Chapter 6

Ivory Wheeland

Wieder in meinem Zimmer angekommen schlug ich sogleich die Tür zu, versicherte mich noch einmal, dass sie auch wirklich zu war und schloss sie dann zur Sicherheit noch ab.

Aufgeregt lief ich in meinem Zimmer auf und ab und versuchte mir alles zu erklären, doch das konnte ich nicht. Meine Mutter hatte ausdrücklich gesagt, dass Michael die ganze Zeit dort gewesen war, jedoch war ich mir auch sicher, dass ich jemanden gesehen hatte. Es konnte nicht sein, dass das Einbildung gewesen war, dazu fühlte es sich zu real an. Und ich war zu dem Zeitpunkt auch nicht müde oder gestresst gewesen. Jetzt war ich jedoch gestresst. Sehr sogar.

Mit etwas zittrigen Fingern begann ich schließlich in einem meiner Umzugskartons zu wühlen, die ich noch nicht ausgepackt hatte und zog schlussendlich eine Packung Zigaretten heraus, in der auch ein Feuerzeug steckte. Ich musste jetzt unbedingt eine Rauchen. Das musste ich immer, wenn ich extrem gestresst war.

Ich öffnete also meine Zimmertür wieder, spähte vorsichtig auf den Flur und verließ erst das Zimmer, als ich mir sicher war, dass sich dort niemand aufhielt. Mit schnellen Schritten und paranoiden Blicken in alle Richtungen begab ich mich zur Haustür, um durch diese das Gebäude zu verlassen.

Draußen zog ich dann Zigarette und Feuerzeug aus der Schachtel und steckte mir erstere zwischen die Lippen. Die Schachtel steckte ich ein und zündete dann die Zigarette an, ehe ich auch das Feuerzeug in meiner Jackentasche verschwinden ließ. Ich nahm einen tiefen Zug und spürte wie der Qualm meine Lunge flutete. Zögernd schloss ich die Augen und lehnte mich mit dem Rücken gegen die Hauswand.





Michael Langdon

"Da sind dann...diese Stimmen in meinem Kopf. Sie verfolgen mich in meinen Träumen und...keine Ahnung, reden von irgendwelchen Themen, flüstern miteinander...", meinte ich leise.

Die Träume waren wohl der Hauptgrund, weshalb Grandma mich in Therapie stecken wollte.

Ab und zu mal Albträume zu haben, das war ja keine große Sache.

Doch...ich hatte jede Nacht solche Träume. Und in jedem Traum tauchten diese mir unbekannten Stimmen auf. Immer diesselben.

"Kennst du diese Stimmen? Handelt es sich hierbei vielleicht um...Mitschüler oder Familie?", hakte Mrs. Wheeland nach.

Leicht schüttelte ich den Kopf.

"Nein. Jedenfalls...nicht hauptsächlich. Meistens sind es immer die gleichen Stimmen, doch...ich bin mir sicher, dass ich sie noch nie in der echten Welt gehört habe", antwortete ich.

"Und...weißt du, wie viele Stimmen es sind?", hakte sie nach.

Ich zuckte leicht mit den Schultern.

"Mal mehr, mal weniger. Meistens ist es irgend so ein Kerl, der irgendwas von Operationen erzählt, die er noch durchführen müsste. Und eine Frau, die immer nach ihm ruft und rummeckert. Dann gibt es da noch zwei männliche Stimmen, die sich immer streiten, wegen irgendwelchem Scheiß", meinte ich.

"Also sprechen die Stimmen nicht einmal mit dir, sondern....miteinander?"

Wieder nickte ich.

"Sie haben noch nie mit mir gesprochen. Ich...bin praktisch der stille Zuhörer zwischen ihnen", meinte ich.

Die meisten Leute, die für verrückt erklärt wurden, weil sie Stimmen hörten, wurden von besagten Stimmen dazu gedrängt, irgendetwas Schlimmes zu machen. Bei mir...war das irgendwie nochmal anders. Wenn auch noch lange nicht weniger gruselig.

"Interessant. Lass' uns das Gespräch über deine Träume das nächste Mal fortführen. Bis dahin könnte es dir vielleicht helfen, eine Art...Traumtagebuch zu führen, in welchem du einfach jede Nacht aufschreibst, was genau du geträumt hast. Was das für Stimmen waren und worüber diese Stimmen gesprochen haben. So können wir uns vielleicht etwas näher an den Kern dieser Träume heranwagen", meinte sie und schrieb etwas in ihrem Notizbuch nieder.

Leicht nickte ich. Vielleicht...würde es ja wirklich etwas bringen.

"Deine Grandma hatte etwas von....Aggressionsproblemen angedeutet. Möchtest du darüber gerne heute mit mir sprechen?", fragte sie.

