17. Kapitel
Das Faroth war so eindrucksvoll, dass mir der Mund offen stehen blieb. Ich hörte meinen eigenen Puls und das Rauschen meines Blutes in den Ohren, als ich die riesigen Steine hinaufblickten. Ein von Menschen geschaffener Ort. Es muss ganze Zyklen gedauert haben, diese Steine aufzustellen, ging es mir durch den Kopf.
Der Boden um den Steinkreis herum war erdig und von hunderten Füßen flachgetreten. Kräuter- und Fleischgerüche vermischten sich mit dem von gegerbtem Leder und dickem Fell, Beeren, Pilzen und Knollen. Die Menschen wuselten überall um den Steinkreis herum und redeten, als wären sie alle vom selben Clan. Dort, wo der Wald aufhörte und die Lichtung freigab, waren in einem beinahe lückenlosen Kreis stände aufgebaut worden, an denen lebhaft getauscht und verhandelt wurde.
„Hibikue, Alcus, Grimmon." Als Rofus' befehlshaberische Stimme über seinen Clan hinwegschallte, zuckte ich zusammen. „Ihr bindet die Elche außerhalb des Rings an und legt die Waren aus. Seht zu, dass ihr alles eintauscht, bevor es Mitternacht ist. Ich denke kaum, dass jemand nach einer Verhandlung, wie diese es werden wird", meinte er und blickte herablassend auf mich, „noch Lust hat, etwas zu tauschen." Er nickte seinen Leuten kurz zu. „Mischt euch unters Volk, Rabenclan!" Es war das Kommando, auf das hier alle gewartet hatten. Als hätte eine unsichtbare Hand sie zuerst festgehalten und dann losgelassen, strömten sie nun auf das Faroth zu. Rofus zog einmal kräftig an dem Tau, das ihn mit mir verband. „Komm mit!", blaffte er. „Du bekommst ein Ehrenplätzchen."
Zuerst wusste ich nicht, was er meinte, doch dann begriff ich. Er führte mich ans Faroth. Allerdings gingen wir nicht in es hinein, denn das tat niemand – die Hitze des Feuers war schon von hier zu spüren.
Als Rofus ein paar Seile nahm und mich an einen Felspfeiler drückte, konnte ich nichts dagegen tun. Ein paar Schaulustige warfen mir interessierte Blicke zu, als ich an den Felsen gefesselt wurde. Der Stein war kalt und feucht und es roch komisch, da die andere Seite vom Feuer erwärmt worden war.
Nun hatte sich schon ein ganzer Ring aus Leuten vor mir versammelt, die alle mit viel Abstand zum Faroth zuschauten. Ein paar tuschelten und zeigten auf mich, andere warfen mir nur halbwegs interessierte Blicke zu.
„Ich komme zurück, glaub mir", knurrte Rofus, eher er die Stricke noch einmal festzurrte und mich zurückließ. Ich keuchte erst auf, als er weg war. Die Seile drückten so fest auf meine Rippe, dass es mir Tränen in die Augen trieb.
Ich hing lange so. Der Himmel wurde immer schwärzer und die Sterne immer heller. Mein ganzer Körper war ausgelaugt und schwach und ich wünschte mir nichts mehr, als eine Mütze Schlaf. Nichts mehr...
„Amila." Ich erschrak so sehr, dass ich erneut aufkeuchte. Um mich herum tunkte der orange Schein des Feuers den Boden in ein warmes Licht, doch ansonsten gab es keine Helligkeit mehr. Es musste tiefste Nacht herrschen, denn der Mond stand kreisrund am Himmel.
Es war Erls Stimme, das erkannte ich sofort. Allerdings konnte ich ihn nicht ausmachen. Die Schaulustigen beachteten mich nicht.
„Amila!", zischte er erneut. Diesmal erklang Erls Stimme von der anderen Seite des Felsens, doch ich konnte ihn nicht sehen.
„Erl?"
