37.
Jimin's PoV.:
Eine laute Stimme riss mich aus meiner Bewusstlosigkeit. Sie klang so hilflos und verzweifelt, dass mein Herz automatisch davon angesteckt wurde und ich die Augen aufriss. Mein Blick landete zuallererst auf der dunklen Steinwand über mir. Sie war von Kratzspuren und Spinnenweben übersäht. Letztere wurden von einem frischen Windzug geschaukelt. Sie tanzten wie kleine Geister herum, warfen dabei lange Schatten auf den Boden. Ich brauchte mich nicht weiter umzusehen, um zu wissen wo ich war. Das hier waren die Kellerräume der Elfen. Ein Ort, an dem Verräter, Mörder und Diebe festgehalten wurde, bevor man ihr Urteil entschied. Ich hatte auch schonmal eine Nacht hier drin verbracht. Damals war es so gruselig und kalt gewesen, dass ich kein einziges Mal meine Augen zugemacht hatte. Heute kam mir dieser Ort genauso schlimm vor.
Mein Kopf brummte, meine Glieder taten weh. Ich war absolut durchgefroren. Nur mit größter Mühe schaffte ich es mich aufzusetzen und zu dem jungen Mann an der Eisentür rüber zu schauen. Im Gegensatz zu mir schien er in bester Verfassung zu sein. Er schlug wie wild um sich und brüllte so laut, dass es in meinen Ohren klingelte. Immer und immer wieder rüttelte er an den Gitterstäben herum, die in dem kleinen Fenster der Tür angebracht waren.
„Lasst uns hier raus! Wir haben nichts Schlimmes getan! Mein Freund wird euch alle umbringen!", brüllte er. Dann schnaubte er frustriert und fuhr sich durch sein rotes Gesicht. Erst in diesem Moment erkannte ich die verrückt gewordene Gestalt. „Jungkook?", fragte ich mit brüchiger Stimme. „Was?", erschrocken wirbelte er zu mir herum. Seine großen Kulleraugen starrten mich vollkommen perplex an. Plötzlich stiegen ihm Tränen in die Augen und sein ganzer Körper wurde von einem heftigen Schluchzen erschüttert. Er taumelte auf wackeligen Beinen zu mir, fiel geradewegs in meine Arme. „Ich dachte schon du wachst gar nicht mehr auf", wimmerte er, „Und das ich alleine die Stellung halten muss".
„Nein, ich bin hier", beruhigte ich ihn, während ich seine bebenden Schultern tätschelte. Es erinnerte mich an den Tag, an dem er heulend neben mir gesessen und sich dafür bedankt hatte, dass ich ihn vor dem herunterfallenden Mast gerettet hatte. Scheinbar war der Jüngere wirklich nah am Wasser gebaut. Er war der Einzige, den ich bis jetzt so oft heulen gesehen hatte. Aber ich konnte es ihm nicht übelnehmen, denn als ich damals diese eine Nacht hier drin verbracht hatte, hatte ich auch geweint.
„Sie wollen nicht mit uns reden. Ich habe alles versucht, wirklich", am Ende des Satzes brach Jungkook's kratzige Stimme wieder und er löste sich von mir, um die ganzen Tränen von seinen Wangen zu wischen. „Ich weiß. Die Elfen lassen nicht mit sich reden", lächelte ich schwach. „Und was machen wir jetzt? Sterben wir einfach?", hakte er verzweifelt nach. „Nein, nein", ich schüttelte den Kopf, „Uns fällt schon etwas ein. Aber zuerst musst du mir ein Lagebericht geben. Schaffst du das?".
„Ich-... Ich glaube schon", murmelte er und holte einmal tief Luft. „Sehr gut. Erzähl mir alles, woran du dich noch erinnern kannst, ja?", gespannt sah ich ihn an. Jungkook nickte und nachdem er noch einen tiefen Atemzug genommen hatte, fing er an zu sprechen: „Wir sind weggerannt, weißt du noch? Du hast versucht uns einen Vorteil zu verschaffen, indem du die Wächter mit deinen Kräften aufgehalten hast. Aber dann bist du kurz vor den Klippen zusammengebrochen. So schnell konnte ich gar nicht reagieren, da hatten sie dich bereits erreicht und auf dem Boden fixiert. Ich wollte dir helfen. Dich retten, so wie du uns gerettet hast. Dann haben sie mich auch geschnappt. Yoongi und Hoseok konnten entkommen. Soweit ich weiß haben sie das Buch dabei nicht verloren".
„Warte, das heißt die Mission ist geglückt?", wollte ich wissen. „Ja. Naja, wenn man davon absieht das sie uns geschnappt haben...", Jungkook zuckte mit den Schultern. Unsicher gegenüber dessen, ob man das noch einen Erfolg nennen konnte. Zugegeben stellte ich mir dieselbe Frage. Zwar mochte unser Plan aufgegangen sein, aber zu welchem Preis? Denn nun hingen Jungkook und ich in diesen gruseligen Kellerräumen fest, vermutlich kurz davor die Todesstrafe zu erhalten.
Nachdenkliche Stille folgte.
„Glaubst du, sie werden uns holen kommen?", fragte Jungkook nach einer Weile nach. „Ich hoffe nicht", antwortete ich. „Wieso das?", verwirrt blinzelte er mich an. „Das wäre dumm. Die haben doch gar keine Chance gegen mein Volk. Nicht einmal mit der Besatzung dreier anderer Himmelsschiffe", erklärte ich ihm. Der Jüngere biss sich auf die Unterlippe: „Und jetzt? Was machen wir jetzt?".
