11.
Jimin's PoV.:
Zum Glück blieben mir weitere hauswirtschaftliche Arbeiten erspart. Es mochte wohl an der Aktion mit dem Kreischer gelegen haben, aber Yoongi ließ mich den folgenden Tag in Ruhe. Ich nutzte die Zeit, um mich mit frischem Obst bewaffnet aus seiner Reichweite zu entfernen. Mein Weg führte mich nach oben zu Taehyung auf den Mast. Zwar bekam ich ziemlich weiche Knie, je höher ich stieg, aber die Strapazen war es im Nachhinein Wert. Von hier oben konnte man den Sonnenaufgang perfekt beobachten. Es sah wunderschön aus, wie sich die goldgelben Strahlen zwischen den bauschigen Wolken hervor streckten. Der Anblick war so faszinierend, dass ich nur halbwegs mitbekam wie Taehyung plötzlich panisch wurde und irgendetwas unter seinem Hemd fummelte.
„Guten Morgen", begrüßte ich ihn und quetschte mich vorsichtig zu ihm, „Was machst du da? Hast du Geheimnisse?". Ich grinste blöd, während ich ihm eine Banane in den Schoß legte. Er blinzelte mich unsicher an. Schließlich spähte er zu Yoongi herunter und holte dann ganz langsam seine Faust unter dem Hemd hervor. Darin hielt er ein einzelnes weißes Ei. Ich beäugte es erwartungsvoll, in der Hoffnung Taehyung würde mir eine Erklärung dazu geben. Immerhin konnte ich nicht erkennen was sich darin verbarg. Es hätte ein ganz normales Küken sein können, oder aber auch eine exotische Echse.
„Es ist ein Drache", flüsterte er. „Ein Drache?", wiederholte ich überrascht und er hielt mir sofort den Mund zu. „Etwas leiser bitte! Ja, es ist ein Drache. Genaugenommen ein Feuerdrache der Stein-Familie. Den habe ich gestern auf dem Markt in Tempura gekauft. Illegal, natürlich. Er hat ein halbes Vermögen gekostet, aber ich wollte schon immer so einen haben. Leider hält Yoongi nichts von derartigen Haustieren. Er meint, ich wäre noch nicht bereit für diese Verantwortung", erklärte er mir. Ich konnte nicht anders, als darüber zu lachen. Ein solches Verhalten war typisch von Yoongi. Umso lustiger, dass Taehyung dagegen verstoßen und ein Drachen-Ei aufs Schiff geschmuggelt hatte.
„Was ist so lustig? Du wirst mich doch wohl nicht verraten, oder?", hakte der Himmelspirat nach. „Tut mir leid, es ist nichts. Und ich werde dich auch nicht verraten. Nicht, wenn wir bald ein Drachenbaby an Bord haben. Denn dann wirst du es dem Kapitän selber beichten müssen", schmunzelte ich. „Jaja, schon klar", er schaute auf das kleine Ei in seiner Hand herab und streichelte mit dem Daumen darüber, „Aber bis dahin ist noch Zeit. Ich werde es schlüpfen lassen und trainieren. Solange, bis es zu einem braven Kerlchen herangewachsen ist. Yoongi wird nichts dagegen sagen können, immerhin ist der Drache dann schon ausgewachsen und hat sich an mich gewöhnt".
„Das wird er durchgehen lassen?", zugegeben konnte ich es mir nicht vorstellen. „Yoongi mag dir wie ein herzloses Arschloch erscheinen. Aber ich habe dir doch schonmal gesagt, dass er eigentlich echt nett ist. Du musst ihn nur besser kennenlernen", erwiderte Taehyung. Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern. Wenn er glaubte, dass es funktionieren würde, sollte er es ausprobieren. So oder so, der Tag an dem das Geheimnis gelüftet werden würde, würde hier die Hölle los sein.
„Darf ich mal sehen?", bat ich und streckte meine Hand nach dem kleinen Ei aus. „Aber vorsichtig... Du musst es gut festhalten. Am besten nimmst du beide Hände", schlug Taehyung vor. Ich kam dem nach, legte das restliche Obst in meinen Schoß und hielt das Ei behütet mit beiden Händen fest. Windgeschützt und warm. Doch hingegen der Präsenz eines Drachenbabys, spürte ich ein komplett anderes Lebewesen in ihm heranwachsen. Ich sah zu Taehyung auf, der das Ei vollkommen verliebt anstarrte. Wie ein Vater. Kurz überlegte ich, ob ich ihm meine Entdeckung verschweigen sollte. Schließlich wollte ich nicht seine Vorstellungen von einem kleinen Feuerdrachen zerstören. Doch wo würde das schon hinführen?