„Ich bin hinter dir. Sei still, sonst merken die Leute, dass ich hier bin." Ich nickte zuerst, dann aber wurde mir klar, dass er es ja nicht sehen konnte.
„Ist gut", verbesserte ich schnell. „Bist du gekommen, um mich zu befreien?"
„Denkst du, du könntest hier fliehen?" Erls Stimme klang zögerlich. „Die ganzen Menschen hier...Rofus beobachtet dich auch noch. Wenn du fliehst, wird er sofort das als Grund nehmen, um auf dich schießen zu lassen. Das ist zu gefährlich, Amila."
„Und was wird passieren, wenn ich hier bleibe? Wenn sie mich verurteilen?" Ich bemühte mich, zu flüstern. „Rofus stellt mich als Mörderin dar. Vielleicht könnte ich die Überraschung jetzt nutzen. Die Leute hier kennen mich ja im Gegensatz zum Rabenclan nicht." Kurz herrschte Stille, dann hörte ich plötzlich, wie etwas hartes auf dem Stein kratzte.
„Erl, was tust du da?"
„Das, was ich schon von Anfang an hätte tun sollen", knurrte er hinter mir. „Ich schneide dich frei. Renn um dein Leben, Amila, und zögere nicht. Verstehst du?"
Ein dicker Klos bildete sich in meinem Hals. „J-ja."
„Es tut mir leid. Ich hätte es schon im Lager tun sollen – egal, ob ich beim Versuch verletzt oder getötet werde."
„Getötet?"
„Ich denke, Rofus ist es egal, auf wen sie schießen, wenn du fliehst. Hauptsache, du kommst nicht davon. Wenn ich dich befreie, weiß er, dass wir uns kennen."
„Und ich würde dich nicht zurücklassen", knurrte ich. „Wie kann jemand, der so verrückt ist, gleichzeitig so schlau und skrupellos sein?"
Als Erl begann, mit dem Messer die Seile anzuschneiden, hörte ich das Reißen von Fasern. Die Dinger mussten dicker als gedacht sein, denn er fluchte leise. Die Schaulustigen beachteten mich nicht mehr so besonders. Wenn es mir gelang, dass ich...
Plötzlich hielten alle Inne, Erl eingenommen. Ich hörte, wie er leise fluchte, dann war das Schneiden des Messers nicht mehr zu hören und seine Schritte entfernten sich. Fast hätte ich etwas gesagt, doch ein Ruf ließ mich gar nicht dazu kommen.
„In dieser Nacht", sprach da jemand und ich sah, wie ein kräftiger Mann um die dreißig Zyklen zu mir kam, „zu der Zeit, wo sich zwei Tage voneinander scheiden, haben die Anführer der fünf Clans einen Rat einberufen. Mögen diese nun allesamt vortreten, so mögen auch die Schamanen uns beistehen." Die Worte klangen gestelzt.
Die alte Frau, welche die Ankunft des Eschenclans verkündet hatte, trat vor, neben ihr ein Mann mit einem kahlen Kopf, der ungefähr so alt wie Rofus war. Dann kam der Mann mit dem kastanienbraunen Haar, der den Namen des Lachsclans ausgerufen hatte, begleitet von einer sehr jungen Frau, deren langes blondes Haar zu zwei Zöpfen gebunden war. Eine alte Frau mit silbrigen Zöpfen kam zu dem, der die Herbeikommenden gerufen hatte, und dann trat Rofus hinzu. Er kam schnell und wortlos und in seinen braunen Augen lauerte die Wachsamkeit einer Raubkatze. Neben ihm kam Erl herbei, dem es sichtlich Mühe kostete, mich nicht dauernd anzusehen.
Als letzter kamen Tarpas und Kipsuni. Der Dachsclan-Anführer war so verspannt, dass ich die Muskeln an seinem Hals zucken sehen konnte. Mein Herz drohte, aus meiner Brust zu brechen, als Panik mich überkam. Das waren die Anführer der Clans.
Als die Schamanen vortraten, begann ein Spektakel.
