Kopf in eine vertraute Leere. Vorsichtig bewegte Haymitch seinen rechten Arm, mit dem er Effie eben noch gehalten hatte. Er spürte den weichen Pelz ihrer Jacke unter seinen Fingern und bewegte seinen Körper ein Stück in die entgegengesetzte Richtung. Effies Kopf ruhte auf seiner Brust, ihr Körper zur Seite gedreht, dass sie selbst halb auf dem Sofa lag. Ihre Lider waren geschlossen und ihre Finger umklammerten das leere Weinglas, als wäre es ein Rettungsring. Ihre Haare breiteten sich wie ein Schleier um ihr schmales Gesicht aus. Das Makeup war verschmiert, aber sie sah so friedlich aus, dass Haymitch sich nicht dazu durchringen konnte, sie zu wecken. Selbst, wenn die Position, in der sie lag, nicht wirklich angenehm sein konnte.

Sie war eingeschlafen. Einfach so. Als wäre es das Normalste auf der Welt. Als würde sie sich in seiner Gegenwart sicher genug fühlen, dass sie darüber nicht weiter nachdenken musste. Haymitch wusste nicht, was er davon halten sollte. Trotz des Alkohols gelang es der Furcht gegen die Innenseite seines Magens zu pochen. Das hier war gefährlich. Nicht nur für ihn. Besonders nicht für ihn. Er hatte nichts zu verlieren. Effie jedoch ...

Andererseits ... Eine angenehme Wärme strömte ihm durch die Adern, kämpfte gegen die Dunkelheit in seiner Mitte an. Es musste nicht gefährlich sein. Nicht, wenn er es zu verhindern wusste. Nicht, wenn es nichts Ernstes war. Sie hatten die Grenze klar verhandelt. Sich ausprobieren. Das hier war nicht mehr als das. Sie konnten die Nähe des anderen genießen, ohne ... Bindung.

Haymitch ignorierte die ungezügelte Stimme in seinem vernebelten Kopf, die ihm vorwarf, ein blinder, lebensmüder Idiot zu sein. Bindung. Er blendete die Stimme aus, die sich besorgt wunderte, ob es dafür nicht vielleicht zu spät war.

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