12.

Yoongi's PoV.:

„Glaubst du, ich habe richtige getan?", fragte ich an Seokjin gewandt, während ich das Ruder meines Schiffes auf Kurs hielt. „Zweifelst du daran?", stellte er die Gegenfrage. „Ein bisschen. Immerhin habe ich Reddick umgebracht. Er war einer von uns", erwiderte ich. „Das mag sein, aber er wusste das er eines Tages auffliegen und sterben würde", beschwichtigte der Ältere mich. Ich sah ihn an. Seine erwachsene Gestalt verwandelte sich vor meinem inneren Auge zu einem Kind und ich erinnerte mich wieder daran, wie wir beide gemeinsam Schwertkampf geübt hatten. Wie wir uns über das Deck meines Onkels gejagt hatten, bis entweder der Kapitän höchstpersönlich, oder eines seiner Crewmitglieder uns an den Kragen gepackt und auseinandergezogen haben. Und wie wir dann zur Strafe in der Küche bei Reddick gesessen und Kartoffeln geschält haben. Das waren noch Zeiten gewesen. Manchmal vermisste ich ein wenig die Unbeschwertheit, die wir damals als Kinder gehabt hatten.

„Land in Sicht! Vor uns befindet sich Avkas!", schrie Taehyung auf einmal von seinem Mast zu uns herunter. Ich schaute auf und entdeckte einen schwarzen Fleck am blauen Horizont. „Wurde aber auch Zeit", murmelte ich. „In der Tat. Wie lange gedenkst du zu bleiben?", wollte Seokjin wissen. „Nur die eine Nacht. Wir können unsere Vorräte auffüllen und etwas trinken gehen", antwortete ich knapp. „In Ordnung. Was ist mit dem Lager? Wer übernimmt dessen Aufsicht?", hakte er nach. „Das kann Jimin machen", winkte ich ab. „Jimin?! Wieso ausgerechnet der?", überrascht blinzelte er mich an. „Weil sonst niemand in Frage kommt. Die anderen haben bereits eine Aufgabe. Jimin ist der Einzige, der faul herumlungert und mein Schiff mit Blümchen verseucht. Neben der Wäsche wird er wohl auch ein Auge auf unser Lager werfen können", erklärte ich ihm ruhig. Der Ältere war ganz offensichtlich nicht einverstanden mit meiner Entscheidung. Er fuhr sich seufzend durch die Haare, schüttelte den Kopf: „Ich weiß nicht, ob wir ihm trauen sollten".
„Wenn er uns hintergeht, dann schlitzen wir ihm einfach die Kehle auf", zwinkerte ich ihm zu. Das schien ihn umzustimmen. Er nickte zufrieden und ich fing an zu lachen, weil das mal wieder so typisch für meinen besten Freund war.

Doch das Lachen blieb mir wortwörtlich im Hals stecken, als Taehyung unerwarteter Weise erneut losschrie: „Yoongi, pass auf! Backbord, Backbord!". Ich riss meinen Kopf zur linken Seite herum und sah dort etwas, was bei mir alle Alarmglocken zum Läuten brachte. Die Spitze eines Mastes mit einer schwarzen Flagge stieg unter dem Wolkenbett auf. Es ragte immer weiter in die Höhe, entblößte ein altes riesiges Segel und dessen Takelage.

„Oh scheiße!", ich drehte unser Ruder instinktiv nach Backbord, aus Angst das aufsteigende Schiff würde uns rammen. Sky Reaper kippte knarzend auf die Seite und Hoseok, Jungkook und Jimin verloren ihr Gleichgewicht, fielen zu Boden. Seokjin wäre das gleiche passiert, hätte er sich nicht rechtzeitig am Geländer festgekrallt. „Verdammt, ist das Wonhae?!", rief er mir entsetzt zu. „Scheint so", knurrte ich und brachte uns wieder ins Gleichgewicht. Ein flüchtiger Blick zu meiner Crew zeigte mir, dass sie in Ordnung waren. Allerdings fragte ich mich wirklich, wie lange das noch so bleiben würde. Denn mittlerweile hatte sich das Schiff meines Onkels – Black Arrow – vollends aus den Wolken erhoben. Es schwebte mit all seiner gewaltigen Größe neben uns und stahl sämtliches Sonnenlicht, sodass wir vollkommen im Schatten waren. Mit rasendem Herzen sah ich dabei zu wie irgendjemand von Wonhae's Crew eine Rampe über das Geländer zu uns schob. Kurz danach strotzte genannter Kapitän auch schon rüber.