„Lachsclan!", hallte die Stimme des jungen Lachsclan-Anführers über die Lichtung und im selben Moment trat seine Schamanin in den Steinkreis und warf ein Pulver ins Feuer. Es war wie damals, als ich das Fest des Rabenclans beobachtet hatte. Als die Flammen in den Himmel schossen, reckte ich krampfhaft den Kopf, um einen Blick darauf zu erhaschen. Gräulich verfärbtes Feuer züngelte empor.
„Widderclan!", brüllte der Mann, der die Versammlung angekündigt hatte, und seine Schamanin tat das gleiche wie die des Lachsclans zuvor. Das Pulver ließ die Flammen in tiefen, bernsteinfarbenen Farbtönen nach oben schießen.
„Rabenclan!" Als Erl das Pulver warf, zischte es und die Flammen schossen in dunklen, fast schwarzen Farbtönen empor, wo sie in violetten Zungen endeten.
„Lachsclan!" Tarpas war verspannt, doch Kipsuni warf energisch das Pulver und ließ die Flammen in bläulichen Fontänen aufschießen.
„Eschenclan!" Die Eschenclan-Anführerin sprach mit starker Stimme und ließ ihren Schamanen das Pulver werfen. Das Feuer blitzte grün auf und blendete mich so sehr, dass ich mich letztendlich abwenden musste. Dann war das Spektakel vorbei.
„Ich, Rolvan", sprach der Mann, der die Versammlung verkündet hatte, „ältester der Clananführer und Führer des Widderclans, erkläre hiermit bereit, dass der Rat – einberufen von Rofus, Anführer des Rabenclans – eröffnet ist." Es herrschte kurz Stille, in der alle Blicke sich zu mir und den fünf Anführern. Mein Herz schlug mir in der Brust, als ich das sah. Dann – nicht ohne die Stille hinauszuzögern – trat Rofus nach vorne.
„Wie gesagt", sprach er schneidend, „habe ich einen Rat einberufen. Jedoch nicht ohne Grund. Jeder von euch..." Er fuhr herum und funkelte die anderen Anführer an. „...jeder von euch weiß, was vor zwölf Zyklen passiert ist."
Es dauerte einen Moment, bis Rolvan antwortete: „Das Kind."
„Ja!" Rofus wirbelte wieder zu der Menge. „Ein Kind, drei Zyklen alt und harmlos. Eine Eschenclan-Frau, die anscheinend mit einem Menschen meines Clans eine Beziehung hatte. Und ein kleines Kind, dessen Augen über seine Herkunft sprachen." Er drehte sich zu mir und deutete auf meine Brust. „Und nun seht her. Zwölf Zyklen später wurde dieses Mädchen aufgegriffen. Nicht schlimm, oder? Ein fünfzehn Zyklen altes Mädchen, was ist daran so aufregen? Außer, dass sie versucht hat, zwei Menschen zu ermorden?"
Mein ganzer Körper verkrampfte sich, doch ich war nicht die Einzige.
„Ermordet?" Rolvans Augenbrauen schossen nach oben, allerdings wirkte er nicht überzeugt.
„Oh ja." Rofus nahm den Kragen seiner Kleidung und zog ihn so weit nach unten, bis man die roten Wunden sah. „Mir ist es peinlich, das gebe ich zu. Mir ist es peinlich, dass ein fünfzehn Zyklen altes Mädchen es fast geschafft hat, mir mit einem spitzen Stein den Hals aufzuschlitzen." Er lächelte, als er in die schockierten Gesichter sah. „Ja. Das glaubt man kaum, oder? Dieses Mädchen wurde vom Dachsclan aufgenommen. Und was hat es getan? In meiner Schlucht hat es versucht, mich hinterrücks umzubringen."
„Das ist nicht wahr!", brüllte ich und warf mich gegen die Fesseln, was mit einem Schmerz in meiner Rippe bestraft wurde.
„Nicht wahr?" Rofus grinste. „Sagt das nicht jeder, dem Mord angehängt wird?"
