13. Kapitel


 (Wow, sogar früher als gedacht xD. Ich hoffe, es gefällt euch)

Als ich ins Lager trat, war es mir ein bisschen peinlich, nur ein mickriges Rebhuhn bei mir zu haben. Immerhin war ich lange weggewesen und hatte eigentlich beweisen wollen, was für eine gute Jägerin ich war.
Die Fleischer musternden mich missbilligend, als ich ihnen das Rebhuhn brachte.
„Du bist ja reichlich früh dran", seufzte ein ergrauter Mann, als er mich sah. „Gib her. Heute können wir es nicht mehr brauchen, also komm morgen pünktlicher."
Ich machte mich schleunigst aus dem Staub, um noch am Clan-Essen teilhaben zu können.
Der Felsvorsprung mit den Malereien sah noch imposanter aus, als das Feuer ihn von unten beschien.
Ein Mädchen und drei Jungen saßen am Rande und plauderten, doch Fay war nicht bei ihnen. Sie saß allein ein bisschen abseits und löffelte eine Suppe.
Ich holte mir eine Suppe – diesmal war es Pilzsuppe – und bekam sogar noch einen ganzen Gefügelschenkel dazu. Allerdings lag mir das Fleisch des Hasen, das ich gekostet hatte, noch schwer im Magen. Eigentlich war es verboten, vor dem Clan-Essen etwas zu essen.
Die Suppe schmeckte gut, allerdings konzentrierte ich mich mehr auf die Malereien an der Decke. Hirsche, Menschen, Bären, Wiesel, Hasen, Eichhörnchen, Pflanzen und vieles mehr waren darauf abgebildet, alles in einem schönen Kreis und in Mustern.
„Das ist der Kreis des Lebens", kommentierte Fay neben mir. Ich blinzelte sie überrascht, an, als sie das sagte. Ich hatte nicht erwartete, dass sie überhaupt mit mir sprechen würde. „Wenn du wüsstest, was das ist, würdest du vielleicht auch an die Geister glauben."
Ich seufzte nur. Es war ja eigentlich ohnehin schon klar gewesen, dass sie es nicht lassen konnte, eine blöde Bemerkung abzugeben.
„Aber du weißt nicht, was das ist", schnauzte Fay auf einmal. „Du weißt gar nichts. Und selbst wenn du es wüsstest, würde es nichts bringen. Wer garantiert dir schon, dass es Geister gibt? Wer garantiert dir schon, dass jemand, den du liebst und der gestorben ist, zurück kommt?" Im selben Moment schleuderte sie die Suppenschale auf den Boden, die lautstark in zerbrach. Ein paar Clanmitglieder wandten den Kopf zu uns, doch ich war gar nicht in der Fassung, etwas zu sagen. Fay blinzelte die Scherben an, als würde sie aus einem schlechten Traum erwachen. Dann stob sie auf und davon zu den Höhlen.

Am nächsten Tag schlich ich mich schon früh aus der Höhle, als Fay noch schlief. Mit Bogen und Köcher bewaffnet kletterte ich aus dem Lager und atmete erleichtert die frische Luft ein. Jagen würde ich mit meiner Rippe nicht können, denn mir tat jeder Atemzug weh, nachdem ich die Nacht auf der Seite geschlafen hatte. Also nahm ich mein Jagdmesser und machte mich auf die Suche nach wilden Zwiebeln. Vielleicht konnte ich meiner Mutter, wenn heute Abend Essen übrig blieb, etwas mitnehmen.
Ich fand nicht viel. Über dem Lager nahm ich drei wilde Zwiebeln mit. Ich war erfreut, die grünen Stängel einer Karotte zu sehen, und grub diese aus. Es waren eigentlich gleich zwei, denn an der großen hatte sich eine kleine, zweite Rübe gebildet. Trotzdem war ich enttäuscht. Das berauschende Gefühl der Jagd fehlte mir irgendwie.