Das erste was mir auffiel, war das schwarze Stück Leder über seinem rechten Auge. Es verbarg die tiefe Wunde, die ich ihm einst zugefügt hatte. Das zweite was mir auffiel, waren die Trophäen um seinen Hals; abgeschnittene Elfen Ohren und Drachen Zähne. Jeweils links und rechts von seinen Hüften baumelte ein Schwert. Eine weitere Waffe war mit Sicherheit in seinen klobigen Stiefeln versteckt. Dort trug er nämlich gerne kleine Messer mit sich.

Als mein Blick wieder an ihm hoch wanderte, wurde ich mit einem breiten Grinsen und ausgestreckten Armen begrüßt. „Hey, Yoongi! Willst du mich denn gar nicht umarmen?", fragte er. „Halt das Ruder fest", wies ich Seokjin an und stapfte die Treppenstufen nach unten aufs Deck, wo Hoseok und Jungkook bereits mit gezückten Schwertern standen. Jimin hatte sich etwas weiter abseits in eine Ecke verzogen und ich war ihm auch dankbar dafür, denn mein Onkel hegte einen unmenschlichen Groll gegen alles, was nicht menschlicher Abstammung war. Hätte er ihn gesehen, wäre die Hölle auf Erden los gebrochen.

„Sieh einer an, meine alten Gefährten sind nun alle vereint", lächelte Wonhae und schaute uns abwechselnd an. „Spar dir das. Was willst du hier?", zischte ich, meine Hand bedrohlich auf dem Griff meines Schwertes. „Was soll denn diese unfreundliche Begrüßung? Hast du mich nicht vermisst?", fragte er nach. „Nicht wirklich, nein", ich schüttelte mit dem Kopf. „Wie schade. Ich habe dich vermisst. Genaugenommen habe ich euch alle vermisst", er deutete auf Jungkook, „Ausgenommen ihn. Den jungen Mann kenne ich noch gar nicht. Mag mir einer seinen Namen nennen?".

„Vergiss es. Das hat dich nicht zu interessieren", antwortete Hoseok sofort. „Sag uns lieber was du hier willst!", forderte ich und als Wonhae einen Schritt vorgehen wollte, hielt Hoseok ihm seine Schwertspitze gegen die Brust. Wonhae ignorierte sie geflissentlich. Er schob die Waffe beiseite, als würde sie keine Gefahr für ihn darstellen und fing dann an über mein Schiff zu schlendern. Seine Hände berührten alles, was ihm dabei in den Weg kam. Das Geländer, die Taue und sogar die Tür zu meiner Kajüte.

„Was willst du hier?!", wiederholte ich mich laut, denn ich konnte es nicht länger ertragen ihn so unbeschwert über mein Schiff laufen zu sehen. Am liebsten wäre ich ihm direkt an die Gurgel gesprungen, aber dafür war ich in diesem Moment zu feige. Vor allem, nachdem Reddick mir gerade erst deutlich gemacht hatte, wie schwach ich im Vergleich zu seinem Meister war. Und er hatte recht, gegen Wonhae würde ich nicht so einfach ankommen können. Vielleicht in 50 Jahren, wenn ich genauso viel Kampf Erfahrungen gesammelt hatte.

„Sag schon, was willst du hier?!", ich hetzte mit großen Schritten auf ihn zu und wirbelte ihn an seiner Schulter zu mir herum. „Ein Vögelchen hat mir gezwitschert auf was für einer Mission du dich befindest. Wie wichtig sie ist. Wie viel Gold sie dir einbringt. Da konnte ich nicht einfach tatenlos zusehen und habe mich dir an die Fersen gehängt. Du weißt doch wie ich bin. Wenn es um Gold geht, kann ich nicht anders", lächelte er verschmitzt. „Ein Vögelchen? Du meinst deinen verlogenen Handlanger, ja?", hakte ich nach. „Ja, genau den! Ich war übrigens ziemlich überrascht, als plötzlich sein verstümmelter Körper vom Himmel fiel. Er wäre fast auf unser Schiff gekracht. Wirklich ekelig. Aber ich bin stolz auf dich, dass du einen Verräter wie ihn ausgelöscht hast. Das zeigt, wie sehr du gewachsen bist. Ein stattlicher junger Mann. Meine ganz eigene Kreation", er tätschelte meine Schulter und mir lief es eiskalt den Rücken herunter, „Du weißt was ich vorhabe, richtig?".