„Du wolltest meine Mutter angreifen!", keifte ich. „Ich habe sie lediglich verteidigt! Und dann hast du sie fast umgebracht, als du Tollkirschen..."
„Ha!" Rofus legte den Kopf in den Nacken und Tränen standen ihm in den Augen, als er schallend lachte. „Das ist ja eine interessante Geschichte. Deine Mutter? Woher willst du wissen, wer deine Mutter ist? Hm?"
Ich schwieg, als alle mich anstarrte. Ich konnte Erl nicht verraten, das durfte ich nicht.
„Seht ihr? Sie weiß es nicht. Lassen wir ihr noch ein bisschen Zeit, um sich den weiteren Verlauf ihrer Geschichte auszudenken", höhnte er und ich sah seine weißen Zähne blitzen, als er mit der Zunge hastig über seine Lippe leckte. Er war nervös, obwohl er es gut verbergen konnte.
„Wenn ich mich einmischen darf", meldete sich da die Anführerin des Eschenclans und drehte sich dann zu mir. Ihre grünen Augen erinnerten mich so stark an die meiner Mutter, dass ich mich instinktiv ein wenig entspannte.
„Ich bin Calsia", sagte sie zu mir und lächelte zaghaft. „Anführerin des Eschenclans."
„Amila."
„Hm. Für mich siehst du ja nicht so aus, als hättest du versucht, einen Mann zu töten", fügte sie hinzu und musterte mich skeptisch.
„Dem schließe ich mich an", erklang Rolvans Stimme. Mein Blick wanderte zu dem jungen Anführer des Lachsclans. Er hatte noch kein Wort gesprochen, doch jetzt nickte er mir zu.
„Fasu", stellte er sich knapp vor. „Nun, ich weiß nicht, was ich denken soll."
Rolvan verzog das Gesicht. „Was Ihr denken sollt, Fasu?"
„Ja. Eindeutig ist es so, dass Rofus verletzt ist. Ich nehme an, jedem ist das aufgefallen." Er musterte den Rabenclan Anführer. „Jetzt frage ich mich, wie Ihr sie gefangen nehmen konntet, Rofus."
Rofus war nicht im geringsten verunsichert, jedenfalls tat er so.
„Nun, da kämen wir ja zum interessanten Teil." Er zögerte die Aufmerksamkeit, die ihm geschenkt wurde, geschickt hinaus. „Ich habe zwei Mordversuche gesagt, nicht einer." Er kam ganz langsam mit tückischen Bewegungen zu mir. „Der zweite hat in ihrem eigenen Clan stattgefunden. Und als sie auf der Flucht war, habe ich sie aufgegriffen. In meinem Territorium, versteht sich."
„Das ist nicht wahr!", protestierte ich. „Ich war nicht auf der Flucht. Ich musste meinen Bruder retten!"
„Deinen Bruder?", hakte Calsia nach.
„Ja, meinen Bruder. Ich wurde von Bären aufgezogen! Mein Bruder ist ein Grizzly!"
Rofus zischte vorwurfsvoll.
„Von Bären, sicher", meinte er spöttisch. Wies schaffte er es nur, meine Worte dermaßen ungläubig klingen zu lassen?
„Tarpas, wieso sagst du nichts dazu? Stimmt es denn nun, was Rofus sagt? Hat sie wirklich versucht, jemanden aus deinem Clan zu töten?" Calsias Stimme war ruhig, doch darin lag etwas drängendes.
Tarpas stand mit verschränkten Armen da und funkelte Rofus an, als wolle er ihn gleich anspringen. Dann aber hob er selbstbewusst das Kinn. „Nun, unser lieber Kollege war schon immer ein Meister darin, Worte zu verdrehen. Immer wieder erkauft er sich fremde Loyalitäten, die er maßlos ausnutzt." Er verstummte kurz. „Es stimmt zweifellos, dass Amila einen meiner Jäger angeschossen hat. Aber sie hat ihn keinesfalls tödlich verletzt, er befindet sich auf dem Weg der Besserung..."