„Du, Tae...", fing ich zögerlich an und gab ihm das Ei zurück. „Huh?", machte er, während er es wieder zu streicheln anfing. „Das Ei ist-... Ich glaube du wurdest übers Ohr gehauen. Da hat sich jemand einen Spaß erlaubt und dich mächtig abgezockt", fuhr ich fort. „Wie meinst du das?", er schaute mich verwirrt an. „Da drin wächst kein Feuerdrache heran, sondern ein-... Ein-...", ich konnte es einfach nicht übers Herz bringen. Obwohl ich es ihm noch nicht verraten hatte, sah Taehyung bereits absolut niedergeschlagen aus. Er ließ das Ei in seiner Hand sinken und sah mich erwartungsvoll an: „Sag schon, Jimin, was ist da drin? Was hat mir dieser Mann auf dem Markt verkauft?".
„Es ist ein ganz gewöhnliches Hühnerei", ratterte ich in einem Atemzug herunter. „Nein", jammerte mein Gegenüber und sah enttäuscht auf das Ei herab, „Wirklich jetzt? Ein scheiß Huhn?".
„Ja. Wieviel musstest du dafür zahlen?", fragte ich vorsichtig nach. „Scheiße, ich habe dem Kerl meinen ganzen Goldbeutel in die Hand gedrückt!", schnaubte er aus. Ich presste betreten die Lippen aufeinander. Zwar wusste ich nicht, wieviel darin gewesen war, aber es muss eine ganze Menge gewesen sein.
„Du kannst es doch trotzdem großziehen?", versuchte ich ihn aufzuheitern. „Ich will aber kein Huhn haben. Weißt du eigentlich wie kurz die Lebensspanne eines Huhns ist, wenn es auf einem Piratenschiff mitfliegt? Vielleicht eine Woche und danach wird es in den Kochtopf geworfen", Taehyung fuhr sich mit einem frustrierten Seufzen durch sein Gesicht. Das Ei hielt er mittlerweile nicht mehr in der Hand. Stattdessen lag es zwischen seinen Beinen auf dem kalten Boden. Ich starrte es nachdenklich an: „Wenn es sowieso stirbt, kannst du dir auch ein feines Spiegelei draus machen".
„Jimin!", er schupste mich verärgert an meiner Schulter zurück und so ernst die Situation auch sein mochte, konnte ich mich plötzlich nicht mehr zusammenreißen. Ein hysterisches Lachen blubberte aus meinem Mund. Taehyung sah mich erst schmollend an, ehe er ebenfalls zu prusten anfing.
„So ein scheiß. Ich wollte dieses Drachenbaby wirklich gerne haben", eine Mischung aus Lachen und Weinen, die ich kaum verstehen konnte. „Das nächste Mal nimmst du mich einfach mit, wenn du dir eins kaufen willst. Wir Elfen haben ein Gespür für sowas", kicherte ich. „Danke... Oh Gott, stell dir mal vor ich hätte dieses Ding jetzt nichtsahnend großgezogen! Wahrscheinlich hätte ich das Küken sogar als verkrüppelten Drachen identifiziert!", rief er aus und wir beide mussten noch mehr lachen. Die Vorstellung war wirklich lustig. Nichtsdestotrotz war ich froh, dass ich es nicht so weit hatte kommen lassen. Die Wahrheit war manchmal eben doch der beste Weg.
Wir waren so sehr am Lachen, dass wir gar nicht den aufbrausenden Tumult auf dem Deck bemerkten. Erst als eine laute Stimme – definitiv Yoongi's Abstammung – losschrie, wurden wir hellhörig.
„Was geht denn da unten ab?", fragte Taehyung nach, während er sich die Lachtränen aus den Augen wischte und nach unten spähte. „Keine Ahnung", ich tat es ihm neugierig nach. Das Grinsen auf unseren Gesichtern verschwand, als wir den Ernst der Lage erblickten. Dort unten kniete Reddick. Hinter ihm stand Seokjin und vor ihm stand Yoongi, sein Schwert bereits gezückt. Jungkook, Hoseok und Quassel hatten sich auf die Seite verkrochen. „Was zu Teufel macht der da mit Reddick? Haben sie ihn nun endlich entlarvt?", Taehyung schob sich an mir vorbei und fing an den Mast herunterzuklettern. Ich folgte ihm, obwohl ich mir ziemlich sicher war was nun passieren würde und eigentlich keine Lust auf den ganzen Stress hatte. Nicht, wo es doch gerade so lustig gewesen war.
„Wie lange schon?!", wiederholte Yoongi sich laut und ließ das Schwert in seiner Hand knapp über Reddick Kopf sausen, sodass ein paar seiner schwarzen Haare abgetrennt wurden. „Ich weiß es nicht... Vielleicht vier Jahre? Oder fünf Jahre?", antwortete Reddick leise. Er sah nicht sonderlich reuevoll aus. Ganz im Gegenteil sogar, er machte einen erleichterten Eindruck. Vielleicht, weil seine Tat nun endlich ans Licht gekommen war und er sich nicht mehr verstecken musste.
„Was passiert hier? Haben sie ihn erwischt?", flüsterte Taehyung leise, als wir bei Hoseok und Jungkook angekommen waren. „Ja, der Dreckskerl hatte scheinbar die ganze Zeit etwas mit Wonhae zutun. Seokjin ist gerade nach unten gegangen und hat angefangen Fragen zu stellen", erklärte Hoseok. „Genau und kurz danach ging das Geschrei los. Reddick ist in Panik ausgebrochen und hat versucht Seokjin umzubringen. Aber bevor das passieren konnte, sind Hoseok und ich nach unten gerannt und haben ihn festgehalten", führte Jungkook fort. Das erklärte einiges. Wieso Reddick mit dem Müll in einem Hinterzimmer der Bar verschwunden war und wieso er sich bei Yoongi's und meinem Anblick so erschrocken hatte.
