Kapitel 24

Ich spürte keine Veränderung. Das Kribbeln in meinem Bauch und die Wärme in meinem Herzen war noch immer da.

Ich sah in Timos Augen und wünschte mir nichts mehr, als dass er mir verzieh und wir unser Leben gemeinsam leben konnten. Ich wollte, dass er mir wieder vertraute. Ich wollte geküsst werden. Ich wollte, seine Berührungen spüren.
Ich wollte ihn einfach nur für immer an meiner Seite haben.

"Was zur Hölle soll das hier?", fluchte Timo nun.

Er wirkte verärgert und zornig. Trotzdem wusste ich, dass auch von ihm nicht der Bann genommen wurde. Mein Herz wusste, dass er exakt so fühlte wie ich. Er konnte mich nicht mit seiner Fassade täuschen.

"Fühlst du dich denn besser, Timo?", erkundigte sich meine Mutter bei im.

Diese sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. Er verstand nichts. Wie sollte er auch? Er hatte keine Ahnung, was man soeben versucht hatte.
"Besser?", fragte er und verlor langsam die Geduld. "Ich sehe keinen Anlass mich besser zu fühlen. Insbesondere wenn in diesem Raum alle verrückt spielen."

Dann sah meine Mutter mich erwartungsvoll an.

"Geht es dir denn besser?"

Nein! Oder doch!

Fakt war, ich liebte Timo mehr als je zuvor. Und dafür war ich unglaublich dankbar. Das war eigentlich ein gutes Zeichen. Doch was würde passieren, wenn ich das Mama und vor allem Jupiter sagte, dass ich noch immer lieben konnte? Was wenn sie merkten, dass man den Bann nicht brechen konnte? Würden sie Timo dann doch verschwinden lassen?

Ich zwang mir ein Lächeln auf die Lippen.

"Ja, mir geht es besser", log ich.

Erleichtert atmete sie aus. Dann kam sie zu mir herüber und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.

"Jetzt wird alles wieder gut", flüsterte sie mir ins Ohr. "Alles wird wieder gut!"

Man spürte, wie augenblicklich die Anspannung von ihr abgefallen war.

Im Augenwinkel sah ich Timo, der sich nervös auf die Unterlippe biss.

"Weißt du was?", feuerte Timo nun voller Wut in meine Richtung. Alle Blicke waren nun auf ihn gerichtet. Es war ihm anzusehen, dass er etwas loswerden wollte, das ihm in der Seele brannte. "Ich wünschte, ich könnte dich einfach nur hassen für das, was du mir angetan hast. Ich hätte jegliches Recht dazu. Du hast mein Vertrauen ausgenutzt und mich belogen!" Seine Hände ballten sich zu Fäusten. "Und trotz allem, was passiert ist, kann ich es nicht. Ich kann dich nicht hassen. Ich sehe dich und wünschte, es wäre alles wie früher. Als unbeschwert waren und ich vollstes Vertrauen in dich hatte. Und wenn ich ehrlich bin, dann wünschte ich mir sogar, dass dieses Kind meins wäre. Denn das hatte ich mir immer gewünscht. Irgendwann mal eine Familie mit dir. Ich weiß, dass das ungewöhnliche Worte für einen 18-jährigen sind, aber das zwischen uns ist auch ungewöhnlich." Er schluckte schwer und nahm sich einen Moment, um sich zusammenzureißen. "Ich wünschte, du hättest mir vertraut und von Anfang an die Wahrheit gesagt. Ich wäre doch für dich da gewesen. Ich kenn dich schon so lange und ich weiß, dass du mich genauso liebst, wie ich dich. Und deshalb verstehe ich einfach nicht, dass du mich so anlügen konntest!"

Eine Träne kullerte aus seinem Augenwinkel. Er präsentierte uns gerade all seinen Kummer und all seinen Frust auf dem Silbertablett.

"Mann, Amy, ich dachte das zwischen uns wäre echte und wahre Liebe. Warum machst du das kaputt?"

Nun standen auch mir die Tränen in den Augen.

Nichts davon hatte ich gewollt. Nicht die Lügen, nicht den Vertrauensbruch und schon gar nicht den Herzschmerz.