„Ja, sie hat ihn nicht tödlich erwischt." Rofus schüttelte den Kopf. „Sicherlich keine Absicht, oder? Und nur ein Zufall, dass sie mich umbringen wollte." Dann schnaubte er kühl. „Seht doch nur, wie das klingt."
„Also hast du, Amila, einen Jäger angeschossen?", hakte Rolvan kühl nach.
„Ich wollte doch nicht..."
„Hast du es getan?"
Zerknirscht blickte ich zu Boden, dann sah ich aber trotzig auf. „Ja, habe ich. Ich werde es auch nicht leugnen, denn ich habe es im Bewusstsein getan, dass es Schwierigkeiten bringen wird. Ich musste meinen Bärenbruder retten."
„Ihr Bär, versteht ihr?", fügte Rofus schulterzuckend hinzu. „Tja, das ist..."
„Das ist wahr." Tarpas blickte ihn herausfordernd an. „Ich habe ihren Bären gesehen."
„Und von ihrer Exkursion zur Schlucht?" Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte Calsia ihn an. „Hattet Ihr davon gewusst, Tarpas?"
„Nein." Seine Stimme war fest. „Nein, das wusste ich nicht." Kurz herrschte Stille.
„Wenn ich zusammenfassen darf..." Rofus kam zu mir. „Nun, sie wollte mich grundlos umbringen – von dem wusstet Ihr, Tarpas, nichts. Dann hat sie einen Jäger angeschossen, ganz knapp hat sie ihn getötet. Das sind zu viele Zufälle, noch dazu ist sie fremd. Wer weiß, vielleicht hat sie sogar den Bären hineingelockt, um einen Vorwand zu haben?"
„Und was verlangt Ihr, Rofus?" Calsias Augen waren zu Schlitzen verengt.
„Mörder werden getötet, oder nicht?", meinte Rofus kühl. Ich zuckte zusammen und warf mich gegen die Fesseln, doch es half mir gar nichts.
„Es liegen keine Beweise für Mord vor", widersprach Rolvan.
„Aber eindeutige Indizien für Versuche, oder?", mischte Fasu sich ein. „Sie ist gefährlich."
Kurz war es still und keiner sagte etwas. Mein ganzer Körper verkrampfte sich, als ich gehetzt aufsah.
„W...was heißt das?" Meine Stimme bebte, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte.
„Das heißt, dass du...", begann Calsia, doch Rofus unterbrach sie.
„Dass du gezeichnet wirst, Amila." Ich sah in seinen Augen, dass es ihm nicht genug war, doch dann war da noch dieses gefährliche Funkeln.
„Gezeichnet?" Meine Stimme war schrill. „Wie..."
„Der Anführer des Clans, aus dem der oder die Verurteilte stammt", zitierte Rofus zischend das Gesetzt und zog einen kleinen Dolch aus seinem Gürtel, „hat die Verpflichtung, den Verurteilten zu markieren." Er war so schnell bei mir, dass ich vor Schreck aufschrie. Die Klinge des Steindolches funkelte im Schein des Feuers.
„Nein! Nein, bitte, ich sage die Wahrheit!" Ich schnappte nach Luft, als Rofus mein Schlüsselbein frei legte und die Schneide des Dolches auf meine Haut legte. Er fletschte dabei die Zähne.
„Ich, Rofus", knurrte er, „gebe hiermit bekannt, dass die Gezeichnete bei einer einzigen weiteren Fehlhandlung sofort der Todesstrafe unterzogen wird." Er war so schnell, dass ich nichts dagegen tun konnte. Vom einen auf den anderen Moment stand er über mir, die Klinge blitzte und mit einem ruckartiger Schnitt schoss der Schmerz durch meinen Körper. Ich bäumte mich auf und spürte, wie Blut floss. Mein Blut. Als ich das begriff, schrie ich vor Schmerz. Der zweite Schnitt. Am Rande meines Blickfelds sah ich Tarpas, der von Kipsuni zurückgehalten wurde.