Als ich bei meiner Mutter ankam, fand ich sie schon wach an. Sie hockte auf ihrem Schlaffell und strich mit der Daumenkuppe über ein Etwas, dass sie in der Hand hielt. Es war ein Kleidungsstück, doch ich sah nicht, was sich darin befand. Als sie mich hörte, hob sie den Kopf. Ich konnte sehen, wie erleichtert sie war, als ich sie begrüßte und sie meine Stimme hörte.
„Ich habe dir Zwiebeln und eine Rübe mitgebracht", erklärte ich ihr und legte die Sachen vor ihr ab. „Es tut mir leid, aber du solltest erst kochen, wenn es dunkel ist. Mann könnte sonst den Rauch am Himmel sehen."
Sie nickte und streckte eine Hand aus, um mir über die Wange zu streichen. Ich nahm ihre Hand mit meiner und strich vorsichtig über ihre dünnen Finger. Die Sorge über dem Winter und über ein Gewitter war nun noch größer geworden. Wo sollte sie leben? Wenn ich keine Lösung fand, würde sie sterben müssen.
„Was hast du da?", fragte ich und versuchte einen Blick auf das Innere des Stoffs zu erhaschen. Sie blinzelte, dann öffnete sie die Hand und zeigte es mir.
Es war ziemlich groß – fast so groß wie ein junger Bussard. Zuerst sah es aus wie ein Ball aus Federn, doch dann sah ich die schwarzen Knopfaugen und den grauen Schnabel.
„Ein Rabe!", stieß ich aus. „Wo hast du den her?"
Meine Mutter strich dem Küken über den Kopf. Es musste sich um einen Vogel handeln, der schon fast flügge war. Seine großen, grauen Beinchen wirken überdimensional und am Rande seines Schnabels, dort, wo bei einem Menschen die Mundwinkel waren, war ein gelb-grauer Wulst. Die Federn waren teils noch im Kiel und schälten sich erst, doch es war unverkennbar ein Kolkrabe.
„Ich habe sie dort gefunden", krächzte meine Mutter und zeigte auf eine große Fichte. Hier, so nahe am Rabenclan-Terrain, gab es noch ab und zu ein paar große Nadelbäume.
„Sie?", hakte ich nach. Woher wollte Asrale wissen, dass es sich um ein Weibchen handelte?
„Bitte, pass auf sie auf!" Die plötzliche Hektik in ihren Augen verwirrte mich. „Bitte, kümmere dich um die Kleine! Es ist...es ist..." Sie keuchte. „...wichtig..." Sie nahm den Vogel, der heftig krächzend protestierte, und drückte ihn in meine Hände. Ich war überrascht, wie leicht der Rabe war.
„Mutter, ich...ich kann doch nicht..." Folge dem Raben, um ihn zu finden. Die plötzliche Eingebung ließ mich verstummen und ich blinzelte den Vogel in meinen Händen nur an. Was, wenn mir ‚ihn' gar keine männliche Person gemeint war? Was, wenn es sich auf den Raben bezog? Aber was soll es mir bringen, dem Küken zu helfen?, versuchte ich herauszufinden – erfolglos.
Der kleine Rabe krächzte und sperrte den grauen Schnabel auf. Als ich unter seinen Bauch griff, konnte ich jeden einzelnen Knochen spüren. Auch jetzt wirkte er, mit halb geschlossenen Liedern, schwach und ausgelaugt.
„Wo sind seine Eltern?", fragte ich und wollte zu dem Baum gehen, doch meine Mutter schüttelte nur den Kopf. Nicht da.
„Bitte", krächzte sie noch einmal und ich starrte auf das Küken. „Ich kann sie nicht...versorgen." Ja, das konnte sie nicht.
Ein plötzliches Rascheln riss mich aus den Gedanken und ich fuhr herum, meine Muskeln gespannt und reaktionsbereit. Allerdings war es nur Erl, der mit einem schönen, großen Pilz hervorkam. Als er mich sah, nickte er mir als Begrüßung zu. Dann sah er den Raben, den ich in meiner Hand hielt.
„Was ist..."
„Den hat sie gefunden", erklärte ich mit einem Blick auf meine Mutter, die gedankenverloren ihren Daumen mit dem Zeigefinger rieb. „Sie meinte, es wäre ein Weibchen."