"Timo", sprach meine Mama und im Augenblick hasste ich sie dafür, dass sie sich einmischte. "Amy ist nicht in dich verliebt. Das ist alles ein großes Missverständnis. Ihr habt wirklich eine wundervolle Freundschaft, aber Liebe ist dann doch ein zu großes Wort."

Er schüttelte heftig den Kopf, während sich mein gesamter Körper anspannte. Meine Mutter machte alles nur noch schlimmer. Sie wusste nicht einmal, wie es sich überhaupt anfühlte zu lieben.

"Nein, das stimmt nicht", widersprach Timo überzeugend. "Das zwischen uns ist echt. Nicht, wahr?"

Er sah erwartungsvoll in meine Richtung.

Ich konnte ihm hier nicht meine Liebe gestehen. Es könnte das Ende für ihn bedeuten. Jupiter und Mama sollten weiterhin glauben, dass ich von dem Bann erlöst war.

"Amy?", flehte er nun. "Warum sagst du nichtS? War das alles nur ein Spiel? Das glaube ich nicht! Sag deiner Mutter, dass sie Unrecht hat!"

Ich ertrug seinen Anblick nicht. Ich wusste genau, dass die folgenden Wort sein Herz in zwei Teile zerreißen würden. Doch ich hatte keine Wahl. Ich musste ihn beschützen, denn nichts bedeutete mir mehr, als er. Und manchmal musste man eben jemanden weh tun, um etwas Gutes zu tun.

"Es tut mir leid, Timo", war alles, was ich hervorbrachte.

Ungläubig klappte seine Kinnlade nach unten.
"Das meinst du nicht ernst! Das kannst du nicht ernst meinen!"

Er schien am Rande der Verzweiflung zu sein.

"Amy?", hauchte voller Leid und erloschener Hoffnung.

Ich konnte darauf nicht mehr antworten. Doch manchmal war Schweigen auch eine Antwort.

"Ich glaube das einfach nicht", murmelte er sich vor sich an. Es war so viel Schmerz in seiner Stimme.

Wie gern würde ich ihn jetzt in den Arm nehmen und ihm alles erklären. Er hatte es doch so sehr verdient wenigstens zu verstehen, warum all das hier geschah.

Wieder setzte er zum Reden an, ließ es dann aber doch bleiben. Ich konnte ihm angesehen, dass es eine verletzende Beleidigung gewesen war, die er gerade noch mit aller Mühe heruntergeschluckt hatte.

Ihn so zu sehen, war für mich kaum zu ertragen.

Fluchtartig verließ er den Raum.
Für einen Moment herrschte eine erdrückende Stille im Raum. Am liebsten hätte ich all meinen Schmerz in die Stille geschrien.

Meine Mutter nahm meine Hand.

"Leider reicht es bei Menschen nicht, einfach nur den Bann von ihm zu nehmen. Manchmal sind sie eben nicht nur wegen eines Pfeils verliebt, sondern einfach so", sprach Jupiter mit ruhiger Stimme. "Da kann man leider nicht viel machen."

"Er wird sich schon wieder beruhigen", sagte Mama und streichelte meinen Handrücken.

Ich nickte tapfer, während ich innerlich das Gefühl hatte zu sterben. Ich fühlte mich leer. Ich hatte alles verloren, was ich hätte verlieren können.

Ich spürte Jupiters Blick auf mir und hoffte, dass er mir nicht ansehen konnte, dass ich nach wie vor in der Lage war zu lieben.

Lieben war für Amora verboten.
Ich begann meine gesamte Existenz zu hinterfragen. Wir waren verdammt. Eine ungeliebte Seele konnte doch keine glückliche Seele sein. Wieso bestrafte man uns so sehr? Wir hatten doch niemanden etwas getan!

"Amy", sprach Jupiter. "Du siehst blass aus. Bist du sicher, dass es dir gut geht?"

Ich streckte meinen Rücken durch, um aufrechter zu sitzen.

"Mein bester Freund hasst mich. Wie soll es mir wohl gehen?", erlaubte ich mir eine schnippische Antwort, ohne zu viel von mir preiszugeben.

Dass ich lieben konnte, musste für den Rest meines Leben ein Geheimnis bleiben, damit Timo nicht in Gefahr war.

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