„Wie könnt Ihr...?", brüllte er, doch mein Schrei unterbrach ihn, als Rofus den dritten Schnitt machte. Er sollte aufhören, aufhören mein Schlüsselbein zu zeichnen, aufhören...
Rofus setzte zum vierten Schnitt an, als er plötzlich Inne hielt. Ich schnappte nach Luft und sah nach unten – rotes Blut und vier Schnitte, die einen Sichelmond bildeten, der letzte unvollendet. Dann begriff ich, dass Rofus nicht etwa aufgehört hatte, weil Tarpas zurückhgehalten werden musste, um nicht auf ihn loszugehen. Nicht, weil Erl verschwunden war. Nicht, weil die anderen Anführer nur zusahen – Rolvan mit zusammengepressten Lippen, Calsia kühl, Fasu entsetzt. Es war, weil er da war.
Die Menschen schrien, als der große, braune Bär auf mich zugerast kam. Robbys Fell war gesträubt und die Augen vor Angst weit aufgerissen. Er stellte sich auf die Hinterbeine, direkt vor den Anführern. Rofus' Blick war voller Entsetzten und Angst. Er umklammerte den kleinen Dolch fester, als würde der ihm jetzt helfen. Dann schien er zu begreifen und war mit einem Sprung bei mir – und alles ging ganz schnell. In dem Moment, in dem Rofus mir das Messer an die Kehle hielt, riss Tarpas ihn gewaltsam von mir weg. Der Rabenclan-Anführer taumelte, als er ihn am Kragen packte und ihm das Messer aus der Hand schlug. Dann sah ich, wie eine Gestalt herbeigestürmt kam und mit einem einzigen Hieb mit dem Dolch die Fesseln durchtrennten. Zuerst taumelte ich, dann erkannte ich Erls Gesicht und sah, wie Tarpas sich mit Rofus abmühte. Im selben Moment machte ich einen Sprung nach vorne und raste in die Menge. Die Menschen waren zu verblüfft, um mich fassen zu können. Doch sie erwachten, Arme packten meine Schultern, Finger gruben sich in mein Haar. Ich schrie vor Verzweiflung und Wut, doch mein Schrei wurde von Robbys Gebrüll übertönt. Als er so über mir und meinen Fängern aufgebäumt stand, lief sogar mir ein Schauer über den Rücken. Die Hände ließen mich los, alle wollten einfach nur fort und sich selbst in Sicherheit bringen. Als Robby sich auf die Pfoten fallen ließ, taumelte ich zu ihm, zog mich auf seinen Rücken und drückte mein Gesicht in sein Nackenfell.
„Danke", wimmerte ich, als Robby lospreschte. Wir durften nicht zulassen, dass sich die Clanmenschen Waffen schnappen konnten.
Robby rannte so schnell, dass die Fichten in einem einzigen grünen Strom an uns vorbeizogen. Die Wunde an meinen Schlüsselbein stach furchtbar und ich spürte, wie warmes Blut meine Brust hinablief.
Ich war wieder am Anfang, auf der Flucht, genau wie damals, als ich vor dem Rabenclan geflohen war. Jetzt rannten wir aber nicht um Robbys Leben, sondern um meins.
Ja! Es geht ins Finaaaaleeeeeeeee! *Tanzt und spring wie verrückt herum*
Es wird noch etwa fünf Kapitel geben, zwei dafür, um den Band abzurunden. Ich hoffe, ich habe noch ein paar fleißige Leser, die mir bis hier beigestanden sind ^^
Und: 1K READS! Ich kann euch gar nicht sagen, wie dankbar ich euch dafür bin! 1K hab ich mit keiner meiner Geschichten geschafft, die "eigenständig" ist. Dabei ist die Story erst seid ein paar Monaten auf Watty! *läuft herum und verschenkt Cookies, weil sie so glücklich ist*
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