„Keine Ahnung. Mir fällt gerade nur eine Möglichkeit ein, um hier weg zu kommen", meinte ich. „Wirklich?", ein kleiner Hoffnungsschimmer war in seiner Stimme zu hören. „Es ist Lebensmüde und so ganz nebenbei bemerkt, kann ich nicht garantieren das es klappt", fing ich an, „Aber du vertraust mir doch, oder?".
„Natürlich", erwiderte er prompt. „Okay und wenn ich von einer Klippe springen würde, würdest du mir ohne große Widerworte folgen, oder?", hakte ich nach. „Ja, natürlich", die Antwort kam ohne große Überlegung. „Gut, denn genau das werden wir tun", entschied ich. „W-Warte, was?!", entsetzt starrte Jungkook mich an. Er schien nicht damit gerechnet zu haben, dass ich meine Worte ernst meinen würde. Sein Gesichtsausdruck sah zum Schreien aus.
„Wir werden uns von den Klippen stürzen", wiederholte ich, dieses Mal ein bisschen deutlicher. „Hast du den Verstand verloren?! Wie zum Teufel soll uns das weiterhelfen?!", fuhr er mich an. „Jetzt beruhig dich doch mal wieder", ich nahm seine zittrigen Hände in meine, „Kannst du dich noch an den Kreischer erinnern, der Yoongi und mich gerettet hat, als wir von Bord gesprungen sind? Die Dinger haben hier ein Nest. Es befindet sich im Gestein unter der Insel und wenn ich um Hilfe rufe, während wir beide vom Himmel fallen-...".
Noch bevor ich ihn weiter in meinen Plan einweihen konnte, hörten wir Stimmen vor der Tür. Schlüssel klimperten und das Schloss zu der schweren Eisentür wurde mit einem lauten Klick aufgeschlossen. Sie knarzte hässlich, legte einen schwach beleuchteten und kahlen Flur frei. Vier Wächter betraten den Raum. Zwei davon positionierten sich jeweils rechts und links von der Tür. Die anderen beiden marschierten direkt auf uns zu. Sie hielten jeweils einen Strick in der Hand und machten nicht halt, sondern packten uns wortlos beim Kragen und zogen uns auf die Beine. Jungkook gab ein ersticktes Winseln von sich. Seine großen Augen wanderten zu mir und er starrte mich panisch an. Ich starrte wortlos zurück.
Für mich war klar was nun passieren würde. So wie damals auch schon, würden sie uns nun zum Oberhaupt und seinen engsten Auserwählten bringen. Diese würden dann über uns urteilen. In meinem Fall bedeutete das den sicheren Tod. Bei Jungkook war ich mir nicht sicher, weil er kein Mietglied unseres Volkes war. Vielleicht würde er mit einer Folter davonkommen. Oder sogar mit einer milderen Strafe. Nichtsdestotrotz wollte ich es nicht so weit kommen lassen. Weder für Jungkook, noch für mich. Ich wollte leben.
Als wir nach draußen traten, war es bereits dunkel. Das lag vor allem an den grauen Gewitterwolken, die sich wie eine Decke über den klaren Himmel zogen. Die Luft fühlte sich elektrisierend an. Ich konnte den kommenden Regen förmlich schmecken. Jungkook schien es auch zu merken, denn er sah mich unsicher von der Seite aus an. „Alles wird gut", flüsterte ich in seine Richtung. So leise, dass nur er es hören konnte. Der Jüngere schluckte trocken und nickte kaum merklich.
„Weiterlaufen", einer der Wächter stieß mich von hinten an und ich stolperte vorwärts. Wir befanden uns abseits der Häusersiedlung von Sarell. Ein Trampelpfad führte in Schlangenlinien durch ein Feld von Wildblumen hindurch. Vorbei an Gesteinsbrocken und entlang der Klippen. Wir liefen in einem strammen Tempo. Mit jedem Schritt, dem wir dem Abgrund näherkamen, schlug mein Herz schneller. Ich zählte die Sekunden.
Eins, zwei, Drei...
Jungkook warf einen flüchtigen Blick in den Himmel. Dann zu mir und wieder zurück. Er fing an mit seinen Fingern zu spielen. Pulte an der Haut um das Nagelbett herum.
Vier, fünf, sechs...
Ich schielte vorsichtig nach hinten, wo zwei der Wächter mit gezückten Lanzen marschierten. Ihre Augen waren auf uns fixiert. Wenn wir nicht aufgespießt werden wollten, mussten wir schnell handeln.
Sieben, acht, neun...
„Jetzt", hauchte ich und ein instinktiver Ruck durchfuhr meinen Körper. Ohne weiter darüber nachzudenken, warf ich mich gegen Jungkook. Der Jüngere verlor dadurch sein Gleichgewicht und fiel über die Klippen. Ich ihm gleich hinterher. Wir beide schrien. Doch als ich mich dann im Fall auf den Rücken drehte und sah, wie die bleichen Gesichter der Wächter immer kleiner und kleiner wurden, verwandelte sich mein Schreien in ein fröhliches Jauchzen. Hätte Jungkook sich nicht plötzlich an meinem Arm festgeklammert, hätte ich wahrscheinlich ganz vergessen den Hilferuf an die Kreischer zu richten. Wir sausten in Höchstgeschwindigkeit an den großen Geschöpfen vorbei. Ein paar von ihnen kletterten an dem Gestein herum. Ein paar andere lagen in ihren Nestern.
Ich gab den Ruf von mir und hoffte inständig irgendeines der Tiere erreichen zu können. Wenn nicht, bedeutete das unseren sicheren Tod.
•°•°•
Hach, mein Drachenzähmen leicht gemacht Herz schlägt gerade schneller. Es muss so cool sein vom Himmel zu fallen und von einem Flugvogel, oder Drachen gerettet zu werden ( ◜‿◝ )♡
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