Als Erl zu mir kam und den Vogel in die Hand nehmen wollte, krächzte er wieder.
„Ein Kolkrabe", stellte er wie ich zuvor fest. „Nun, ob es ein Weibchen ist, kann ich nicht feststellen, aber ich bin sicher, dass Asrale Recht hat."
„Wieso?"
„Nun, der Eschenclan steht mehr in Verbindung mit den Geistern und der Natur als jeder andere Clan. Seit Asrale blind ist, haben sich ihre anderen Sinne weiterentwickelt. Sie hat schon früher solche Dinge gespürt. Als ich einmal ein paar Kräuter mitgenommen habe, ist sie mit einem schimmligen Stängel gekommen und hat gesagt, er wäre schlecht, obwohl sie es nicht sehen konnte."
Ich schwieg und sah nur zu meiner Mutter, während Erl mir den Raben in die Hand drückte.
„Du solltest dich um das Kleine kümmern. Ich habe noch Reste vom Kaninchenfleisch, das wir gestern gegessen haben", schlug Erl vor. „Aber zuerst solltest du dem Küken einen Namen geben. Noch ist es namenlos."
„Es heißt Namenlos?" Ich sah ihn verschmitzt an und Erl verdrehte die Augen.
„Ich hatte es nicht so gemeint", sagte er überflüssigerweise. Ich zuckte nur mit den Schultern.
„Ich finde, Namenlos passt ganz gut zu ihr." Als ich das Rabenweibchen ein wenig zu fest packte, krächzte es empört.
Namenlos hatte Hunger, großen sogar. Als ich ihr zum ersten Mal ein Stück Hasenfleisch in den Schnabel steckte, verschmähte sie es. Erst, als ihr klar wurde, dass es nichts anderes gab, begann sie zu fressen – und wie.
„Danke", hauchte Asrale neben mir und ich schwieg einfach. Wie sollte ich im Lager erklären, wo ich den Raben herhatte?
„Was sollen wir nun mit ihr tun?", fragte Erl seufzend. „Hier kann sie nicht bleiben. Es könnte heute regnen und sie würde nass werden."
„Das ist nicht das einzige Problem." Ich seufzte. „Man wird sie entdecken, wenn sie hier auf den Jagd gehen. Wir müssen sie woanders unterbringen, Erl. Wir müssen." Ich seufzte. „Ich hab mit Kipsuni gesprochen und sie hat mir alles erklärt. Sie ist nicht bereit, Asrale unterzubringen."
„Sie ist eine starke Frau, die, für meinen Geschmack, ein bisschen zu viel vom Gesetz der Clans hält", bemerkte Erl verbittert.
„Vielleicht", gab ich zu. „Aber es ist nicht ihre Art, oder? Sie hat mich aufgenommen. Ich verstehe nicht, wieso sie es nicht bei Asrale tut."
Ein plötzliches Röcheln erklang hinter uns. Ich fuhr herum, als ein dumpfer Knall ertönte. Erl hielt Inne, vor Schreck so bleich wie Knochen.
„Mutter...?" Asrale lag röchelnd auf dem Boden und griff sich mit der Hand an den Hals. Ihre trüben Pupillen waren groß und rund, Schweiß rann ihr über die Stirn und sie keuchte, um Luft zu bekommen.
„Asrale!" Als Erl sich zu ihr beugte, stöhnet meine Mutter auf. „Asrale, was ist los?"
„Sch-schlecht..." Sie röchelte wieder. „Nur schlecht..."
Erl packte ihr Gesicht so grob, dass ich vor Schreck keuchte. Er sah ihr in die Augen, tastete ihre Stirn ab und sah in ihren Mund. Mit bleichem Gesicht wandte er sich zu mir.
„Was ist los?", fragte ich ein bisschen panisch und versuchte, meine Panik zu verbergen.
„Sie...sie muss etwas giftiges gegessen haben", keuchte er. „Beeren, Pflanzen, Pilze..." Pilze...?