Doch wo sich meine Fragen beantworteten, stellten sich mir auch Neue. „Wer zum Teufel ist Wonhae?", fragte ich also in die Runde. Sie sahen mich alle nacheinander an, ehe sie zu Hoseok schauten. Dieser spiegelte ihre Gesichtsausdrücke zögerlich wieder, ehe er mich ansah und den Kopf schüttelte: „Das wirst du den Kapitän selber fragen müssen. Wir können nichts darüber verraten. Dazu haben wir kein Recht".
„W-Was? Aber wieso?", stammelte ich unbeholfen. Allerdings hörten sie mir schon gar nicht mehr zu. Viel zu interessant war die Szene hinter meinem Rücken. Mit einem frustrierten Laut gab ich nach und drehte mich ebenfalls um.
„Ich verstehe einfach nicht wieso!", fluchte Yoongi in diesem Augenblick, „Ich habe dich bei mir aufgenommen, weil ich dir helfen wollte! Weil die Leute dich dort drüben wie einen Sklaven behandelt haben! Und trotzdem unterstützt du sie weiterhin?! All die Jahre lang?!".
„Ich werde niemals aufhören für Master Wonhae zu arbeiten", murmelte Reddick kleinlaut. Seokjin seufzte, ganz so als hätte er diese Antwort erwartet. „Was ist, wenn ich deinen Master umbringe?! Was passiert dann?!", fragte Yoongi und der Griff um sein Schwert wurde so fest, dass seine Knöchel weiß unter der Haut hervor traten. Er zitterte.
„Das wirst du nicht schaffen. Master Wonhae ist zu stark für dich und das weißt du auch. Immerhin hat er dich großgezogen und trainiert. Er kennt deine Schwächen besser, als jeder andere hier", Reddick's dunkle Augen funkelten gehässig. Der Kapitän atmete einmal tief ein und aus. Seine zitternden Glieder beruhigten sich allmählich und plötzlich fing er an zu Lachen, schüttelte dabei den Kopf. Er sah aus wie ein Verrückter. Vor allem, als er dann langsam die wenigen Meter zwischen Reddick und sich überbrückte. Direkt vor ihm blieb er stehen, setzte sein Schwert an des Kobolds Wange an. „Du wirst überrascht sein, wenn du siehst was ich alles Imstande bin zu tun", und damit holte er aus, trennte den runden Kopf seines Kameraden sauber in der Mitte durch. Blut spritzte an Seokjin und Yoongi hoch, ein bisschen davon auch in unsere Richtung. Die Himmelspiraten machten entsetzt einen Schritt zurück.
Yoongi hingegen ließ sich davon nicht beirren. Er spießte den Körper des leblosen Kobolds durch seine Brust hindurch auf und packte den abgetrennten Kopf bei seinen Haaren, ehe er damit zum Geländer des Schiffes lief und beides achtlos über Bord warf. Danach kehrte er zu uns zurück und fragte: „Noch jemand?! Will mir irgendjemand etwas sagen?!".
„Yoongi", ermahnte Seokjin ihn. Angesprochener wirbelte zu ihm herum. Er atmete schwer und kurz glaubte ich, er würde ein Massaker starten. Doch dann nickte er bloß. „Tut mir leid... Macht das Deck sauber. Und Taehyung, du gehst zurück auf den Mast", forderte er unter zusammen gepressten Zähnen. „O-Okay", stammelte der Jüngere, rührte sich allerdings nicht. Erst als ich meine Hand auf seinen Rücken legte, zuckte er zusammen und kam dem Befehl nach. Yoongi starrte mich an, als würde er noch irgendetwas sagen wollen. Doch schließlich drehte er sich einfach um und machte sich auf den Weg in seine Kajüte.
„Und du wolltest mir nicht glauben, huh?!", rief ich ihm hinterher, weil ich es einfach nicht lassen konnte. Der Kapitän blieb abrupt stehen. „Halt deine Klappe, Jimin. Ich bin gerade absolut nicht in der Stimmung für deine albernen Spielchen", von seinem Schwert tropfte immer noch Blut. Ich hob beschwichtigend die Hände hoch: „Ganz ruhig, Brauner. Ich wollte es nur nochmal anmerken. Hab ein bisschen mehr Vertrauen in mich". Yoongi sagte nichts. Er setzte einfach seinen Weg fort und verschwand für die nächsten paar Stunden in seiner Kajüte.
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Updates werden jetzt nur noch einmal in der Woche kommen. Wir ziehen nämlich um und ich werde kaum Zeit haben meine Kapitel vorher vernünftig durchzugehen ^^
Ich hoffe es hat euch gefallen und ich wünsche euch ein schönes Wochenende! <3
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