„Das was du immer tust. Anderen Leuten das Leben schwer machen", murrte ich kleinlaut. „So kann man es auch ausdrücken. Dann weißt du ja auch sicherlich wie sehr ich es hasse, wenn mir jemand im Weg steht. Ich warne dich hiermit also ganz ausdrücklich: Halte dich von der Insel der Elfen fern. Komme mir nicht in die Quere. Wenn du dich nicht an meine Warnung hältst, werde ich dich umbringen", sprach er mit gedämpfter Stimme. „Große Töne spucken kann jeder. Du wirst mich nicht davon abhalten diese Mission erfolgreich zu beenden", erwiederte ich. „Dann such dir schon mal ein feines Plätzchen für dein Grab aus. Und schaue auch gleich nach einem Plätzchen für deine Crew. Ich werde sie zuerst umbringen, damit du dabei zusehen und einen noch qualvolleren Tod erleiden kannst", Wonhae stupste seinen Zeigefinger gegen meine Nase. Etwas, das er in meiner Kindheit immer getan hatte. Ich wich seinem Blick aus und deutete auf sein Schiff: „Sieh zu, dass du verschwindest. Und wage es nicht noch einmal mich derartig zu belästigen".

„Als könntest du etwas gegen mich ausrichten. Ich habe dich großgezogen, schon vergessen?", trällerte er, während er sich auf den Versen umdrehte und langsam zurück schlenderte. Natürlich nicht, ohne dabei wieder alles anzufassen. Ich ließ ihn machen. Schließlich blieb mir keine andere Wahl, denn ich war nicht sonderlich erpicht darauf einen Kampf zu provozieren.

„Mach's gut, Yoongi! Denk an meine Worte!", Wonhae lief über die Rampe zu seinem Schiff und winkte nochmal fröhlich, ehe Black Arrow wieder zwischen den Wolken verschwand. Erst das Deck, dann der Mast und dessen Takelage. Schließlich war auch von der schwarzen Flagge nichts mehr zu sehen. Ich stieß etwas angestaute Luft aus, von der ich nicht einmal wusste das ich sie festgehalten hatte. Mit ihr folgte ein großer Teil meiner Anspannung.

„Verdammt, was sollte das denn? Wovon hat Wonhae geredet?", fluchte Hoseok sofort los. „Ich hätte mir fast in die Hose gemacht", kommentierte Jungkook leise und mein Blick fiel auf seine wackeligen Beine. „Tut mir leid, Jungs. Wonhae weiß von unserer Mission Bescheid und wird versuchen sie zu sabotieren. Wenn wir Pech haben, dann war das nicht unsere letzte Begegnung mit ihm. Er wird wiederkommen", murmelte ich, vollkommen gestresst von der alleinigen Vorstellung. „Aber wieso? Hat der alte Kauz nichts Besseres zu tun, als unsere Mission zu sabotieren?", hakte Hoseok nach. „Scheinbar nicht. Du weißt doch wie er ist. Solang es Gold gibt, macht er jeden Scheiß mit", erwiderte ich. „Und was schlägst du jetzt vor? Machen wir einfach weiter?", wollte Jungkook wissen. Ich rieb mir seufzend über meine Schläfen, nickte: „Vorerst schon. Wir brauchen das Gold und ich will Madame Ling nicht enttäuschen".

Die beiden Jüngeren sahen sich eine Weile lang sprachlos an. Mir war bewusst, dass ich sie geradewegs in einen vermeintlichen Krieg dirigierte, aber mir blieb keine andere Wahl. Ich wollte die Mission nicht abbrechen. Vor allem nicht, weil Wonhae es mir geraten hatte. Das mochte egoistisch sein, klar. Nichtsdestotrotz war mein Stolz zu groß dafür. Außerdem hatte ich immer noch die winzig kleine Hoffnung, dass ich ihn eines Tages übertrumpfen würde.

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Nun habt ihr Wonhae auch kennen gelernt ^^ Er wird noch eine größere Rolle spielen. Was genau zwischen ihm und Yoongi vorgefallen ist, kommt auch irgendwann ans Tageslicht~

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