„Ich hab ihr einen Pilz gebracht!", keuchte ich und mir wurde schlecht. „Aber ich habe solche Pilze oft gegessen – ich könnte schwören, dass sie ungiftig sind."
„Asrale, was hast du gegessen?", herrschte Erl meine Mutter an, die keuchend Luft holte.
„B...b..." Sie schaffte es nicht, das Wort herauszubringen. Zitternd hockte sie da auf dem Boden.
„Was...was wird passieren?", wimmerte ich. „Zuvor war sie noch nicht so...sie konnte noch sitzen..." Namenlos krächzte empört, als ich sie grob auf das Fellbett meiner Mutter setzte.
„Vielleicht waren wir einfach nicht aufmerksam genug." Erl half meiner Mutter auf die Beine. „Amila, du musst Hilfe holen. Schnell."
„Aber Kipsuni hat doch gesagt..."
„Wenn du es nicht tust", meinte Erl heiser, „wird deine Mutter sterben."

Ich rannte so schnell, wie ich nur konnte, doch selbst das schien nichtschnell genug. Dauernd glaubte ich den Todesschrei meiner Mutter zu hören, ihrrasselnder Atem begleitete mich. Wenn ich blinzelte, hatte ich jedes Mal ihrBild vor den Augen – wie sie nach Luft holte, nur, damit dann, einige Momentespäter, ihr rasselnder Atem verklang. Für immer. Gerade noch hatte ich sie aus der Schluchtgerettet. Wenn sie jetzt starb, wäre alles aus. Mir traten Tränen in die Augen,so verzweifelt war ich.
Als ich den Felspfad ins Lager hinabjagte, blieb ich plötzlich bei einem Steinhängen. Ich schrie vor Schreck auf, als ich nach vorne taumelte. Dann war esfür mich schon zu spät, mich abzufangen. Ich versuchte noch, mich irgendwofestzuhalten, doch es brachte sich nichts. Der Sturz schien wie in Zeitlupeabzulaufen und der Aufprall auf der grasigen Lagerebene raubte mir den Atem.Ich schrie vor Schmerz und meine Rippe tat so weh, dass es mir erneut Tränen indie Augen trieb. Wenn sie jetzt nicht gebrochen war, dann musste sie aus Steinsein.
„Amila!" Kipsuni kam aus der Höhle gestürmt, als ein paar Clanmenschen miraufhalfen. Ich biss immer noch vor Schmerz die Zähne zusammen und japste nachLuft. Der Aufprall war so hart gewesen, dass ich hustete und spuckte. Ichwimmerte, als ich sah, dass Blut dabei war.
„Amila, Kind! Was ist..."
„Mir geht es gut..." Tatsächlich hatte ich verdammt viel Glück gehabt, nicht tiefgestürzt zu sein. Wäre meine Rippe nicht schon verstaucht gewesen, wäre mirwahrscheinlich nicht viel passiert.
Als Kipsuni mir hochhalf, sah sie erst die ganzen Kratzer und Schrammen, dieich trug. Ich sah, wie ihr Gesicht sich verfinsterte.
„Bitte, kümmert euch nicht um mich!", hustete ich. „Asrale..." Als ich dasaussprach, sah ich, wie Kipsunis Gesicht sich verfinsterte.
„Nein, du verstehst nicht! Sie wird sterben, wenn du ihr nicht hilfst...sie hat...eineVergiftung..."
„Sie hat sich vergiftet?" Kipsuni riss die Augen auf.
Ich nickte hektisch, obwohl ich Schmerzen hatte. „Ja. Ja, in der Nähe der Schlucht...bei...bei..."Ich hustete. „Er ist dort...du weißt schon....in den Dornenbüschen...ihr müsst nurrufen..." Als ich sah, wie Kipsuni nickte, hätte ich vor Erleichterung am liebstengeweint. Meine Mutter musste nicht sterben. Sie bekam Hilfe. Sie würde nichtsterben....
Bevor ich weiterdenken konnte, knickten meine Knie unter mir ein. Ich sacktezusammen wie eine tote Beute und die Menschen, die mich gestützt hatten,ächzten. Als ich ohnmächtig wurde, kam nur noch Schwärze.

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