Leicht zuckte ich mit den Schultern.

"Was wollen Sie denn genau wissen?", meinte ich.

"Wann hat das angefangen? Mit wie vielen Jahren hattest du das erste Mal das Problem, deine Gefühle...nicht ganz kontrollieren zu können?", fragte sie.

Kurz überlegte ich, ehe ich antworten konnte.

"Schon als Kleinkind, würde ich sagen. Ich...war nicht gerade ein einfaches Kind, ich konnte ziemlich schnell sauer werden und war nicht allzu gut wieder zu beruhigen", meinte ich.

"Hast du Menschen oder Tiere in deiner Umgebung schon einmal absichtlich und vollkommen bewusst weh getan?", fragte sie.

"Tieren, ja. Früher einmal, als ich öfter im Garten gespielt habe. Aber es waren meistens nur...Insekten oder Frösche oder sowas. Und Menschen....nur, wenn ich sauer auf etwas war. Dann war es das Beste für alle anderen, sich von mir fernzuhalten", murmelte ich.

"Ist dies immer noch der Fall?", fragte sie.

"Wahrscheinlich", antwortete ich.

Kurz darauf war unsere Zeit auch schon vorbei und wir beide standen auf, sie reichte mir die Hand.

"Es hat mich sehr gefreut, dich kennengelernt zu haben, Michael. Ich werde deine Grandma im Laufe der Tage anrufen, um weitere Termine für dich auszumachen, sofern das für dich okay ist", lächelte sie.

"Schätze schon", erwiderte ich.

Es hatte gut getan, mit wem darüber zu sprechen. So ganz sachlich und ohne gleich verurteilt zu werden.

Vielleicht hatte Grandma ja recht.

Vielleicht tat es mir ja wirklich gut.





Ivory Wheeland

Nach der ersten Zigarette folgte die zweite und stoppen tat ich erst nach der dritten. Mittlerweile hatte ich mich wieder etwas beruhigt und versuchte mir einzureden, dass es lediglich Einbildung gewesen sei, auch wenn ich wusste, dass dies nicht der Wahrheit entsprach. Aber es gab auch keine logische Erklärung, denn es konnte niemand im Haus gewesen sein, denn wenn jemand eingedrungen wäre, dann wäre die Alarmanlage losgegangen. Ja, wir waren theoretisch vollkommen sicher in dem Haus.

Langsam ließ ich meinen Blick die Straße entlang schweifen. Eine ältere Frau ging gerade mit einigen Hunden die Straße entlang und betrat dann das gegenüberliegende Grundstück. Bevor sie dies tat blickte sie jedoch einmal kurz zu unserem Haus hinüber und mir war, als würde sie mich ebenfalls flüchtig ansehen.

Zögernd wandte ich mich ab und betrat das Haus wieder, um dann mein Zimmer aufzusuchen. Die Zigarettenschachtel mit dem Feuerzeug darin versteckte ich in meinem Kleiderschrank zwischen ein paar Pullovern.





Michael Langdon

"Ich begleite dich noch mit zur Tür", fügte Mrs Wheeland noch hinzu. Und so lief es auch. Sie lief voraus zur Tür und ich ging brav hinter ihr her. "Grüß deine Grandma schön von mir", meinte sie zum Schluss noch. Ich nickte knapp, woraufhin wir uns voneinander mit einem sachten Händedruck verabschiedeten. Ich machte mich auf Richtung Zuhause und schloss mir dann die Haustür auf. Wenigstens war der Weg nicht so weit gewesen. "Und? Wie war Es?", fragte Grandma mich sofort, als ich die Küche betreten hatte. Sie sah am Esstisch, rauchte gerade eine Zigarette, die sie sich frisch angezündet hatte. "Ganz gut. Sie möchte bald bei dir mal anrufen, um neue Termine auszumachen", teilte ich ihr mit und schnappte mir aus dem Kühlschrank eine Cola, ehe ich mich ihr gegenüber setzte. "Das klingt gut. Sehr gut, Schatz", beteuerte sie mit einem Lächeln auf den Lippen. Natürlich war ich froh darüber, dass das alles geklappt hatte und dass ich jetzt vielleicht mein Leben etwas besser auf die Rolle kriegen könnte. Das wollte Grandma ja auch. Trotzdem wäre es mir lieber, einfach generell keinen Psychiater benötigen zu müssen. Und dann war da noch die Tatsache, dass diese Psychiaterin ausgerechnet die Mutter von dem ersten Mädchen war, mit welchem ich mich aus unserer Schule gut verstand. Keine Ahnung, was Ivy jetzt von mir dachte. Jeder andere würde mich wohl als einen verrückten Versager abstempeln.

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